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Herzog Ulrich von Württemberg -
Der Mord im
Böblinger Wald
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Im Sommer des Jahres 1514 musste
Herzog Ulrich
erkennen, dass ihm in der Ausübung der
Macht Grenzen gesetzt waren. Die Bauern aus dem Remstal hatten
mit ihrem offenen Aufstand den Willen des Volkes ausgedrückt,
sich nicht rücksichtslos von der Obrigkeit ausbeuten zu lassen.
Auch privat geriet Herzog Ulrich in Schwierigkeiten: Seine Ehe
mit Sabina von Bayern stand von Anfang an unter keinem
guten Stern.
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Sabina von Bayern (*1492,
†1564), Tochter des bayerischen Herzogs Albrecht IV., ab
1511 Ehefrau des Herzogs Ulrich von Württemberg |
Diese Umstände haben sicher dazu beigetragen,
dass er sich häufiger im prunkvollen Haus des Erbmarschalls aus
Köngen, Konrad Thumb von Neuburg, im Norden der Stadt
Stuttgart gelegen, aufhielt. Der achtundzwanzigjährige Ulrich
hatte ein Auge auf die Thumbsche Tochter
Ursula geworfen,
die er seit Kindheitstagen kannte und die er auch nach seiner
Heirat mit Sabina immer wieder besuchte. Daran änderte sich
nichts, als die schöne und charmante Ursula mit dem herzoglichen
Stallmeister und engem Vertrauten Ulrichs,
Hans von Hutten,
vermählt wurde.
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Ursula von Hutten, geborene
Thumb von Neuburg (*1491, †1551)
Gemälde, Privatbesitz
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Weder der Vater Ursulas noch ihr Mann störten
sich zunächst daran, dass Ulrich seine Freundin Ursula immer
wieder in ihrem "Frauenzimmer" aufsuchte. Erst der Bruder Hans
von Huttens, Ludwig, berichtete seinem Vater (ebenfalls
mit dem Namen Ludwig) im Fränkischen von der
"merkwürdigen
Beziehung". Dieser riet dem Sohn in einem Brief vom 17.
Januar 1515 seine Stellung am Hof sofort zu kündigen und mit
seiner Frau aus Stuttgart wegzuziehen.
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Auszug des Briefes des
Vaters Ludwig von Hutten an seinen Sohn Hans vom
17.01.1515: "Von Deinem Bruder habe ich erfahren, was
Dir begegnet ist von Deinem Herrn, des Amts und Deines
Weibes halben. Das wird kein Gut tun. Viel Gerede und
Geschwätz wird daraus. [...] Damit Gott befohlen und
schick Dich selbst zum besten in die Sache."
Am gleichen Tag schreibt Ludwig von
Hutten an Konrad Thumb von Neuburg: "Wo Ihr Eure
und meine Tochter [Schwiegertochter] nicht bewahren
könnt, dass der Mann [der Herzog] viel Zugang zu ihr
haben will, daraus Gerede entsteht, so wäre mein Rat,
dass Hans seinen Dienst aufgibt und wegreitet und dass
ihr mir die Tochter herabschickt; ich mache mir Sorgen,
dass es sonst nicht gut gehen wird."
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Konrad Thumb von Neuburg,
(*1465, † 1525) und seine Ehefrau Margaretha
Bildquelle:
Internet
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Hans wollte jedoch noch einige
Zeit zuwarten. An seinen Vater schreibt er: "Ich will noch eine
weil zusehen, aber was Ihr ratet, das will ich tun". Indirekt
räumt Hans von Hutten damit ein, dass er über den Umgang des
Herzogs mit seiner Gattin Ursula Bescheid wusste. Seine zögernde
Haltung lässt sich vielleicht dadurch erklären, dass er
befürchtete, durch die Kündigung seines Dienstvertrags in
"höchste Ungnade" zu fallen und damit seiner Karriere ein
Ende zu setzen.
Zwischen Ursula und Ulrich spielte sich
zweifellos mehr ab als "harmloses Scherzen und ziemliches
Reden". Die Lage spitzte sich zu, als der Herzog seinem
Stallmeister die Liebe zu Ursula gestand und um die
Duldung
einer Liebesbeziehung bat. Im gleichen Zusammenhang bot er
Hans die Vogtei in Urach an. Hans lehnte dieses Angebot ab.
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Nach dem - natürlich
parteiischen - Bericht der Familie von Hutten soll der
Herzog vor seinem Stallmeister niedergekniet sein und
ihn mit ausgebreiteten Armen darum gebeten haben, "zu
gestatten, das er seine Eheliche haußfrau liebhaben möge,
wann Er kenn wol und mögs nit lassen". Diese Szene hat
Ulrich als Lüge bezeichnet.
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Hans von Hutten behielt das Ansinnen des Herzogs
nicht für sich, sondern machte es über seinen Freundeskreis Hof
publik. Dem ständig argwöhnischen Ulrich kam der daraus
resultierende Spott am herzoglichen Hof zu Ohren. Er sah sich
von Hans von Hutten verleumdet, lächerlich gemacht und in seiner
fürstlichen Ehre angegriffen. Als er diesen zur Rede stellte,
nannte er ihn einen "treulosen, verräterischen
Fleischbösewicht". Wer den aufbrausenden, selbstherrlichen
und doch empfindlichen Charakter Herzog Ulrichs kannte, konnte
Böses voraussehen.
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Herzog Ulrich von
Württemberg (*1487, † 1550),
Bildquelle: Landesmedienzentrum
Baden-Württemberg
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Aus den ehemals engen Freunden wurden Feinde. Da der
Stallmeister ahnte, was die Feindschaft des Herzogs für ihn
bedeutete, bat er am 6. Mai 1515 um seine Entlassung. Ulrich
zögerte seine Entscheidung hinaus.
Am 7. Mai 1515
unternahm der Herzog
eine Jagd im Schönbuch. Ungeachtet der Warnungen nahm Hans von
Hutten an diesem Ausritt teil. Auf einem Jagdpferd folgte
der Stallmeister, ohne Harnisch und nur mit einem Degen
versehen, dem schwer bewaffneten Herzog in den Böblinger Forst.
In einem Waldstück schickte Herzog Ulrich alle
Begleiter voraus, selbst seinen Leibknecht. Als sich beide
Kontrahenten ohne Begleitung fanden, kam es erneut zu
gegenseitigen Anschuldigungen. Der in seinem Eisenpanzer sicher
geschützte Ulrich erhob gegen seinen ehemaligen Vertrauten das
Schwert, gab dem Pferd die Sporen und setzte dem erschrockenen
und um Gnade bittenden Hans von Hutten nach. Der Herzog hetzte
den Flüchtenden mehrere Male um ein Gebüsch bis er ihm einen
ersten Stich versetzen konnte. Aus einer tiefen Wunde blutend
fiel Hans vom Pferd. Der Herzog stach noch mehrmals zu.
Nach der Bluttat legte Herzog Ulrich einen
Gürtel um den Hals des Toten und knüpfte ihn am Knauf des in
einen Baum gestoßenen Schwertes fest. Dies war ein Zeichen
dafür, dass nach dem Recht der Feme
gerichtet worden war.
In seinem eigenen Bewusstsein hatte Herzog Ulrich das von ihm
ausgesprochene Urteil mit eigener Hand vollstreckt.
Teilnehmer der Jagdgesellschaft fanden den in
seinem Blut liegenden Toten. Herzog
Heinrich von Braunschweig, Ulrichs Schwager, sorgte für die
vorübergehende Aufbewahrung des Leichnams in der nahe
gelegenen Kirche von Holzgerlingen. Bald danach ließ
Konrad Thumb von Neuburg seinen ermordeten Schwiegersohn
in seiner Familiengruft in der Köngener Peter- und
Paulskirche beisetzen.
Herzog Ulrich stellte sich der
vorsätzlich
und ohne Affekt begangenen Tat. Er begründete sie damit, dass er
"nicht nur merkliche, sondern übermerkliche Ursach"
zu
seinem Verhalten gehabt habe. Zu seiner
Rechtfertigung
führte er Untreue und Verrat an, die Hans an ihm begangen habe.
Auch das Gerücht, Hans von Hutten habe mit Sabina, der Ehefrau
Ulrichs, ein Verhältnis gehabt, wurde in die Welt gesetzt. Für
alle diese Vorwürfe fehlen Beweise. Eigentlicher Grund war der
verletzte Stolz des von seinem Femerecht
überzeugten dünkelhaften Fürsten. Aus der Gerichtsgewalt leitete
er das Strafmaß ab.
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In einem so genannten
Ausschreiben an das Reich am
6. September 1516
stellt Herzog Ulrich seine Handlung gegen Hans von
Hutten als die rechtmäßige Hinrichtung eines Übeltäters
dar. Über die Straftat Hans von Huttens wird nichts
ausgesagt. Es wird nur festgestellt, dass dieser
gegenüber seinem Herzog "treulos" gehandelt hat.
In gleichen Schreiben ließ Ulrich
verbreiten, dass das ihm nachgesagte "Verhältnis" zu
Ursula eine reine Erfindung des treulosen Verblichenen
und das verbreitete Gerücht von "gesparter Warheit" sei.
Für ihn ist Ursula ein "erentrych frawenbild,
löblichs eerliches stamens und herkummens", die sich
gegen ihn und andere ebenso "loblich eerlich und wol
gehalten" hat..
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Der Mord an dem Stallmeister
veranlasste den streitbaren Humanisten
Ulrich von Hutten,
einen Verwandten des Ermordeten, den Herzog in erbitterten
Flugschriften zu brandmarken und Kaiser Maximilian als
Richter anzurufen. Die Ereignisse begannen sich für Herzog
Ulrich zu überstürzen. Sabina, die Gemahlin des Herzogs,
hatte offensichtlich genug von den Peinigungen ihres Mannes und
floh im November 1515 aus dem Land. Dadurch wurden ihre Brüder,
die Bayernherzöge, zu nie versöhnten Widersachern. Ulrich
widersetzte sich allen Schlichtungsversuchen Kaiser Maximilians
und fiel 1516
zum ersten Mal in die kaiserliche Acht.
Nach dem 'Blaubeurer Vertrag'
vom Oktober 1516
sollte das Herzogtum sechs Jahre lang von einem aus Räten und
Landschaft bestehenden Regiment verwaltet werden.
Herzog
Ulrich reagierte mit Hochverratsprozessen gegen führende
Männer seines Landes, die häufig mit Hinrichtungen endeten. Auch
der Erbmarschall Konrad Thumb von Neuburg konnte nur durch
Flucht dem Treiben des Herzogs entkommen.
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Mehr zur Regierungszeit Ulrichs
von Württemberg erfahren Sie unter der Rubrik "Geschichte
Württembergs" in
'Schwaben 1400 - 1520' und
'Württemberg 1520 - 1618'
Die Ermordung Hans von Huttens sorgte zusammen
mit anderen Ereignissen für größte politische Wirrnisse und ist
von wesentlicher Bedeutung für die württembergische Geschichte.
Georg-Wilhelm Hanna ist der Sache im Detail nachgegangen.
Seine über 200 Seiten umfassende Magisterarbeit mit
umfangreichem Quellenverzeichnis ist nicht nur wissenschaftlich
exakt, sondern auch spannend zu lesen.
Die Arbeit Georg-Wilhelm Hannas wird vom
Geschichts- und
Kulturverein Köngen e.V. als Broschüre herausgegeben und
zum Preis von 23,00 € (plus Porto) verkauft.
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Quellen:
1) Brendle, Franz: Dynastie, Reich und
Reformation. Die württembergischen Herzöge Ulrich und Christoph,
die Habsburger und Frankreich. Stuttgart 1998.
2) Flake, Otto: Ulrich von Hutten (ohne
Jahrgang)
3) Frasch, Werner: Ein Mann namens Ulrich.
Württembergs verehrter und gehasster Herzog in seiner Zeit.
DRW-Verlag Leinfelden-Echterdingen, 1991
4) Hergenröder, Gerhard: Köngen. Geschichte
einer Gemeinde, Köngen 1985
5) Weller, Karl und Arnold: Württembergische
Geschichte, Stuttgart 1989
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