Besuch des Klosters in Lorch am 01.06.2002
Herzog Friedrich von Schwaben (1047 – 1105) und seine Frau Agnes von Waiblingen, die Tochter von Kaiser Heinrich IV., haben im Jahr 1102 auf einem Höhenzug über dem Dorf Lorch ein kurz vorher gegründetes Benediktinerkloster dem Papst übertragen und dafür die Garantie erhalten, es als Grablege für das Geschlecht der Staufer benutzen zu können. In der Gründungsurkunde heißt es, das Kloster solle dem Seelenheil der Glieder des staufischen Hauses dienen.
Im Jahr 2002 jährt sich diese Schenkung zum 900. Mal. Das Jubiläum wird ab dem 29. April mit einer großen Sonderausstellung und einem vielseitigen Veranstaltungsprogramm im neu restaurierten Kloster gefeiert. Im Zentrum der Ausstellung steht die reizvolle, spätmittelalterlich geprägte Klosteranlage mit Kirche, Kreuzgang und Wirtschaftsgebäuden, umgeben von einer noch vollständig erhaltenen Ringmauer. Ein Rundgang durch die Klosteranlage weist auf die Spuren der Geschichte hin und lädt die Besucher zu eigenen Entdeckungen ein. Viele Exponate zeugen von der langen Klostergeschichte. Im Kapitelsaal des Klosters hat der Maler Hans Kloss ein sehenswertes Kolossalgemälde von ca. 30 m Länge und 4,50 m Höhe über Ereignisse der staufischen Geschichte erstellt.
Hier ein kurzer Überblick über die Klostergeschichte:
Herzog Friedrich I. von Schwaben (1047 – 1105) trug als treuer Parteigänger von Kaiser Heinrich IV. mit seinen Hausgütern dazu bei, dessen Stellung zu festigen. Das Amt des Herzogs, das ihm 1079 übertragen worden war, brachte ihm eine große Machtposition und verschiedene Vorrechte. Als 1098 auch die Papstpartei seinen Herrschaftsanspruch anerkannte, konnte er seinen Machtbereich durch kluge Territorialpolitik weiter ausbauen. Als er 1105 starb, wurde er noch in der Stiftskirche in Lorch beerdigt. Erst als die erste Bauphase der Klosterkirche, einer dreischiffigen Pfeilerbasilika, um das Jahr 1140 abgeschlossen war , verlegt König Konrad III. seine Ahnen in die neue Grablege.
Zu den Toten, die in das Kloster überführt wurden, gehörten neben Herzog Friedrich I. von Schwaben auch sein 1103 verstorbener Bruder Walther und die Mutter von Kaiser Friedrich I. Barbarossa (Irene von Bayern, gest. um 1135). Der 1150 im Alter von 14 Jahren verstorbene Heinrich von Staufen, der Sohn König Konrads III. und seiner Frau Gertrud ist der einzige König, der in der Klosterkirche beerdigt wurde. Zu den bekanntesten Toten, die in der Klosteranlage begraben wurden, zählt Irene (Eirene), die Tochter des Kaisers von Byzanz. Der Minnesänger Walther von der Vogelweide hat sie so besungen: „die hochgeborene Königin, die Rose ohne Dornen, die Taube ohne Galle“. Ihr Mann, König Philipp von Schwaben, der 1208 von Otto von Wittelsbach ermordet wurde, ist in der Krypta des Speyrer Doms begraben.
Unter Friedrich I. Barbarossa (1125 – 1190) und Heinrich VI. (1165 – 1197) erreichten die Staufer den Höhepunkt ihrer Macht. Der letzte glanzvolle Staufer war Friedrich II. (1194 – 1250). Mit der Verlagerung ihres politischen Zentrums nach Sizilien, das den Staufern durch die Ehe Heinrichs VI. mit der sizilianischen Königstochter nach dem Tod von König Roger II. als Erbe zugefallen war und dem Verfall ihrer Königsmacht in Deutschland verlor das Kloster in Lorch seine Funktion als Grablege. Kurz nach dem Tod Kaiser Friedrichs II. ging das durch den Stifter verliehene Recht des Klosters, den Vogt wählen zu können, an die Grafen von Württemberg über. Damit ging die Möglichkeit, eigenständig gewisse Rechtsgeschäfte, wie zum Beispiel die ‚Hohe Gerichtsbarkeit’, tätigen zu können, dem Kloster verloren.
Im frühen 13. Jahrhundert beginnt eine zweite Bauphase des Klosters. In dieser Zeit entstanden die romanischen Skulpturen und Dekorationen an den Vierungspfeilern, die den Mittelraum des Kirchenschiffs betonen. Im 14. und 15. Jahrhundert kam es zu einem Verfall des Mönchtums, das bis dahin eine bestimmende und geistige Macht in Europa gewesen war. Davon war auch das Kloster in Lorch betroffen. Erst im ausgehenden 15. Jahrhundert setzt eine neue Blütezeit ein. Graf Eberhard von Württemberg betrieb als Klostervogt 1462 den Beitritt des Klosters zur ‚Melker Kongregation’, einer Vereinigung von Klöstern, die eine Erneuerung des Klosterlebens anstrebten. Unter der Leitung des Abts Nikolaus Schenk von Arberg wurde der romanische Chor in seine noch heute erhaltene spätgotische Form gebracht. Dabei wurde die Apsis abgerissen und der Chorraum erhöht.
Nach der Öffnung der Staufergräber im Jahr 1475 wurden die sterblichen Überreste in eine von einem Göppinger Künstler geschaffene spätgotische Tumba im Mittelschiff der Lorcher Klosterkirche umgebettet. Die kunstvolle Deckplatte dieses Steinsargs zeigt einen Adler als Symbol für das Reich und drei Löwen, das Wappen der Staufer.
Der Bauernkrieg setzte dem wirtschaftlichen und geistigen Aufschwung des Klosters ein jähes Ende: Am 26. April 1525 wird das Kloster belagert, geplündert und zum Teil zerstört. Die kostbare Bibliothek wurde fast vollständig vernichtet und die Mönche verjagt. Während des Wiederaufbaus werden 1530 im Mittelschiff der Kirche Fresken über die Staufer angebracht. Der einstige Rang des Klosters wurde allerdings nicht mehr erreicht.
Als Herzog Ulrich 1534 die Reformation in Württemberg einführte, war auch das Kloster Lorch betroffen. Den Mönchen blieb nur die Wahl zwischen der Übersiedlung zum Kloster Maulbronn und der Zwangsausweisung. Während des ‚Augsburger Interims’ wurde das Kloster 1548 den Mönchen zurückgegeben. 1556 hob Herzog Christoph von Württemberg das Kloster erneut auf und richtete in der Anlage eine Schule zur Ausbildung von evangelischen Pfarrern ein. Nach Abschluss des Westfälischen Friedens 1648 wurde das Kloster endgültig reformiert.
In der folgenden Zeit wurde die Lorcher Klosteranlage als Sitz von Verwaltungsbehörden benutzt. So wurde im Kloster zuerst ein Klosteroberamt mit einem herzoglichen Verwalter, dann ein ‚Kameral- und Forstamt’ eingerichtet. Die Äbte waren als Vertreter des Klosteramts Mitglieder im württembergischen Landtag. Ab 1727 ist der jeweilige Kanzler der Universität Tübingen zugleich Prälat in Lorch. Im Jahre 1806 wird das Kloster säkularisiert. 1879 bis 1883 wurden die Schäden am Kloster ausgebessert, so dass zumindest der ruinöse Eindruck genommen wurde. 1932 zog eine Bauernschule in die Klosterräume ein.
Nach dem zweiten Weltkrieg übernahm das Hilfswerk der Evangelischen Kirche die Klostergebäude in Pacht und eröffnete ein Altersheim für Flüchtlinge und Heimatvertriebene. Ab 1952 übernahm die Evangelische Heimstiftung das Altersheim.