Württemberg im Späten
Mittelalter (1250 - 1400)
Württemberg vom Späten
Mittelalter bis zur Reformation (1400 - 1520)
Württemberg von der Reformation
bis zum Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges (1520 - 1618)
Württemberg in der Zeit des
Dreißigjährigen Krieges (1618 - 1648)
Württemberg in der Zeit des
Dreißigjährigen Krieges (1618 - 1648)
Württemberg in der Zeit
vom Westfälischen Frieden bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts (1648 -
1750)
Württemberg von der
Mitte des 18. Jahrhunderts bis zum Ende des Heiligen Römischen Reichs
Deutscher Nation (1750 - 1806)
Württemberg in der
ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts (1806 - 1850)
Württemberg von der
Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur Gründung des Deutschen Reiches
(150-1871)
Württemberg als
Bundesstaat des Deutschen Reiches
Württemberg in der Zeit
der Weimarer Republik
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Württembergische Geschichte
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Deutschland 1815 - 1830
Deutschland 1830 - 1847
Deutschland 1848 - 1850
Köngen 1806 - 1850 (exemplarisch für ein Dorf)
Literaturhinweise
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Württemberg
in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts (1806 -1850)
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Zum
altwürttembergischen Herrschaftsraum
gehörte das Gebiet am mittleren Neckar
mit den Städten Stuttgart, Ludwigsburg
und Tübingen.
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Einführung eines
Staatsministeriums mit sechs nach
Hauptverwaltungszweigen abgegrenzten
Ministerien (Ressorts): Auswärtiges,
Inneres, Justiz, Krieg, Finanzen, geistliche
Angelegenheiten. Der König behält sich vor,
in dieses zentrale Regierungspräsidium
weitere Mitglieder seines persönlichen
Vertrauens zu berufen.
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Ziel
König Friedrichs war die Bildung eines
straff geordneten Staatswesens
nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit.
Außerdem sollte aus Alt- und
Neuwürttembergern, Hohenlohern,
Ellwangern, Vorderösterreichern,
Reichstädtern u. a. ein
württembergisches Volk geformt werden -
natürlich auch mit dem Ziel, dem
württembergischen König loyale
Untertanen zu schaffen. Dichter wie zum
Beispiel Justinus Kerner
("Preisend mit viel schönen Reden ...)
und Ludwig Uhland (Vaterländische
Gedichte) waren an dem Versuch einer
Identitätsbildung beteiligt.
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Herzog Friedrich
II. von Württemberg = König Friedrich I.
(reg. 1797-1816, ab 1806 König von
Württemberg)
Gemälde von Johann
Baptist Seele (1774-1814) um 1806.
Landesmuseum Württemberg Inv. Nr. NN 74
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- Im Jahr 1815 besaß das
Königreich Württemberg einen dreistufigen
Verwaltungsaufbau: Oberämter - Landvogteien
- Departements (Ministerien).
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Württemberg wird
in zwölf Kreise zu je rund 110.000
Einwohnern eingeteilt. Jeder Kreis
wird in fünf bis sieben Oberämter
untergliedert. Im Jahr 1808 wird die
Anzahl der Oberämter auf 65 mit
jeweils etwa 20.000 Einwohnern
reduziert. Diese Anzahl und die
Abgrenzung blieb im Wesentlichen bis
1938 erhalten.
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Die
Gebietszuweisung für die Oberämter
erfolgte lediglich nach
geographischen Gesichtspunkten. Neu
erworbene Gebiete wurden ohne
Rücksicht auf historische
Gegebenheiten mit dem
altwürttembergischen Territorium
vermischt.
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Die Landvogteien
als mittlere Verwaltungsebenen
wurden zunächst 1803 in
Neuwürttemberg eingeführt. Die
Bezeichnung "Landvogtei" erfuhr bis
1805 für die Landvogtei Schwaben als
Teilgebiet Vorderösterreichs
Verwendung. 1810 wurden im
Königreich Württemberg zwölf
Landvogteien errichtet. Neun
Landvogteien umfassten je 5
Oberämter, zwei je sechs und eine
fasste sieben Oberämter zusammen.
Die Gebietsgrößen waren
unterschiedlich Die kleinste Fläche
mit ca. 890 km² hatte die
Landvogtei Rothenberg, die das dicht
besiedelt Gebiet um Stuttgart
umfasste, die größte die Landvogtei
am Kocher mit rund 2.500 km².
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Die
Verwaltungsstruktur mit den
Landvogteien bewährte sich
nicht. Deshalb wurde diese
Gliederung 1817 wieder
aufgehoben und durch vier Kreise
- Neckarkreis, Jagstkreis,
Donaukreis und Schwarzwaldkreis
- ersetzt. |
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Königreich Württemberg, Großherzogtum
Baden, Fürstentümer Hohenzollern-Hechingen
und Hohenzollern-Sigmaringen (in der
Karte brauner Bereich) nach 1806.
Die
Fürstentümer Hohenzollern-Hechingen und
Hohenzollern-Sigmaringen wurden 1850 zum
preußischen Regierungsbezirk Sigmaringen
(Hohenzollerische Lande).
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Fast vollständige
Beseitigung der Selbstverwaltung der
Gemeinden. Der Schultheiß wird vom
Landvogt ernannt und steht unter der
Kontrolle des Oberamtmanns.
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Trennung der Verwaltung
von der Justiz (die Justiz wurde
unabhängigen Amtsrichtern übertragen).
Aufbau einer
einheitlichen, in einer Behörde
konzentrierten Finanzverwaltung. Ihr
wurde unter anderem die Steuerkasse, die
Sonderverwaltung des evangelischen
Kirchenguts und die kommunalen Stiftungs-
und Armenpflegen unterstellt. Auch die
Aufsicht über das Münzwesen gehörte zum
Finanzministerium.
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Wer der Wehrpflicht nicht
nachkommen wollte, konnte sich
bis 1809 für 800 Gulden einen
'Einsteher' kaufen, der sich
dann sich dann stellvertretend
auf die Konskriptionsliste
setzen ließ. Zum Vergleich: Eine
Kuh kostete damals ungefähr 60
Gulden.
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Wie alle
Rheinbundstaaten hatte sich
Württemberg dazu verpflichtet, dem
französischen Kaiser Heerfolge zu
leisten. Ständig wurden nun neue
Soldaten ausgehoben, immer mehr
junge Männer von der Wehrpflicht
erfasst. Für besonderen Aufruhr
sorgte diese Regelung in den
früheren geistlichen Territorien,
kleinen Adelsherrschaften und
ehemals freien Reichsstädten, die
1803 und 1806 in die süddeutschen
Staaten eingegliedert worden waren.
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Den mediatisierten
Standesherren wurden fast alle früheren
Privilegien genommen. Dies betraf den
bevorzugten Gerichtsstand, die Forst- und
Polizeigerichtsbarkeit, die Steuerfreiheit
sowie das Recht, über so genannte
"Hausgesetze" die Vererbung familienintern
regeln zu dürfen.
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Im Jahr
1808 wohnten ca. 23 Prozent der
württembergischen Einwohner in lokalen
Verwaltungseinrichtungen
(Patrimonialämtern), die dem
mediatisierten Adel unterstanden.
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Der
beträchtliche Landbesitz der
evangelischen Kirche ging an den Staat.
Deren regelmäßigen Einnahmen dienten
dazu, die öffentlichen Aufwendungen für
das Schul-, das Kranken- und das
Wohlfahrtswesen zu bestreiten. Die
evangelischen Pfarrer wurden wie alle
anderen Staatsbeamten vom Landesherrn
ernannt.
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Seit Peter dem
Großen (1682 - 1725) hatte Russland
immer wieder die Öffnung zum
europäischen Kontinent hin angestrebt
und unter Katharina II. mit großzügigen
Privilegien Siedler aus dem Westen zu
locken versucht. Die von der Zarin
erlassenen Kolonisationsgesetze von 1763
sahen für die Auswanderer unentgeltliche
Landzuteilungen, zinslose Darlehen,
befristete Steuerbefreiung, dauerhafte
Befreiung vom Militärdienst,
eigenständige Gemeindeverwaltung und
freie Religionsausübung vor. Als 1804
Zar Alexander I., der Enkel Katharinas
II., deren Einwanderungserlass
erneuerte, schränkte er die Anwerbung
zwar ein, dennoch mussten seine Zusagen
den Menschen im südwestdeutschen Raum
wie Heilsverheißungen erscheinen. Die
ersten württembergischen Niederlassungen
in Südrussland entstanden 1805/1806
nördlich des Schwarzen Meers, in
Bessarabien und in der Gegend um Odessa.
Rund 20.000 Württemberger folgten damals
dem Ruf des Zaren und bauten sich in
Südrussland eine neue Existenz auf.
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Das Bündnis mit Napoleon hatte
auch eine dynastische Seite. König Friedrichs
einzige Tochter Katharina musste 1807 aus
Staatsraison Jérôme Bonaparte heiraten,
Napoleons jüngeren Bruder, den späteren Herrscher
des Königreichs Westfalen.
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Die
württembergischen Truppen
beteiligen sich an den Feldzügen Napoleons von
1806
und
1807 gegen Preußen,
1809
gegen Österreich, 1812
gegen Russland,
1813
gegen Preußen, Russland und Österreich.
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Nach der österreichischen
Niederlage von 1809 erhielt König Friedrich
noch einmal einen Gebietszuwachs: Tettnang,
Teile von Ansbach und Bayreuth, Leutkirch,
Ravensburg, Buchhorn, Ulm, Wangen u. a.
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Im Schönbronner
Friedenschluss vom Oktober 1809
musste das im Krieg bezwungene Österreich
der Aufhebung des Deutschen Ordens
in den Rheinbundstaaten ebenso wie der
Eingliederung des Mergentheimer
Gebiets in das Königreich Württemberg
zustimmen.
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Die Besetzung des zum
habsburgischen Staatsverband gehörenden
Mergentheimer Gebiets
durch württembergische Truppen war am
20. April 1809 im Krieg gegen Österreich
an der Seite Napoleons erfolgt. Das
fränkische Mergentheim, seit 1340 Stadt
des Deutschen Ordens, war Residenz des
Oberhauptes dieser Gemeinschaft
von Rittern und Priestern, des
so genannten Hoch- und
Deutschmeisters, geworden. Im
österreichisch-französischen
Friedensvertrag von Pressburg
vom Dezember 1805 hatte man dem Orden
mit der Übernahme der erblichen Würde
des Hochmeisters durch einen von dem
österreichischen Kaiser Franz zu
bestimmenden habsburgischen Prinzen das
Weiterleben gesichert.
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Siehe Historischer Atlas:
Württemberg 1809
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Im
Feldzug von 1813
sah sich König Friedrich gezwungen, noch
einmal Truppen für Frankreich abzustellen.
12.000 Mann waren von Napoleon gefordert, um
gegen das mit Russland verbündete Preußen
ins Feld zu ziehen. Württembergische
Verbände nahmen auch an der
Völkerschlacht bei Leipzig
am
16.10.1813 teil. Während sich der größte
Teil der Württemberger zusammen mit den
Franzosen zurückzog, ging der andere Teil
unter dem Reitergeneral
Karl Friedrich
Lebebrecht von Normann-Ehrenfels
zu den
Verbündeten über.
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Die Niederlage Napoleons im
Russischen Feldzug 1812 und der Krieg von 1813
bewirkten die Befreiung Deutschlands von der
französischen Herrschaft. Ende1813 schließt
Württemberg ein Militärbündnisse mit Österreich,
Russland und Preußen und tritt aus dem Rheinbund
aus. Zum Kampf gegen Napoleon stellt Württemberg
24.500 Mann.
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Auf dem
Wiener Kongress
suchte König Friedrich die Unterstützung seines
Neffen, Zar Alexander I.. Für einen Fürsten,
der sich erst im letzten Moment der Koalition
angeschlossen hatte, waren Erwerbshoffnungen
illusionär.
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Das Begehren
König Friedrichs, das
Großherzogtum Baden
und die hohenzollerischen Zwergfürstentümer in
das Königreich Württemberg einzuverleiben, wurde
abgeschmettert.
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Artikel 13 der
"Bundesakte" verlangte in allen
Bundesstaaten eine
"landesständische
Verfassung". Um einer vom Bund
aufgenötigten Verfassung zuvorzukommen,
legte König Friedrich I. dem
württembergischen Landtag am 15. März 1815
eine Verfassung vor, nach der die künftige
Landesvertretung aus einer Kammer mit
fünfzig Vertretern des hohen und niederen
Adels, vier Vertretern der Universität,
sieben Deputierten der "Guten Städte" und 64
Abgeordneten der Oberamtsbezirke bestehen
sollte.
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In dem Verfassungsentwurf
war Gleichheit vor dem Gesetz,
Religionsfreiheit, Freiheit der
Auswanderung, Schutz gegen willkürliche
Verhaftung und Strafe, Sicherheit des
Eigentums und eine am Vermögen ausgerichtete
Besteuerung vorgesehen. Das Landesparlament
sollte regelmäßig alle drei Jahre
zusammenkommen. Das alte
Recht der
Stände zur Gesetzgebung war allerdings
fast vollständig aufgehoben.
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Fürst
Metternich gab den Standesherren jedoch eine
Reihe von Privilegien. Die so genannten
"Patrimonialrechte"
waren vom
Staat an den Adel abgetretene lokale
Herrschaftsrechte im Bereich der
Verwaltung, der niederen Gerichtsbarkeit
(erste und zweite Instanz) und der
Forstpolizei.
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Der Landtag lehnte den
Verfassungsentwurf des Königs ab. Die
Abgeordneten beharrten auf ihrer Forderung,
am Aufbau und Gestaltung der Verfassung
mitwirken zu können. Am 26. Juni 1805
verlangte das Parlament in einem Schreiben
an den König die Wiedereinführung der
Steuerverwaltung durch die Stände, die
Wiederherstellung des altwürttembergischen
Kirchenguts und die Wiedereinsetzung eines
permanenten ständischen Ausschusses zur
Mitsprache bei den laufenden
Regierungsgeschäften.
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Die
'Altwürttemberger' bestanden auf der
Wiedereinführung der von König Friedrich
I. aufgehobenen
landesständischen
Verfassung und verlangten, sie mit
gewissen Abänderungen auf
'Neuwürttemberg' auszudehnen. Sie
pochten auf das, was sie als ihr
"altes, gutes Recht" verstanden.
Dabei bezogen sie sich auf den Tübinger
Vertrag von 1514.
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König Friedrich I.
reagierte auf diese Forderungen schroff: Er
befahl eine Sitzungspause des Parlaments,
die 26. Juli 1815 beginnen sollte. Unter dem
Druck des Parlaments und auch der
Bevölkerung ließ der König ein aus 12
Personen bestehendes Komitee zu, das die
Verfassung weiter beraten sollte. Neue
Verhandlungen über die Verfassung
scheiterten jedoch. In einem
Reskript vom
5. August erklärte der König die
Ständeversammlung offiziell für aufgelöst.
Die Landesherren von Österreich, Preußen und
Hannover, die in ihrem Land ein ähnliches
Aufbegehren ihrer Parlamente befürchteten,
drängten Friedrich zum Einlenken. So kam es
dazu, das der Landtag am 15. Oktober 1815
'kraft königlichem Entschluss' erneut
zusammentreten konnte.
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Einen Monat nach der
erneuten Zusammenkunft der Volksvertreter,
zeigte sich König Friedrich I. bereit, den
Bewohnern Altwürttembergs ihre
alte
Verfassung zurückzugeben und
Neuwürttemberg eine neue Verfassung zu
geben. Sein oberstes Ziel, für ganz
Württemberg eine
einheitliche Verfassung
durchzusetzen, gab er jedoch nicht auf. Den
Landständen bot er deshalb an, sämtliche
seit dem Jahr 1806 erlassenen Gesetze
gemeinsam einer gründlichen Revision zu
unterziehen. Außerdem versprach er, dem
Steuerbewilligungsrecht des Parlaments
zuzustimmen. Trotz der
Kompromissbereitschaft des Königs gab es bei
den Verhandlungen zwischen den Landständen
und der Regierung so gut wie keine
Fortschritte.
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Eine
eingängige Parole, welche die
konservativen Altwürttemberger in ihrem
Selbstbewusstsein und Patriotenstolz
mächtig stärkte, lieferte der Dichter
und Doktor der Jurisprudenz
Ludwig
Uhland (*1787,
† 1862): "Wo je bei
altem, gutem Wein, der Württemberger
zecht, da soll der erste Trinkspruch
sein, das alte, gute Recht." (Zuerst das
Recht, dann der Genuss!).
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Nach
dem Ende der Herrschaft Napoleons im
Jahre 1815 griff der Dichter und
Arzt Justinus Kerner
(*1786, † 1862) erstmals in die
Politik ein. Während sich sein
Freund Ludwig Uhland im
württembergischen Verfassungskampf
für das "gute alte Recht" der
Landstände einsetzte, stritt er für
eine Verfassung liberalen
Zuschnitts, nach der vor
allem der Adel seine politischen
Privilegien verlieren sollte.
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Friedrich Wilhelm Karl
wurde am 27. September 1781 in der Stadt Lüben in
Schlesien als Sohn des damaligen preußischen
Offiziers Prinz Friedrich von Württemberg und dessen
Frau Auguste, einer Prinzessin von Braunschweig und
Lüneburg, geboren. Das Verhältnis zu seinem Vater
war lange Zeit denkbar schlecht. Mit dem
Regentennamen Wilhelm wollte er kundtun, dass
sein Regierungsantritt den Beginn einer neuen Ära
für Württemberg bedeutete.
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Nach dem Tode König
Friedrichs setzte König Wilhelm I. die
Verhandlungen mit den Landständen fort.
Anfang März 1817 legte er einen
Verfassungsentwurf
vor, der einen
Landtag mit zwei Kammern, einer Adels- und
Prälatenkammer und einer Volkskammer vorsah.
Der Entwurf wurde am 2. Juni mit 67 gegen 42
Stimmen vom Landtag zurückgewiesen. Für den
König war dies eine empfindliche Schlappe.
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Die
Verfassung selbst sollte nach dem Willen
der Altwürttemberger als
Vertrag
zwischen Fürst und Volk beschlossen
werden. Nach den Worten
Ludwig
Uhlands war es erforderlich, "das
Vertrauen und die Eintracht zwischen
Volk und Herren" zur Grundlage des neuen
württembergischen Staates zu
machen. Nach dem Scheitern der
Verhandlungen der Stände mit
König
Wilhelm I. schreibt
Ludwig Uhland
in seinem Gedicht 'Nachruf': "Ob einer
im Palast geboren, in Fürstenwiege sei
gewiegt, als Herrscher wird ihm erst
geschworen, wenn der Vertrag besiegelt
liegt". Das Thema, das Uhland am meisten
bewegt und zum direkten Engagement im
Verfassungskampf veranlasst hat, war
sein dringendes Verlangen nach einem
"Recht, das uns Gesetze gibt, die keine
Willkür bricht, das offene Gerichte
liebt und gültig Urteil spricht".
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Ludwig Uhland (1787
- 1862)
"Der Deutsche ehrt in
allen Zeiten der Fürsten heiligen Beruf
doch liebt er, frei
einherzuschreiten und aufrecht, wie ihn
Gott erschuf".
Antonius / Interfoto
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Der Dichter
Justinus Kerner
verfasste im Jahre 1818 das Lied
"Der reichste Fürst"
(Preisend mit viel schönen Reden
...) zu Ehren des
Grafen Eberhard im Bart.
Dieses Lied trug eine eindeutige
politische Botschaft und hatte
einen aktuellen Bezug zur
politischen Lage im
Königreich Württemberg zur Zeit des
Verfassungskampfes. Das Bild vom
Untertan, in dessen Schoß der Fürst
jederzeit ohne Bedenken sein Haupt
legen kann, demonstriert Kerners
politisches Ideal. Dabei ist keine
kritiklose Untertanentreue und auch
keine Arroganz fürstlicher
Selbstsicherheit zum Ausdruck
gebracht, sondern eine
Idealvorstellung von einem
"Bürgerkönigtum", in dem
Monarchie und Bürgertum zum Wohle
des Staates vertrauensvoll und
verlässlich zusammenwirken.
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Die
'Neuwürttemberger'
(die Bevölkerung in den 1805 zugeschlagenen
Territorien) wollten sich am Kampf für den
Vertrag und für das alte, gute Recht nicht
beteiligen. Im März 1817 stimmten die 42
Vertreter Neuwürttembergs im Landtag für die
Annahme des von König Wilhelm I. vorgelegten
Verfassungsentwurfs.
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Man hatte
keine Einwände dagegen, dass Friedrich
mit den reichsgräflichen und
reichsritterschaftlichen Privilegien wie
zum Beispiel der speziellen
Gerichtsbarkeit von Adligen Schluss
gemacht hatte. Die Fragen nach der
Rechtsgrundlage der königlichen
Herrschaft interessierten die
Neuwürttemberger nur wenig.
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König Wilhelm I. von
Württemberg (*1781,
reg. 1816-1864)
Gemälde
von Nicaise de Keyser (1813-1887) im
Jahr 1848. Privatbesitz.
Ausstellungskatalog: Große
Landesausstellung Baden-Württemberg
2006.
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Erste Kammer:
Prinzen des königlichen Hauses,
Vertreter des Hochadels, vom König
ernannte Mitglieder auch
bürgerlicher Herkunft. Außerdem
Vertreter der Kirchen, des Handels
und der Industrie, der
Landwirtschaft und des Handwerks.
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Kammer der
Abgeordneten: In dieser 'Zweiten
Kammer' hatten auch nicht gewählte
Abgeordnete Sitz und Stimme. Neben
den 13 Vertretern des
ritterschaftlichen Adels, saßen dort
auch die Repräsentanten der Kirchen
(6 evangelische Prälaten, 3
Vertreter der katholischen Kirche)
und der Kanzler der Universität
Tübingen. Die weiteren 70 Sitze
wurden von Volksvertretern
eingenommen, die in den sieben so
genannten
"guten Städten"
("gut" bezieht sich auf die Größe
einer Stadt!) und in den 63
Oberamtsbezirken indirekt gewählt
wurden. Das
passive Wahlrecht
war nicht an Vermögen oder Besitz
gebunden.
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Wer direkte Steuern zahlte,
konnte Wahlmänner wählen, die
dann die Abgeordneten
bestimmten. Die
Abgabenpflichtigen, die ein
hohes Steueraufkommen hatten,
stellten zwei Drittel der
Wahlmänner. Die weniger
bedeutenden Steuerzahler wählten
das übrige Drittel der
Wahlmänner, deren
Stimmenmehrheit ein Kandidat auf
sich vereinen musste.
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Rechte der
Stände: Zustimmung zu allen
Gesetzen und zur Erhebung von
Steuern, Beratung des
Staatshaushalts. Beiden Kammern war
das Recht zu Gesetzesinitiativen
verwehrt, der König bestimmte
weiterhin die politische Richtung.
Die Monarchie blieb in ihrer
Machtvollkommenheit unangetastet.
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Die
Verfassung von 1819
bedeutete das
Ende des
Absolutismus in
Württemberg. Hervorzuheben
ist, dass der König die
Verfassung nicht - wie
andere deutsche Dynasten -
einseitig oktroyierte,
sondern als
Vertrag mit
den Landständen
vereinbarte.
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Am 23.
September 1819 erläutert
Ludwig Uhland seine
Zustimmung zu der Verfassung
mit den Worten: "Mancher
wird manches vermissen, aber
das Wesentliche besteht, vor
allem jener Urfels unseres
alten Rechtes, der Vertrag".
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Der
15-jährige
Eduard Mörike
trägt am Silvesterabend 1819
im Theologischen Seminar
Urach eines seiner frühesten
Gedichte vor: "In diesem
Jahr ward uns ein Glück
beschieden / Durch einer
Liebe segensvolle Macht, /
Durch sie ward unserm Volke
neuer Frieden / Und manches
alte Recht zurückgebracht: /
Denn in dem Lande nur ist
Ruh' hienieden, / Wo dieser
Liebe scharfes Auge wacht; /
Wir alle hängen durch die
milden Bande / So warm, so
innig an dem Vaterlande."
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Die württembergische
Verfassung von 1819 war kein
"Gnadengeschenk" des Monarchen. Vielmehr
hatten königliche Regierung und
Landtag einen Verfassungsvertrag
ausgehandelt, der einen Kompromiss zwischen
altständischen Traditionen
und den Grundsätzen einer modernen
konstitutionellen Monarchie
darstellte.
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Einrichtung von
fachlichen Zentralstellen auf der
mittleren Verwaltungsebene (Evangelisches
Konsistorium, Katholischer Kirchenrat,
Staatskassenverwaltung, Forstrat, Bergrat
und anderes)
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Am 5. April 1815 war auf der
indonesischen Insel Sumbawa der
Vulkan Tambora ausgebrochen. Die
Aschewolke, von der ein großer Teil
in die Atmosphäre eindrang, hatte
dramatische Auswirkungen auf das
Wetter in Europa. Insbesondere das
Gebiet zwischen dem Main und den
Alpen war stark betroffen. Dort
sanken die Temperaturen weit unter
den Jahresdurchschnitt und es
regnete fast ständig. Das Getreide
verschimmelte am Halm, die
Kartoffeln verfaulten in den Äckern,
Äpfel, Birnen und Weintrauben wurden
nicht reif. Zeitgenössische Berichte
aus der Schweiz, aus Franken und
Schwaben erzählen von
Überschwemmungen, Erdrutschen,
Gewittern und zerstörerischen
Hagelschlägen.
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In Württemberg
kam es zu einem massenhaften Exodus,
wobei die Schultheißen vieler Orte
den hungernden Menschen sogar noch
die Reisekosten bezahlten, damit sie
nicht mehr aus öffentlichen Kassen
und der Dorfgemeinschaft unterstützt
werden mussten. 1817, im Jahr des
großen Auswanderungszuges in den
Kaukasus, machten sich ca. 1.400
Familien aus Württemberg auf den Weg
nach Osten. Insgesamt kehrten in den
Jahren 1818 bis 1822 mehr als 30.000
Württemberger ihrer Heimat den Rücken,
um ihr Heil und Glück im Osten zu
suchen. Zu den politischen und
wirtschaftlichen Motiven für die
Auswanderung kamen religiöse Motive
hinzu. Die Auszugsbewegung von 1817 war
pietistisch geprägt.
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In der
Bevölkerung wird alsbald die Frage
nach den Schuldigen des Elends
gestellt. Die Behauptung kam auf,
jüdische Händler seien die
Hintermänner und Profiteure des
illegalen Verschiebens von Getreide
über die württembergischen Grenzen
und des Wuchers mit Korn und Brot.
Das Zerrbild vom "Kornjuden"
verfestigte sich. Die antijüdische
Stimmung entlud sich in vielen Orten
in Krawallen, Plünderungen und
Zerstörungen.
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Vor allem
Königin
Katharina wurde während der Hungersnot
der Jahre 1816/17 sozialpolitisch aktiv.
"Arbeit verschaffen hilft mehr, als
Almosen geben" war der Leitgedanke ihres
Wohlfahrtswerks, für das sie
gesellschaftspolitisch und sozial engagierte
Bürger einspannte. Die Königin erarbeitete
einen Plan für eine das ganze Land
umfassende Hilfsorganisation, deren Aufgabe
es war, unter der Ausnutzung bestehender
Verwaltungsstrukturen Amtsärzte zu
bestellen, Kleidung, Heizmaterial und
Lebensmittel zu beschaffen sowie mit Spenden
zu helfen. Am 6.1.1817 erging der
Gründungsaufruf für den
'Allgemeinen
Wohltätigkeitsverein', der durch einen
Staatsbeitrag und Zuwendungen der Königin
handlungsfähig gemacht wurde. In den Städten
und Gemeinden des Landes wurden
'Beschäftigungsanstalten', Armenasyle,
Armenküchen und Krankenstationen
eingerichtet.
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Die
dreigliedrige Struktur der
staatlich
verankerten Wohlfahrtsorganisation
mit der zentralen Leitung in
Stuttgart, mit den Bezirksleitungen
in den Oberamtsstädten und mit
Lokalvereinen in den Gemeinden
sorgte dafür, dass die Armenfürsorge
als große Gemeinschaftsaufgabe
begriffen wurde. Über die
nachgeordneten
Bezirkswohltätigkeitsvereine ließen
sich Getreidespenden aus Russland
und Almosen an bedürftige Familien
verteilen, Suppenküchen einrichten,
nicht aber die strukturellen
Probleme einer wenig effizienten
Landwirtschaft lösen.
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Königin Katharina
von Württemberg, geb. Ekaterina
Pawlowna (*10.5.1788, † 9.1.1819)
Staatliche Schlösser
und Gärten, Schlossverwaltung
Ludwigsburg
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Der Gedanke, in
Württemberg eine 'Ersparnisanstalt'
(Sparkasse) zu gründen, stammt ebenfalls von
Katharina. Der Stadt Stuttgart spendierte
sie eine hohe Summe als Anschubfinanzierung
für ein allgemeines städtisches
Krankenhaus. Im Jahr 1828 - neun Jahre
nach dem Tod der Königin -wurde es als
"Katharinenhospital" eröffnet.
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König Wilhelm I.
lässt sich im Jahr 1820
einen gründlichen Bericht über das
Ausmaß der Not unter seinen 1,4
Millionen Untertanen erstellen: 64.896 Arme,
darunter 4645 Waisen bevölkern das Land
zwischen Mergentheim und Bodensee - im
Durchschnitt ein Fünftel der Bevölkerung, in
manchen Gegenden leben sogar mehr als die
Hälfte der Bevölkerung in prekären
Verhältnissen. Die Hungersnot des Jahres
1816 war noch längst nicht überwunden. Das
Missverhältnis zwischen Armen und Reichen
war europaweit im Durchschnitt nur halb so
groß wie in Württemberg
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Die
betroffenen Standesherrn befürchteten
den Verlust ihrer wirtschaftlichen
Existenz. Nachdem sie mit Erfolg beim
Bundestag in Frankfurt Beschwerde
eingelegt hatten, musste die Ausführung
des königlichen Edikts aufgeschoben
werden. Erst unter dem Eindruck der
Revolution der Jahre 1848/49 wurde
das Ziel Wilhelms I. - freier Bauer auf
freiem Grund - erreicht.
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Nachdem schon in den Jahren von
1800 bis 1804 rund
17.500 Personen ausgewandert waren,
kam es nun zu erneutem Massenexodus.
Armut, Arbeitslosigkeit und die
drückende Steuerlast waren die
hauptsächlichen Gründe für die
Auswanderung. Allein im Jahr 1816
verließen 20.000 Untertanen ihre
Heimat. Diese Zahl wurde 1817 noch
überschritten.
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Im
Zeitraum von 1816 bis 1914
kehrte fast eine halbe Million
württembergischer Bürger der Heimat
den Rücken und emigrierte nach
Übersee. In der Regel brachen
Familien und Sippen gemeinsam in die
USA auf, ohne sich in organisierten
Gruppen zusammen zu schließen. Die
Migration im 19. Jahrhundert
war ein komplexer Prozess,
der von vielfältigen Faktoren
beeinflusst war. Fehlende
wirtschaftliche Perspektiven,
sozialer Druck, das
Bevölkerungswachstum, Verfolgung,
Krieg und das Propagieren der
Auswanderung von verschiedenen
Seiten bewogen die Menschen dazu,
ihre Heimat zu verlassen. In vielen
Fällen waren allein wirtschaftliche
und soziale Gründe maßgebend, die
eine eher individuell getragene
Entscheidung zur Auswanderung
vorantrieben. Auch bei der großen
Migrationswelle
zwischen 1850 und 1855
setzte ein Exportstopp
Frankreichs während des Krimkriegs
den deutschen Getreidemarkt unter
Druck. Daneben gab es wetterbedingte
Ernteausfälle. Auch die Sehnsucht
nach bürgerlicher und religiöser
Freiheit war ein Grund für die
Auswanderung.
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Als es
1825 an der Universität Tübingen zu
Ausschreitungen kam, griff König Wilhelm
I. in deren Verfassung ein. Er führte
einen königlichen Kommissar ein, der die
akademische Freiheit erheblich
einschränkte.
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Während der Hungerkrise
1816/17 wurden die von
König Friedrich im Jahr 1807 aufgehobenen
Einschränkungen für die
Eheschließung wieder eingeführt.
Die Ehe musste bei der Obrigkeit mit dem
"Nachweis eines ausreichenden
Nahrungsstandes" beantragt werden.
Den erhielt nur derjenige, der selbstständig
einen gewerblichen oder landwirtschaftlichen
Betrieb führte oder über genügend Vermögen
verfügte. Auch die Lebensführung der
angehenden Lebenspartner wurde überprüft.
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Jedes Kind wurde vom 6. bis zum
14. Lebensjahr schulpflichtig.
Jeder Ort mit mehr als 30
Familien musste eine Schule
unterhalten. Die Trennung nach
Konfessionen wurde beibehalten.
Die Schulaufsicht wurde im
Auftrag des Staates von
Geistlichen ausgeübt.
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Maßnahmen zur
Steigerung der landwirtschaftlichen
Erträge und damit des Einkommens
der größtenteils bäuerlichen
Bevölkerung Württembergs:
Verbesserung der
landwirtschaftlichen Anbau- und
Produktionsmethoden, Einsatz
verbesserter Ackerbaugeräte,
Förderung der Viehzucht, zweckmäßige
Nutzung des Naturdüngers, Verwendung
besseren Saatguts für Getreide.
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Um das Jahr 1820 lebten im
Königreich Württemberg rund 1,4
Millionen Menschen. Nur fünf von
den 134 Städten hatten mehr als
6000 Einwohner (Stuttgart
26.300, Ulm 11.400, Reutlingen
9.000, Heilbronn 6.900, Tübingen
6.600)
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Das 'Landwirtschaftliche
Hauptfest' wird bis heute alle
drei Jahre in Verbindung mit dem
jährlich stattfindenden
Volksfest auf den Cannstatter
Wasen abgehalten.
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Im Sommer
1823 entsandte König
Wilhelm II. den 31-jährigen
Reiseschriftsteller
Friedrich Schmidt mit dem
Auftrag nach London, ihm über die
Grundlagen des dortigen Erfolgs in
der Landwirtschaft zu berichten. Der
erste Wirtschaftsspion in
königlicher Mission erhielt
aus der Privatkasse des Königs ein
hohes Reisegeld. In den Berichten
Schmidts ging es meistens um die
Beschreibung von Schaf-, Ziegen- und
Schweinerassen oder Gemüsesorten,
deren Züchtung den schwäbischen
Bauern empfohlen wurde. Die
Vorschläge erwiesen sich allerdings
als ebenso ungeeignet für die
überwiegend kleinbürgerlichen
Betriebe wie eine neuartige
Mähmaschine. Auf den Ländereien der
englischen Großgrundbesitzer konnte
diese zwar gut eingesetzt werden,
für die kleinen Grundstücke in
Württemberg war sie jedoch
unbrauchbar.
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Verbesserung
der Verkehrssituation als
Voraussetzung für die Entwicklung
der Industrie: Ausbau des
Fernstraßennetzes, Ausbau des
unteren Neckars zur schiffbaren
Wasserstraße, Schaffung eines
leistungsfähigen Eisenbahnnetzes.
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Von staatlicher
Seite wurde der
Eisenbahnbau
vorangetrieben. Im Jahr 1836
genehmigte der Landtag für das
laufende und die beiden
nachfolgenden Jahre eine stattliche
Summe (100.000 Gulden) "zur
Förderung und Unterstützung der
Eisenbahnunternehmungen". Am 22.
Oktober 1845 wurde die erste
württembergische Bahnstrecke
zwischen Cannstatt und Untertürkheim
in Betrieb genommen. Bald darauf,
genau am 20. November 1845, konnte
die Strecke Cannstatt-Esslingen dem
Verkehr übergeben werden. Im
folgenden Jahr konnte man
Ludwigsburg mit der Eisenbahn
erreichen. Die Schienenfahrzeuge
wurden seit dem Jahr 1847 von der
Maschinenfabrik Esslingen
hergestellt.
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Vater der
gewerblichen Ausbildung in
Württemberg wurde
Ferdinand
Steinbeis
(*1807, † 1893). Er
gründete im ganzen Land
Gewerbeschulen, z.B. die Webschulen
in Blaubeuren (1852) und Reutlingen
(1855) und überwachte deren
Entwicklung. Steinbeis plädierte für
eine zweigleisige Ausbildung, um
theoretisches Wissen und praktisches
Können miteinander zu verbinden.
Begabte Studenten und
Handwerksgesellen erhielten
Stipendien, um ihre Fähigkeiten zu
vervollkommnen. So vermittelte er zum
Beispiel dem jungen Büchsenmacher
Gottlieb Daimler ein Stipendium an
der Polytechnischen Hochschule in
Stuttgart. Die Errichtung von
Handels- und Gewerbekammern als
gewerbliche Interessenvertretung war
im Wesentlichen das Werk von
Ferdinand Steinbeis.
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Ferdinand
Steinbeis
(*1807, † 1893)
Landesmedienzentrum
Baden-Württemberg
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Ferdinand Steinbeis hatte 1848
von König Wilhelm I. die
Stelle eines technischen
Referenten an der neu
gegründeten
"Zentralstelle
für Gewerbe und Handel"
erhalten. Der König hatte
erkannt, dass für das
landwirtschaftlich geprägte
Württemberg zur Behebung der
Massenarbeitslosigkeit und
Beschäftigung der Bevölkerung
eine Behörde notwendig war, bei
der die verschiedenen Maßnahmen
zur notwendigen
Industriealisierung
zusammenlaufen und die
gleichzeitig Initiativen zur
Förderung der Industrie
entwickelt. Ab 1855 war
Steinbeis
Direktor dieser Institution.
Unter seiner Leitung wurde die
Zentralstelle ein Motor der
Modernisierung in Württemberg.
Die Maßnahmen der "Zentralstelle
für Gewerbe und Handel' kann man
mit den zeitgemäßen Begriffen
Innovationsförderung,
Investitionsbeihilfen,
Subventionen und Qualifizierung
beschreiben. Steinbeis
machte allerdings Fehler, in
seiner Förderungspolitik die
dünner besiedelten Randbereiche
wie Hohenlohe und Oberschwaben
fast nicht zu berücksichtigen,
was weit reichende Folgen für
deren wirtschaftliche
Entwicklung haben sollte.
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Um den
Entwicklungsvorsprung anderer
Nationen (vor allem Englands)
aufzuholen wurde auch nicht vor
Industriespionage
haltgemacht. Die Aneignung fremden
Wissens - auch mit unlauteren
Mitteln - war in dieser Zeit üblich.
Dies war der staatlichen
Gewerbeförderung durchaus
bekannt und ab Mitte des 19.
Jahrhunderts war es insbesondere
Ferdinand
Steinbeis, der die
württembergischen Unternehmer
tatkräftig bei diesen Bemühungen
unterstützte. Auch Maschinen im
Ausland zu kaufen und dann
nachzubauen war eine gängige Praxis.
So kaufte zum Beispiel
Johann Gottlieb Merbold im
Jahr 1827 die ersten zwanzig
mechanischen Webstühle für seine
Cattunweberei in Heidenheim in
England. Innerhalb von vier Jahren
ließ er 100 Plagiate nachbauen.
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Nebenbei
bemerkt:
Der württembergische Arzt
Julius Robert Mayer (*
1814 in Heilbronn,
† 1878 ebenfalls in
Heilbronn) hat in seiner 1845
erschienenen Schrift „Die
organische Bewegung in ihrem
Zusammenhange mit dem
Stoffwechsel“ mit dem
Satz von der Erhaltung der
Energie eine der
wichtigsten
naturwissenschaftlichen
Erkenntnisse des 19.
Jahrhunderts formuliert.
Robert
Mayers Theorie wurde zunächst
von anderen Fachleuten nicht
anerkannt, da die Beweise
fehlten. Wenig später konnte der
britische Physiker James
Prescott Joule diese Theorie
unabhängig von Mayer genauer
nachweisen. Erst Jahre später –
nach schweren Depressionen und
einem Selbstmordversuch – wurde
Robert Mayer ebenfalls als
Entdecker anerkannt und erhielt
viele Auszeichnungen. Im
November 1867 erhielt er den
Adelstitel.
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Die
Pariser Julirevolution 1830
bewegte
auch in Württemberg die Gemüter. So
berichtete zum Beispiel der Oberamtmann von
Urach, dass in seinem Bezirk der "Geist der
Unzufriedenheit und leidenschaftlicher
Petitionen" sich rege. In Schwäbisch Gmünd
tauchte ein Plakat auf, das zu
entschlossenem Handeln gegenüber den
"Volksunterdrückern" aufrief ("Brüder, die
Stunde ist gekommen, um Rechte und
Freiheiten von den Tyrannen des Vaterlandes
zurückzufordern").
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Bei den
Landtagswahlen
im Dezember 1831 errangen die Liberalen
einen eindrucksvollen Sieg.
König Wilhelm
I. reagierte äußerst ungnädig auf das
Votum seiner Untertanen. Bis zum 15. Januar
1833 verschob er die Einberufung des
Parlaments. Unzufrieden mit der Kritik der
Liberalen an seiner Regierungskunst, löste
der König das Parlaments bereits am 22. März
wieder auf. Als bei Neuwahlen im April
wieder die Liberalen als Sieger
hervorgingen, verweigerte er den beamteten
Abgeordneten die Freistellung für das
Parlament. Friedrich Römer, der
liberale Oppositionsführer, und auch andere
liberale Abgeordnete, wie zum Beispiel
Ludwig Uhland, quittierten den
Staatsdienst, um ihr Mandat ausüben zu
können.
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Friedrich Römer
(1794-1864)
Valentin Schertle
(1809-1885) nach einer Fotografie von
Hermann Biow (1804-1850), Ausschnitt,
Württembergische Landesbibliothek
Stuttgart
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Die
Kritik der Liberalen an der Regierung
erstreckte sich insbesondere auf die
Pressezensur, die Beschränkung des
Wahlrechts, das Verbot von politischer
Vereinen und Versammlungen, die
"Gesinnungsschnüffelei", die
Ungerechtigkeit des Steuersystems sowie
auf die, ihrer Meinung nach zu hohen
Ausgaben für die Verwaltung und das
Militär.
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Das Ansehen des
Königs und die Stimmungslage in
Württemberg hat Karl Mörsch
treffend so umrissen: (Quelle:
"Schwäbische Heimat 1998/2, S.139) "
Zwei Dinge wird man bei der
Revolution 1848/49 in Württemberg
beachten müssen. Einmal den Umstand,
dass König Wilhelm I.
zwar alles andere als ein Freund der
Demokratie war, aber wegen seiner
großen Verdienste bei der Bekämpfung
der Not im Lande überall geachtet
war. Zum Feind taugte dieser König
nicht. Zum anderen scheuten die
württembergischen Volksfreunde
alles, was Preußen einen Vorwand zum
militärischen Eingreifen hätte
liefern können. Die Furcht vor einer
Preußen-Herrschaft verband die
Demokraten mit dem König."
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Aufgrund der
Hungersnöte in den Jahren 1846 und 1847 veränderte sich die bis
dahin "zufriedene" Grundstimmung der
Bevölkerung. Liberale Forderungen
tauchten wieder auf. Im
Januar 1848
verlangte eine Protestversammlung in
Stuttgart ein Bundesparlament,
Pressefreiheit, Vereins- und
Versammlungsfreiheit, Schwurgericht und
Volksbewaffnung. In Stuttgart, Ulm, Tübingen
und Kirchheim unter Teck war es bereits 1847
zu Hungerkrawallen gekommen. Viele Bürger
dieser Städte klagten über kaum mehr
bezahlbare Lebensmittelpreise. Betroffen von
Armut und Not waren vor allem
Handwerksgesellen, Arbeiter, Dienstboten und
Tagelöhner. In
Kirchheim unter Teck äußerte sich
der Seifensieder und spätere Stadtrat
Friedrich Tritschler (* 1810, †
1859) sehr radikal: "Der
günstige Augenblick ist jetzt gekommen, wo
wir von neuem Ansprüche auf unsere Fürsten
machen können; aber bitten wollen wir nicht
mehr - sondern fordern, was uns mit Recht
gebührt.". Er wetterte gegen den "verpönten
Kastengeist": "Dieser grelle
Standesunterschied muss aufhören, wenn etwas
Gutes geschaffen werden soll; den Adel soll
man nicht mehr durch Geburt, sondern durch
bürgerliche Tugend erringen können." Tritschler war zutiefst überzeugt, dass nur
eine Republik "Einheit,
Freiheit, Wohlstand" bringen könne.
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Radikale
Republikaner, die einem
künftigen deutschen Nationalstaat
eine zentralistische
Verwaltungsstruktur nach
französischem Vorbild geben wollten,
um die Dynastien in den Ländern zu
entmachten, blieben in Württemberg
allerdings eine einflusslose Minderheit. Die
meisten Liberalen verlangten ein
eigenständiges Württemberg
innerhalb eines deutschen
Nationalstaats.
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Dank der
fortschrittlichen
Verfassung von
1819 gab es im Königreich
Württemberg weniger als bei anderen
deutschen Staaten einen
aufgestauten, auf radikale
Veränderungen drängenden Bedarf nach
"Demokratisierung" und grundlegendem
politischem, gesellschaftlichem
Wandel. Die politischen Diskussionen
und Kundgebungen, die es dennoch
gab, verliefen in moderaten Formen
und unter maßvollen Forderungen.
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König Wilhelm I.
versuchte zunächst, die Revolution in
Württemberg durch
Entgegenkommen
aufzuhalten: Er setzte das
liberale
Pressegesetz aus dem Jahr 1817
wieder in Kraft und erteilte, allerdings
sehr widerwillig, einer Regierung unter der
Leitung des liberalen Oppositionsführers
Friedrich Römer seinen Segen. Das am 9.
März 1848 eingesetzte
"Märzministerium"
war das erste parlamentarische Ministerium
des Landes. Größere revolutionäre Erhebungen
wurden dadurch verhindert. Ziel Friedrich
Römers war eine "friedliche Umgestaltung"
der bestehenden Verhältnisse. Zu lebendig
war noch die Erinnerung, wie der
Freiheitsrausch der Französischen Revolution
sich in einen Blutrausch verwandelt hatte.
Es kam hinzu, dass manche Bürger sich vor
einer sozialen Umwälzung mit der Folge von
Enteignungen, Pöbelherrschaft und Anarchie
fürchteten. 1848 hatten Marx und Engels ihr
"Kommunistisches Manifest" veröffentlicht.
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Im April 1849 beschlossen
Ministerium und Parlament Württembergs die
Anerkennung der Reichsverfassung.
König Wilhelm I. empfand diesen Beschluss
als Demütigung, stimmte jedoch unter dem
Druck seiner Regierung, der
Abgeordnetenkammer des Landtags und einer
drohenden Volkserhebung als einziger
deutscher Monarch der von der Frankfurter
Nationalversammlung verabschiedeten
Verfassung zu.
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Nachdem die deutsche
Nationalversammlung in der Frankfurter
Paulskirche am Widerstand der Großmächte
gescheitert war, fassten etwa 20 Prozent der
Abgeordneten - die demokratische Linke - am
30. Mai 1849 den Entschluss, die Sitzungen
nach Stuttgart zu verlegen (Rumpfparlament).
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Als das Rumpfparlament
zur Steuerverweigerung und zur Erhebung
gegen die Regierungen aufrief, wurde es am
19. Juni 1849 von der württembergischen
Regierung aufgelöst. Minister Römer und
König Wilhelm sahen keinen anderen Weg, um
die für Württemberg akut zu befürchtende
preußische Militärintervention zu vermeiden.
Sie haben Württemberg
Unterdrückungsmaßnahmen und Blutbäder
erspart, wie sie kurz darauf in Baden
eingetreten sind, wo nach verlustreichen
Kämpfen die aufständische Festung Rastatt am
23. Juli 1849 kapitulieren musste.
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Literaturhinweise
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Bauer, Ernst W. /
Jooß, Rainer, Schleuning, H. (Hrsg.)
|
Unser Land
Baden-Württemberg. Theiss-Verlag 1986.
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Bölcke, Willi A.
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Handbuch
Baden-Württemberg. Politik, Wirtschaft, Kultur von der
Urgeschichte bis zur Gegenwart. Kohlhammer-Verlag 1982
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Borst, Otto
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Geschichte und Gestalt
eines Landes. Stadler-Verlag 1978
|
Brandt, Hartwig
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Parlamentarismus in
Württemberg 1819 - 1870, Düsseldorf 1987
|
Dieterich, Susanne
|
Württembergische
Landesgeschichte für neugierige Leute. Band 2: Vom
Dreißigjährigen Krieg bis 1952. Leinfelden-Echterdingen
2003.
|
Grube, Walter
|
Der Stuttgarter Landtag
1457 - 1957. Stuttgart 1957.
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Hölzle, Erwin
|
Württemberg im Zeitalter
Napoleons. Stuttgart 1937
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Kommission für
geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg
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Handbuch der
Baden-Württembergischen Geschichte, Band 3: Vom Ende des
Alten Reichs bis zum Ende der Monarchien. 1992.
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Landeszentrale für
politische Bildung Baden-Württemberg (Hrsg.)
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Baden-Württemberg. Eine
kleine politische Landeskunde. Landeszentrale für
politische Bildung. Stuttgart 2002. Neuausgabe 2007
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Langewiesche, Dieter
|
Liberalismus und
Demokratie in Württemberg zwischen Revolution und
Reichsgründung. Düsseldorf 1975.
|
Lorenz, Sönke /
Mertens, Dieter / Press, Volker (Hrsg.)
|
Das Haus Württemberg. Ein
biographisches Lexikon. Kohlhammer-Verlag 1997.
|
Mohr, Joachim |
Der Revolutionär, der Kapitalist und das Streben nach
Glück. Eine Geschichte von Freiheit und Auswanderung.
Tübingen 2018. |
Raff, Gerhard
|
Die Schwäbische
Geschichte. Stuttgart 2000.
|
Rinker, Reiner /
Setzler, Wilfried (Hrsg.)
|
Die Geschichte
Baden-Württembergs. Theiss-Verlag. 2. Auflage 1987
|
Sauer, Paul
|
Reformer auf dem
Königsthron. Wilhelm I. von Württemberg. Stuttgart 1997.
|
Waßner, Manfred
|
Kleine Geschichte
Baden-Württembergs. Theiss-Verlag 2002
|
Weber, Reinhold /
Wehling, Hans-Georg
|
Geschichte
Baden-Württembergs. Beck Wissen. 2007
|
Weller, Karl / Weller,
Arnold
|
Württembergische
Geschichte im südwestdeutschen Raum. Theiss-Verlag. 10.
Auflage 1989.
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Deutschland 1815 - 1830
Deutschland 1830 - 1847
Deutschland 1848 - 1850
Köngen 1806 - 1850 (exemplarisch für ein Dorf)
Literaturhinweise
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