Württemberg 1520 - 1618

 

 

 

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Württemberg im Späten Mittelalter (1250 - 1400)

Württemberg vom Späten Mittelalter bis zur Reformation (1400 - 1520)

Württemberg von der Reformation bis zum Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges (1520 - 1618)

Württemberg in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges (1618 - 1648)

Württemberg in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges (1618 - 1648)

Württemberg in der Zeit vom Westfälischen Frieden bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts (1648 - 1750)

Württemberg von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis zum Ende des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation (1750 - 1806)

Württemberg in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts (1806 - 1850)

Württemberg von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur Gründung des Deutschen Reiches (150-1871)

Württemberg als Bundesstaat des Deutschen Reiches

Württemberg in der Zeit der Weimarer Republik

 

 

 
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Bauernkrieg und Reformation in Württemberg 

  • Der Bauernkrieg (1524 / 1525)
 
  • Ursachen
  • Feudale Grundherrschaft
 
  • Im System der feudalen Grundherrschaft waren für die Nutzung des Bodens Abgaben zu entrichten. Dies geschah bis zum späten Mittelalter meist in Form von Naturalien. Danach nahm der Anteil der Geldleistungen an den Abgaben ständig zu.

  • Die Belastungen der Bauern, die sich in erhöhten Abgaben und in vermehrten Diensten (Fronen) für den Grundherrn bemerkbar machten, waren im Südwesten Deutschlands wichtige Ursachen für den Aufstand der Bauern. In manchen Gegenden Württembergs spielte auch die Leibeigenschaft der Bauern eine Rolle.

  • Neben den Grundherren, denen Grund- und Pachtzins zu entrichten waren, forderten Leibherren, Gerichtsherren oder auch die Zehntberechtigten ihre jeweiligen Abgaben ein. So konnte sich der Grundzins auf bis zu 40 Prozent des Ertrags belaufen. Auch Rechtsprechung und Gerichtsbarkeit waren mit Abgaben verbunden.

  Bauern überreichen ihre Abgaben in Naturalien

Holzschnitt des 15. Jahrhunderts
  • Territorialstaaten
 
  • Seit dem Ende des 15. Jahrhunderts waren die württembergischen Herzöge, wie auch andere Landesherren, bestrebt, einen Territorialstaat mit einer starken zentralen Regierung aufzubauen. Bereits Herzog Eberhard im Bart hatte mit seiner Landesordnung von 1495 die rechtliche Basis für einen stärkeren Eingriff des Staates in die bisherigen Freiräume der württembergischen Bevölkerung geschaffen. In den Folgejahren wurden große Teile des wirtschaftlichen, kirchlichen und gesellschaftlichen Bereichs immer stärker reglementiert.  Der Aufbau des dafür notwendigen Verwaltungsapparats verursachte hohe Staatsausgaben.

  • Die Landesherren versuchten ihre wachsenden Ausgaben durch höhere Steuerforderungen auf das ‚gemeine Volk‘ abzuwälzen.   Der allgemeine Unmut  der Bauern ist auch auf Eingriffe des Staates in die dörfliche Selbstverwaltung und auf die fehlende Möglichkeit der politischen Mitbestimmung zurückzuführen.

  • Die Bauern litten vor allem unter der sozialen Deklassierung gegenüber dem aufstrebenden Bürgertum und unter ihrer politischen Einflusslosigkeit. Ihr Unmut  richtete sich gegen die bürgerliche "Ehrbarkeit", welche die lokale Verwaltung und die 'Landschaft' mehr und mehr beherrschte.

  • Die Kritik der Bauern erstreckte sich neben den Verbrauchssteuern auch auf die verringerte Möglichkeit der Wald- und Weidenutzung sowie auf die Folgen der herrschaftlichen Jagd.  

  • Das Jagdrecht war mit vielerlei Eingriffen in die bäuerliche Ökonomie verknüpft, etwa mit Jagdfronten selbst gegen Wildschäden vorzugehen. Bei den Bauern war es ein besonders verhasstes Herrenrecht.

  • Ein weiterer Grund für die Unzufriedenheit war die mangelnde Beschwerdemöglichkeit bei höheren Verwaltungsstellen bzw. beim Herzog.

  • Die Tendenz der Landesherren, die fürstliche Stellung auszubauen, löste eine Krise des Feudalsystems aus. Diese Krise führte zu wirtschaftlichen und finanziellen Problemen der Grundherren, die ihrerseits den Druck an ihre Untertanen weitergaben.

  • Soziale Unterschiede in der Bevölkerung
 
  • Im 14. Jahrhundert war es infolge der Pest zu einem  dramatischen Bevölkerungsrückgang und zur Aufgabe vieler Siedlungen gekommen. Von der Mitte des 15. Jahrhunderts an sorgten klimatische Rahmenbedingungen für einen raschen Anstieg der Bevölkerung und für einen Aufschwung der Landwirtschaft. Die Preise für Agrarprodukte stiegen.

  • Die starke Zunahme der Bevölkerung an der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert führte zur Knappheit an landwirtschaftlichen Produkten und zur Steigerung der Agrarpreise.   Allerdings verschärften sich die sozialen Unterschiede in den Dorfgemeinden.  In den Gebieten, in denen beim Erbfall der bäuerliche Besitz geteilt wurde (Realteilung), entstanden immer kleinere und unwirtschaftliche Bauernhöfe.  Wurde der Hof nur an einen Nachfolger vererbt, so gingen die übrigen Familienangehörigen leer aus. Ein ständig steigender Anteil der landarmen oder landlosen Dorfbewohner (Kleinstbauern, Dorfhandwerker, Tagelöhner)  war von der Agrarkonjunktur ausgeschlossen. Dieser Anteil konnte bis zu 50 Prozent der Dorfbevölkerung betragen.  Die steigenden Lebensmittelpreise und niedrige Löhne sorgten dafür, das für diese ‚unterbäuerliche‘ Schicht die vorhandenen Ressourcen zum Überleben immer knapper wurden. Insbesondere galt dies für die Knappheit des für die Landwirtschaft erschlossenen Bodens und auch von Holz.

Marktbauern

Kupferstich im Jahre 1519 von Albrecht Dürer
 
  • Zu den religiösen und geistlichen Ursachen des Bauernaufstands gehörte der sittliche Verfall der Geistlichkeit und die Vernachlässigung ihrer Pflichten zur Seelsorge. Der von vielen Klöstern zur Schau getragene Reichtum schürte den Hass der Bauern. Die Reformation Luthers wurde von den Bauern auch als eine soziale Bewegung aufgefasst.  Im Verlauf des Bauernkriegs forderte man nicht mehr nur das 'Alte Recht', sondern 'Göttliches Recht' und meinte damit ein religiös begründetes Naturrecht.

 

Die auf die Missstände der Kirche bezogene Reformation führte bald zu gravierenden sozialen Unruhen. In einer seiner Denkschriften hatte Luther geschrieben: "Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemand untertan". Damit nahm er ungewollt Einfluss auf den Aufstand der Bauern, der 1524 und 1525 insbesondere den deutschen Südwesten erschütterte. Die Bauern beriefen sich auf die von Luther postulierte Freiheit. Das alte System der Leibeigenschaft, die seit dem Mittelalter bestand, wurde nun als drückende Ungerechtigkeit empfunden. Die unter der Fronarbeit und der Leibeigenschaft leidende bäuerliche Bevölkerung erkannte in der lutherischen Bewegung die Chance, sich von den Übergriffen der Adeligen zu befreien.

  • Die Formulierung der Forderungen

  • Die Bauern strebten weniger eine Neuordnung der gesellschaftlichen Verhältnisse an als die Bewahrung ihrer überkommenen Rechte an.

  • Die oberschwäbischen Bauern legten Anfang März 1525 in Memmingen ihre Beschwerden in den von dem Kürschnergesellen Sebastian Lotzer verfassten Schriftstück "Zwölf Artikel der Bauernschaft in Schwaben" nieder. Dieses Schriftstück wurde in kürzester Zeit das Manifest der Bauernbewegung. Die 'Zwölf Artikel' hoben die vielen bis dahin vorliegenden Einzelklagen auf eine allgemeine Grundlage und deuteten in jedem Punkt die Übereinstimmung mit dem Wort Gottes an. Die Werte 'Freiheit' und 'Gleichheit' aller Menschen wurden, wie es auch Luther getan hatte, aus Texten der Bibel abgeleitet. Die Artikel gelten heute, fast 500 Jahre später, als erste Menschenrechtserklärung der Welt Der Buchdruck ermöglichte eine rasche Verbreitung der Artikel im gesamten Reichsgebiet. Das in Memmingen verfasste Schriftstück wurde in kürzester Zeit zum Manifest der Bauernbewegung.

Die Artikel forderten die Aufhebung der Leibeigenschaft, Minderung der Frondienste, Freigabe des Waldes, der Jagd und des Fischfangs. Sie verlangten auch freie Wahl des Pfarrers, wobei sich jede Gemeinde für den alten oder neuen Glauben entscheiden sollte. Bis auf das Recht der Pfarrerwahl waren alle Forderungen nicht grundsätzlich neu, doch trugen die 'Zwölf Artikel' entscheidend zur Ausbreitung des Aufstands bei.

  • Der Verlauf des Bauernkriegs

  • Der ‚deutsche Bauernkrieg‘ beginnt im Frühjahr 1524 mit lokalen Aufständen in Süddeutschland, die sich 1525 wie ein Flächenbrand im Reich ausbreiten. In den Landschaften westlich des Bodensees rotten sich Bauern zunächst gewaltfrei in „Haufen“ zusammen. Ihren eigentlichen Ausgang nimmt die neue Bauernbewegung am 23. Juni 1524 von der Herrschaft Stühlingen am Südostrand des Schwarzwalds.

  • Am 13. Juli 1524 hält Thomas Müntzer seine „Fürstenpredigt“, in der er die Willkür der weltlichen und geistlichen Obrigkeit und mangelnde Reformtätigkeit anprangert. Kurz darauf fällt mit Ittingen im Thurgau (nahe dem Bodensee) das erste Kloster den Aufständen zum Opfer.

  • An Weihnachten 1524 erreichen die Aufstände Oberschwaben. Innerhalb kürzester Zeit entstehen in Oberschwaben drei Bauernbünde, der ‚Baltringer Haufen‘ nahe Biberach, der ‚Allgäuer Haufen‘ um Kempten und der ‚Seehaufen‘ am nördlichen Bodenseeufer. In der Stadt Baltringen fand die erste Protestversammlung statt. Im Februar 1525 bildete sich die 'Christliche Vereinigung der Allgäuer', die sich mit den Bauernhaufen aus dem Bodenseegebiet zusammen schlossen.

  • Von Oberschwaben griff der Bauernkrieg rasch auf Franken über, wo sich der 'Taubertalhaufe' unter dem Reichsritter Florian Geyer und der 'Neckar-Odenwaldhaufe' unter Götz von Berlichingen (ebenfalls Reichsritter) bildeten.

  • Am Ostersonntag (16. April 1525) startete ein Protestzug durch das Herzogtum Württemberg. Die Bauern zerstörten eine Reihe von Klöstern und Burgen, so die Burgen Hohenstaufen, Teck und Horneck. Ebenfalls am 16. April 1525 erstürmte der 'Neckar-Odenwaldhaufe' mit 6000 Bauern die württembergische Amtsstadt Weinsberg. Dabei gingen die Bauern auf äußerst brutale Weise gegen den Vogt und die adelige Besatzung vor . Der Führer der Besatzung, Graf Ludwig von Helfenstein und mehrere andere Adelige wurden getötet  ("Bluttat von Weinsberg"). Auch die Reichsstadt Heilbronn wurde besetzt.

Unter dem Eindruck von Vorgängen wie in Weinsberg verfasst Martin Luther die Schrift „Wider die mordischen und reubischen Rotten der Bauern“, als Aufruf an den Adel zur Niederschlagung des Aufstands, den er als Bedrohung der göttlichen Ordnung betrachtet. Mit diesem Aufruf ist Luther hinter seinen eigenen theologischen Einsicht, dass der Weg zur ewigen Seligkeit allein über den Glauben und das Evangelium und nicht über das Morden führt, zurückgeblieben. Die Gründe dafür, dass dies passieren konnte, liegen wohl darin, dass er die Bauern ganz und gar unter dem Einfluss seines abgefallenen Schülers Thomas Münzer sah - was den Realitäten nicht entsprach - und dass er aufgrund eigener Erfahrungen im Aufstandsgebiet zu der Überzeugung gelangt war, dem Wüten des Teufels zu begegnen. Gegen den Teufel, so war Luther überzeugt, kamen nur die von Gott eingesetzten Ordnungskräfte an, allen voran der weltliche Arm mit dem Schwert. Die Fürstenmacht hat er dadurch gestärkt.

  • Die Landesherren bekämpften die Aufstände: Ludwig von der Pfalz am Oberrhein, Philipp von Hessen in Mitteldeutschland und der "Schwäbische Bund" in Süddeutschland.

  • Solange sich der 'Schwäbische Bund' noch auf den Kampf mit den Bauern rüstete, versuchte Herzog Ulrich von Württemberg auf der Burg Hohentwiel mit französischem Geld und Schweizer Söldnern die Sache der Bauern zu nutzen, um wieder in den Besitz seines Landes zu kommen. Sein Vormarsch auf Stuttgart scheiterte daran, dass die Söldner kurzfristig von der 'Schweizer Tagsatzung' zurückgerufen wurden.

  • Fehlende politische und militärische Geschlossenheit der dezentralisierten Bauernverbände erleichtern die Niederschlagung der Aufstände.

  • Das 12.000 Mann starke Bauernaufgebot aus Württemberg unterliegt am 12. Mai 1525 zwischen Böblingen und Sindelfingen der Übermacht, die der Schwäbische Bund unter dem als „Bauernjörg“ bekannten Georg III. Truchsess von Waldburg ins Feld führt. Etwa 2.500 Bauern wurden getötet. Herzog Ulrich von Württemberg floh in die Schweiz. Die geflüchtete österreichische Regierung konnte nach Stuttgart zurückkehren.

 

Ursprünglich war Georg III. Truchsess von Waldburg zum Hauptmann des Schwäbischen Bundes ernannt worden, einer Vereinigung von schwäbischen Rittern und Reichsstädten, die alles daransetzten, den ungeliebten Herzog Ulrich von Württemberg aus dem Land zu jagen, was ihnen im Jahr 1519 auch gelungen ist. Georg III. wurde dann im Auftrag des Kaisers zum Statthalter von Württemberg und oberster Feldhauptmann Österreichs. Gegen den taktisch geschulten "Bauernjörg" hatten die Bauern keine Chance: Eine verheerende Niederlage nach der anderen war die Folge, erst am 4. April 1525 bei Leipheim, dann zehn Tage später am Karfreitag in Wurzach und tags darauf in Gaisbeuren. Nachdem die oberschwäbischen Bauern besiegt waren, zog Georg III. seine Blutspur weiter über ganz Südwestdeutschland, erst in den Hegau hinein und dann nach Württemberg, wo am 12. Mai die Bauern bei Böblingen vernichtend geschlagen wurden. Wenige Tage später ließ er Weinsberg niederbrennen. Die nächsten Stationen waren der Kraichgau, das Taubertal, Würzburg, Schweinfurt und Bamberg.

  Georg III. Truchsess von Waldburg (*1488, †1531), Feldherr des Schwäbischen Bundes im Bauernkrieg 
 
  • Bei Frankenhausen in Thüringen stellt sich am 15. Mai 1525 ein bäuerliches Heer unter der Führung von Thomas Müntzer dem Aufgebot von von Landgraf Philipp von Hessen und Herzog Georg von Sachsen. Nur 1000 der 6000 Bauern überleben eine der größten Schlachten des Bauernkriegs.

  • In der Schlacht bei Königshofen am 2. Juni 1525 wird am Turmberg der ‚Neckartal-Odenwälder Haufen‘ durch den ‚Bauernjörg‘ vernichtend geschlagen

  • Die Reformation in Südwestdeutschland
 
  • Die Reformation fasste zunächst in den Reichsstädten Fuß (Konstanz, Reutlingen, Schwäbisch Hall, Memmingen). Die dortigen Reformatoren wirkten zum Teil über die Städte hinaus (Johannes Brenz, Ambrosius Blarer). Wichtig für die Verbreitung der Reformation war die Akzeptanz der reformatorischen Ideen durch die politische Führungsschicht der Städte (Bürgermeister, Kleiner Rat). Infolgedessen kam die Reformation in den einzelnen Städten unterschiedlich weit voran.

  • Die Hauptpersonen der Reformation in Reutlingen waren der Lutherschüler Matthäus Alber und der Bürgermeister Jos Weis. Matthäus Alber wurde 1521 zum "Prädikant" (Prediger) seiner Heimatstadt berufen. Durch sein reformatorisches Wirken und auch durch seine Heirat 1524 erregte er Anstoß und wurde vor das Reichskammergericht in Esslingen zitiert. Später wurde er evangelischer Abt des Klosters Blaubeuren mit seiner Klosterschule. Bürgermeister Jos Weis unterzeichnete nach einer Abstimmung der Bürgerschaft 1530 das Augsburger Bekenntnis. Schon 1529 hatte er an der Protestation teilgenommen, die den Protestanten ihren Namen gab.

  • Die Reichsstadt Ulm war - neben Straßburg und Basel - ein Zentrum der frühen evangelischen Bewegung. Die ersten Belege für reformatorisches Gedankengut in Ulm finden sich in den Jahren 1518/19, als der Stadtarzt Wolfgang Reichart mit Martin Luther korrespondierte und dessen Schriften in seinem humanistischen Hauskreis verbreitete. Im Jahr 1529 gehörte Ulm zu jenen Reichsständen, die auf dem Reichstag in Speyer gegen das Verbot religiöser Neuerungen protestierten. Kaiser Karl V. wollte "den Irrtum [der neuen Lehre] mit Gewalt ausrotten und bestrafen". Am 22. September wird der "Reichstagsabschied" verlesen, als Widerlegung der neuen Lehre. Die Reichsstadt Ulm gewinnt 16 Reichsstädte für eine gemeinsame Antwort dagegen. Diese Front bricht jedoch ein: 13 Städte votieren für den Kaiser und die alte Lehre. Der Ulmer Rat will die Forderungen des Kaiser auf keinen Fall nachkommen. Am 1. November 1530 beschließt der Rat, die Entscheidung "vor den gemainen Mann" zu bringen. Patrizier sowie die Mitglieder der Zünfte wurden ab dem 3. November in Sachen des Glaubens befragt. Seine Stimme abzugeben war damals nicht ungefährlich, denn Ulm war als freie Reichsstadt unmittelbar dem Kaiser unterstellt. 87 Prozent der wahlberechtigten Bürger (weder Frauen noch Arme durften ihre Stimme abgeben) stimmten für die Einführung der Reformation in der Stadt. Es waren die ärmeren Handwerkerzünfte, die mit überwältigender Mehrheit  für die Einführung des Protestantismus in Ulm stimmten, allen voran die Weber.

 
 

Die im Archiv der Stadt Ulm wiederentdeckten Meistersingerlieder, die von Mitgliedern der Weberzunft geschrieben wurden, spiegeln sowohl Glaubensinhalte als auch die Ausbeutung der Handwerker durch frühkapitalistische Handelsgesellschaften.  Die vorangehende Ausbeutung der Handwerker durch den Klerus wurde von den Handelsgesellschaften fortgesetzt. Die soziale Besserung, welche sich die Handwerker durch die Reformation erhofft hatten, blieb aus. Die während der Reformation abgeschafften Feiertage entzogen den Handwerkern Freizeit.

 
  • Das Herzogtum Württemberg blieb unter der politischen Herrschaft Österreichs (1520 - 1534) beim katholischen Glauben. Der neue Landesherr, Erzherzog Ferdinand, ergriff strenge Maßnahmen, um das von seinem Bruder, Kaiser Karl V., 1521 erlassene Wormser Edikt (Verbot der Lehre Luthers) auch in Württemberg durchzusetzen. Die habsburgische Verwaltung versuchte die Ausbreitung der reformatorischen Bewegung durch Strafmandate zu verhindern. Die Vielzahl der von Erzherzog Ferdinand (seit 1526 König Ferdinand) ergriffenen Maßnahmen sind ein Beleg dafür, dass die lutherische Lehre im Land Fuß gefasst hatte. So hielt der Augustinermönch Johann Mantel 1520 in der Stuttgarter Leonhardskirche die erste evangelische Predigt in Luthers Sinne. 1523 wurde er als Luthers Anhänger verhaftet.

 
  • Der aus Weil der Stadt stammende Lutherverehrer Johannes Brenz (1499 - 1570), im Jahr 1522 von den Ratsherren der Reichsstadt Schwäbisch Hall als Prediger berufen, hat in Württemberg den Anstoß für die Einführung der lutherischen Lehre gegeben. Johannes Brenz bemühte sich um die "große Umkehr" im Leben der Menschen. Unter dem Eindruck des Vordringens der türkischen Armeen nach Mitteleuropa schrieb er seine "Türkenpredigten". Für Brenz war die Gefahr, die der Christenheit von den Türken drohte, der Auftakt eines Strafgerichts, das Gott dem Abendland  wegen des allgemeinen Sittenverfalls verordnet hat. Die Gläubigen werden aufgefordert, sich an bestimmte Sittenregeln zu halten. Mit der Erneuerung der Kirche und des Glaubens sollte eine aus den Fugen geratene Sittlichkeit wieder hergestellt werden. Die Kirche, so predigte Brenz, habe "kein weltliches sichtbares Haupt". Sie sei "auf den Glauben gebaut, nicht auf Petrus". Die von Johannes Brenz vorgelegte Kirchenordnung wurde in Schwäbisch Hall nur teilweise eingeführt, da sie ein unabhängiges kirchliches Sittengericht vorsah, das der städtische Rat so nicht hinnehmen wollte. Brenz plädiert für einen milden und gerechten Umgang mit den aufständischen Bauern. Dies unterscheidet ihn von Luther, der die Aufstände der Bauern verurteilte und ihre Niederschlagung rechtfertigte.

 

Im Jahre 1526 begannen die "Türkenkriege", in denen sich Österreich gegen den Sultan Suleimann II. behaupten musste. Das christliche Abendland schien akut bedroht. Während der Reformationszeit war die Armee des türkischen Sultans bis nach Mitteleuropa vorgedrungen.

   

Johannes Brenz (* 1499, † 1570)

Während des Bauernkriegs lehnte Johannes Brenz die Forderungen der Bauern als nicht im Evangelium begründet ab. Nach dem Ende der Kämpfe ermahnte er die Obrigkeit zu milder Behandlung der Aufständischen.

  • Herzog Ulrich hatte nach 1519 mehrere Versuche unternommen, wieder Regent in Württemberg zu werden. Da sie alle fehlschlugen, wandte er sich im Jahr 1526 an Landgraf Philipp von Hessen. Diese stellte ihm in Aussicht, ihm wieder zu seinem Land zu verhelfen. Während seines Aufenthalts in Marburg im Jahr 1529 nahm er an dem Religionsgespräch teil, bei dem sich neben Martin Luther und Huldrych Zwingli die bedeutendsten reformatorischen Theologen trafen. Der Herzog beschränkte sich auf die zuhörende Rolle, zeigte sich jedoch gegenüber den neuen Lehren aufgeschlossen.

    Landgraf Philipp von Hessen traf politische und militärische Vorbereitungen für einen Feldzug gegen die Machthaber in Württemberg. 1533 nahm er diesbezüglich Kontakte mit dem sächsischen Kurfürsten und den Wittenberger Theologen auf, die jedoch von militärischen Aktionen zugunsten des Herzogs abrieten. Der Landgraf ließ sich aber nicht von seinem Vorhaben abbringen. Er plante keinen Religionskrieg, wie die Sachsen befürchteten, ihm ging es um die Wahrung der Stellung des Fürsten. Der König von Frankreich, ein alter Gegner Habsburgs, war bereit, den von Landgraf Philipp geplanten Feldzug zu finanzieren. Allerdings musste dafür Mömpelgard verpfändet werden. Die 'württembergische Frage' stand also im Zusammenhang der Machtkonstellationen im Reich und in Europa. Die Reformation in Württemberg war somit ein 'Nebenprodukt' eines 'politischen Geschäfts'.

 
  • Im Mai 1534 konnte Landgraf Philipp von Hessen im Bund mit Straßburg und mit finanzieller Unterstützung durch Frankreich Herzog Ulrich nach Württemberg zurückführen. Die Bündnispartner wollten eine Stärkung Österreichs durch die endgültige Einverleibung Württembergs verhindern.
 

Herzog Ulrich von Württemberg (*1487, † 1550), reg. 1498 - 1550

Zeitgenössisches Gemälde

 

  • Am 13. Mai 1534 besiegte Herzog Ulrich, unterstützt durch Landgraf Philipp von Hessen, bei Lauffen am Neckar das Heer des österreichischen Statthalters Philipp von Pfalz-Neuburg. Das Land Württemberg wurde in wenigen Wochen besetzt.

 

  • Landgraf Philipp hatte den richtigen Zeitpunkt für einen Feldzug zur Wiedergewinnung Württembergs erkannt. Kaiser Karl V. weilte zu dieser Zeit in Spanien und Ferdinand hielt sich in Ungarn auf, dessen König er seit 1526 war. Die beiden Habsburger hatten also keine Möglichkeit zum sofortigen Eingreifen. Der Statthalter König Ferdinand in Württemberg, Pfalzgraf Philipp von Pfalz-Neuburg, hoffte vergeblich auf Unterstützung.

  • Unterstützung erhielt Pfalzgraf Philipp von den Prälaten und der 'Ehrbarkeit', der Oberschicht des Landes, die traditionell gegen Herzog Ulrich eingestellt waren. Die einberufenen Wehrpflichtigen, das 'Landesaufgebot', zeigte wenig Lust sich für die habsburgische Sache einzusetzen.

  • Das gut geführte hessische Heer (24.000 Mann) war dem kaiserliche Heer (11.000 Mann) mit seinen zwangsrekrutierten Verbündeten und schlecht bezahlten Söldnern weit überlegen, so dass es weniger eine "Schlacht", als eine Flucht wurde. Dennoch mussten Soldaten ihr Leben lassen.

 
  • Am 16. Mai 1534 wurde in der Stuttgarter Stiftskirche der erste öffentliche evangelische Gottesdienst abgehalten. Die Predigt hielt der hessische Hofprediger Konrad Öttinger. In der Folge trat in ganz Württemberg an die Stelle der Heiligen Messe der Predigtgottesdienst in deutscher Sprache.

Nach der Ansicht der Reformatoren war die Bibel die alleinige Grundlage des Glaubens. Alles, was nicht aus der Bibel begründet werden konnte, wurde abgeschafft. Als Sakramente galten nur noch Taufe und Abendmahl. Der seit dem 11. Jahrhundert bestehende Zölibat war nicht biblisch verankert und damit nach evangelischer Auffassung hinfällig. Die Predigt als Bibelauslegung und Lehre war das Herzstück des neuen Glaubens. Eine der wesentlichen Veränderungen im evangelischen Gottesdienst war der Gemeindegesang. In ihm sollte sich die Gemeinde als Gemeinschaft erleben.

 
  • Landgraf Philipp und Herzog Ulrich strebten eine rasche vertragliche Sicherung des Erreichten an. König Ferdinand lehnte allerdings unmittelbare Verhandlungen mit den beiden 'Landfriedensbrechern', wie er sie nannte, ab. Als Unterhändler bot sich Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen an, der in Kaden an der Eger auch in anderen Angelegenheiten mit dem König verhandelte. In Bezug auf Württemberg kam am 29. Juni 1534 ein Vertrag zustande, in dem 1532 beschlossene 'Nichtangriffspakt' zwischen den katholischen und den evangelischen Fürsten, der 'Nürnberger Anstand', verlängert wurde. In diesen Vertrag wurde Herzog Ulrich eingeschlossen. Er erhielt dadurch - ohne dass dies besonders herausgehoben wurde - die Möglichkeit zur Reformation in seinem Land. Im 'Vertrag von Kaden' wurde festgelegt, dass Württemberg nur ein Lehen vom Haus Österreich sein sollte, kein unmittelbares Reichslehen. Eine Reformation war nur im Sinne Luthers möglich. Beim Aussterben des Mannesstammes sollt Württemberg an Österreich fallen.

Herzog Ulrich konnte von Landgraf Philipp und seinen Räten nur mit Mühe davon überzeugt werden, den Vertrag anzunehmen. Er reiste erst im Sommer 1535 zum Lehensempfang nach Wien. In der Zwischenzeit hatte er mit vielen seiner reformatorischen Maßnahmen vollendete Tatsachen geschaffen.

 
  • Die Schwächung der österreichischen Position in Süddeutschland ermöglichte die sofortige Einführung der Reformation in Württemberg.  Während der durch die Kriege gegen Franz I. von Frankreich um die Vorherrschaft in Italien und die Abwehr der Türken in Ungarn bedingten Abwesenheit des Kaisers Karl V. bekam Ulrich die Gelegenheit, die Reformation ohne großen Widerstand in Württemberg einzuführen. Unter der Herrschaft Herzog Ulrichs wurde Württemberg das größte protestantische Staatswesen im Süden Deutschlands.

 

Während seiner Verbannung hatte Herzog Ulrich unter dem Einfluss des Basler Predigers Ökolampadius 1524 die Reformation in seiner Grafschaft Mömpelgard durchgeführt, wobei die lutherische und die reformierte Glaubensrichtung nebeneinander geduldet waren.

 
  • Zur Neuordnung des Kirchenwesens berief Herzog Ulrich mit dem Marburger Professor Erhard Schnepf (* 1495, † 1558) einen gemäßigten Lutheraner und mit Ambrosius Blarer (* 1492, † 1564) einen Reformator, der in der Abendmahllehre eine vermittelnde Stellung zwischen Luther und Zwingli einnahm. Im August 1534 gelang eine Einigung in der zwischen beiden Reformatoren strittigen Abendmahlsfrage (Stuttgarter Konkordie). Die Wirkungskreise der beiden Reformatoren wurden regional abgegrenzt. Der aus Konstanz kommende Ambrosius Blarer sollte das Land "ob der Steig" - den südlich der Stuttgarter Weinsteige gelegenen Landesteil reformieren.

    Ambrosius Blarer (*1492, †1564), Reformator
 
  • Herzog Ulrich war kein Anhänger Zwinglis, lehnte jedoch dessen Glaubensrichtung nicht völlig ab. Er war sich bewusst, dass er wegen der geographischen Lage Württembergs beide Richtungen berücksichtigen musste. Die Reformation wurde von Schnepf und Blarer auf dem Weg der Visitation der Pfarrer und der Kirchengemeinden durchgeführt. Pfarrer, die nicht evangelisch werden wollten, wurden entlassen, erhielten aber eine Pension. Eine wichtige Aufgabe der Reformatoren war die Neubesetzung von Pfarrstellen.

Die erste Aufgabe von Erhardt Schnepf und Ambrosius Blarer war es, die Geistlichen zu befragen, ob sie bereit und fähig seien die evangelische Lehre weiter zu geben. Die große Mehrheit lehnte ab und ging außer Landes. Von 1.200 Klerikern blieb rund ein Drittel. Neben Fragen zu Gottesdienst und Ausbildung hatten sich die Reformatoren mit eingewurzelten Frömmigkeitsformen in der Bevölkerung auseinanderzusetzen.

 
  • In ihrer theologischen Ausrichtung war die Evangelische Landeskirche lutherisch, die einfachen Gottesdienste folgten aber liturgisch dem Vorbild der reformierten Kirchen. Es wurde keine deutsche Messe gefeiert wie in den lutherischen Kirchen, sondern der Gottesdienst bestand aus Gebeten, Liedern und der Predigt. Dies bedeutete, dass der Pfarrer den Gottesdienst hielt und die Gemeinde nur beim Singen der Kirchenlieder beteiligt war.

  • Für die Bevölkerung brachte die Reformation Veränderungen mit sich. Statt eines geweihten Priesters lebte nun ein evangelischer Pfarrer in der Gemeinde. Nach dem reformatorischen Verständnis war ein Pfarrer kein besserer Christ, sondern lediglich ein ausgebildeter Fachmann, der seelsorgerliche Aufgaben erfüllte. Aufgrund seiner Bildung und seiner sozialen Stellung gehörte er zu den Honoratioren im Dorf, denen man mit Respekt begegnete. Vom Pfarrer und seiner Familie wurde ein vorbildliches Leben erwartet. Es gibt viele Fälle, in denen Geistliche persönliche Belastungen auf sich nahmen, um in Notzeiten ihren Gemeinden beizustehen. Innerhalb eines Jahrhunderts nach der Reformation verankerte sich die protestantische Konfession im öffentlichen Leben Württembergs. Zu Beginn des Dreißigjährigen Kriegs empfand man den Katholizismus weitgehend als fremd.

    Erhard Schnepf (*1493, †1558), Reformator

 
  • Herzog Ulrich führte die Reformation in Württemberg ohne Mitwirkung des Landtags und gegen den Willen eines großen Teils der 'Ehrbarkeit' ein. Die Masse des Volkes war der Reformation von Anfang an zugetan. Am 16. Mai 1534 wurde in Stuttgart der erste evangelische Gottesdienst in der Stiftskirche gefeiert.

 

Die Reformation Württembergs ist in ihrer äußeren Form ein Werk der Landesregierung. Die Landstände waren nicht beteiligt. Herzog Ulrich betrachtete alles Gut der Kirche als fürstliches Kammergut, über das er kraft seines Rechts als Landesherr frei verfügen konnte. Seine finanzielle Lage veranlasste ihn, das Kirchengut rücksichtsloser einzuziehen als es in anderen evangelischen Territorien geschah.

 
  • Am 9. November 1534 erging der Befehl Herzog Ulrichs an die Räte, den gesamten Besitz der Klöster an Wertsachen sowie Archive und Bibliotheken zu inventarisieren und ihm zu übereignen. Den Prälaten in den Klöstern wurden lediglich Kirchengeräte und Silbergeschirr für den täglichen Gebrauch zugestanden.

 
  • 1535 wurde die Messe abgeschafft, 1536 erließ Ulrich eine neue Kirchenordnung, die den Altgläubigen nur noch die häusliche Andacht gestattete.

 

Unter Berufung auf das Patronatsrecht konnten Pfarrer abgesetzt werden, die nicht lutherisch werden wollten. Die Anzahl der Kirchenstellen wurde verringert. Durch die Einführung des evangelischen Gottesdienstes wurde ein großer Teil des Kirchenschmucks und der Kirchengeräte - wie Messkelche, Monstranzen und Reliquiare - außer Gebrauch gesetzt. Er wurde von der Regierung eingezogen und wanderte in die herzogliche Münze.  Das Vermögen der Pfründe, aus deren Erträgnissen die Priester besoldet worden waren, wurde teilweise den einzelnen Gemeinden zugewiesen und bildete das örtliche Kirchenvermögen (Armenkasten).

 
  • 1536: Die Klöster und Stifte wurden gegen erheblichen Widerstand der meisten Äbte und Konvente säkularisiert (St. Georgen, Alpirsbach, Hirsau, Herrenalb, Maulbronn, Murrhardt, Lorch, Denkendorf, Bebenhausen, Blaubeuren u. a.). Die Anzahl der Kirchenstellen wurde verringert.

 
  • In Württemberg gab es 14 Männerklöster, 12 Frauenklöster sowie verschiedene Klausen und Einsiedeleien. Ihr Besitz umfasste gut ein Drittel des Herzogtums. Um sich ihre Finanzkraft zu Nutze zu machen, ließ Herzog Ulrich den Klosterbesitz einziehen. Für kirchliche, schulische und soziale Zwecke wurde jedoch ein separates Vermögen, das "Kirchengut", eingerichtet.

            Die Säkularisierung der Klöster und Stifte hatte eine Vorgeschichte:

  • In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts waren die Klöster zu einer wirtschaftlichen Blüte gelangt. Dies schlug sich in reichem Grundbesitz und einer regen Bautätigkeit nieder. Für die württembergischen Herzöge war dies ein Grund dafür, die Landesherrschaft über die Klöster zu erlangen. Herzog Ulrich hatte schon 1504 das bis dahin reichsunmittelbare Kloster Maulbronn eingenommen. Wie die Äbte der Klöster Bebenhausen und Alpirsbach wurde damit der Maulbronner Abt württembergischer Landstand und war damit seinem Landesherrn zu Steuerzahlungen verpflichtet.

  • Bereits 1534, kurz nach seiner Rückkehr nach Württemberg, hatte Herzog Ulrich versucht, die Klöster zur Tilgung seiner Schulden heranzuziehen. Zu diesem Zweck ordnete er eine genaue Aufnahme des Klosterbesitzes  (Inventarisierung) und der jährlichen Einkünfte an. Zur Überwachung der klösterlichen Verwaltungen wurden herzogliche Kommissionen eingesetzt.

 

  • In die Klöster wurden herzogliche Beamte geschickt, um die Mönche entweder zum freiwilligen Verlassen des Klosters und zur Annahme der evangelischen Religion zu bewegen. Dafür sollten sie eine jährliche Pension oder eine einmalige Abfindung erhalten. Der Abt von Maulbronn, Johannes von Lienzingen, floh mit den klösterlichen Kleinodien, Bargeld, Lager- und Registerbüchern in den Maulbronner Klosterhof der freien Reichsstadt Speyer. In Alpirsbach versuchten sich die 15 Mönche zunächst gegen die Inventarisierung ihres Klosterguts zu wehren. Ihr Kloster konnte erst nach dem Einrücken von herzoglichen Truppen im Oktober 1535 aufgelöst werden. Diejenigen Mitglieder der Konvente, die sich der Reformation nicht anschließen wollten, wurden bereits 1536 des Landes verwiesen.

 
  • Ebenfalls im Jahr 1536 wurde im Tübinger Augustinerkloster ein Studienhaus für evangelische Theologiestudenten, das spätere 'Tübinger Stift' eingerichtet.

 
  • Im September 1537 fand in Urach ein theologisches Streitgespräch zwischen Schnepf und Blarer statt, der sog. "Götzentag", in dessen Folge der Herzog in Blarers Sinn die Entfernung aller Bilder aus den Kirchen anordnete.

 

Ambrosius Blarer war davon überzeugt, dass bildhafte Darstellungen nicht in ein Gotteshaus gehörten. Die "Bilder ziehen vom Wort ab", vom Wort Gottes, das in der Predigt vermittelt werde, behauptete Blarer. So kam es, dass beim Zusammentreffen in Urach auch der Landesherr als das neue Oberhaupt der Kirche für die Entfernung der Bilder aus den Gotteshäusern gewonnen wurde. Im Herzogtum Württemberg nach dem Uracher Götzentag eindeutig das Wort. Jahrhundertelang galt Stuttgart als Stadt mit einer geringen Museumskultur, als bilderarm und wenig kunstsinnig. Begabte Künstler, vor allem Maler, wurden alten Württemberg kaum heimisch.

 
  • 1536: Reorganisation der Zentralverwaltung des Landes (Oberrat, Rentkammer) 

Auf weltlichem Gebiet organisierte Ulrich die Zentralverwaltung des Landes nach burgundischem und österreichischem Vorbild, wie sie schon während der habsburgischen Zwischenregierung eingerichtet worden war. Für die laufenden Geschäfte wurden Räte bestellt, die er in einer ständigen Behörde mit kollegialer Verfassung vereinigte, dem nachmals so genannten Oberrat; die Finanzverwaltung wurde einer ebenso gestalteten Behörde, der Rentkammer, übertragen. Den Landtag schaltete Ulrich weitgehend aus.

 
  • Veränderung in der sakralen Kunst
 
 
  • Bei Kirchenneubauten während der Reformationszeit stellte sich häufig die Frage, welche bauliche Form und räumliche Anordnung für die neue Glaubenslehre angemessen war. Häufig waren es finanzkräftige Auftraggeber, die ein Interesse an der Repräsentation des neuen Glaubens hatten. Oft waren es daher Schlosskirchen, die von und für evangelischen Landesherren gebaut wurden. Einige dieser Neubauten fallen dadurch auf, dass sie Querorientierung aufweisen und ihre liturgischen Einrichtungsgegenstände räumlich zentriert sind. Die Zentralisierung, die auch im Außenbau und auch im Grundriss erkennbar wird, ist von der inneren funktionalen Raumordnung, der Liturgie, her gedacht. Die Gemeinde sollte an der Liturgie in stärkerem Maße als bisher teilhaben, denn es ging nicht mehr nur um den sakralen Charakter eines Kirchenraumes, sondern um die Gemeinschaft als Zentrum einer lebendigen Kirche. Statt auf einen abgegrenzten Chorraum als Ort priesterlicher Liturgie blicken zu können, sollte sich die Gemeinde um den in der Mitte des Gebäudes stehenden Altar und die ebenso zentral gelegenen Kanzel versammeln. (Jörg Widmaier)

  • Die Bauzeit des Westturms der Kilianskirche in Heilbronn von 1508 bis 1529 liegt in der Zeitspanne, in der in dieser Stadt ein heftiger Kirchenkampf zwischen Alt- und Neugläubigen entbrannte und sich die Bürger  schließlich in einer Volksabstimmung für die Einführung der Reformation entschieden. Das ganze Bauwerk zeigt dem heutigen Betrachter in anschaulicher Weise die religiösen Umbrüche der Zeit auf. Karikaturenhaft werden die damaligen Missstände der römisch-katholischen Amtskirche dargestellt: Mönch mit gespaltener Zunge, ein Kleriker mit Narrenkappe, ein Bischof mit Vogelschnabel, ein Affe im Nonnengewand etc.. Als Gegenprogramm findet der Besucher des Turms Skulpturenschmuck vor, welcher zentrale Aspekte der neuen evangelischen Lehre zum Ausdruck bringt. Den Abschluss setzte Baumeister Hans Schweiner mit einem 'Steinernen Mann' auf der Spitze des Turms, der, mit Standarte und Schwert gerüstet, nach Westen blickt. 

  • Altgläubige Bildzeugnisse werden angepasst oder zerstört. Die um das Jahr 1540 entstandenen großen Flügelaltäre, der "Gothaer Altar" und der "Mömpelgarder Altar", repräsentierten mit ihren jeweils etwa 160 Einzeltafeln als monumentale Bilderbibeln die "evangelische" Bildersprache der Reformationszeit in Württemberg. Daneben drückten sie auch die religiösen und repräsentativen Ansprüche ihrer Stifter (Herzog Ulrich von Württemberg und dessen Bruder Graf Georg von Württemberg-Mömpelgard) aus.

  • Auch in der Kirchenmusik gab es Veränderungen. Überschneidungen und Verbindungen von kirchlicher und weltlicher Sphäre, von höfischer und bürgerlicher Musikszene werden fassbar. Das politische und religiöse Spektrum der Lieder und Sprüche zur Reformation spiegelt die fließenden Übergänge zwischen geistlicher und weltlicher, höfischer und bürgerlicher Musik der Reformationszeit wider.

 
  • 1536: Eintritt Ulrichs von Württemberg in den Schmalkaldischen Bund
 

Der Schmalkaldische Bund war im Februar 1531 als Bündnis von protestantischen Fürsten und einigen Reichsstädten zur Verteidigung des Protestantismus gegen die drohende Reichsexekution geschlossen worden. Noch im Gründungsjahr waren die Städte Ulm, Reutlingen, Biberach, Isny und Esslingen in den Bund eingetreten. 1538 traten auch die Städte Heilbronn und Hall in das Bündnis ein. Herzog Ulrich suchte Württemberg durch starke Festungen (Hohenasperg, Schorndorf, Hellenstein, Göppingen, Kirchheim / Teck, Hohenurach und Hohentübingen) zu schützen.

 
 

Nebenbei bemerkt: Der deutsche Altphilologe und Historiker Martin Crusius (* 1526, † 1607) hat in seinem 1596 erschienenem Hauptwerk "Annales Suevici" die Festung Schorndorf für uneinnehmbar gehalten. Angesichts des hohen Walls und der mächtigen Basteien verkündete er stolz, man werde eher ein ganzes Königreich ruinieren als diese Stadt erobern. Die Kriege des 17. und frühen 18. Jahrhunderts sollten diese Prognose illusorisch machen.

 
  • 1546: Teilnahme der schwäbischen Protestanten am Schmalkaldischen Krieg (Schmalkaldischer Bund gegen Kaiser)
 
  • 1546/47: Niederwerfung der Protestanten durch kaiserliche Truppen und Besetzung von württembergischen Städten (Schorndorf, Kirchheim/Teck u. a.). Nach der Niederlage mussten die zuvor ergriffenen Maßnahmen gegen die Klöster rückgängig gemacht und diese wieder den Konventen eingeräumt werden.

Als Karl V. 1546 in seiner Außenpolitik freie Hand gewonnen hatte, wendete er sich gegen die protestantischen Fürsten und Reichsstädte. Auch Herzog Ulrich wurde in die Niederlage des Schmalkaldischen Bundes verwickelt. Im Heilbronner Vertrag vom Januar 1547 erhielt er das von  spanischen Truppen besetzte Land nur gegen Zahlung einer hohen Kriegsentschädigung zurück.  - Die Niederwerfung der Protestanten in Mittel- und Norddeutschland 1547 vollendete den Sieg des Kaisers.

 
 

Karl V. (*1500, †1558), deutscher Kaiser von 1519 bis 1556

Ville de Genève, Bibliothèque publique et universitaire, Genf

 
  • Die Versuche, der neuen evangelischen Landeskirche eine organisatorische Form zu geben, kamen nicht mehr zum Tragen, da die Niederlage der Protestanten im Schmalkaldischen Krieg den Herzog veranlasste, 1548 auf dem Reichstag in Augsburg das so genannte "Interim" einzuführen, das im ganzen eine Rückkehr zur Katholischen Kirche vorbereiten sollte. Alle reformatorischen Veränderungen sollten rückgängig gemacht werden, außer dem Laienkelch und der Priesterehe. Ein Konzil sollte die Streitfragen klären. Beim Tod von Herzog Ulrich im Jahr 1550 war die Reformation in Württemberg und in den Reichsstädten in Frage gestellt. Das Land war von spanischen Truppen besetzt.

 

Die Mönche konnten nun wieder in ihre Klöster zurückkehren. Die einst reichen Bibliotheken und Klosterarchive waren jedoch nach Stuttgart gebracht worden, die Gebäude waren baufällig geworden. Auch nach Bebenhausen und Alpirsbach kehrten die auf wenige Mönche geschrumpften Konvente zurück. Für die altgläubigen Klöster war es schwer geworden, im evangelischen Württemberg zu bestehen. Die Mönche hatten kaum noch Einkünfte. Oft wandte sich auch die Bevölkerung aus den umliegenden Dörfern gegen die zurückgekehrten Konvente.

Die Reformation blieb für die Ideenwelt und die Lebensart im Herzogtum Württemberg bis heute prägend. Dies gilt nicht für die katholischen Landesteile des 1805 entstandenen Königreichs Württemberg.

 
  • 1551 wurde ein eigenes württembergisches Glaubensbekenntnis ("Confessio Wirtembergica") verfasst.

 
  • Die 'Fürstenverschwörung' des Jahres 1552 schwächte die Position des Kaisers. Kurfürst Moritz von Sachsen, bisheriger Anhänger des Kaisers, und Wilhelm von Hessen nahmen gemeinsam mit anderen Fürsten Augsburg ein. Die Herzöge von Bayern und Württemberg verhielten sich neutral. Im Passauer Vertrag wurden den protestantischen Ständen Gleichberechtigung und freie Religionsausübung bis zum nächsten Reichstag zugesagt.

 
  • 1555: Augsburger Religionsfriede: Das katholische und das reformatorische Bekenntnis wurde als gleichberechtigt anerkannt. Jeder Reichsstand konnte sich zwischen der Reformation nach dem Augsburger Glaubensbekenntnis und nach dem Verbleiben bei der 'alten Kirche' entscheiden. Württemberg wird evangelisch; das Land der Habsburger in Schwaben bleibt katholisch.

 

Herzog Christoph von Württemberg (*1515, † 1568) reg. 1550 - 1568

Bildquelle: Landesmedienzentrum Baden-Württemberg 

 
 

Der Religionsfriede von 1555 war kein Ausgleich im Glaubensstreit selbst, er war vielmehr lediglich eine weltliche Friedensordnung. Mit der reichsrechtlichen Anerkennung der evangelischen Kirchen und dem Schutz des Landfriedens für die beiden großen Bekenntnisse im Reich brachte er einen gewissen Abschluss der deutschen Reformation. Allerdings blieben auch nach dem Religionsfrieden innere Spannungen zurück, aus denen sehr bald neue, jahrzehntelange Auseinandersetzungen erwuchsen - bis hin zum Dreißigjährigen Krieg. Die Tatsache, dass man im Westfälischen Frieden von 1648 zu den Grundsätzen des Religionsfriedens zurückkehrte ist ein Hinweis darauf, dass die Ordnung von 1555 trotz ihrer Schwächen eine langfristig tragfähige, vielleicht überhaupt die einzig mögliche Lösung zur Beendigung des Glaubensstreits in Deutschland darstellte.

 
  • Die Neuordnung des Kirchen- und Schulwesens
 
  • Bereits im Jahre 1552 hatte Herzog Christoph ein 'allgemeines Kirchengut' eingeführt, aus dem die Bedürfnisse der Kirche bestritten wurden. Nach dem der Augsburger Religionsfrieden von 1555 den evangelischen Landesherren das Recht der kirchlichen Gesetzgebung eingeräumt hatte, ging Herzog Christoph daran, ein einheitliches Reformwerk zu schaffen. Die am 15. Mai 1559 verkündete 'Große Kirchenordnung', deren Hauptautor Johannes Brenz war,  regelte das kirchliche, aber auch weite Bereiche des weltlichen Lebens. Zielsetzung der Großen Kirchenordnung war es, wie es der Einleitung heißt, "die Untertanen in ein christliches, gottseeliges, ehrbares, züchtiges und unsträfliches Leben" zu führen.

  Herzog Christoph sah in seinem Amt die Verpflichtung, für das ewige Heil und für das zeitliche Wohl seiner Untertanen zu sorgen. Er war Bischof und Herrscher in einer Person. Kirche und Staat bildete eine Einheit.
 
  • Schulwesen
 
  • Das württembergische Schulwesen wurde von Herzog Christoph eng mit der Landeskirche verknüpft. Die Schulordnung wurde in die 'Große Kirchenordnung' aufgenommen. In den Städten wurden Lateinschulen eingerichtet, an allen Orten Volksschulen. Eine Schulpflicht bestand jedoch noch nicht. In einer Vorschrift heißt es: "Es sollen aber die Schulmeister in den Züchtigungen die Ruten gebührlich gebrauchen."

 
  • Besonderen Wert legte Herzog Christoph auf die gute Ausbildung des geistlichen Nachwuchses. Durch die Klosterordnung von 1556 wurden 13 der großen Männerklöster in Klosterschulen (Benediktinerklöster: Hirsau, Alpirsbach, St. Georgen, Murrhardt, Lorch, Blaubeuren, Anhausen; Zisterzienserklöster: Maulbronn, Herrenalb, Bebenhausen, Königsbronn; Prämonstratenserkloster Adelberg und das Stift des Ordens vom Heiligen Grab in Denkendorf) umgewandelt, die der Vorbereitung zum Theologiestudium dienten. Aus den Klöstern traten die Schüler in das "Stift" in Tübingen über. Die Lateinschulen, die in allen Städten als Gemeindeschulen bestanden, waren als Unterbau für die Klosterschulen gedacht und standen unter Aufsicht des Staates.

Die Anzahl der Klosterschulen wurde noch vor 1600 auf fünf verringert, wobei die Anzahl der Stipendiaten erhalten blieb. Von diesen Schulen bestehen heute noch zwei (Maulbronn, Blaubeuren).

 
  • In der "Großen Kirchenordnung" von 1559 befahl Herzog Christoph von Württemberg auch die Einführung der "teutschen Schule" (Volksschule) in allen Städten und Pfarrdörfern seines Landes. Diese Schule für das Volk war als zusätzliches Aufgabengebiet den Pfarrern unterstellt. Die Lernmittelfrage an dieser Schule ließ sich einfach lösen: Das Kirchengesangbuch war einzige Quelle aller Weisheit und Tugend. Die Gemeinden mussten für die Bezahlung der Schulmeister aufkommen. Im Sommer hatten die Kinder schulfrei, da sie während dieser Zeit ihre Eltern bei der Feldarbeit unterstützen mussten.

  • Die "Große Kirchenordnung" Herzog Christophs ist selbst eine Jubiläumsschrift, erschienen am 15. Mai 1559 zum 25-jährigen Jubiläum der Landeskirche. Aus diesem Grund ist sie weniger ein grundlegendes Gesetzgebungswerk als vielmehr eine Zusammenfassung dessen, was in den 25 Jahren zuvor auf dem Gebiet des kirchlichen Rechts vorgearbeitet worden war.

  • Den Eingang der Kirchenordnung bildet das von Johannes Brenz stammende württembergische Glaubensbekenntnis. Danach folgen Ordnungen und Agenden für den Sonntagsgottesdienst, Abendmahl, Taufe und Bestattung. Bei der Auswahl der Pfarrer ist zu achten, dass sie sich "zur rechten, wahren Lehre halten und einen untadeligen Lebenswandel führen". Die Pfarrer erhalten ein jährliches Gehalt. Es folgt die Eheordnung: Heirat der Kinder ohne Wissen und Willen der Eltern wird vom Amt bestraft.

 
  • Die Ehe als Kontrollinstrument
 
  • Die Eheschließung gilt nach protestantischer Auffassung nicht als Sakrament. Die kirchliche Trauung wird als Einsegnung verstanden, der eine weltliche Verheiratung vorausgeht.

 
  • Die Obrigkeit - insbesondere die kommunalen Behörden - wollte vermeiden, dass durch die Verbindungen armer Ehepartner prekäre Verhältnisse in der Gemeinde entstehen und die Armenkasse schließlich für die Versorgung der Eheleute herangezogen werden musste. Deshalb galt ein Mindestheiratsalter. Die Eheschließung sollte der Ableistung des Militärdienstes nicht im Wege stehen. Während des Militärdienstes durfte nicht geheiratet werden. Handwerksgesellen benötigten die Genehmigung ihres Meisters, Leibeigene die ihres Leibherrn. Heiraten durften nur Gemeindebürger, welche die Befähigung nachweisen konnten, ihre künftige Familie ernähren zu können.

  • Uneheliche Mutterschaft wurde zum Makel, galt als unsittlich und als "Unzucht". Die "Zweite Eheordnung" von 1553 sah unter anderem vor, dass ein Mann wegen vorzeitigem und unerlaubtem Beischlaf mit der ihm versprochenen Braut acht Tage im Turm bei Wasser und Brot einzusperren sei, seiner Verlobten drohten vier Tage im Frauengefängnis. Waren die beiden gar nicht verlobt, dann erhöhte sich die Haft auf das doppelte.

 
  • Vereinigung des Kirchenguts mit dem Staatsgut
 

Christoph brach mit der Auffassung seines Vaters Ulrich, dass das Gut der Kirche als Eigentum des Landesherrn zu betrachten sei. Er begründete 1552 das allgemeine Kirchengut, in dem das Vermögen der Pfarrstellen und von kleinen Klöster zusammengefasst waren. Das alte Pfründenwesen, nach dem jeder Pfarrer seine Besoldung selber eintreiben und erwirtschaften musste, wurde aufgehoben. Jeder Pfarrer erhielt nun seine Besoldung von den Beamten der 'geistlichen Bezirksverwaltungen'. Damit war eine von der weltlichen Rentkammer getrennte kirchliche Finanzverwaltung geschaffen.

 
  • Zentralisierung des Kirchenregiments
 
  • Als höchste Landesbehörde für die Aufsicht über Lehre und Gottesdienst schuf Herzog Christoph den 'Kirchenrat'. Die Kirchenräte haben die Ausbildung der Pfarrer zu überwachen, sie zu prüfen und die Pfarrstellen zu besetzen. Die Besoldung der Pfarrer wird zentral geregelt. Durch die Unterstellung des Kirchenguts unter den Kirchenrat war eine Trennung von staatlicher und kirchlicher Finanzverwaltung durchgeführt worden. Damit war die Zweckbindung des Kirchenguts für Kirche, Schule und Armenwesen sichergestellt. Allerdings wurde das Kirchengut bis zur Säkularisation im Jahre 1806 in  zunehmendem Maße auch für außerkirchliche Zwecke herangezogen. Die Zweckbindung blieb jedoch grundsätzlich erhalten.

 
  • Die kirchliche Verfassung wurde auch nach unten ausgebaut. Je ein Amt oder auch mehrere Ämter wurden 1552 zu kirchlichen Bezirken (Dekanaten) unter einem Spezialsuperintendenten, insgesamt 28, zusammengefasst. Der Spezialsuperintendent wird beauftragt, jeden Pfarrer zweimal jährlich zu visitieren. Das Protokoll wird an den Generalsuperintendenten (Prälaten) geschickt. Zweimal jährlich tagen die vier Generalsuperintendenten in Stuttgart, zusammen mit dem Propst von Stuttgart, dem Landhofmeister sowie sieben Kirchenräten. Über die gemeldeten Problemfälle wird beraten. Das Ergebnis der Beratungen wird schriftlich festgehalten und über den herzoglichen Oberrat dem Herzog zur Entscheidung vorgelegt.

 
  • Die Klosterherrschaften blieben besondere Verwaltungseinheiten, die durch die Prälaten in den Landständen vertreten waren.

 
  • Seit 1565 galt die evangelische Konfession als Landesreligion. Katholiken durften keine öffentlichen Ämter besetzen. Konfessionell gemischte Paare mussten ihre Kinder evangelisch erziehen.

 
  • Der Ausbau der Kreisverfassung
 
  • Durch den Augsburger Reichstag von 1555 erhalten der 'Schwäbische Kreis' und der 'Fränkische Kreis' eine gewisse Selbständigkeit.

  • Die Einteilung des Deutschen Reiches in zehn Kreise (Reichskreise) war 1495 zur Durchführung des 'Ewigen Landfriedens' beschlossen und in den Jahren 1500, 1512 und 1521 geschaffen worden. Die Reichskreise bildeten eine Rechts- und Verwaltungsebene über der Territorialstruktur mit Hunderten von kleinen Herrschaftsbezirken.

  • Der 'Schwäbischen Kreis' reichte vom Rhein bis zum Lech. Zu ihm gehörten vor allem Württemberg, Baden, die Bistümer Augsburg und Konstanz, die Propstei Ellwangen sowie 31 Reichsstädte. 

 
  • Zu den Aufgaben der Kreise gehörten ab 1555 außer der Wahrung des Landfriedens die Verteilung der ihnen auferlegten Truppenkontingente auf die Kreisstände, der Einzug der Reichs- und Kreissteuern, die Wahlen zum Reichskammergericht, die Vollstreckung reichsgerichtlicher Urteile, der Straßenbau sowie die Aufsicht über das Münzwesen.

 
  • Auf den schwäbischen Kreistagen hatten 98 Kreisstände Sitz und Stimme (4 geistliche und 13 weltliche Fürsten, 23 Prälaten, 27 Grafen, 31 Städte). Jede der vier "Bänke" (geistliche und weltliche Fürstenbank, Prälaten-, Grafen- und Städtebank) beriet sich gesondert. Die Reichsritter waren von den Kreisen ausgeschlossen.

 
  • 1555: Verkündung des württembergischen Landrechts

 
  • 1561: Kaiser Ferdinand  bestätigt die Reichsunmittelbarkeit der Ritterschaft. Diese scheidet nun  freiwillig aus der landesständischen Vertretung aus.

 
  • 1563: Mit den Beschlüssen des Konzils von Trient (1545 - 1563) grenzt sich die katholische Kirche scharf vom Protestantismus ab. Das Konzil markiert die endgültige Spaltung der lateinischen Kirche. Der Einfluss des Jesuitenordens wird immer größer.

Die Mitglieder des im Jahre 1540 von Ignatius von Loyola gegründeten Jesuitenordens setzten sich in der Auseinandersetzung mit der Kritik der Reformatoren an die Spitze der inneren Reformbewegung der katholischen Kirche. Das Ausgreifen der Jesuiten über die Alpen fiel zeitlich ungefähr mit dem Beginn des Konzils von Trient zusammen, das seit 1545 versuchte, die katholische Kirche neu aufzustellen. Unerschrocken und manchmal auch unerbittlich traten sie für die Sache des Papstes ein. Die Jesuiten gründeten Schulen, die Theater und Musik zur Vermittlung ihrer Glaubensauffassung nutzten.

  • Die Regierungszeit Herzog Ludwigs von Württemberg (1568 -1593)
 
  • Bis 1578 unter vormundschaftlicher Regierung
 
  • Zur Person: Neigung zur Dichtkunst, zu Musik und Theater. Gefallen an fürstlicher Repräsentation und Selbstdarstellung. Trunksüchtig.
 

Herzog Ludwig von Württemberg (*1554, †1593), reg. 1568 - 1593

Bildquelle: Hofkunstanstalt Martin Rommel, Stuttgart 1905 in: Geschichte der Stadt Stuttgart, herausgegeben von den Bürgerlichen Kollegien im April 1905.

 
  • Regierungsstil: Die Leitung der Regierung wird weitgehend den Räten überlassen. Reibungslose Zusammenarbeit der regierenden Räte mit den Vertretern der Landschaft. Der Regierungsstil wird durch bedeutende Theologen mitgeprägt. Der einflussreichste Theologe war der Tübinger Kanzler Jakob Andreä (1528 - 1590).

 
  • Eckpunkte der Regierungspolitik

  • Förderung des Schulwesens und der Wissenschaft (Ausbau des Tübinger Stifts für die Theologenausbildung, Gründung des 'Collegium illustre' zur Ausbildung einer Verwaltungselite).

  • Wahrung der Position der lutherischen Lehre. Seit 1569 waren Heiraten über die Konfessionsgrenzen hinaus verboten. Ab 1582 zählte man die Tage nach einem eigenen evangelischen Kalender, weil man die Reform von Papst Gregor XIII. ablehnte.

In die Regierungszeit Ludwigs fallen die ersten Erfolge der Gegenreformation. Auch die Spannungen zwischen den lutherischen und den reformierten Fürsten Deutschlands nehmen in dieser Zeit zu.

 
  • Das in den Jahren 1584 bis 1593 in Stuttgart entstandene 'Neue Lusthaus' war eines der bedeutendsten Renaissancegebäude, das nördlich der Alpen errichtet wurde. Von Herzog Ludwig von Württemberg in Auftrag gegeben und durch dessen Baumeister Georg Beer errichtet, repräsentiert das Lusthaus im 16. und 17. Jahrhundert den politischen und kulturellen Führungsanspruch des württembergischen Herzogtums. Seine Architektur war als Attraktion konzipiert. 1844 wurde das Gebäude abgerissen.

  • Die Regierungszeit Herzog Friedrichs I. von Württemberg (1593 - 1608)
 
  • Da Herzog Ludwig kinderlos geblieben war, fiel die Erbfolge auf den Grafen Friedrich aus der Mömpelgarder Seitenlinie des Hauses Württemberg. Er war ein Vetter Herzog Christophs.
 
  • Zur Person: In Mömpelgard unter französischem Einfluss aufgewachsen, tatkräftig, nur wenig mit der lutherischen Lehre verbunden, zielgerichtetes Handeln, selbstherrliche Tendenzen. Aufwendige Hofhaltung.
 
  • Der Regierungsstil entsprach seinem Ziel, die landesherrliche Gewalt zu stärken. Die Räte aus der Zeit Herzog Ludwigs wurden ausgeschaltet. Widerstand im Landtag wurde mit dessen Auflösung beantwortet.
 
  • Eckpunkte der Regierungspolitik
 
  • Ablösung des Lehensverhältnisses zu Österreich durch einen Geldbetrag (400.000 Gulden) mit dem Ergebnis außenpolitischer Handlungsfreiheit (Prager Vertrag von 1599). Württemberg wird wieder Reichslehen.
 
  • Zukauf von Ortschaften (Altensteig, Mundelsheim, Besigheim, Liebenzell). Gewaltsame Okkupation des Klosters Reichenbach im Schwarzwald.
 
  • 1599 Bau der Stadt Freudenstadt im Schwarzwald. Baumeister war Heinrich Schickhardt. Besiedlung durch protestantische Glaubensflüchtlinge.
  Männerbüste am ehemaligen Lusthaus in Stuttgart.
Ein Selbstbildnis Heinrich Schickhardts (*1558, † 1635) ?

Der vielseitig begabte Baumeister Heinrich Schickhardt (*1558, 1635) wirkte ein halbes Jahrhundert lang im Herzogtum Württemberg und im Osten Frankreichs als Architekt, Ingenieur und Stadtplaner.  Als württembergischer Landbaumeister entwarf, plante und fertigte er zahlreiche Bauwerke und technische Objekte. Als Stadtplaner entwickelte Schickhardt  neue Stadtteile und mit Freudenstadt  auch eine neue Stadt.  Ein besonderes Verdienst kommt Heinrich Schickhardt als Vermittler italienischer Renaissance-Baukunst zu. In Stuttgart schuf er zwischen 1600 und 1609 den  Vorgängerbau des Neuen Schlosses. 1635 wurde Schickhardt ein Opfer des Dreißigjährigen Krieges, als er durch kaiserliche Soldaten nach der Schlacht bei Nördlingen eine Stichwunde durch einen Dolch erhalten hatte, an deren Folgen er am 14. Januar 1635 in Stuttgart verstarb.  

Heinrich Schickhardt hinterließ seine Werke in seinen Niederschriften, seinem "Inventarium", und den mit vielen Skizzen versehenen Reisebeschreibungen. Seine Tätigkeit erstreckte sich vom Bau bedeutender Kirchen und prunkvoller Schlösser bis zu Meierhöfen, Wirts- und Bürgerhäusern sowie Keltern. Sie umfasste den Bau von vier ganzen Städten: außer Freudenstadt und der Neustadt zu Mömpelgard den Wiederaufbau der beiden niedergebrannten Städte Oppenau und Schiltach. Auch technische Anlagen bearbeitete er vielfach: am bekanntesten ist sein Vorschlag zur Kanalisation des Neckars von Cannstatt bis Heilbronn, sowie die Befestigung von Mömpelgard. Sogar der Kaiser wünschte Schickhardt wünschte ihn in seine Dienste zu stellen. Schickhardt lehnte dies jedoch ab, und obwohl er mehrere stattliche Häuser in Stuttgart besaß, zog es ihn die Gegend, wo er seine Kinderjahre verbracht hatte, und wo die mächtige Kirche, deren Chorgestühl sein Großvater geschnitzt hatte, die Giebeldächer seiner Heimatstadt Herrenberg überragte. Er besaß in Herrenberg ein Haus

 
  • Merkantilistische Wirtschaftspolitik, Förderung von Gewerbe und Handel (z.B. Leineweberei in Urach, Erzabbau im Schwarzwald, Eisenwerke im Kochertal).
 
  • Bemühungen um eine Union der lutherischen  mit den calvinistischen Fürsten (den Pfälzern).
  Die 'Union der protestantischen Fürsten' kam unmittelbar nach dem Tod Herzog Friedrichs I. im Jahr 1608 zustande. Das Ziel dieses Bündnisses war die gemeinsame Wahrung des Rechts auf die eingezogenen geistlichen Güter gegenüber den wieder erstarkenden Katholiken. 
   
 
  • 1607: Einschränkung des Steuerbewilligungsrechts des Landtags (Abänderung des Tübinger Vertrags). Im Falle eines Krieges mit den katholischen Reichsfürsten sollte die Landschaft drei Viertel der Kriegskosten bezahlen.

Literaturhinweise


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Unser Land Baden-Württemberg. Theiss-Verlag 1986.

Begleitbuch zur Ausstellung "Württemberg wird evangelisch" (16.5. - 24.7.2009) 475 Jahre Reformation - 450 Jahre große Kirchenordnung. Stuttgart 2009.

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Handbuch Baden-Württemberg. Politik, Wirtschaft, Kultur von der Urgeschichte bis zur Gegenwart. Kohlhammer-Verlag 1982

Borst, Otto

Geschichte und Gestalt eines Landes. Stadler-Verlag 1978

Dieterich, Susanne

Württembergische Landesgeschichte für neugierige Leute. Band 2: Vom Dreißigjährigen Krieg bis 1952. DRW-Verlag 2003.

Grube, Walter

Der Stuttgarter Landtag 1457 - 1957. Stuttgart 1957

Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg

Handbuch der Baden-Württembergischen Geschichte, Band 4: Die Länder seit 1918..

Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg (Hrsg.)

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Lorenz, Sönke / Mertens, Dieter / Press, Volker (Hrsg.)

Das Haus Württemberg. Ein biographisches Lexikon. Kohlhammer-Verlag 1997.

Maurer, Hans-Martin

Johannes Brenz und die Reformation in Württemberg. Stuttgart 1981

Raff, Gerhard

Die Schwäbische Geschichte. Stuttgart 2000.

Raff, Gerhard

Hie gut Wirtemberg allewege. Band 1: Das Haus Wirtemberg von Graf Ulrich dem Stifter bis Herzog Ludwig

Raff, Gerhard

Hie gut Wirtemberg allewege. Band 2: Das Haus Württemberg von Herzog Friedrich I. bis Herzog Eberhard III. DVA 1994

Rinker, Reiner / Setzler, Wilfried (Hrsg.)

Die Geschichte Baden-Württembergs. Theiss-Verlag. 2. Auflage 1987

Waßner, Manfred

Kleine Geschichte Baden-Württembergs. Theiss-Verlag 2002

Weber, Reinhold / Wehling, Hans-Georg

Geschichte Baden-Württembergs. Beck Wissen. 2007

Weller, Karl / Weller, Arnold

Württembergische Geschichte im südwestdeutschen Raum. Theiss-Verlag. 10. Auflage 1989.

Widmaier, Jörg: Kirche stellt sich quer in 'Denkmalpflege in Baden-Württemberg, Heft 4 (2017)
 
 

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