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Kleine Kulturgeschichte des Kalenders

Donnerstag, 16. Oktober 2014. Vortrag von Herrn Prof. Dr. Werner Mezger, Universität Freiburg. Veranstaltung in Zusammenarbeit mit der Bücherei Köngen. Ort: Zehntscheuer Köngen (Obere Neue Straße 13). Beginn: 19:30 Uhr. Kosten: 8 € (Abendkasse). Schüler 4 €

Werner Mezger, bekannt durch zahlreiche Buchveröffentlichungen, Rundfunk- und Fernsehsendungen, ist Professor für Europäische Ethnologie an der Universität Freiburg und Direktor des Freiburger Instituts für Volkskunde der Deutschen des östlichen Europas (IVDE). In seinem Vortrag geht es um die Kulturgeschichte unserer Zeitgliederung, um die nicht beeinflussbare Abhängigkeit der Zeit von kosmischen Gegebenheiten ebenso wie um ihre Gestaltbarkeit durch den Menschen. Sämtliche Systeme der Zeiteinteilung, die über die natürlichen Rhythmen von Tag und Nacht hinausreichen, sind nämlich nicht einfach geworden, sondern kulturell konstruiert: die Feingliederung des Tages in Stunden, Minuten und Sekunden, aber auch die Strukturierung größerer Zeiträume in Wochen, Monate und Jahre, bis hin zu den historischen Zäsuren, ab denen die verschiedenen Kulturen der Erde ihre jeweilige Zeitrechnung beginnen. In einem großen Überblick sollen eben die Konstruktionsprinzipien offen gelegt werden, nach denen unser heutiger Kalender funktioniert.

Dabei stellen sich viele Fragen, über die wir uns gewöhnlich kaum Gedanken machen: Warum gibt es Schaltjahre? Warum wird der Schalttag am Schluss des Monats Februar eingeschoben und nicht am Jahresende? Warum sind Juli und August Zeugnisse der Eitelkeit römischer Kaiser? Warum kann sich Ostern um bis zu 35 Tage verschieben, während Weihnachten immer am 25. Dezember gefeiert wird? Warum ist der September (von lat. septem = sieben) nicht der siebte, wie sein Name sagt, sondern der neunte Monat im Jahr? Warum setzt sich diese Zahlendifferenz auch in den drei Folgemonaten fort? Seit wann beginnt das Jahr überhaupt am 1. Januar? Was geschah bei der Julianischen, was bei der Gregorianischen Kalenderreform? Warum feiert man in Appenzell zweimal Silvester? Wer herrschte früher über die Zeit und wer verwaltet sie heute?

Einen besonderen Schwerpunkt des Vortrags bilden die feinen Symmetrien des Kirchenjahres, das selbst noch in der stark säkularisierten Welt der Moderne die eigentliche Bezugsgröße für unsere Daseinsrhythmen ist. Wie hierbei das liturgische Jahr als Mikrokosmos der Heilsgeschichte zur Stabilisierung des kulturellen Gedächtnisses dient, wird abschließend an den Bildprogrammen spätromanischer Kirchenportale gezeigt, die sich bei näherer Betrachtung als scharf durchdachte, Stein gewordene Kalender von höchster Differenziertheit erweisen.