Deutschland 1517 - 1521

 

 

 

 

 

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Die Welt des späten Mittelalters (1250 - 1400)

Das Ende der Luxemburger und der Aufstieg der Habsburger Kaiserdynastie (1400 - 1517)

Die Reformation von Luthers Anschlag der 95 Thesen bis zum Wormser Reichstag (1517 - 1521)

Der Dreißigjährige Krieg (1618 - 1648)

Vom Westfälischen Frieden (1648) bis zum Regierungsantritt Friedrichs des Großen (1740)

Der Aufstieg Preußens zur europäischen Großmacht (1740 - 1763)

Die Französische Revolution bis zum Ende der Diktatur Robespierres (1789 - 1794)

Deutschland in der Zeit der Französischen Revolution und der Herrschaft Napoleons (1789 - 1815)

 Restauration und Revolution (1815 - 1830)

Monarchie und Bürgertum (1830 - 1847)

Die Revolution von 1848/49

Von der gescheiterten Revolution 1848 bis zur Gründung des Deutschen Reiches 1871

Die Innen- und Außenpolitik Bismarcks (1871 - 1890)

Das Deutsche Kaiserreich von 1890 bis zum Ausbruch der Ersten Weltkriegs 1914

Die Industrielle Revolution in England und Deutschland (1780 - 1914)

Europäischer Kolonialismus und Imperialismus (1520 - 1914)

Der Erste Weltkrieg (1914 - 1918)

Der Weg zur Weimarer Republik 1918 - 1919

Der Kampf um die Staatsgewalt in der Weimarer Republik (1919 - 1933)

Die Machtübernahme der NSDAP und die Errichtung der Diktatur Hitlers (1933 - 1939)

Der Zweite Weltkrieg (1939 - 1945)

Der Weg in die Teilung Deutschlands (1945 - 1949)

Der Kalte Krieg: Vom Kriegsende 1945  bis zum Bau der Berliner Mauer 1961

Die Ära Adenauer (1949 - 1963)

Die Kanzlerschaft Ludwig Erhards 1963 - 1966

Kalter Krieg Teil 2: Von der Kubakrise 1962 bis zur Auflösung der Sowjetunion 1991

Die Zeit der Großen Koalition 1966 - 1969

Die Ära Brandt (1969 - 1974)

Die Kanzlerschaft Helmut Schmidts (1974 - 1982)

Die Kanzlerschaft Helmut Kohls von 1982 bis 1987

Die Kanzlerschaft Helmut Kohls von 1987 - 1989

Der Weg zur Wiedervereinigung Deutschlands (Teil I: Die DDR von den siebziger Jahren bis zum Fall der Mauer im Jahr 1989)

Vom Fall der Berliner Mauer bis zur deutschen Einheit (1989 - 1990)

 

 

 
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 Reformation bis 1520    Wormser Reichstag 1521   Württemberg 1520 - 1618      Köngen 1520 - 1618 (exemplarisch für ein Dorf)     Literaturhinweise


Ausgangslage zu Beginn des 16. Jahrhunderts


  • Das Reich
 
  • An der Spitze des Reiches stand der König. Seine Gewalt verdankte er der Wahl der Kurfürsten. Ihm gebührte gleichzeitig die höchste Krone der Christenheit, die römische Kaiserkrone.
 
  • Die kaiserliche Macht war durch die Reichsstände stark eingeschränkt. Der Reichstag war die wichtigste zentrale Instanz des Heiligen Römischen Reiches, die zwar nicht permanent versammelt war, aber für bestimmte Anliegen, wie zum Beispiel für die Erhebung einer allgemeinen Reichssteuer, vom Kaiser in die Entscheidung einbezogen werden musste.

 
  • Seit dem Erlass der Goldenen Bulle im Jahre 1356  stand den Kurfürsten die Kaiserwahl zu. Dasselbe Gesetz verlieh ihnen weitere Vorrechte: Unteilbarkeit ihrer Länder, höchste Gerichtsbarkeit, mehrere wichtige Regalien wie z.B. Münze und Bergwerk.
 
  • Vier weltliche - Böhmen, Brandenburg, Kurpfalz und Sachsen - und drei geistliche Fürsten - Köln, Mainz und Trier - waren mit der Wahl zum König betraut. Die starke Stellung der Bischöfe resultierte aus den Versuchen der Könige im hohen Mittelalter, ihre Unabhängigkeit durch Verleihung von Herrschaftstiteln und -rechten zu mehren. Während die weltlichen Fürsten eine Dynastie errichten konnten, war es für die Bischöfe aufgrund des Zölibats nicht möglich, ihre Herrschaft zu vererben. So konnte der König an der Besetzung ihrer Stühle - wenn auch nach dem Investiturstreit eingeschränkt - mitwirken.

 
  • Der rechtlichen Stellung der Kurfürsten entsprach ihre tatsächliche Macht. Jede neue Kaiserwahl benutzten sie zum Erwerb von Geld und neuen Privilegien. Ihr wachsender Einfluss vertrug sich schlecht mit der kaiserlichen Oberhoheit. Die Herrschergewalt der Kaiser basierte lediglich auf ihrer Hausmacht. Bei dem Gegensatz der Interessen von Kaiser und Fürsten war an eine einheitliche Reichspolitik nach außen nicht zu denken.

 
  • Die übrigen weltlichen und geistlichen Fürsten hatten zwar weniger Einfluss als die Kurfürsten, brachte jedoch ebenfalls ihre Interessen auf den Reichstagen vor.
  
  • An der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert trug Kaiser Maximilian aus dem Hause Habsburg die deutsche Krone. Seine Beschlüsse über die Einführung einer Reichssteuer und die Einsetzung eines 'Reichsregiments' [Reichsregierung] scheiterten weitgehend am Widerstand der Reichsstände.  Nur die Gründung eines Reichskammergerichts und die Aufstellung der 'Reichsmatrikel' (Verzeichnis der Reichsstände mit der Angabe der Summen, die sie für Reichszwecke zu zahlen hatten) waren ein gewisser Fortschritt.

  • Die Kirche
 
  • Bestreben des Papsttums, durch Institutionen und Dogmen geistliche und auch weltliche Herrschaft zu erlangen.

Der Ruf nach einer Erneuerung der Kirche aus ihr selbst heraus hatte schon im frühen 15. Jahrhundert zu dem Versuch geführt, die monarchische Herrschaft des Papsttums durch eine Aufwertung der auf den Konzilen repräsentierten abendländischen Gesamtkirche zu brechen. Am Ende des Jahrhunderts war dieser Versuch vollständig gescheitert.

  • Schon während des Exils in Avignon (1309-1377) hatte die Kurie ein weit verzweigtes System von Taxen und Abgaben eingerichtet, um ihren Finanzbedarf zu befriedigen. Seit die Renaissancepäpste als italienische Landesfürsten die Sicherung, den inneren Ausbau und die Erweiterung des Kirchenstaates in Italien betrieben, verschlangen Kriege, Vetternwirtschaft, prunkvolle Hofhaltung und Kulturbedürfnis Riesensummen.

  • Deckung des Finanzbedarfs durch hohe Steuern und Abgaben, Käuflichkeit von Ämtern.

  • Besonders hohe Abgaben musste der deutsche Klerus an die Kurie zahlen. So mussten alle neu ernannten Priester ein Jahreseinkommen (die Annaten) abtreten. Neue Prälaten waren zur Zahlung von hohen Geldbeträgen, sog. Palliengeldern, verpflichtet. 'Dispensationsgelder' mussten diejenigen zahlen, die vom kirchlichen Eheverbot befreit sein wollten. Zahlreiche ähnliche Abgaben kamen hinzu.

  • Einziehung von 'Gnadengeldern', die - so die Kirche - für die Erlangung des Seelenheils der Menschen notwendig waren.

Nicht nur Papst, auch die Kardinäle, Bischöfe, Priester und Mönche versuchten, neue Einkommensquellen zu erschließen. Ämter wurden gekauft, Urteilssprüche in geistlichen Gerichten höchstbietend verkauft, Gläubige bei der Messe und Sakramenten zur Kasse gebeten und dazu noch (kirchliche) Steuern erhoben. Korruption und Fälschung von Reliquien (die man teuer verkaufen konnte waren an der Tagesordnung. Eine der sichersten Einkommensquellen der Kirche war der Ablasshandel: Dem Gläubigen wurde erklärt, dass er sich durch eine Geldzahlung von seinen Sünden loskaufen könne. Die Höhe der Ablässe richtete sich nach der Menge der Jahre im Fegefeuer, die man sich ersparen wollte. Auch die Sünden der Verwandten konnte man freikaufen.

  • Klagen über die Missstände in der Kirche
 
  • Klagen über die Missstände wurden von allen deutschen Ständen und Gruppen in Wort und Schrift vorgetragen.

  • Seit 1456 wurde auf allen Reichstagen das päpstliche Finanzverhalten heftig kritisiert. Die Klagen der Fürsten richteten sich auch gegen den Versuch der geistlichen Gerichtsbarkeit, ihre Zuständigkeit auf weltliche Angelegenheiten auszudehnen. Die von den Reichsständen 1457 vorgebrachten "Gravamina [Beschwerden] der deutschen Nation" waren Ausdruck einer weit verbreiteten Empörung über die Einflussnahme der Kirche und die von ihr beanspruchten Privilegien. Es waren vor allem die geistlichen Fürsten, die gegen die gegen die Zentralisierung der kirchlichen Belange in Rom Beschwerde führten. Das betraf etwa die finanziellen Abgaben, welche die meisten Bischöfe dafür leisten mussten, dass ihnen von der Kurie eine Pfründe (das Einkommen aus dem kirchlichen Amt) zugestanden wurde.

  • Klagen über die 'Unwissenheit' und 'Unsittlichkeit' des hohen wie niederen Klerus, gegen die Vermehrung der kirchlichen Verwaltungsstellen, gegen Käuflichkeit und Profitgier der päpstlichen Stellen sowie über die Praktiken bei der Eintreibung der Forderungen.

  • Die Kirchenlehre und der Glaube der Menschen
 
  • Die Kirchenlehre war von dem Dominikaner Thomas von Aquin (1225-1274) und dem Franziskaner Wilhelm von Ockham (1285-1349) geprägt worden.
 
  • Thomas von Aquin hatte in einem hierarchisch angeordneten Stufenaufbau allem "Seienden" einen Platz zugeordnet. Alles stand mit allem in Verbindung. An der Spitze der Pyramide stand Gott. Da der Stufenaufbau nach den Gesetzen der Logik aufgebaut war, konnte er auch von der menschlichen Vernunft erfasst werden. Die Vernunft des Menschen reichte jedoch nicht aus, um in der kausalen Kette bis zur ersten Ursache, der prima causa, aufzusteigen. Nach Thomas von Aquin verleiht Gott durch seine Gnade dem Menschen die Fähigkeit, die Schranken der Vernunft zu überwinden und in das "himmlische Reich" zu gelangen. In diesem System spielte der Mensch mit seinem Heilsverlangen keine große Rolle. Es kam vielmehr darauf an, dass jedes Leben seinen Platz in dem hierarchischen System erkannte. Nur dann war sichergestellt, dass sich die Menschen Gott gegenüber wohlgefällig verhalten. Wurde der zugewiesene Platz nicht eingenommen, so zürnte Gott und brachte Unheil wie zum Beispiel die Pest über die Menschen. - Die Menschen befanden sich in ständiger Angst, Gott nicht wohlgefällig zu sein.

   

Thomas von Aquin (*1225, †1274), katholischer Kirchenlehrer

   
  • Der in England geborene Franziskaner Wilhelm von Ockham  hatte mit seiner Lehrmeinung eine Kluft zwischen Mensch und Gott, Wissen und Glauben aufgerissen. Für ihn war Gott der Allmächtige, der vom Menschen nicht durch die Vernunft sondern nur durch den Glauben erfasst werden kann. Die einzige Quelle für den Glauben ist für von Ockham die Heilige Schrift, deren Deutung allein der Kirche zukommt. Gott ist bei allem seinem Tun an keinerlei Ordnung der Vernunft oder der Moral gebunden. Daher kann der Mensch auch nicht sicher sein, ob ihm Gott Gnade für seine Sünde gewährt hat. Der Mensch hat lediglich die Fähigkeit, das Gute zu wollen und sich durch Verdienste zum Empfang der göttlichen Gnade würdig zu machen. Es herrschte also nichts anderes als Gottes Wille und Entscheidung. - Die Menschen fühlten sich an die Sünde verloren und zitterten nach der Erlösung vom Leid und der Gnade Gottes.

  • Ungestillt war das Bedürfnis der meisten Menschen, sich in der Hand Gottes geborgen fühlen zu können. Sie wollten sich - wie es bei den Urchristen der Fall war - mit ihren Wünschen und Sorgen direkt an Gott wenden können. Dieser direkte Zugang war ihnen durch die Institutionen der Kirche und das Dogmensystem versperrt. So schlich sich langsam eine allgemeine Unzufriedenheit mit dem päpstlichen System ein. Welchen Umfang die Abneigung gegen Rom in den vorreformatorischen Jahren angenommen hatte, zeigt die Volksliteratur. - Es fehlte nur noch der Vorkämpfer im Streit. Dieser sollte den Deutschen in der Person Martin Luthers erwachsen.


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Die Reformation bis zum Jahre 1520


  • Luther berichtet über seine Herkunft: "Ich bin eines Bauern Sohn. Mein Vater, Großvater, Ahnherr sind rechte Bauern gewesen. ... Danach ist mein Vater gen Mansfeld gezogen und daselbst ein Bergbauer [Bergmann] geworden." Martin Luther wurde am 10. November 1483 in Eisleben geboren. Nach dem Schulbesuch in Mansfeld, Magdeburg und Eisenach studierte er in Erfurt Philosophie (1501-1505). Danach nahm er, dem Wunsch seines Vaters folgend, das Studium der Rechtswissenschaften  auf.

 

Martin Luther (*1483, †1546)

Kunstmuseum Basel

  • Martin Luther erkannte schon in jungen Jahren, dass er nicht imstande war, immer so zu handeln, wie er hinterher zu handeln gewünscht hätte. Mit anderen Worten: Seine Lust, etwas zu tun oder zu denken, war stärker als die Vernunft. Seine Erkenntnis, dadurch Sünden zu begehen, ließ ihn verzweifeln. Zwar versprach die Kirche nach getaner Buße und erfolgter Beichte die Vergebung der begangenen Sünden, aber eben nur diejenigen Sünden, die einem Vertreter der Kirche offenbart worden waren. Luther war sich bewusst, dass er sich unmöglich an alle "sündhaften" Taten und Gedanken erinnern konnte. Aus diesem Grund, so glaubte er, könne er die Gnade Gottes nicht erlangen. Er hatte ständig Angst, nicht im Einklang mit den Vorstellungen Gottes zu leben, also Sünden zu begehen. Einen Trost fand der junge Magister nur in der Lehre von den guten Werken. Durch diese hoffte er seine Sünden, die ihm selbst unbekannt geblieben waren, wieder wettmachen zu können.

 

Einen anderen Ausweg sah Luther im Klosterleben. Um die Vergebung der Sünden zu erlangen, war es im Kloster üblich, in Askese zu leben und den Körper zu kasteien. So plante Luther, Mönch zu werden. Allerlei äußere Zufälle hatten ihn in seinem Vorhaben bestärkt, wie zum Beispiel das Einschlagen eines Blitzes in seiner nächsten Nähe. Am 17. Juli 1505 führte er seinen Vorsatz aus, er trat in das Kloster der Augustiner in Erfurt ein. Am 2. Mai 1507 erhielt er die Priesterweihe. Vom Prior erhielt er den Auftrag, Theologie zu studieren.

  • Auch die Bußübungen und die niederen Dienste im Augustinerkloster konnten Luther nicht befriedigen. Im Kloster legt er auch die Mönchsgelübde (Armut, Keuschheit, Gehorsam) ab. geweiht. Sein verlorenes seelisches Gleichgewicht fand er erst, als sein Klosterbruder Johann von Staupitz (gest. 1524) ihn darauf hinwies, dass die Buße, die Christus von seinen Jüngern verlangt, nicht den äußeren Werken, sondern in der Sinnesänderung und in der kindlichen Hingabe an Gott bestehen. Unter dem Einfluss von Johann von Staupitz erkannte Martin Luther, dass der leidende Jesus für die Menschen ein Zeichen der  Hoffnung und des Heils war. Auf die Empfehlung von Staupitz wurde er 1508 von Friedrich III. dem Weisen an die Universität in Wittenberg berufen. Im Oktober 1512 promovierte Luther zum Doktor der Theologie. Noch im gleichen Jahr erhielt er den Lehrstuhl für Bibelkunde.

  Martin Luther war wohl durch die Vermittlung von Johann von Staupitz auf die Quellen deutschsprachiger Mystik gestoßen. In der Lektüre der mystischen Predigten Johannes Taulers lernte er ein Bußverständnis kennen, das mit der veräußerlichten Ablasspraktik nichts zu tun hatte.
 

Johann von Staupitz (*um 1465, †1524)  
 
  • Luther zweifelte zu diesem Zeitpunkt nicht im mindesten an der Gültigkeit der überkommenen Dogmen und Schulmeinungen. Er glaubte an die Autorität der Kirche. Entscheidend für Luther, der sich immer noch bemühte, wie er die 'Versöhnung mit Gott' erlangen könne, wurde eine Stelle im Römerbrief. Nach dem dort stehenden Text (1,17) ist 'Gottes Gerechtigkeit' nicht die des zürnenden und strafenden Gottes. Anders als im Weltbild des Wilhelm von Ockham zeigt sich die Gerechtigkeit Gottes als Gnade und Liebe. Sie kann durch eigenes Wollen nicht erworben werden. Gott kann also den Sünder gerecht machen; seine Gnade ist ein Geschenk an diejenigen, die sich als Glaubende begreifen (sola fide)

  • Die Entdeckung der Erlösung allein aus der Gnade Gottes ist das 'Evangelium', der Urquell von Luthers reformatorischer Verkündigung. Von der neuen Konzeption der Gerechtigkeit Gottes her lassen sich alle weiteren, fortschreitend revolutionär wirkenden Konsequenzen Luthers erklären. Die Gnade Gottes hatte jetzt gegenüber dem menschlichen Tun unverbrüchliche Autorität. Jeder gläubige Mensch konnte sich nun persönlich an Gott wenden!  Alle vermittelnden Funktionsträger verwandelten sich in Störfaktoren und blockierten den Zugang zu Gott.

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  • Der Beginn der Reformation
 
  • Papst Leo X. (amtierend 1513 bis 1521) brauchte zum Ausbau der Peterskirche in Rom Geld. Unbedenklich, wie er in der Wahl seiner Mittel war, benutzte er die kirchliche Einrichtung des Ablasses.

Papst Leo X. (*1475, †1521), Papst von 1513 bis 1521

Zur Vergebung der Sünden gehörte nach der Kirchenlehre dreierlei: die Reue, die Beichte und die 'Genugtuung durch Werke'. Letztere konnte in einer wohltätigen Stiftung oder einfach in einer Zahlung von Geld an die Kirche bestehen. Ihr Recht zu einer solchen Handhabung des Ablasses, der noch nach dem Tod des Sünders wirksam sein sollte, leitete die Kirche aus dem Besitz des "großen Schatzes der guten Werke" her, den ihr die Heiligen und Märtyrer erworben hätten. Was diese zu viel getan, konnte anderen, die dessen bedurften, zugute kommen. - Der Ablass sollte auch sündigen "abgeschiedenen Seelen", den Toten, zugute kommen, die, dem kirchlichen Dogma zufolge, in Fegfeuer und Hölle gequält wurden.

 

 

Zur gleichen Zeit (1): Im Jahr 1513 erstellt der deutsche Maler, Zeichner und Kunstschriftsteller Albrecht Dürer (*1471, †1528) den Kupferstich "Ritter, Tod und Teufel". Dürer zählt zu den bedeutendsten und vielseitigsten Künstlern der Zeit des Übergangs vom Spätmittelalter zur Renaissance in Deutschland.

Zur gleichen Zeit (2): Für den republikanischen Politiker Niccolò Machiavelli (* 1469, † 1527) hatte das Christentum mit seiner Ausrichtung auf das Jenseits den Menschen jegliche 'virtù' - zupackende Intelligenz, Willensstärke und patriotische Skrupellosigkeit - genommen. Abhilfe versprach er sich von einer Rückkehr zu den Verhältnissen im alten Rom: 1. offene Konkurrenz der Menschen untereinander jenseits aller Standesschranken, 2. freies Spiel der Kräfte, das die Besten nach oben bringt, 3. permanenter Kriegszustand, der die inneren Reibungen nach außen verlagert und erfolgreiche Eroberungen garantiert, 4. restlose Ablösung des Staates von der tradierten Moral. Recht ist - so schreibt Machiavelli im Jahre 1513 in seiner Abhandlung 'Das Buch vom Fürsten' - , was dem Staate nützt. Das gelte auch für den Fürsten, der alle Verträge nach Belieben brechen dürfe, wenn er mit dieser Staatsräson den Übergang in einen starken Staat ebne. Kurz gefasst: Wer zu Macht kommen will, darf nach Machiavelli auch vor moralische verwerflichen Taten nicht zurückschrecken, muss beizeiten Gewalt anwenden und listig sein - am besten beides auf einmal.

 
  • In Deutschland hatte Albrecht von Brandenburg (1490-1545), Erzbischof von Mainz und Magdeburg sowie Bischof von Halberstadt, den Ablasshandel übernommen. Den Besitz dieser drei Bistümer hatte ihm der Papst für eine hohe Geldsumme bestätigt. Um diese 'Palliengelder' bezahlen zu können, hatte Albrecht beim Bankhaus der Fugger eine Anleihe aufgenommen. Diese Schulden durfte er aus dem Gewinn beim Ablasshandel abtragen. Die Fugger waren an dem Gewinn prozentual beteiligt.

  • Die Bevölkerung wurde in Predigten zum Kauf der Ablassbriefe aufgefordert. Für jede Sünde, für jedes Verbrechen war ein bestimmter Geldbetrag vorgesehen, gegen dessen Bezahlung man Absolution erhielt. Von Buße und Beichte wurde so gut wie ganz abgesehen. Seit dem Jahr 1517 hatte der Erzbischof das Ablassgeschäft auf den Dominikaner Johann Tetzel übertragen.

  • Tetzel lehrte, so schrieb Luther später, der Ablass wäre die "Versöhnung zwischen Gott und den Menschen" und auch dann wirksam, wenn der Mensch "weder Reue noch Leid oder Buße täte."

 
  • Kursachsen unter Friedrich dem Weisen durfte Johann Tetzel nicht betreten. Viele der Beichtkinder Luthers gingen in das nahe Jüterbogk (im Magdeburgischen), um sich dort die viel begehrten Ablassbriefe zu holen. Da sie dann bei der Beichte einfach die erhaltenen Zettel vorwiesen und jede andere Buße verweigerten, sah sich Luther gezwungen, Stellung zu nehmen.

 
  • Die 95 Thesen

  • Die 95 Thesen, die Martin Luther am 31. Oktober 1517, der Legende nach, an die Tür der Wittenberger Schlosskirche schlug, waren lateinisch verfasst und sollten die Grundlage für eine akademische Diskussion bieten. Die Thesen waren gegen den Missbrauch des Ablasses und die Missstände des Ablasshandels gerichtet.

Der Thesentext beginnt mit den Worten: "Aus Liebe zur Wahrheit und in dem Bestreben, diese zu ergründen". In den Thesen wird dem Papst jedes Recht abgesprochen, Buße zu erlassen. Das ganze Leben, so Luther, sei Buße, die ganze Existenz sei Schuld und Sühne. Wörtlich heißt es dazu: "Daher bleibt die Strafe, solange der Hass gegen sich selbst - das ist die wahre Herzensbuße - bestehen bleibt, also bis zum Eingang ins Himmelreich".

  • Die Thesen wurden sofort ins Deutsche übersetzt, sofort gedruckt und als Einblattdrucke verteilt. Innerhalb von 14 Tagen waren sie in ganz Deutschland verbreitet. Die Wirkungen der Thesen ging weit über das hinaus, was der Verfasser gewollt hatte. Luther hatte es gewagt, das auszusprechen, was Tausende gleich ihm dachten: der Abfall der Kirche von ihrer eigentlichen Pflicht und der Missbrauch des Ablasshandels. Das Volk stimmte leidenschaftlich seinen Thesen zu. Dies war der Anfang der Reformation!

  • Die 95 Thesen beinhalten vor allem Kritik am kirchlichen Ablasshandel. bei dem sich Gläubige mittels Spenden von ihren Sünden freikaufen und Seligkeit im Jenseits erlangen konnten. Luther stellte dieser ökonomisch einträglichen Absolution von oben die Verantwortung des einzelnen Gläubigen selbst entgegen - wer glaubt und seine Sünden aufrichtig bereut, dem ist Vergebung allein aus göttlicher Gnade direkt und jederzeit zugänglich. Der Grundsatz "Allein aus dem Glauben" bedeutet - in der Sprache unserer Zeit -, dass man das persönliche Gewissen als Richtschnur des Handelns nehmen sollte. Neben dem Gewissen besaß nur noch das in der Bibel festgelegte Wort Gottes höchste Autorität. Die Idee der Freiheit und Verantwortung jedes einzelnen Gläubigen hat Luthers weiteres Schaffen als Theologe geleitet. Sie führte letzten Endes zur Begründung der protestantischen Kirche.

  • Mit seinen formulierten Zweifeln an Teilen der herrschenden Lehre stärkte Martin Luther das Selbstbewusstsein der Gläubigen und damit deren Widerstandsbereitschaft gegen die Institution der Kirche und gegen den Adel. Seine eigenen Zweifel führten ihn zum Widerstand gegen Papst und Kaiser. 

  • Für Luther hatte sich die Römische Kirche von den Gläubigen getrennt. Sie war in seinen Augen eine Institution, welche die Angst der Gläubigen vor dem Jenseits und vor den Qualen der Hölle für ihre Zwecke ausnutzte und über den Missbrauch des Ablasshandels auch ausbeutete.

 
  • Bei der Formulierung der Thesen war Martin Luther von tiefem Glauben an Gott beseelt. Dieser Glaube an Gott schien ihm innerhalb der Kirche nicht mehr vorhanden zu sein. Er fühlte sich dazu berufen, die Kirche zu retten. Mit seinen Thesen setzte er einen Prozess in Gang, der das Denken, den Glauben und die abendländische Kirche grundlegend umstürzte. Statt von einer 'Reformation' könnte man durchaus von einer 'Revolution' sprechen.

  • Erste Anklagen der Kirche gegen Luther
 
  • Tetzel ließ die Thesen Luthers nicht ohne Erwiderung. In seinen 106 Gegenthesen berief er sich auf die Lehre des Thomas von Aquin und - als höchsten Richter - auf den Papst. Johannes  Eck, der Vizekanzler der Universität Ingolstadt, warf Luther Ketzerei vor. Da der Ablasshandel zurückging zeigte der Mainzer Erzbischof Luther im Dezember 1517 bei der Kurie in Rom an. Anfang 1518 folgte die Anzeige der dominikanischen Inquisitoren. Ein Inquisitor aus Köln drohte Luther unverhüllt mit dem Scheiterhaufen.

Papst Leo X. hielt Luther zunächst für bedeutungslos und den Streit für ein "Mönchsgezänk". Er gab die Beschwerden an den Ordensmeister der Augustiner weiter.

 
  • Die Universität Heidelberg bot Martin Luther schon wenige Monate nach der Veröffentlichung seiner 95 Thesen ein Forum, um seine reformatorischen Reden außerhalb von Wittenberg öffentlich zu vertreten und Kritiker zu verteidigen. Angereist zur Generalversammlung seines Ordens, den Augustiner-Eremiten, leitete er am 26. April 1518 eine Disputation, in der er seine Lehren und den Grundsatz, dass der Mensch aus dem Glauben gerecht werde, darlegte. Bei den an der Disputation beteiligten Professoren der theologischen Fakultät fand er keine Zustimmung, doch gewann er viele Anhänger unter den Studenten. Unter seinen Zuhörern befanden sich Personen, die in den 1520er Jahren als evangelische Prediger und Reformatoren vorwiegend im südwestdeutschen Raum wirkten, unter ihnen Martin Bucer (1491 - 1551), Johannes Brenz (1499 - 1570) und Erhard Schnepf (1495 - 1558). Martin Bucer trat bald darauf als Reformator in Straßburg, Ulm und Köln auf. Auf die Reformation im Kraichgau hatte vor allem Johannes Brenz großen Einfluss. Erhard Schnepf predigte schon ab 1520 im Sinn der lutherischen Lehre. 

  Der Grundsatz 'Allein aus dem Glauben', mit dem er sich schon lange beschäftigte und jetzt öffentlich machte, war für die damalige Zeit etwas Revolutionäres! Es bedeutet - in der Sprache unserer Zeit - nichts anderes als das persönliche Gewissen als Richtschnur zu nehmen. Luther verwarf damit von Grund auf die Lehrautorität der Kirche und setzte an ihre Stelle den persönlichen Einblick, den Glauben des Einzelnen an das Wort Gottes, wie es in der Bibel steht.
 
  • Im Mai 1518 übersandte Luther eine ausführliche Erklärung seiner Thesen an Papst Leo X.. Darin heißt es: "Ich höre, Allerheiligster Vater, dass ein gar böses Gericht über mich gehe, daraus ich entnehme, dass etliche Freunde meinen Namen vor Eurer Heiligkeit ... stinkend gemacht haben: ich soll mich unterstanden haben, die Schlüsselwürde und die Gewalt des höchsten Bischofs zu verkleinern.  ... aber der einige Trost und Fels meiner Freudigkeit steht fest, nämlich mein unschuldiges und ruhiges Gewissen. ... Die Prediger, in der Meinung, sie dürften unter dem Schutz von Eurem Namen, wagten öffentlich gottlose und ketzerische Lügen zu lehren, zu großem, schweren Ärgernis, Hohn und Spott der kirchlichen Obrigkeit.  ... Widerrufen kann ich nicht, und sehe doch, dass ich mir gewaltigen Neid und Hass durch die Veröffentlichung [der Thesen] erweckt habe." 

Luther glaubte zu diesem Zeitpunkt immer noch, im Sinne des Papstes zu handeln, der vom Ablassmissbrauch nichts wisse.

 
  • Noch im Juni 1518 ließ der Papst, wahrscheinlich auf eine abermalige Anzeige der Dominikaner hin, den Ketzerprozess gegen Luther eröffnen. An Luther ging die Aufforderung, er solle sich binnen 60 Tagen in Rom einfinden. Außerdem forderte im August 1518 der päpstliche Kardinallegat in Deutschland, der Italiener Cajetan, dass Luther ohne Verhör wegen „offenkundiger Ketzerei“ abgeurteilt werde. Unverzüglich wurde Luther als Ketzer verurteilt. Kurfürst Friedrich der Weise sollte ihn ausliefern.

 

 

Friedrich III. (Sachsen), auch Friedrich der Weise (*1463, †1525), Kurfürst von Sachsen 1486 - 1525

Kupferstich von Albrecht Dürer, entstanden 1519

 
  • Als Kurfürst gehörte Friedrich III. der politischen Führungsriege des Reiches an. Seine unangefochtene politische Stellung erklärt, warum er es sich erlauben konnte, sowohl gegenüber dem Papst als auch gegenüber dem Kaiser eine sehr selbstbewusste Haltung im Umgang mit Luther zu entwickeln. Dabei hat er nie persönlich mit Luther gesprochen, er ist nicht einmal mit ihm zusammengetroffen. Allerdings war sein Hofkaplan, Georg Spalatin, ein enger Vertrauter Luthers. Bis kurz vor seinem Tod hielt Friedrich der Weise am katholischen Glauben fest. In kritischen Situationen schützte er Luther vor den Sanktionen von Kaiser und Papst. Ein Grund dafür mag gewesen sein, dass er das Zugpferd seiner von ihm im Jahre 1502 in Wittenberg gegründeten Universität nicht verlieren wollte. Gleichzeitig nutzte Friedrich die Sache Luthers dazu, die Macht der Reichsstände, vor allem der Kurfürsten, gegenüber dem Kaiser zu stärken.

  • Das Erscheinen Luthers vor dem geistlichen Gericht in Rom hätte Verurteilung und Tod bedeutet. Dies erkannte auch Luthers Landesherr Friedrich der Weise. Der sächsische Kurfürst war damals eine viel umworbene Persönlichkeit. Die bevorstehende Wahl eines neuen Königs ließen der Kurie ein gutes Verhältnis zum Kurfürsten ratsam erscheinen. So drang Friedrich mit der Forderung durch, dass sich Luther zunächst einem Verhör in Deutschland stellen müsse.

 
  • Das Verhör Luthers fand im Herbst 1518 in Augsburg im Anschluss an den Reichstag statt. Der Papst ließ sich durch Kardinal Cajetan vertreten. Der Kardinal verlangte von Luther einen unbedingten Widerruf. Luther antwortete mit der Gegenforderung, ihn zu widerlegen. Cajetan berief sich auf Thomas von Aquin und den Standpunkt des Papstes , Luther auf die Bibel, deren Autorität über der des Thomas und der Päpste stehe. Eine Einigung kam nicht zustande. Das Verlangen Cajetans, Friedrich der Weise solle Luther jetzt ausliefern, wies der Kurfürst zurück. Die Fronten verhärten sich weiter und Luther kehrt nach Wittenberg zurück.

Luther war wieder einen Schritt weitergegangen. Zu dem Grundsatz, dass alle Rechtfertigung vor Gott nur im Glauben liegt, kam nun das Prinzip, dass die Bibel die alleinige Erkenntnisquelle ist.

 
  • Im Januar 1519 kam auf Schloss Altenburg eine Absprache zwischen dem päpstlichen Hofbeamten Karl von Miltiz und Luther zustande: Luther wollte künftig schweigen, falls seine Gegner schwiegen. Doch seine Gegner schwiegen nicht.

  • Im Frühjahr 1519 forderte Andreas Bodenstein von Karlstadt, Dekan der Wittenberger theologischen Fakultät und Anhänger Luther den Ingolstädter Theologen Johannes Eck zum Streitgespräch über die Grundsätze von 'Gnade und freiem Willen' heraus. Am 27. Juni begann diese 'Disputation zu Leipzig'. Eck hätte gern Luther hineingezogen. Tatsächlich griff dieser am 4. Juli ein als sich Karlstadt seinem Gegner nicht gewachsen zeigte. Durch geschicktes Taktieren konnte Eck Luther zu Urteilen über die auf dem Konstanzer Konzil verworfenen Glaubensätze von Johannes Hus provozieren, so dass Luther wegen Häresie (Ketzerei) angeklagt werden konnte.

  • Luther hatte erklärt, unter den in Konstanz verdammten hussitischen Sätzen seien "manche gut christlich gewesen". Die Folgerung daraus war: wenn Johannes Hus recht gehabt hatte, aber trotzdem vom Konzil verurteilt worden war, so konnten auch allgemein Konzilien irren.

  • Am 13. Juli 1519 wurde die Leipziger Disputation für beendet erklärt. In der veröffentlichten Disputationsschrift war nachzulesen, dass Luther sowohl dem Papst als auch dem Konzil die höchste Autorität in Glaubensdingen absprach und überdies nicht alle Thesen des Jan Hus als ketzerisch erachtete. Die Leipziger Disputation ist ein entscheidender Wendepunkt in der Geschichte der Reformation. Die Unversöhnlichkeit der altkirchlichen Anschauung mit der Stellungnahme Luthers war offen zum Ausdruck gekommen.

 

Zur gleichen Zeit: Im Jahr 1519 tritt der portugiesische Seefahrer Ferdinand Magellan (*1480, †1521) im Dienste Spaniens mit fünf Schiffen von Sevilla aus seine Erdumsegelung an. Auf seiner Erkundungsfahrt  findet er zwischen dem südamerikanischen Festland und der Insel Feuerland eine Verbindung zwischen dem Atlantischen und dem Pazifischen Ozean (heute: Magellanstraße) und eröffnet damit einen Westweg zu den wirtschaftlich bedeutenden Gewürzinseln (Molukken). Magellan beweist, dass die Erde eine Kugelgestalt hat und umsegelt werden kann. Er  wird 1521 auf den Philippinen erschlagen. Das letzte noch verbliebene Schiff unter dem Kapitän del Cano umrundet das Kap der guten Hoffnung und kehrt 1522 nach Spanien zurück.

  • Die Wahl eines neuen Kaisers

  • Auf dem Augsburger Reichstag im Herbst 1518 hatte Kaiser Maximilian I. vier der sieben Kurfürsten dafür gewonnen, seinen in Spanien regierenden Sohn Karl zu seinem Nachfolger zu wählen. Als Maximilian im Januar 1519 starb, hatte die Wahl noch nicht stattgefunden. Da die ausgehandelten 'Wahlgelder' aus Spanien nicht ausbezahlt waren, hielten sie sich an ihr Versprechen nicht mehr gebunden und verhandelten mit dem französischen König Franz I.

  • Papst Leo X. hätte am liebsten  Friedrich den Weisen auf dem deutschen Thron (und dem Kaiserthron) gesehen. Doch lehnte der sächsische Kurfürst den Titel ab, da seiner Ansicht nach seine Hausmacht nicht groß genug war. Danach begünstigte der Papst den französischen König. Hintergrund der Bevorzugung Franz I. war, dass bei einer Wahl von Karl Deutschland, Oberitalien sowie Neapel und Sizilien in eine Hand kommen und eine Gefahr für den Kirchenstaat bedeuten würde. - Aber Karl wurde zum König und Kaiser gewählt. Den Ausschlag hatte Friedrich der Weise gegeben.

  • Humanismus und Reformation
 
  • Der von Italien im 14. und 15. Jahrhundert ausgehende Humanismus war eine kulturelle Strömung, welche die Würde und den Wert des Individuums betonte. Wie die Renaissance und die Reformation erwuchs der Humanismus aus der Sehnsucht des Menschen nach geistiger und religiöser Erneuerung. Kunst- und Lebensauffassung der Antike galten den Humanisten als Vorbild. Die Renaissance orientierte sich an der römischen Kunst, der Humanismus erweckte die antiken Philosophen, Historiker und Dichter zu neuem Leben, die Reformation machte die Bibelübersetzung nach dem griechischen und hebräischen Urtext verbindlich.

 
  • Das Sammeln und Übersetzen von antiken Manuskripten mündete in einen kritischen Vergleich der bestehenden Zustände mit jenen des Altertums. In Deutschland stieß der Humanismus auf ein Unterrichtswesen, das ganz in den alten kirchlichen Traditionen befangen war.

 
  • Die Bewegung des Humanismus, die mit ihrer erneuernden Kraft auch gegen die starren scholastischen Bildungsideale anging und damit den Widerstand der Kirche entfachte, hat zahlreiche bedeutende Persönlichkeiten hervorgebracht. Das Ziel der Scholastiker war die rationale Begründung, Deutung, Systematisierung und Verteidigung der Glaubenswahrheit. Zu denjenigen Humanisten, die ihre Stellung nicht unter, sondern selbständig neben der offiziellen Theologie einnahmen, gehörten vor allem Johannes Reuchlin (1455-1522) und Erasmus von Rotterdam (1467-1536). Der Streit, in den Johannes Reuchlin mit den Kölner Dominikanern geriet, fand seinen Niederschlag in der großartigen Satire 'epistolae obscurum virorum', in der er vehement die "krasse Unwissenheit", die "schnöde Fleischeslust" und den "hohlen Hochmut" der Mönche geißelte. Erasmus von Rotterdam verbindet die Weisheit der Antike mit der Ethik des Christentums. Seine heitere Menschlichkeit, gepaart mit Skepsis und Ironie, sein Sinn für Maß und Harmonie, seine Toleranz und seine Feindschaft gegen dogmatische Enge stehen im Gegensatz zu den radikalen Forderungen der Reformatoren. Er griff die Kirche nicht direkt an. Vielmehr hoffte er, die Kirche auf der Grundlage des Humanismus reformieren zu können. Nachdem Erasmus von Rotterdam anfangs die Reformen des „Kleinen“ Augustinermönchs begrüßt hatte, wendete er sich nach einem Streit  mit Luther von der Reformation ab.

  Johannes Reuchlin (* 1455, † 1522), deutscher Philosoph und Humanist
  • In der Auseinandersetzung, die nach der 'Leipziger Disputation' in Deutschland ausbrach, blieb Luther nicht allein. Alles was Rom feindlich gesinnt war, stand auf seiner Seite. So verbündeten sich die nationale Opposition und der junge Humanismus mit der Sache der Reformation. Wortführer der nationalen Opposition war Ulrich von Hutten. Seine Schrift "Vadiscus" war mit kaum zu überbietender Heftigkeit gegen das päpstliche Finanzwesen, die Ausbeutung der Deutschen und das "Treiben der kurialen Günstlinge und Prälaten" gerichtet. Der junge Humanist Philipp Melanchthon (1497-1560) war 1518 als Professor nach Wittenberg gekommen und Luthers Freund geworden. Er verfocht das Programm einer humanistischen Theologie und Erziehung.

 
 
  • Ulrich von Hutten verband die Motive seines Kampfes gegen Rom mit den Impulsen Luthers und der reformatorischen Bewegung. Mit seinen reformatorischen Forderungen beeinflusste er auch den mächtigen Reichsritter Franz von Sickingen. Sickingens miltärische und Huttens agitatorische Macht verbanden sich zugunsten eines gewaltsamen "Pfaffenkriegs".  Luthers seit 1522 verbreitete Absage an eine Reformation mit Mitteln physischer Gewalt wurde von Sickingen und Hutten ignoriert.

  • Bereits 1519 begleitete Philipp Melanchthon Luther zur Leipziger Disputation. 1521 veröffentlichte er die erste systematische Darstellung der reformatorischen Theologie (Loci communes rerum theologicarum). Damit waren die Hauptpunkte reformatorischer Ideen formuliert und die erste einflussreiche Dogmatik der evangelischen Kirche verfasst, die in den Jahren 1535, 1543 und 1559 neu überarbeitet und angepasst wurde. Wo Luther auf die Wucht seiner persönlichen Überzeugung setzte und damit, oft lustvoll, aneckte, ging Melanchthon diplomatisch vor. Sein öffentliches Auftreten war überzeugend, seine theologischen Schriften wurden zum Rückgrat der reformatorischen Bewegung. Philipp Melanchthon war die entscheidende Figur bei den unzähligen Treffen, Kongressen und Reichstagen, auf denen um Kompromisse zwischen Vertretern der päpstlichen Linie und der neuen evangelischen Bewegung genauso wie zwischen den Protestanten untereinander gerungen wurde. Was immer Martin Luther für den Durchbruch zur Reformation geleistet - man darf darüber nie vergessen, was Philipp Melanchthon zur spät verwirklichten Einheit und Gemeinschaft der reformatorischen Kirchen beigetragen hat.

 
  Philipp Melanchthon (1497-1560)

Aus einem Holzschnitt von Albrecht Dürer, 1526. Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum.
  • Luthers große Reformationsschriften des Jahres 1520
 
  • "Sendschreiben an den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung" (August 1520)
 
  • Luthers Reformvorschläge hielten sich nicht mehr an die rein theologische Basis. Sie zielten jetzt auf eine radikale Neuordnung der Kirchenverfassung, die zugleich Kernstück einer politischen Reform sein sollte.

  • Luther griff in seiner Schrift drei Grundsätze der Kurie an: 1. Überlegenheit der geistlichen über die weltliche Macht  2. Alleiniges Recht der Kirche, die Bibel auszulegen 3. Alleiniges Recht des Papstes, ein Konzil zu berufen und zu bestätigen. Er fordert die Einberufung einer allgemeinen Kirchenversammlung, auf der folgende Punkte behandelt werden sollten: Annaten, das Investiturrecht, die weltliche Macht des Papstes, ferner Wallfahrten, Zölibat, Fasten, geistliche Strafen. - Luther beschränkt sich keinesfalls auf das geistliche Gebiet, sondern tritt als Wortführer der Nation auf.

  • Gegenüber der Behauptung von der Überlegenheit des geistlichen Standes verfocht Luther das "allgemeine Priestertum" aller Christen, für die ohne Unterschied Christus gestorben ist. Für Luther gab es keine hervorgehobenen Priester mehr, sondern nur noch  das Priestertum aller Getauften - innerhalb dessen dann freilich bestimmte Ämter nötig blieben und durch dafür Ausgebildete übernommen wurden. Der Satz von der Unfehlbarkeit der Kirche und des Papstes wird, so Luther, im Leben zu oft widerlegt. Wenn er richtig wäre, müsste es im apostolischen Glaubensbekenntnis heißen: 'Ich glaube an den Papst in Rom'  statt 'Ich glaube an eine heilige allgemeine Kirche'. Dass der Papst nicht das alleinige Recht zur Einberufung eines Konzils habe, zeige zum Beispiel das Konzil von Nicäa, das von Kaiser Konstantin einberufen wurde.

  • Luther warf dem Papst vor, er stelle sich über die weltlichen Obrigkeiten, mäße sich an, Kaiser und Könige absetzen zu können, nehme also Vollmachten in Anspruch, die ihm nicht zustünden. Wegen dieser Zerstörung der gottgewollten Ordnung sei es nötig, die marode und korrupte Kirche zu reformieren. Das "allgemeine Priestertum" stellte die Legitimationsgrundlage dar, die es weltlichen Herrschaftsträgern erlaubte, im Rahmen ihrer Zuständigkeit zugunsten "des christlichen Standes Besserung" zu wirken, also jene Maßnahmen durchzuführen, die in ihrer Summe "die Reformation" ausmachten: Beendigung ausbeuterischer Zahlungen nach Rom, Überwindung biblisch nicht begründeter religiöser Praktiken, Gewährleistung einer elementaren religiösen Grundversorgung durch die Wahl geeigneter Pfarrer, Abschaffung des Ordenswesen, Neuordnung der Armenversorgung, Schul- und Universitätsreformen und vieles mehr.

 
  • Mit dieser Schrift entwarf Luther ein Programm, das den Interessen der Fürsten und städtischen Räte entgegenkam. Geldabflüsse nach Rom sollten kontrolliert, Rechtsprozesse nicht mehr an die Kurie gezogen werden. In der Ferne erschien das Bild einer deutschen Nationalkirche.

  • "Über die Babylonische Gefangenschaft der Kirche" (Oktober 1520)

  • In dieser in Latein abgefassten Schrift befasst sich Luther mit den Sakramenten, den Grundlagen des katholischen Dogmas. Von den sieben Sakramenten lässt er nur drei bestehen: Taufe, Abendmahl und Buße. Das Abendmahl fasst er nicht im Sinne des römischen Messopfers auf, sondern als eine geheimnisvolle Vereinigung der Gläubigen mit Christus, zerstört also dadurch die Mittlerrolle des Priesters zwischen Gott und den Menschen.

  • Luther überprüfte die Herkunft der Sakramente aus der Bibel. Nach der Bibel ist lediglich Christus der Mittler zwischen Gott und den Menschen. Die Kirche hat, so Luther, "die Kraft und die Heilswirkung von Christus an sich gezogen" und an die sachliche Gestalt der sieben Sakramente geknüpft. Nach der Auffassung der Kirche sollte die Anwendung der Sakramente, so bei der letzten Ölung, wirksam und 'heilvoll' sein. Luther war der Meinung, dass auf diese Weise Sünden nicht vergeben werden könnten. Hinsichtlich der Firmung, des Ehesakraments und der Priesterweihe tadelte er, dass sich die Kirche eine "Verfügungsgewalt" angemaßt habe.

  • "Von der Freiheit eines Christenmenschen" (November 1520)

  • Diese dritte große Reformationsschrift enthielt Luthers Grundlegung christlichen Verhaltens nach den aus der Bibel (Kor. 1,9) gewonnenen Sätzen: "Ein Christenmensch ist innerlich und seinem Glauben zufolge ein freier Herr über alle Dinge und niemanden untertan" und "Ein Christenmensch ist äußerlich und in seinen Werken ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan", d.h. er übt tätige Nächstenliebe, fügt sich auch den bestehenden Ordnungen, sofern sie ihn nicht zum Abfall von Christus zwingen.

  • Luther ging es um die Ansprüche der religiösen Gewissensfreiheit gegenüber allen weltlichen Forderungen. Sein Eintreten für die Freiheit ist nicht sozialrevolutionär, sondern theologisch gemeint. Die Freiheit, die Luther meint, ist die Freiheit des Gewissens, das sich in Gott gebunden und darum den Ansprüchen aller anderen Mächte enthoben weiß.

  • Die Reaktionen der Kirche

  • Während sich Luther mit der Verbreitung und Vertiefung seiner Anschauungen beschäftigte, blieben auch seine Gegner nicht untätig. Die 'Leipziger Disputation' im Jahr 1519  hatte Johannes Eck die Waffen in die Hand gegeben, Luther in Rom als Ketzer anzugreifen. Er benutzte diese Gelegenheit.

  • Am 26. Juni 1520 wurden 71 Sätze aus Luthers Schriften als ketzerisch erklärt. Luther wurde eine Frist von 60 Tagen zum Widerruf gegeben, andernfalls sollte er dem Bannfluch verfallen. Die Veröffentlichung der Bulle wurde Eck übertragen.

  • Am 15. Juli 1520 erlässt Papst Leo X. die Bulle 'Exsurge Domine', in welcher Luther der Kirchenbann angedroht wurde. Gleichzeitig ordnet der Papst die Verbrennung aller Schriften Luthers an und mahnt ihn ein letztes Mal, in den Schoß der Kirche zurückzukehren.

Am 3. Oktober gelangte sie an die Wittenberger Universität. Eine Woche später schrieb Luther an seinen Freund Spalatin einen Brief, aus dem seine völlige Abkehr von der bestehenden Kirche entnommen werden kann.. In dem Brief heißt es: "Ich verachte sie und bin schon dabei sie [die Bulle] anzugreifen und als eine gottlose und lügnerische und ganz und gar Eckische Bulle. In ihr wird, wie du siehst, Christus selbst verdammt, und keine Ursache wird gegeben". Im August 1520 hatte Luther bereits das "Sendschreiben an den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung" (siehe oben) verfasst. In deutsch und nicht in Latein, was allein schon einer Revolution gleichkam.

  • Am 10. Dezember 1520 verbrannte Luther die Bulle feierlich vor dem Elstertor in Wittenberg. Begleitet war er von zahlreichen Hochschullehrern und Studenten. Ein großer Teil der Einwohner Wittenbergs sah dem Vorgang zu. Wenige Wochen später, im Januar 1521, wurde der Kirchenbann über Luther verhängt.

Mit dem Kirchenbann wurde damals eine Entscheidung über Leben und Tod gefällt. Sollte für Luther überhaupt eine Aussicht bestehen, gegen die Macht der römischen Kirche anzukommen, dann musste er die weltliche Herrschaft für sich gewinnen. Die Chancen seines Kampfes waren umso günstiger, je heftiger er ihn führte, je stärker er die Öffentlichkeit mobilisierte, je grundsätzlicher seine Angriffe wurden, je mehr er außerreligiöse, politische Gesichtspunkte aufgriff. Dies tat Luther mit seinen Schriften!

  • Kaiser Karl V. und die Reichsstände

  • Der Kirchenbann brachte Luther noch mehr Anhänger. Neun Zehntel Deutschlands - so musste selbst der päpstliche Legat Aleander zugeben - war lutherisch gesinnt. Das ganze Volk verlangte ein Konzil. Allen drängte sich die Frage auf: Reformation oder Revolution? Man erwartete die Lösung von Karl V.

Karl V. , deutscher Kaiser 1519-1556, geb. 1500, gest. 1558

Ville de Genève, Bibliothèque publique et universitaire, Genf

  • Am 23. Oktober  1520 wird Karl im Kaiserdom zu Aachen vom Kölner Erzbischof Hermann V. von Wied zum "Erwählten Kaiser" des "Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation" gekrönt. In Aachen unterzeichnete er auch die 'Wahlkapitulation', mit der er eine Reihe wichtiger Verpflichtungen einging. Er sollte die Kirche und den Papst schützen, die Reichsgesetze "nach dem Rate der Kurfürsten" erweitern, alle Ämter mit Deutschen besetzen und niemanden ohne ordentliches Verfahren die Reichsacht erklären. Kaiser Karl V. stimmte auch zu, zur Regelung der Angelegenheiten des Reiches ein 'Reichsregiment' [eine Reichsregierung] einzusetzen. - Man sieht, die Kurfürsten hatten sich Vorrechte in weitestem Umfang gesichert.

  • In kirchlichen Angelegenheiten war Karl V. ganz im Sinne der katholischen Orthodoxie erzogen. An eine Abweichung von den Kirchenlehren oder der Verfassung der Kirche war daher bei ihm nicht zu denken.

Am 24. Februar 1530 wurde Karl V. in Bologna durch Papst Clemens VII. zum Kaiser gekrönt. Dies war die erste Kaiserkrönung seit der päpstlichen Bestätigung Friedrichs III. fast 100 Jahre zuvor und zugleich die letzte in der Geschichte des Heiligen Römischen Reichs.


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Der Wormser Reichstag 1521


  • Kaiser Karl V. hatte auf dem Reichstag in Worms sowohl politische als auch kirchliche Aufgaben zu lösen.

  • Die inneren Verhältnisse des Reiches, die dringend einer Reform bedurften, wurden vom Kaiser kaum ins Auge gefasst. Statt einer nationalen Politik verfolgte er nur eine habsburgische Hausmachtspolitik: die Sicherung und Erweiterung des europäischen Länderbesitzes seiner Familie hauptsächlich gegenüber Frankreich schien ihm die wichtigste Aufgabe seiner Regierung zu sein.

  • Die Reichsstände verlangten von Kaiser Karl V. die endgültige Zustimmung für die Errichtung eines 'Reichsregiments' [Reichsregierung]. Obwohl der Kaiser in der 'Wahlkapitulation' bereits zugestimmt hatte, stießen die unterschiedlichen Interessen auf dem Reichstag nochmals zusammen. Während der Kaiser eine monarchische Ordnung der Regierung wünschte, suchten die Reichsstände ihren bisherigen Freiheitsspielraum zu wahren.

Es kam zu einem Kompromiss. Da Karl V. für seine auswärtigen Unternehmungen das Geld und die Truppen der Reichsstände brauchte, bewilligte er schließlich die Errichtung eines Reichsregiments in Nürnberg. Von den Mitgliedern des Regiments sollten zwanzig von den Ständen, zwei vom Kaiser ernannt werden. Allerdings sollte das Reichsregiment nur in Karls Abwesenheit tätig werden können und auch dann bei allen wichtigen Beschlüssen die Zustimmung des Kaisers einholen. Das wieder hergestellte Reichskammergericht wurde ebenfalls nach Nürnberg verlegt.

  • Vorgänge und Beschlüsse "in der Sache Luther"

  • Ein Bannspruch des Papstes hatte immer auch die kaiserliche Achterklärung nach sich gezogen. So hielt es Karl V.  nur noch für seine Aufgabe, das Urteil zu vollstrecken. Da die Reichsstände lutherisch oder reformfreundlich waren, konnte davon jedoch keine Rede sein! Als der päpstliche Legat Aleander die Verhängung der Reichsacht über Luther forderte, wurde sein Antrag abgelehnt. Auch als der Kaiser ein Edikt vorlegte, das Luthers Verhaftung und die Verbrennung seiner Schriften anordnete, war die Antwort der Stände im Wesentlichen ablehnend. Schließlich beschloss der Reichstag, Luther vorzuladen und ihn zu fragen, ob er auf seinen Lehren beharre. Am 6. März 1521 gab Karl V. dem Druck der Stände nach: Luther wurde unter Zusicherung des freien Geleits vorgeladen.

Im Falle, dass Luther auf seinen Lehren beharrt, wollte der Reichstag dem kaiserliche Edikt zustimmen. Widerrufe er, so heißt es in dem Beschluss des Reichstags, so "müsse man sich im übrigen billig gegen ihn bezeigen und ihn weiter hören".

  • Luthers Gegner hofften, er werde, abgeschreckt durch das Schicksal von Johannes Hus, nicht auf dem Reichstag erscheinen und sich somit schuldig machen. Aber Luther sagte zu, dass er kommen werde. Später schreibt er: "Und wenn so viel Teufel in Worms wären, als Ziegeln auf den Dächern, ich wollte doch wohl hineinkommen". Am 16. April 1521 zog Luther in Worms ein. Noch während er unterwegs war, hatte der päpstliche Legat Aleander das Verbot seiner Schriften durchgesetzt.

  • Johann von Eck, der Beauftragte des Bischofs von Trier [nicht der Ingolstädter Theologieprofessor Johannes Eck], fragte Luther am 17. April 1521: "Bekennst Du Dich zu Deinen Büchern? Willst Du sie widerrufen oder nicht?". Luther erbat sich 24 Stunden Bedenkzeit. Sie wurde ihm gewährt.

  • Am nächsten Tag, den 18. April 1521, stellte von Eck die Frage etwas anders: "Willst Du Deine Bücher alle verteidigen oder etwas davon widerrufen?" In seiner Antwort teilte Luther seine Schriften in drei Klassen ein. Die Lehrbücher könne er nicht widerrufen, da sie auf der Bibel beruhten. Nähme er sie zurück, so müsste er geradezu die Wahrheit widerrufen. Die zweite Klasse seiner Schriften richte sich gegen das Papsttum und seine Missbräuche. Da sei doch offenbar, dass vor allem Deutschland von den Päpsten auf betrügerische und hinterlistige Weise ausgeplündert worden sei. Ein Widerruf würde die Tyrannei nur kräftigen. In den Streitschriften gegen Privatpersonen bekenne er, manchmal etwas zu heftig gewesen zu sein, aber zurücknehmen könne er auch davon nichts. Er wolle nicht behaupten, dass er nicht irren könne, aber er müsse verlangen, erst widerlegt zu werden, wenn er widerrufen solle.

Johann von Eck forderte Luther noch einmal auf, eine "schlichte und ungehörnte" Antwort zu geben. Daraufhin Luthers Schlussworte: " ... so will ich eine Antwort ohne Hörner und Zähne geben diesermaßen: Es sei denn, dass ich durch Zeugnisse der [Heiligen] Schrift oder einleuchtende Gründe überwunden werde, - denn ich glaube weder dem Papst noch den Konzilien allein, dieweil es am Tag ist, dass sie öfters geirrt und sich selbst widersprochen haben -, so bin ich überwunden durch die heiligen Schriften, [welche] von mir angeführt [worden sind], und mein Gewissen ist gefangen in Gottes Wort. Derhalben kann und will ich nichts widerrufen, dieweil wider das Gewissen zu handeln beschwerlich, unheilsam und gefährlich ist. Ich kann nicht anders. Hier stehe ich. Gott helfe mir! Amen!"

  • Schon am folgenden Tag legte der Kaiser dem Reichstag den Entwurf einer Achterklärung gegen Luther vor. Er drang damit nicht durch. Noch einmal wurden Verhandlungen mit Luther begonnen, die von einer Reichskommission geführt wurde. Man kam Luther entgegen. Es wurde nur noch die Anerkennung des Konstanzer Konzils gefordert. Schließlich wurde lediglich die Unterwerfung durch ein künftiges Konzil verlangt. Auch das lehnte Luther ab.

  • Wieder einen Tag später, also am 20. April 1521, erklärte Karl V. den Reichsständen, dass er entschlossen sei, gegen Luther "als einen wahren und überführten Ketzer zu verfahren".

Da die Reichsstände wegen der Volksstimmung nicht für ein hartes Vorgehen gegen Luther zu haben waren, wartete Karl V. bis zum vorletzten Tag des Reichstags, als er ihre Zustimmung zu den finanziellen und politischen Angelegenheiten nicht mehr benötigte. Am 25. Mai 1521 unterzeichnete er das von päpstlichen Nuntius Aleander abgefasste "Wormser Edikt". In diesem Edikt wurde über Luther die Reichsacht ausgesprochen, die sozusagen vogelfrei machte und jedermann einlud, ihn nach Belieben totzuschlagen.


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Literaturhinweise


Brecht, Martin

Martin Luther. 1987

Brieger, Theodor

Die Reformation: Ein Stück aus Deutschlands Weltgeschichte. 1914

Friedenthal, Richard

Luther: Sein Leben und seine Zeit. 1867

Holzem, Andreas / Arnold, Claus / Leppin, Volker / Haag, Norbert (Hg.) Martin Luther - Monument, Ketzer Mensch. 2017

Lamparter, Helmut

Martin Luther. 1980

Leppin, Volker

Martin Luther. 1980

Lortz, Joseph

Die Reformation in Deutschland. 1982

Lutz, Heinrich

Reformation und Gegenreformation. Oldenbourg Grundriss der Geschichte. 2002

Mörke, Olaf

Die Reformation. Voraussetzung und Durchsetzung. Enzyklopädie Deutscher Geschichte, Band 74. Oldenbourg 2005

Obermann, Heiko A.

Werten und Wertung der Reformation. 1989

Schilling, Heinz

Martin Luther, Rebell in einer Zeit des Umbruchs. Verlag C.H. Beck, 2012

Zur Mühlen, Karl Heinz

Reformation und Gegenreformation. 1989


Als sinnvolle Ergänzung zu unserer eigenen Darstellung der Reformation empfehlen wir die Seite www.martin-luther2017.de aus der Heimat Martin Luthers, dem Mansfelder Land.  Außer vielen Daten und Bildern aus dem Leben Martin Luthers erhalten Sie die Möglichkeit, sich über die Gespräche, die im Rahmen der 'Reformationsdekade 2008 bis 2017' zu dem Thema 'Erneuerung von Kirche, Gesellschaft und Kultur' stattfinden, zu orientieren und sich selbst daran zu beteiligen.

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