Am Ende des 'Ersten Weltkriegs'
war eine schon lange schwelende Weltanschauungskrise offen
ausgebrochen. Der Sinn des Lebens war dem Menschen fragwürdig
geworden. Viele hatten sich am technischen Fortschritt und an
den Leistungen der modernen Wirtschaft berauscht. Nun wurde der
Mensch mehr und mehr vom Zweifel erfüllt, ob all dies genügt,
dem Dasein Sinn zu geben. Der gläubige Optimismus der
Aufklärung und des Liberalismus war während des ersten
Weltkriegs weitgehend verloren gegangen. In dem bedrängten
Europa erscheint 1918 das Werk Oswald Spenglers über den
"Untergang des Abendlandes". Die Auflösung des christlichen
Glaubens wurde insbesondere durch die Anhänger der russischen
Revolution vorangetrieben. Die breite Masse der deutschen
Bevölkerung stand der Religion gleichgültig gegenüber.
Unter dem Druck einer dem Christentum
feindlichen Zeitströmung bilden sich sowohl im Protestantismus
als auch im Katholizismus Gegenbewegungen.
Für die deutschen Protestanten war die Reformation nicht mehr
nur eine Abkehr vom mittelalterlichen Katholizismus, sondern
eine eigene positive Form der Religion mit fester Grundlage in
Dogma und Bekenntnis. Die evangelische Bekenntniskirche wird
eine unerschütterliche Macht religiösen und sittlichen
Widerstands.
In die Zeit nach dem ersten Weltkrieg fällt
auch die Gründung des 'Bundes der Köngener'. Unter der
Leitung des Tübinger Privatdozenten für Religionsgeschichte,
Professor Dr. Jakob Hauer (1881 - 1962), hatte sich am
27.12.1919 eine "jugendbewegte" Gruppe von den "Bibelkränzchen"
(BK) der evangelischen Kirche getrennt. Sie nannten sich
zunächst "Bibelkreis neuer Richtung" oder nur "Die Neuen".
Mitglieder anderer Jugendbünde stießen hinzu. Für viele
Beteiligte hatten die Kriegserfahrungen "einen tiefen Einschnitt
in ihrem Glaubensleben bedeutet".
Das erste Treffen der "Neuen" fand in den
Ostertagen des Jahres 1920 im Köngener Schloss statt, in
dem zu dieser Zeit auch eine Jugendherberge eingerichtet war.
Als sich der Bund am 9. und 10. Oktober 1920 neu organisierte,
wurde der Ort der ersten Zusammenkunft für die Namensgebung
herangezogen.
In der Festschrift zum 50jährigen Jubiläum des
Bundes der Köngener steht über die damalige Schlossherrin, Frau
Berta Weishaar (1854 -1935): "...eine schlichte, gütige
Frau, die uns nicht nur Haus und Hof freundlich zur Verfügung
stellte, sondern auch an unserem Leben und Wollen innerlich
Anteil nahm" und "zu einer mütterlichen Freundin geworden" ist.
Auch weitere Treffen des 'Bundes der Köngener'
fanden im Schloss statt. Dabei scheint es sehr reglementiert und
spartanisch zugegangen zu sein. So heißt es in der Einladung zur
"diesjährigen Frühlingstagung am 15. - 18. April 1922":
"...abends Tee und Suppe, ... Morgenkaffee und Mittagessen. Brot
kann gegen Reisebrotmarken gekauft werden. Wer am Mittagessen
nicht teilnehmen will, muss sich mit genügend kalter Verpflegung
versehen, da auf ausdrücklichen Wunsch der Einwohner von Köngen
nicht abgekocht werden darf." Und an anderer Stelle: "Die
Ankommenden werden gebeten, sich sofort nach ihrer Ankunft bei
Karl Knoch ihre Unterkunft anweisen zu lassen. Diese ist für die
meisten in Scheunen vorbereitet. Wer aber genötigt ist, ein Bett
oder ein Sofa bei den Ortseinwohnern in Anspruch zu nehmen, möge
dies bei der Anmeldung vermerken".
Der Dichter
Hermann Hesse (1877-1962)
hatte Kontakt zum 'Bund der Köngener'. Für seine Mitgliedschaft
gibt es nach unserem derzeitigen Wissen keinen Hinweis. Auch in
Köngen war er wohl nie. In seiner Novelle "Die Morgenlandfahrt"
setzte er dem Bund ein literarisches Denkmal.
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Hermann Hesse (* 1877,
†
1962) im Sommer 1937 |
Ein Gruppe aus dem 'Bund der Köngener' schloss
sich 1933 mit großer Begeisterung den Nationalsozialisten an, da
sie von ihnen die Erfüllung ihrer eigenen Ideale erwartete.
Später wurden sie bitter enttäuscht. Der andere Teil des Bundes
formierte sich unter dem Stuttgarter Pfarrer
Rudolf Daur und ging zum Teil unter beträchtlichem Risiko auf Distanz zu den
Nationalsozialisten.
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