Deutschland 1848 - 1850

 

 

 

 

 

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Die Welt des späten Mittelalters (1250 - 1400)

Das Ende der Luxemburger und der Aufstieg der Habsburger Kaiserdynastie (1400 - 1517)

Die Reformation von Luthers Anschlag der 95 Thesen bis zum Wormser Reichstag (1517 - 1521)

Der Dreißigjährige Krieg (1618 - 1648)

Vom Westfälischen Frieden (1648) bis zum Regierungsantritt Friedrichs des Großen (1740)

Der Aufstieg Preußens zur europäischen Großmacht (1740 - 1763)

Die Französische Revolution bis zum Ende der Diktatur Robespierres (1789 - 1794)

Deutschland in der Zeit der Französischen Revolution und der Herrschaft Napoleons (1789 - 1815)

 Restauration und Revolution (1815 - 1830)

Monarchie und Bürgertum (1830 - 1847)

Die Revolution von 1848/49

Von der gescheiterten Revolution 1848 bis zur Gründung des Deutschen Reiches 1871

Die Innen- und Außenpolitik Bismarcks (1871 - 1890)

Das Deutsche Kaiserreich von 1890 bis zum Ausbruch der Ersten Weltkriegs 1914

Die Industrielle Revolution in England und Deutschland (1780 - 1914)

Europäischer Kolonialismus und Imperialismus (1520 - 1914)

Der Erste Weltkrieg (1914 - 1918)

Der Weg zur Weimarer Republik 1918 - 1919

Der Kampf um die Staatsgewalt in der Weimarer Republik (1919 - 1933)

Die Machtübernahme der NSDAP und die Errichtung der Diktatur Hitlers (1933 - 1939)

Der Zweite Weltkrieg (1939 - 1945)

Der Weg in die Teilung Deutschlands (1945 - 1949)

Der Kalte Krieg: Vom Kriegsende 1945  bis zum Bau der Berliner Mauer 1961

Die Ära Adenauer (1949 - 1963)

Die Kanzlerschaft Ludwig Erhards 1963 - 1966

Kalter Krieg Teil 2: Von der Kubakrise 1962 bis zur Auflösung der Sowjetunion 1991

Die Zeit der Großen Koalition 1966 - 1969

Die Ära Brandt (1969 - 1974)

Die Kanzlerschaft Helmut Schmidts (1974 - 1982)

Die Kanzlerschaft Helmut Kohls von 1982 bis 1987

Die Kanzlerschaft Helmut Kohls von 1987 - 1989

Der Weg zur Wiedervereinigung Deutschlands (Teil I: Die DDR von den siebziger Jahren bis zum Fall der Mauer im Jahr 1989)

Vom Fall der Berliner Mauer bis zur deutschen Einheit (1989 - 1990)

 

 

 
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 Die Revolution 1848 in Frankreich


  • Verhältnisse vor der Revolution
 
  • Das Herrschaftssystem des Bürgerkönigs Louis Philippe
  • Nach der Julirevolution 1830 hatte das französische Parlament mit seiner bürgerlich-liberalen Mehrheit am 9. August 1830 Louis Philippe, den Herzog von Orleans, zum „König der Franzosen“ gewählt. Der König war Oberhaupt des Staates und Inhaber der exekutiven Gewalt. Das Recht zur Gesetzesinitiative musste er nach der neuen Verfassung mit der Pairs-Kammer und der Abgeordnetenkammer teilen. Die Pairs-Kammer bestand aus den vom König auf Lebenszeit ernannten Personen. Die Mitglieder der Abgeordnetenkammer wurden nach einem durch Zensusbestimmungen stark beschränkten aktiven Wahlrecht gewählt.

Die Verfassung begünstigte sehr stark das Besitzbürgertum. Die Folge der Zensusbestimmungen war, dass noch im Jahr 1845 nur ca. 220.000 Franzosen das aktive Wahlrecht hatten - und dies bei einer Bevölkerungszahl von 33 Millionen. Nur etwa 0,3 Prozent der Bevölkerung besaßen das passive Wahlrecht, konnte also gewählt werden.  Die Verbindung von politischem Einfluss und wirtschaftlicher  Macht  in der Hand einer kleinen Schicht des Besitzbürgertums sorgte in der Bevölkerung für  Unzufriedenheit.

 
Louis Philippe (*1773, †1850), König der Franzosen (Ludwig XIX.) von 1830 bis 1848, genannt der "Bürgerkönig"
 
  • Im Januar 1831 hatte König Louis Philippe sein politisches Programm wie folgt formuliert: "Wir versuchen uns in der 'richtigen Mitte' zu bewegen, das heißt gleich von den Exzessen der Volksouveränität und den Missbräuchen der königlichen Gewalt". In den Folgejahren entfernte er sich immer mehr von diesem Anspruch und wandelte sich immer mehr zu einem Konservativen. Seine anfängliche Beliebtheit schwand, nachdem er eine zunehmend repressive Politik einschlug und die Pressefreiheit erheblich beschnitt. Liberale und Demokraten im Mittel- und Kleinbürgertum, welche die Gründung einer Republik bzw. ein allgemeines Wahlrecht gefordert hatten, wurden in den Untergrund gedrängt, gewannen jedoch immer mehr Mitglieder.

  Louis-Philippe versuchte als „Mann des Volkes“ zu regieren, mischte sich mit seinem Regenschirm unter die Spaziergänger und zeigte sich gern als glücklicher Familienvater.  Aber im Grunde war er autoritär und strebte ständig nach Erweiterung seiner Machtfülle.
 
  • Pierre Guillaume Guizot (1787 – 1874), seit 1840 Außenminister und ab September 1847 Kabinettschef, unterdrückte kritische Meinungen und Reformforderungen aus der Bevölkerung, vor allem auf dem Gebiet des Wahlrechts.  Er hielt sich dadurch an der Macht, dass er die Abgeordneten, die sowieso zu einem Drittel Beamte waren, durch Geld und Vergünstigungen einfach kaufte. Guizot hat nicht wenig dazu beigetragen, dass die konstitutionelle Monarchie immer mehr in Misskredit geriet.

 
  • Wirtschaftliche Notlage breiter Bevölkerungsschichten
 
  • Infolge der schlechten Ernten  1845 und 1846 war ein großer Teil des Kleinbauerntums nicht mehr in der Lage, selbst den eigenen Bedarf an Lebensmitteln zu decken. Von den Preiserhöhungen für Kartoffeln und Getreide profitierten in der Landwirtschaft nur wenige Großbetriebe.

  • Mit dem Beginn der Industrialisierung entstanden nicht nur mächtige Unternehmen, sondern auch ein Heer von Lohnarbeitern, das ohne jeden Schutz war und, sowohl was die Löhne als auch die Arbeitszeit anging, dem bereits politisch engagierten Bürgertum ausgeliefert war. Trotzdem strömten die Bauern in die Städte und vermehrten das Proletariat, das sich als eigene Bevölkerungsgruppe zu betrachten begann. Paris, damals  eine Stadt mit über einer Million Einwohnern verfügte bereits über eine beträchtliche Industriearbeiterschaft und mehr noch über ein großstädtisches Proletariat, das ohne soziale Funktion war und in einer radikalen Protesthaltung gegen die bestehende Ordnung lebte.

  • Die wirtschaftliche Not der städtischen Bevölkerung war besonders groß, weil die Preiserhöhungen für Nahrungsmittel mit der Absatzkrise von Gewerbe und Industrie zusammenfielen. Diese Absatzkrise war für  Lohndruck und Arbeitslosigkeit verantwortlich. Die höheren Preise für Nahrungsmittel waren die Ursache dafür, dass die privaten Haushalte den Kauf handwerklicher Produkte stark einschränken mussten. Dies bedeutete wiederum eine Notlage des Handwerks.  
  Die wirtschaftliche Notlage des größten Teils der Bevölkerung ließ den Unmut über die Selbstbereicherung der kleinen bürgerlichen Oberschicht steigen. Dabei kam es zu einer Allianz von Pariser Intellektuellen mit dem Kleinbürgertum.
  • Die Forderung der parlamentarischen Opposition nach einer  Reform des Wahlrechts

 
  • Die parlamentarische Opposition, in der sich republikanische, konstitutionell-liberale und auch schon sozialistische Richtungen und Gruppen zusammenfanden,  machte dem Regime des Bürgerkönigtums in erster Linie die Klassengebundenheit des Herrschaftssystems zum Vorwurf, das sich auf die dünne Schicht der Wahlberechtigten stützte. Die Forderung nach Reform des Wahlrechts wurde zum gemeinsamen Nenner ihrer Politik.  

  • Von Juli 1847 an verlegte die parlamentarische Opposition – nach Abweisung aller ihrer Reformanträge in der Kammer – die Agitation für eine Wahlrechtsreform aus der Kammer in die Öffentlichkeit. In öffentlichen Banketten wurde die Regierung verbal heftig angegriffen und die Erweiterung des Wahlrechts gefordert.  Als die Regierung im Februar 1848 ein geplantes Bankett verbot, kam es zum offenen Konflikt.  Auf die Unterstützung ihres bisher  sichersten Machtinstruments, die Nationalgarde, konnte sich die ihrer Autorität geschwächte Regierung nicht mehr hundertprozentig verlassen.

  • Die Forderung nach einer sozialen Umwälzung
 
  • Frankreich war das Geburtsland der großen frühsozialistischen Literatur. Utopisten wie Saint-Simon, Fourier, Blanqui und Proudhon („Eigentum ist Diebstahl“) planten eine neue Gesellschaftsordnung. Saint-Simon und seine Schüler glaubten, den Gefahren des beginnenden Industrialismus durch soziale Solidarität begegnen zu können. Der sozialistische Theoretiker Louis Blanc proklamierte in seiner Schrift "Organisation der Arbeit" schon 1840 das Recht auf Arbeit und die Pflicht der Gesellschaft, Arbeit zu schaffen. Seine Ideen sollten bei der sozialen Revolution verwirklicht werden.

  Louis Blanc (*1811, †1882), französischer frühsozialistischer Theoretiker und Politiker
  • Die Voraussetzungen für eine soziale Umwälzung waren durchaus gegeben. Frankreich war das einzige Land auf dem europäischen Kontinent mit einer großen revolutionären Tradition. Der Mythos der Revolution von 1789 wurde ständig erneuert. Sowohl durch die rapide Entwicklung der Presse als auch durch die Werbefeldzüge der liberalen Opposition hatten weitere große Bevölkerungsteile ein Bewusstsein von sich selbst erhalten.

  • Verlauf und Ergebnisse der Februarrevolution
 
  • Der Protest gegen das Bankettverbot der bürgerlichen Liberalen und Republikaner stand am Anfang. Im Verlauf des Februars war es in Paris immer wieder zu Massendemonstrationen von Arbeitern und Studenten gekommen. Am 22. Februar gab es erste Zusammenstöße mit der Nationalgarde. Barrikaden wurden gebaut. Da die Nationalgarde nicht bedingungslos hinter der Regierung stand, wurde am nächsten Tag das Militär eingesetzt. Guizot, die Symbolfigur des Regimes, wurde gestürzt. Seine Beseitigung konnte die Monarchie nicht mehr retten. Am 24. Februar überschlugen sich die Ereignisse: nach  blutigen Zusammenstößen zwischen der Armee und den rebellierenden Volksmassen (Kleinbürgertum und "Unterschichten")  dankte Louis Philippe ab und floh ins Ausland.

 

Der König entging dem Ansturm der Menge mit knapper Not. Sowohl die Tuilerien als auch das Palais Royal wurden mit solcher Gründlichkeit geplündert, dass in den folgenden Tagen 25.000 kg „Schrott“ von den Möbeln, dem Geschirr und der Ausstattung zum Verkauf kamen.

 
  • Nach der Abdankung König Louis Philippes wurde in Frankreich am 25. Februar die Zweite Republik ausgerufen. Ferner wurde eine "Provisorische Regierung" gebildet. Am 2. März wurde das allgemeine Wahlrecht eingeführt.

In der "Provisorischen Regierung" waren sowohl gemäßigte Liberale - wie zum Beispiel der romantische Dichter Lamartine - als auch  mit Louis Blanc  Sozialisten vertreten. Die Einführung des allgemeinen Wahlrechts veränderte das öffentliche Leben Frankreichs. Die Zahl der Wähler stieg dadurch über Nacht von 220.000 auf mehr als 9 Millionen. Jeder Franzose war ab dem 25. Lebensjahr wählbar.

  • Die "Provisorische Regierung" verfügte neben der Einführung des allgemeinen Wahlrechts auch über Pressefreiheit und Versammlungsfreiheit. Nach dem Plan Louis Blancs wurden die Nationalwerkstätten eingerichtet, in denen man 10.000 Arbeitslose auf Staatskosten mit öffentlichen Aufgaben beschäftigte.  Die Zeitungen wurden dank der Abschaffung der Stempelsteuer auch den Ärmsten zugänglich, Volksvereine schossen aus dem Boden, die freie Diskussion ergriff alle Schichten.

  • Sehr bald erwuchsen in der provisorischen Regierung Spannungen zwischen der republikanisch-demokratischen Richtung und den Sozialisten, für die die Verwirklichung der sozialen Revolution im Vordergrund stand. Am 23. April 1848 fanden nach allgemeinem Wahlrecht die Wahlen zu einer 'Verfassungsgebenden Nationalversammlung' statt. Die gemäßigten Republikaner, die ihren Wahlkampf mit konservativen Parolen geführt hatten, gewannen eine Zweidrittel-Mehrheit. 600, während radikale Republikaner und Sozialisten nur 100 der 900 Sitze im Parlament erhielten. Die Royalisten gewannen 200 Mandate.

 

Die Masse des Kleinbürgertums war nicht gewillt gewesen, den sozialistischen Experimenten Folge zu leisten. Sie bevorzugten die soziale Sicherheit eher in der Wiederherstellung von Ruhe und Ordnung. Die Landbevölkerung fürchtete sich vor kommenden sozialistischen Maßnahmen - wie zum Beispiel vor einer Enteignung ihres Landbesitzes zugunsten der eigentumslosen Pariser Unterschichten. So hatte die Bevölkerung in den Provinzen fast ausschließlich diejenige großbürgerliche Schicht gewählt, die vor der Revolution das politische Leben Frankreichs geprägt hatten.  Das von den Republikanern (den linken Liberalen und den Sozialisten) durchgesetzte allgemeine Wahlrecht hatte sich letztlich zu ihren Ungunsten ausgewirkt.

  • Die "Pariser Junischlacht"
 
  • Der linke Flügel der Republikaner und die Sozialisten waren nicht bereit, die Wahlniederlage vom 28. April hinzunehmen. Die Not, der Hunger und das Elend unter den Arbeitern und Gesellen, den kleinen Handwerkern und Ladenbesitzern in Paris hatte nach der Februarrevolution eher noch zugenommen. Als am 21. Juni das staatliche Arbeitsbeschaffungsprogramm (die Arbeit in den Nationalwerkstätten) durch die am 5. Mai eingesetzte fünfköpfige "Kommission für die Exekutivgewalt" (Staatsoberhaupt, in der auch das Kleinbürgertum und die Arbeiterschaft vertreten war) nicht mehr erweitert wurde, verursachte dies einen revolutionären Flächenbrand. Die Handwerker- und Arbeitermassen des Pariser Ostens erhoben sich. Sogar der sich in einer Existenzkrise befindliche untere Mittelstand beteiligte sich jetzt an der Erhebung,. Eine einheitliche Leitung des Aufstandes gab es nicht!

  • Am 23. Juni bot die Regierung 20.000 Soldaten auf, um den Aufstand niederzuschlagen. Die blutige Schlacht dauerte 4 Tage. Arbeiter und Handwerker unterlagen. Auf der Seite der Aufständischen gab es mehr als 3000, beim Militär 1600 Tote. Der Niederlage folgte ein Strafgericht mit größter Grausamkeit. Frankreich war in zwei Teile gespalten, der Klassenhass begann.

  • Unter dem Eindruck der "Pariser Junischlacht" wurde eine neue Verfassung geschaffen. Eine Mischung aus präsidentieller und parlamentarischer Regierung entstand:  Man fasste den Entschluss, den neuen Präsidenten durch das Volk wählen zu lassen. Dem Präsidenten wurde das Recht gegeben, Minister zu ernennen und zu entlassen. Jeder andere Entschluss war an die Zustimmung des Parlaments gebunden.

  • Am 10. Dezember 1848 wurde Louis Napoleon zum Präsidenten gewählt. Die Furcht vor dem Sozialismus war dafür ausschlaggebend gewesen. Am 2. Dezember 1851 stürzte Louis Napoleon durch einen Staatsstreich die Republik. Ein Jahr darauf wurde er durch eine Volksabstimmung als Napoleon III. Kaiser der Franzosen.

  • Das 'Kommunistische Manifest'
 
  • Kurz vor der Februarrevolution in Paris im Jahr 1848 veröffentlichen Karl Marx und Friedrich Engels in London die Programmschrift des 'Bundes der Kommunisten' das 'Kommunistische Manifest'. Marx und Engels beschreiben die moderne Welt als eine Bühne für den Klassenkampf zwischen der herrschenden Bourgeoisie (den Kapitalisten) und dem unterdrückten Proletariat (den Lohnarbeitern).

 

 

 

 

Karl Marx (*1818, †1883), deutscher Sozialökonom und sozialistischer Theoretiker

 
 
  • Das 'Kommunistische Manifest' ist nicht nur eine populäre Darstellung der wichtigsten Thesen von Karl Marx, sondern auch eine Kampfansage an die bürgerliche Gesellschaft.

 
  • Auf der Suche nach immer größerem Profit verbessert die Bourgeoisie laufend die Produktionsmittel und setzt damit, ohne es zu wollen, gesellschaftliche und geschichtliche Kräfte in Gang, die sie nicht länger beherrschen kann. Indem die Zahl der Proletarier immer größer wird und ihr politisches Bewusstsein wächst, werden die Klassengegensätze eine Revolution und den Untergang der Bourgeoisie und des Kapitalismus auslösen.

  • Karl Marx erkennt, dass die bürgerlich-kapitalistische Gesellschaft mit ihrem Privateigentum (zum Beispiel an Fabriken) eine Klasse "produziert", die zu ihr "im Widerspruch" steht: das Proletariat. Die Proletarier (Lohnarbeiter) sind bei ihrer Arbeit vom Eigentum an den Produktionsmitteln getrennt. Sie leben im Elend und müssen ihre Arbeitskraft als "Ware" verkaufen.

  • Das Proletariat hat, so stellt Marx fest, keinerlei aktiven oder schöpferischen Einfluss auf die Art der Produktion. Mit anderen Worten: der Arbeiter bestimmt nicht mehr, was und wie er etwas macht, sondern der Produktionsprozess diktiert ihm, was er tun muss. Der Arbeiter ist also nicht Herr über seine Arbeit und deren Produkt, sondern er ist ihnen, wie Marx sagt, "entfremdet". Durch seine Entfremdung von der Arbeit verkümmert im Menschen jene schöpferische Kraft, die ihn erst zum Menschen macht.

 
  • Marx und Engels betonen die Notwendigkeit der Abschaffung des Privateigentums als Voraussetzung eines grundsätzlichen Wandels in der materiellen Existenz des Menschen. Nach dieser Revolution wird die wirtschaftliche Produktion in den Händen des als herrschende Klasse organisierten Proletariats liegen. Mit dem Gemeineigentum verschwinden auch die Klassenunterschiede. Am Ende des 'Kommunisten Manifestes' rufen Marx und Engels zur Einheit auf: „Proletarier aller Länder, vereinigt Euch!“

  • Unter 'Klassenkampf' und 'Revolution' verstehen Marx und Engels die weltweite Erhebung der Lohnarbeiter gegen die Kapitalistenklasse.

  • Friedrich Engels (*1820, †1895) war keinesfalls nur ein Stichwortgeber für Karl Marx. Bekannt wurde er durch seine erschütternde Sozialreportage über die "Die Lage der arbeitenden Klasse in England", die auf eigenen Beobachtungen in Manchester beruhte. Dem 24-jährigen Engels war es in dieser Reportage gelungen, die konkreten Fakten zu stellen und unter der soziologischen Fragestellung, worin denn die sozialen Folgen einer kapitalistischen Produktionsweise bestehen, zu analysieren. Friedrich Engels war realistisch genug, die Fehlentwicklungen nicht individueller Willkür zuzuordnen, sondern sie als systembedingte Krisenphänomene zu deuten. Diese würden zum unvermeidlichen Zusammenbruch des Kapitalismus und zur Ablösung der Bourgeoisie als herrschende Klasse führen. Mit seinen "Umrissen zu einer Kritik der Nationalökonomie" von 1844 hat er Marx nachhaltig beeinflusst.

 
  • Vom 'Kommunistischen Manifest" werden zunächst nur tausend Exemplare gedruckt, obgleich sein Erscheinungsdatum zu Beginn des Ausbruchs der bürgerlichen Revolution fast überall in Europa denkbar günstig ist. Trotz Hunger und Arbeitslosigkeit, trotz Ausbeutung des Proletariats ist der Aufstand gegen die verkrustete Obrigkeit vor allem eine Aktion des liberalen Bürgertums, bei dem die Arbeiter nur teilweise mitkämpfen. Grundsätzlich geht es bei der Revolution von 1848 um die bürgerliche und nicht um die proletarische Freiheit.

  • Im Sinne der Theorie von Karl Marx ist der Bürgeraufstand historisch notwendig, damit die letzte, die sozialistische Revolution überhaupt stattfinden kann. Die Bourgeoisie kann den Kampf gegen die feudale Klasse nur gewinnen, wenn das ganze Volk hinter ihr steht. Aus diesem Grund ruft Karl Marx in der 'Neuen Rheinischen Zeitung' alle Bürger auf, sich an der Revolution zu beteiligen.

  • Die meisten Lohnabhängigen können sich nicht entschließen, den bürgerlichen Aufstand zu unterstützen. Die Arbeiter begreifen sich noch nicht als selbstständige Kraft mit eigenen - der Bourgeoisie entgegengesetzten  - Interessen und sehen deshalb auch zwischen ihrer speziellen Not und dem Bürgeraufstand keinen richtigen Zusammenhang. Sie sind entweder schlecht oder gar nicht organisiert und haben überdies, wie Marx es nennt, ein "falsches Bewusstsein".

 
  • Als die Gegenrevolution, als Adel, Militär und Polizei die Macht wieder fest in der Hand haben, muss Karl Marx Deutschland verlassen. Über Frankreich emigriert er nach London.


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Die Märzbewegung im deutschen Südwesten und im Rheinland


  • Die Situation vor dem Ausbruch der revolutionären Erschütterungen

  • Bürokratische Bevormundung der Bürger, Beschränkung der politischen Mitspracherechte, Vorrang des Adels, politische Macht in der Hand einer kleinen bürgerlichen Oberschicht.

Die "Untertanenschaft" war zwar an der politischen Willensbildung beteiligt, aber nach Besitz und Bildung gestaffelt; die Mehrheit der Bevölkerung besaß kein Recht zur Mitgestaltung der Politik.

  • Die Rechte des Parlaments (der Kammern)  und aller anderen Repräsentativkörperschaften waren so beschränkt, dass sich ein immer größerer Gegensatz zwischen dem Vorgehen der Monarchen und den politischen Vorstellungen der Abgeordneten (den Repräsentanten) herausbildete. Die liberalen und demokratischen Forderungen in den Kammern wurden zunehmend durch die politische Öffentlichkeit unterstützt (Publizistik, politische Vereine)

 
  • Der soziale Hintergrund der Revolution
 
  • Starke Bevölkerungsvermehrung

In Deutschland stieg die Einwohnerzahl von 23,5 Millionen im Jahr 1810 auf 36 Millionen im Jahr 1850. Im Jahr 1800 gab es auf den Territorien des Deutschen Bundes nur drei Städte über 100.000 Einwohner, 1850 waren es sechs. Noch im Jahr 1845 machte die auf dem Lande lebende Bevölkerung in Preußen ca. 75 Prozent aus.

 
 
  • Hervorgerufen durch die agrarische Überbevölkerung entstand ländliche Armut. Dazu kamen soziale Vorgänge wie das Absinken der Bauern zu Landarbeitern im Zuge der Regulierung des bäuerlichen Besitzes.

  • Die 'Industrielle Revolution' löste einen sozialen Wandel aus. Infolge sozialer Ausbeutung durch niedrigste Löhne und fehlende Anpassung der nicht mehr zu den Zünften gehörenden Handwerksbetriebe an das Fabriksystem entstand industrielle Armut. Gesellschaftliche und soziale Konflikte brachen aus.

Über die 'Industrielle Revolution' und ihre Auswirkungen haben wir eine eigene Seite erstellt.

  • Als im Zuge großer Missernten 1846 und 1847 die Lebenshaltungskosten ungewöhnlich anstiegen, wurde die Not der Unterschichten auf dem Land und in den Städten zur Katastrophe, zumal die Agrarkrise mit einer aus England ausgehenden Konjunkturkrise zusammenfiel.

  • Forderungen nach politischen und sozialen Reformen
 
  • Am Vorabend der Märzrevolution 1848 meldeten sich im Südwesten Deutschlands Liberale und Demokraten mit direkten und offenen Forderungen nach einer Umgestaltung Deutschlands zu Wort. In Baden verlangte der Unternehmer und liberale Politiker Friedrich Daniel Bassermann  (*1811, † 1855) für Deutschland ein Nationalparlament. Die Demokraten Gustav von Struve (1805-1870) und Friedrich Hecker (1811-1881) und prangerten den Deutschen Bund als Unrechtsregime an. Als schließlich an allen Parteiverboten vorbei die Demokraten im September 1847 in Offenburg und einen Monat später die Liberalen in Heppenheim öffentlich politische Programme aufstellten, war dies der Schlussstein einer gesellschaftlichen und politischen Entwicklung, die eine fundamentale Umgestaltung Deutschlands endgültig unausweichlich werden ließ. Zur Auslösung der "Märzrevolution" fehlte lediglich der zündende Funke.

 
  • In Offenburg hatte der Demokrat Gustav von Struve sein politisches Programm vorgestellt: Ausgleich zwischen Arbeit und Kapital, allgemeiner Zugang zum Unterricht, völlige Presse- und Religionsfreiheit, Abschaffung der Bundesgesetze gegen Demagogen, Volksvertretung beim Bund, Volksbewaffnung, Republik.

  • Den in Heppenheim versammelten Liberalen, unter ihnen Heinrich von Gagern, schwebte eine allgemeine Volksvertretung beim Bundestag vor. Ihre Forderung ging dahin, dass alle im Zollverein zusammengeschlossenen Staaten eine einzige Regierung haben sollten; gemeint war eine preußische.

 
  • Schon am 15. April 1844 hatte der Badener Unternehmer und liberale Politiker Friedrich Daniel Bassermann die Einführung eines gesamtdeutschen Parlaments gefordert, um einen deutschen Nationalstaat zu schaffen. Am 12. Februar 1848 begründete Bassermann in einer Rede in der Badischen Zweiten Kammer seinen Antrag, dass "durch Vertretung der deutschen Standeskammern am Bundestage ein sicheres Mittel zur Erzielung gemeinsamer Gesetzgebung und einheitlicher Nationaleinrichtungen geschaffen werde". Die Forderung nach indirekter Vertretung des Volkes beim Deutschen Bund rechtfertigte er mit der Sicherung poltischer Freiheiten sowie einer Stärkung des National-  und Einheitsgefühls. Mit seiner Rede setzte Bassermann eines der entscheidenden Signale für die Auslösung der Märzrevolution in Deutschland. 

 
  Gustav von Struve (*1805, 1870), deutscher Politiker und Revolutionär
 
  • Ende Februar 1848 greift die von Frankreich ausgehende revolutionäre Unruhe der Bevölkerung auf den deutschen Südwesten und das Rheinland über. Für das Geschehen in den deutschen Mittel- und Kleinstaaten waren die Vorgänge im Großherzogtum Baden charakteristisch und bahnbrechend.

  • In der badischen Industrie- und Handelsstadt Mannheim feierte der volkstümliche Anwalt und Demokrat Friedrich Hecker am 26. Februar das Eintreffen der Nachrichten aus Paris und machte sich an das "Werk für Deutschlands Befreiung". Schon am folgenden Tag fand in Mannheim eine erste, mehr als 2500 Menschen zählende Volksversammlung von Liberalen und Demokraten statt, bei welcher der Unmut der Bevölkerung über die politische und soziale Situation zum Ausdruck kam. Der radikale Demokrat Gustav von Struve verlangte in einem Manifest an den badischen Landtag Wohlstand, Bildung und Freiheit für alle Klassen der Gesellschaft. Im Einzelnen verlangt er: 1. Aufbau von Volksmilizen (Abschaffung der stehenden Heere), 2. Pressefreiheit 3. Schwurgerichte nach dem Vorbilde Englands, 4. Sofortige Herstellung eines deutschen Parlaments.  Auf Antrag des radikalen Demokraten (Republikaners) Friedrich Hecker wurde der Forderungskatalog Struves um folgende Punkte erweitert: Aufhebung der Reaktionsgesetze des Deutschen Bundes, die Vereidigung des Heeres auf die Verfassung, Gleichberechtigung der Konfessionen, Aufhebung der Reste des Feudalwesens, gerechte Verteilung der öffentlichen Lasten. Der badische Landtag selbst verlangte die Umbildung der Regierung durch die Ernennung von Ministern, die das "Vertrauen des Volkes" genießen. Die von der Versammlung in Mannheim erhobenen "Märzforderungen" waren innerhalb weniger Tage in fast allen deutschen Staaten zu hören und wurden von weiten Teilen der Bevölkerung unterstützt.

  Friedrich Hecker (*1811, †1881), deutsche Politiker und Revolutionär

  • Gegenüber den sozialpolitischen Forderungen des Offenburger Programms vom 12. September 1847 können die im Manifest an den badischen Landtag erhobenen Forderungen als gemäßigt gelten. Die Forderung nach Einführung des allgemeinen Wahlrechts wurde in Mannheim nicht wiederholt. -  Auch für die Forderungen in den anderen südwestdeutschen Staaten und im Rheinland sind in den Anfangstagen der Bewegung gemäßigt.

  • Mit den Märzforderungen wurde nicht auf punktuelle politische Veränderungen, sondern auf eine fundamentale politische Kehrtwende abgezielt.

  • Die Heere der Zeit waren bis dahin strikt auf die Monarchen hin orientiert, sie bildeten neben der politischen Polizei das Rückgrat der bisherigen Unterdrückungspolitik. Mit dem Aufbau von Milizen sollte nun das Gewaltmonopol der Fürsten gebrochen werden und die Unterdrückung des Volkes ein Ende finden. Die Pressefreiheit sollte eine breite liberal-demokratische Öffentlichkeit schaffen. Volksnahe Gerichte zielten auf eine von den Interessen der bisherigen Machtinhaber unabhängige Justiz. 

  • Mit der  Schaffung einer Nationalversammlung sollte der parlamentarische Gedanke in ganz Deutschland bestimmend werden. Der Deutsche Bund wie dessen Einzelstaaten sollten in mit Bürgerrechten ausgestattete Verfassungs- und Rechtsstaaten umgewandelt werden.. 

 
  • Die Vertreter der liberalen Richtung, die auch zahlenmäßig dominierten, sahen sich als politische Mitte zwischen den aufgebrachten Massen und den Vertretern des alten Systems. In Zusammenarbeit mit den Demokraten sorgten sie dafür, dass die Wünsche der Volksversammlungen  durch Abordnungen in der Form von Petitionen an die bestehende politische Führung herangetragen wurden. In der Regel gelang es ihnen, dass bewaffnete Teilnehmer der Versammlungen nicht zur Gewalt griffen. Charakteristischer war, dass auch Kleinbürger und Arbeiter nicht zuletzt dank der Volksversammlungen den Anschluss an die für einen Machtwechsel bereiten Gruppierungen, besonders die Demokraten, fanden, zumal diese zunehmend sozialpolitische Forderungen aufnahmen. 

  • Die große Zahl der Demonstranten zeigt, das während der Märzbewegung unterschiedliche Bevölkerungsgruppen mit unterschiedlichen Interessen zusammenfanden oder nebeneinander agierten.  

  • Der Kölner Bund der Kommunisten forderte: Gesetzgebung und Verwaltung durch das Volk, allgemeines gleiches Wahlrecht auf allen Ebenen des öffentlichen Lebens, Rede- und Pressefreiheit, freies Vereinigungsrecht sowie "Schutz der Arbeit und Sicherstellung der menschlichen Bedürfnisse für alle, vollständige Erziehung aller Kinder auf öffentliche Kosten".

  • Verlauf der Märzbewegung
 
  • Protestaktionen

  • Das Besitzbürgertum in den Städten kümmerte sich in der Hauptsache um die verfassungs- und deutschlandpolitischen Forderungen. Seine Anliegen brachte es weitgehend in Volksversammlungen und Massenpetitionen vor. Von den sozialen und republikanischen Untertönen der Revolution zeigte sich das Besitzbürgertum erschreckt und forderte von der Regierung eine möglichst rasche Unterdrückung der revolutionären Bewegung.

  • Teile der städtischen Unterschichten protestierten auch mit Gewaltaktionen gegen ihre nahezu hoffnungslose Lage, in die sie die Industrialisierung gebracht hatte. Handwerker und Industriearbeiter forderten gemeinsam mit den Landarbeitern mit einer Vielzahl lokal unterschiedlicher Protestaktionen eine Lösung ihrer sozialen und wirtschaftlichen Probleme.

  • In einigen ländlichen Gebieten im Süden Deutschlands (Südschwarzwald, Odenwald) kam es zu massiven Bauernunruhen. Ursache dafür war, dass die "Standesherren" noch immer ein erhebliches Maß hoheitlicher Rechte in Justiz und Verwaltung hatten und aufgrund ihrer privilegierten Stellung Jagd- und Fischereirechte besaßen. Auch den Zehnten konnten sie noch einfordern. Die Aufstandsbewegungen hatten die Befreiung von den drückenden Lasten, von Verschuldung und Not zum Ziel.

 
 

Die Bauern versuchten, die Grundherren zum Teil mit Gewalt zu einer Befreiung von den unerträglich gewordenen Lasten zu bewegen. Außerdem verlangten sie ein Mitspracherecht in Angelegenheiten der Gemeinde. Eine allgemeine Umverteilung des Eigentums wurde jedoch nicht gefordert.  

  • Zugeständnisse der Staatsoberhäupter

 
  • Unter dem Druck der Ereignisse machten die Staatsoberhäupter Zugeständnisse im liberalen Sinne und gaben konstitutionelle Versprechungen. Die Einsetzung reformwilliger Ministerien in den deutschen Einzelstaaten sollten die revolutionären Bestrebungen eindämmen.

 
  • Liberale Reformpolitik auf dem Boden der bestehenden Verfassungen. In enger Zusammenarbeit mit den Kammern wurden Gesetze verabschiedet über die Presse-, Vereins- und Versammlungsfreiheit, die Einsetzung von Bürgerwehren, die Einsetzung von Geschworenengerichten, den Ausbau der kommunalen Selbstverwaltung, die Befreiung der Kirchen von staatlicher Aufsicht. Feudale Herrenrechte, wie zum Beispiel das Jagdrecht auf bäuerlichem Besitz, wurden aufgehoben.

  • Die Märzbewegung verlief in den meisten deutschen Klein- und Mittelstaaten ähnlich. Die Proteste veranlassten die Regierungen zum Zurückweichen. Mit Ausnahme von Bayern wurden die Märzforderungen ohne nennenswerten Widerstand von den Herrschern bewilligt. Wortführer der liberalen Opposition wurden in die neuen Regierungen (Märzministerien) aufgenommen. Die Märzbewegung hatte innerhalb von gut zwei Wochen Politiker an die Macht gebracht, die bereit waren, die "Märzforderungen" auf dem Wege der Reformpolitik zu erfüllen, zugleich aber entschlossen waren, allen republikanischen und sozialrevolutionären Bestrebungen entgegenzutreten. Zu den Zielen der Märzministerien gehörte die Umwandlung des Deutschen Bundes in einen deutschen Nationalstaat mit freiheitlicher Verfassung. Der Bundestag wollte die Führung im Prozess der nationalstaatlichen Einigung Deutschlands übernehmen. Schon am 8. März 1848 hatte er "eine Revision der Bundesverfassung auf wahrhaft zeitgemäßer und nationaler Grundlage" für notwendig erklärt.

 
  • Großherzog Leopold von Baden befürchtete, dass sich bei einem Einsatz des Militärs die Unruhen auf dem Land und in den Städten noch verstärken würden. Am 9. März 1848 stimmte er allen Forderungen der Märzbewegung endgültig zu und setzte eines der ersten "Märzministerien" in Deutschland ein, eine "konstitutionelle Regierung" unter liberaler Führung. Die Einsetzung des Märzministeriums  bedeutete, dass die Regierung - und nicht mehr der Landesherr - durch ihre Unterschrift für alle Gesetze und Regierungsakte die politische Verantwortung übernahm. Den anderen Mittel- und Kleinstaaten blieb keine Wahl, als diesem Beispiel zu folgen, auch wenn in manchen von ihnen eine hinhaltende Politik des Fürsten (Württemberg) oder die Rückständigkeit des Landes (Mecklenburg, Oldenburg) die fälligen Modernisierungen erheblich verzögerten. In Bayern musste König Ludwig I. zugunsten seines Sohnes abdanken. 

  • Im Zuge der Bildung der neuen Regierungen trennten sich die Wege von Liberalen und Demokraten. Die Liberalen bildeten - oft in Verbindung mit zu Reformen bereiten Konservativen - die Märzministerien, die Demokraten mussten in die Opposition gehen. Bei der Diskussion über die Umgestaltung Deutschlands kam es zum Tragen, dass die Liberalen eine konstitutionelle Monarchie und die Demokraten eine Republik, also unterschiedliche Staatsformen anstrebten. Auch der Wahlrechtsfrage gab es unterschiedliche Anschauungen: Während die Liberalen von einer noch verbreiteten politischen Unmündigkeit ausgingen und das Wahlrecht nur Staatsbürgern mit Besitz zukommen lassen wollten, befürworteten die stärker egalitär ausgerichteten Demokraten das gleiche Wahlrecht für alle.

  • In Baden reagierte die Regierung auf Bauernunruhen dadurch, dass sie am 10. März 1848 den Kammern einen Gesetzesentwurf über die endgültige Aufhebung feudaler Lasten vorlegte. Unter dem gewaltsamen Druck der Bauern fanden sich auch die Standesherren zu erheblichen Zugeständnissen bereit.

  • In der Zeit des Vormärz waren sich Länderregierung und Abgeordnetenkammer quasi als Gegner gegenüber gestanden. Jetzt änderte sich der Stil des politischen Umgangs miteinander. Eine parlamentarische Regierungsweise entstand: Minister konnten sich nur so lange in der Regierung halten, als ihre Maßnahmen von dem Willen der Mehrheit der Abgeordneten getragen wurden. Die Verfassung selbst hatte sich nicht geändert!


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Die Revolution in der Habsburger Monarchie


  • Revolutionäre Bewegungen in Wien
 
  • In Wien waren es neben der Opposition der niederösterreichischen Stände zunächst die gesellschaftlichen und gewerblich-industrielle Vereinigungen der Stadt, welche die Einberufung einer Volksvertretung  für den Gesamtstaat Österreich verlangten. Die gemäßigten Forderungen dieses liberalen Bildungs- und Besitzbürgertums wurden am 11. März 1848 den Ständen übergeben. Zur gleichen Zeit stellten die Studenten die "Märzforderungen" zusammen (sie sind im Allgemeinen mit den oben beschriebenen Forderungen der revolutionären Bewegung in den deutschen Klein- und Mittelstaaten vergleichbar).

 
  • Am 13. März veränderten die aus den Wiener Vorstädten herbeiströmenden Handwerksgesellen und Arbeiter das Bild der bis dahin sehr gemäßigt ablaufenden  (sog. "mondänen") Revolution. Als sie das Ständehaus plünderten, gab das Militär die ersten Schüsse ab. Dies war das Signal zum allgemeinen Aufstand und zur Errichtung von Barrikaden.

Fürst Metternich war für hartes militärisches Vorgehen zur Niederschlagung des Aufstandes, konnte sich jedoch gegen Erzherzog Johann nicht durchsetzen, der für die Bewilligung der Anliegen des Volkes eintrat. Metternich tritt am 13. März zurück.

 
  • Unruhen und eine förmliche Belagerung der Wiener Hofburg erzwangen am 15. März eine kaiserliche Proklamation, in der eine konstitutionelle Verfassung für den österreichischen Staat verbindlich zugesagt wurde. Am 25. April wurde diese Verfassung verkündet und ohne Mitwirkung einer gewählten Volksvereinigung durch einseitigen Regierungsakt in Kraft gesetzt.

 
  • Mitte Mai erzwangen neue Unruhen in Wien (der Kaiser verließ am 17. Mai seine Hauptstadt) die Aufhebung der oktroyierten Verfassung und die Ausschreibung von Wahlen für einen verfassungsgebenden Reichstag. Der erste österreichische Reichstag wurde am 22. Juli von Erzherzog Johann, dem vom Kaiser während der Zeit seiner Abwesenheit die Regentschaft übertragen worden war, eröffnet.

Wegen unterschiedlicher Rechtsverhältnisse in den einzelnen Ländern der Monarchie und auch wegen Verständigungsschwierigkeiten (rund ein Viertel der Abgeordneten verstand die deutsche Sprache nicht!) gestaltete sich der Gesetzgebungsprozess äußerst langsam.

 
  • Anfang Oktober 1848 bricht die Revolution in Wien erneut aus. Teile der Nationalgarde und der Wiener Garnison verbündeten sich mit den aufständischen Arbeitern und Handwerksgesellen. Am 28. Oktober beginnt der Sturm der kaisertreuen Truppen unter Fürst Windischgrätz auf Wien. Am 31. Oktober war die Stadt erobert. Durch den Einsatz des Militärs hatte die Gegenrevolution gesiegt!

  • Der Erhebung der Nationalitäten
 
  • Unter der Herrschaft der Habsburger lebten mehr als zehn Nationalitäten unterschiedlicher Sprachen und Konfessionen. Das "System Metternich" ignorierte die nationalen Kollektivrechte und hielt mit Pressezensur, Polizei- und Spitzelwesen das gesamte Staatswesen in einem trügerischen Ruhezustand.

  • Unter dem Einfluss der Französischen Revolution hatte der Genuese Giuseppe Mazzini schon 1834 die Selbstbestimmung der Völker propagiert. Der Ausbruch der Februarrevolution 1848 in Paris wurde auch von den Völkern des Kaiserreichs Österreich als Signal zu einer Erhebung gegen das "ancien régime" verstanden.

  • Das Recht auf Selbstbestimmung der Völker verband sich mit dem Ziel der Errichtung von Nationalstaaten. Für den Vielvölkerstaat Österreich hätte dies eine Aufsplitterung in mehrere Staaten bedeutet. Andererseits sollten Staaten, die als Teile einer Nation galten, vereinigt werden. Wenn man bedenkt, dass beispielsweise das im Gesamtverband der Habsburger Monarchie stehende Königreich Ungarn auch wieder aus verschiedenen Nationalitäten bestand, so häufte sich ungeheures Konfliktpotential (z.B. über die Zugehörigkeit eines Territoriums) an. An den entstehenden nationalen Konflikten sollte der Traum vom "Völkerfrühling" 1848 zerbrechen. In Ungarn geschah dies gründlicher als in jedem anderen europäischen Staat.

 
  • Im Königreich Ungarn verlangte Lajos Kossuth am 3. März für alle Länder der Habsburger Monarchie die Verantwortlichkeit der Minister gegenüber der Volksvertretung. Nach dem Rücktritt Metternichs am 12. März wurde eine allgemeine Nationalbewegung ausgelöst, deren Ziel eine Demokratisierung der ungarischen Staats- und Gesellschaftsordnung wurde. Anfang April sah sich die österreichische Regierung gezwungen, die fast vollständige Selbständigkeit des Königreichs Ungarn zuzugestehen.

  Lajos Kossuth (*1802, †1894), Führer der ungarischen Unabhängigkeitsbewegung
 
  • Träger der böhmischen Nationalbewegung waren die Bildungsbürger in der Hauptstadt Prag sowie Kleinbürger und Studenten. Nach Zugeständnissen der Wiener Regierung befand sich auch Böhmen auf dem Weg zu einem unabhängigen multinationalen Staat, der nur noch locker über das gleiche Herrscherhaus mit Österreich verbunden sein würde.

 
  • Am 2. Juni 1848 wurde in Prag der Slawenkongress eröffnet, bei dem die Slawen der Habsburger Monarchie Gleichberechtigung für alle Nationalitäten forderten und die Eingliederung in einen deutschen Nationalstaat ablehnten. Gleichzeitig betonten sie ihre Loyalität zum österreichischen Kaiserhaus.

Unter dem Eindruck des Kongresses verstärkten die Prager Demokraten, zu der viele Studenten gehörten,  ihre tschechisch-nationalistische Agitation unter den Kleinbürgern und Arbeitern. Am 13. Juni brach in Prag ein Aufstand aus, der nach drei Tagen durch die von Fürst Windischgrätz geführten Truppen niedergeschlagen wurde.  Die Unterwerfung Prags war der erste Sieg der Gegenrevolution in Mitteleuropa!

 
  • Die Einheit Italiens sollte aus dem Zusammenschluss von Einzelstaaten entstehen, die mit Ausnahme Piemonts nicht-nationalen Dynastien unterstellt waren. So war die italienische Nationalbewegung darauf angewiesen, die österreichische Herrschaft in Oberitalien zu beseitigen. Der oberitalienische Aufstand wurde durch das Königreich Piemont militärisch unterstützt. Auch Papst Pius IX., der Großherzog von Toskana und der König von Neapel schickten Truppenkontingente für den Kampf gegen die Habsburger. Mit Ausnahme eines kleinen Festungsgürtels an der Etsch brach die österreichische Herrschaft in Mailand und in Venedig Ende März 1848 zusammen. Im weiteren Verlauf des Jahres gewannen die Österreicher wieder die Oberhand. Am 25. Juni 1848 siegte der österreichische Feldmarschall Radetzky bei Custozza über die Italiener. Am 6. August wird Mailand, das Zentrum des Aufstandes, zurückerobert. Durch Einsatz des Militärs hatte die Gegenrevolution gesiegt!

 
  • Der ungarische Aufstand wird erst im August 1849 durch einen russisch-österreichischen Zangenangriff niedergeworfen (Kapitulation von Világos).


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Die Revolution in Preußen


Vorbemerkung: Die liberalen, demokratischen und nationalen Strömungen in Deutschland sowie die politischen Ereignisse in Preußen, die zur Revolution führten, haben wir auf der vorangehenden Seite beschrieben!


  • In Berlin spielte sich die Unruhe in der Bevölkerung auf zwei verschiedenen Ebenen ab, die sich jedoch zunehmend ineinander verschoben: 1. die soziale Erregung unter den in der wirtschaftlichen Krise arbeitslos gewordenen Arbeiter und Handwerksgesellen 2. die politische Erregung im Streit um die Rolle und Funktion des 'Vereinigten Landtags'.

König Friedrich Wilhelm IV. glaubte an seinem historisch-romantisch begründeten Ständeparlament festhalten zu können, zeigte sich jedoch verhandlungswillig.

  • Unter dem Eindruck der Februarrevolution in Paris und ersten Unruhen in der Bevölkerung Berlins bewilligt der König am 6. März 1848 die lange verweigerte regelmäßige Einberufung des 'Vereinigten Landtags'. Aber es ist bereits zu spät: die öffentliche Meinung lehnt die ständische Vertretung ab. Die allgemeinen  'Märzforderungen' (siehe oben) werden gebilligt. Am 8. März wurde die Aufhebung der Pressezensur angekündigt. Doch die Unruhe der Berliner Bevölkerung war nicht zu besänftigen. Staatliche Stellen notierten mit Sorge "die veränderte, herausfordernde, beinahe freche Haltung" der unteren Schichten, insbesondere der Handwerksgesellen.

  • Massenentlassungen in der Berliner Industrie und Panikkäufe an der Börse bildeten den Hintergrund für die zunehmende öffentliche Unruhe. Am 13. März erscheint ein Flugblatt, in dem Abhilfe gegen Not und Arbeitslosigkeit, Schutz vor Wucher und Ausbeutung sowie die Einrichtung eines Sozialministeriums gefordert wurden. Am Abend desselben Tages kommt es bei einer Massenversammlung in Berlin zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und dem Militär zu den ersten Verwundeten.

  • Unter dem Eindruck des Sturzes von Fürst Metternich in Österreich (12. März 1848) verkündete der Kronrat am 18. März die Einberufung des 'Vereinigten Landtags' für den 2. April zu Beratungen über eine neue preußische Verfassung. Darüber hinaus wurden Zugeständnisse an die liberalen und nationalen Bewegungen in ganz Deutschland gemacht (man fragt sich, mit welchem Recht!): Umwandlung Deutschlands in einen Bundesstaat, Reform der Bundesverfassung im Einvernehmen von Regierungen und Völkern, sofortige Einberufung einer vorläufigen Nationalvertretung aus Mitgliedern der einzelstaatlichen Landtage, Verkündung konstitutioneller Verfassungen in Österreich und Preußen.

Trotz aller Zugeständnisse hielt die preußische Regierung an dem Grundsatz fest, dass den bestehenden Verfassungsorganen die Ausarbeitung einer neuen Verfassung übertragen werden sollte. Ein prinzipieller Neubeginn durch Wahlen für ein - preußisches und deutsches - Parlament wurde abgelehnt.

  • In den Augen der Bevölkerung Berlins wurden die Zugeständnisse des Königs dadurch entwertet, dass es keine Zusicherung über den Rückzug des Militärs aus Berlin gab, dessen Vorgehen große Empörung ausgelöst hatte. Bei einer Demonstration vor dem Berliner Schloss am 18. März (also an dem Tag, an dem die Zugeständnisse gemacht wurden) wurde der Abzug der Soldaten offen gefordert. Der König beantwortete dies mit dem Befehl, den Platz vor dem Schloss durch das Militär räumen zu lassen. Dabei fielen Schüsse, die Menge strebte auseinander und innerhalb von Stunden entstanden in Berlin Hunderte von Barrikaden. Barrikadenkämpfe folgten.

Die aus allen Bevölkerungsschichten zusammengesetzte revolutionäre Bewegung in Berlin hatte das gemeinsame Ziel, die Herrschaft des Militärs zu brechen. Dadurch sollte der Weg zur Liberalisierung des Staates freigemacht werden.

  • Am 19. März 1848 erfolgt die Proklamation des Königs "An meine lieben Berliner": Der Rückzug der Truppen aus der Hauptstadt wird zugesagt. Friedrich Wilhelm  IV. stellt sich an die Spitze der nationalen Reform (der Reform Deutschlands). In einem weiteren Aufruf ("An mein Volk und die deutsche Nation" vom 21. März) steht der Satz "Preußen geht fortan in Deutschland auf". Der König flieht nach Potsdam.

  Friedrich Wilhelm IV., (*1795, †1861), König von Preußen von 1840 bis 1861

Die preußische Revolution soll durch die deutsche Nationalstaatsbewegung überwunden werden. Doch Preußen blieb der Schauplatz einer eigenen Entwicklung.

  • Am 29. März 1848 wird eine Regierung mit liberalen Ministern (Camphausen, Hansemann) eingesetzt. Zeitgleich mit der deutschen Nationalversammlung (siehe unten!) tritt am 22. Mai eine nach nahezu allgemeinem und gleichem Wahlrecht aber in einem indirekten Wahlverfahren gewählte 'Preußische Nationalversammlung' zusammen.

  • Eine Aufgabe der 'Preußischen Nationalversammlung' bestand darin, eine Verfassung für Preußen zu verabschieden. Die Demokraten (ca.120 der insgesamt 402 Abgeordneten)  legten unter anderem einen Entwurf zu einer allgemeinen Gemeindeordnung vor, welche sowohl die bisherigen Unterschiede zwischen den Provinzen als auch die Unterschiede zwischen Stadt und Land aufgehoben hätte. Ständische Privilegien wären aufgehoben worden. Der Entwurf sollte eine konstitutionelle Monarchie auf breiter demokratischer Basis begründen. Der König sollte uneingeschränkt Inhaber der ausführenden Gewalt bleiben.

  • Der König stand den demokratischen Entwürfen der 'Preußischen Nationalversammlung' von vornherein ablehnend gegenüber. Zusammen mit seinen engsten konservativen Beratern, der 'Kamarilla' entwickelte er ein regelrechtes Kampfprogramm. Danach wären Gesetze zur Einschränkung von Versammlungs-, Vereinigungs- und Pressefreiheit erlassen worden. Stattdessen sollte eine Verfassung auf ständischer Grundlage vorgelegt und im Falle eines Widerstandes der Nationalversammlung oktroyiert werden.

  • Das Zusammentreten der 'Preußischen Nationalversammlung' ließ die Unruhen in Berlin nicht abflauen. Die katastrophale Wirtschaftslage führte zum Zusammenbruch zahlreicher Fabriken und Handelshäuser und damit zum weiteren Anstieg der Arbeitslosenzahl. Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und die Ausgabe von Brotmarken seitens der Stadtverwaltung zeigten kaum Erfolg. Aufgrund der sozialen Unzufriedenheit kam es immer wieder zu Massendemonstration und gewaltsamen Ausschreitungen.

  • Den Aufruhr vom 31. Oktober 1848 in Berlin nahm Friedrich Wilhelm IV. zum Vorwand, um die 'Preußische Nationalversammlung' am 9. November zu vertagen und für Anfang Dezember in die kleine Provinzstadt Brandenburg einzuberufen. Die protestierenden Abgeordneten mussten sich der angedrohten Gewalt beugen. Am 5. Dezember löste die neue Regierung (die liberalen Minister waren entlassen worden!) die Versammlung auf und verkündete gleichzeitig eine neue Verfassung.

Die oktroyierte Verfassung beschnitt nur wenige Grundrechte. Auch das allgemeine Wahlrecht wurde - zunächst - übernommen. Eine Bestimmung in der Verfassung erlaubte es der Regierung, Verordnungen mit Gesetzeskraft zu erlassen, wenn das Parlament nicht versammelt war. Im Mai 1849 wurde unter Berufung auf dieses Notverordnungsrecht das Dreiklassenwahlrecht eingeführt.


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Die Frankfurter Nationalversammlung


  • Die 'Frankfurter Nationalversammlung' war neben den Staaten des 'Deutschen Bundes' ein weiterer Schauplatz der Revolution.

  • Die Erfolge der Märzrevolution im Südwesten Deutschlands und im Rheinland führten dazu, dass vom 31. März bis 3. April 1848 in Frankfurt eine sehr ungleich zusammengesetzte, ihr Mandat nur aus der Revolution ableitende Versammlung, das Vorparlament, zusammentrat. Das Vorparlament beschließt die Einberufung einer von der ganzen Nation zu wählenden Versammlung, die kraft ihrer Wahl eine Reichsverfassung schaffen sollte.

  • Im Vorparlament kam es zu ersten Auseinandersetzungen zwischen den gemäßigten Liberalen und den Demokraten. Die radikalen Demokraten (Friedrich Hecker, Gustav von Struve) bestanden auf allgemeinen Wahlen und eine sofortige Ausrufung einer Republik. Die gemäßigte Mehrheit schreckte vor dem revolutionären Akt, sich als permanenten Aktionsausschuss zu konstituieren, zurück. Die Entscheidung für die Wahl der Nationalversammlung sollte nur im Einvernehmen mit dem Deutschen Bundestag gefasst werden.

  • Friedrich Hecker und Gustav Struve riefen am 12. April 1848 in Konstanz die Republik aus. Einen Tag später zogen sie los,  um mit gerade mal vier Dutzend schlecht bewaffneter Idealisten eine revolutionäre Armee zu bilden. Immerhin wuchs die Armee auf mehrere hundert Leute an. Doch am 20. April sahen sie sich bei Kandern der Übermacht von 2000 Mann der Bundestruppen gegenüber - eine ausweglose Situation. Die Truppe Friedrich Heckers erlitt eine vernichtende Niederlage. Hecker gelang es, in die Schweiz zu entkommen.

  • Am 1. Mai 1848 wurde die Frankfurter Nationalversammlung in allen Staaten des 'Deutschen Bundes' gewählt. Die Wahl der einzelnen Abgeordneten erfolgte nach den Grundsätzen der Persönlichkeitswahl. Unter den ca. 800  Abgeordneten befanden sich zahlreiche bekannte Persönlichkeiten (Arndt, Jahn, Dahlmann, Jakob Grimm, Ludwig Uhland, Ketteler, Döllinger und andere). Die Eröffnung der Nationalversammlung erfolgte am 18. Mai in der Paulskirche. Heinrich von Gagern, der hessische "Märzminister", wurde zum Präsidenten gewählt.

 
  • Das Wahlrecht zur Nationalversammlung war Sache der Einzelstaaten des Deutschen Bundes und wurde unterschiedlich gehandhabt. Während in Württemberg, Holstein, dem Kurfürstentum Hessen sowie den vier Freien Städten direkt gewählt wurde, wählten die meisten Staaten ein indirektes Procedere, bei dem die Wähler typischerweise Wahlmänner bestimmten, die in einem zweiten Wahlgang den eigentlichen Abgeordneten erwählten. Auch die Wahlberechtigung wurde unterschiedlich geregelt, da lediglich die allgemeine und gleiche Wahl der volljährigen selbständigen Männer vorgegeben wurde. Die Definition der Selbständigkeit wurde je nach Staat unterschiedlich gehandhabt und war oft Gegenstand heftiger Proteste. In der Regel bedeutete dies, dass Bezieher von Armenunterstützung ausgeschlossen waren, teilweise schloss die Definition aber auch alle Personen ohne eigenen Hausstand aus, darunter auch die beim Meister wohnenden Handwerksgesellen. Schätzungsweise hatten 85% der Männer das Wahlrecht. In Preußen wird die Quote aufgrund der Definition auf über 90% geschätzt, während die Wahlgesetze Sachsens, Badens und Hannovers erheblich restriktiver waren.

  • Da es noch keine Parteien gab, setzten sich die Abgeordneten im Parlamentssaal  je nach ihrer politischen Einstellung auf eine bestimmte Seite (wie in Frankreich üblich!). Ganz rechts - vom Präsidenten aus gesehen - saßen die ca. 40 Konservativen, die keine Veränderung der bestehenden Verfassung anstrebten (die Rechte). Ganz links hatten die ca. 50 radikalen Demokraten ihre Sitze, welche neben einem allgemeinen Wahlrecht für eine  Ausrufung einer einheitlichen deutschen Republik (Abschaffung der Monarchie, gegen föderalistische Bestrebungen) plädierten. Zur 'Linken' gehörten auch die 55 gemäßigten Demokraten (für allgemeines Wahlrecht auch unter der Staatsform der Monarchie).

  • Zwischen der rechten und linken Seite des Parlaments nahmen die 290 Liberalen Platz. Entsprechend ihrer politischen Einstellung zum Umfang und Ausgestaltung der Grundrechte, zum Wahlrecht (harte oder moderate Zensusbestimmungen) und zur Einrichtung eines Bundesstaates (Mitspracherecht der Einzelstaaten bei einer monarchischen Staatsgewalt in Deutschland) gab es innerhalb der Liberalen verschiedene Gruppierungen: die gemäßigten Liberalen (120 Sitze, möglichst viele monarchische und föderalistische Elemente in einer Reichsverfassung), das rechte Zentrum der Liberalen  (40 Sitze), die fortschrittlichen Liberalen (130 Sitze, den gemäßigten Demokraten nahe stehend.) - Daneben gab es eine große Zahl von Abgeordneten, die nicht bereit waren, sich einer Gruppierung anzuschließen und damit festzulegen.

  • Zwei Drittel der Abgeordneten gehörten dem akademischen Bürgertum an. Der Adel und das Besitzbürgertum stellte etwa 15 Prozent der Parlamentarier. Die Handwerker hatten nur wenige, die Arbeiter gar keinen Vertreter.

  • Die Regierungen der deutschen Staaten hatten ihre Zustimmung zur Wahl und Einrichtung der Frankfurter Nationalversammlung gegeben, als sie den revolutionären Ereignissen hilflos ausgesetzt waren. Mit der Festigung der Stellung der Monarchen zeigte sich, dass die Regierungen nicht mehr gewillt waren, mit dem Parlament zusammenzuarbeiten. Auch in allen Fragen der Schaffung einer gesamtdeutschen Zentralgewalt stieß die Nationalversammlung auf den Widerstand der Regierungen.

  • Das nationale Reich sollte ein nationaler Bundesstaat werden. Das Verhältnis des Vielvölkerstaates Österreich zu einem nationaldeutschen Reich war das entscheidende Problem. Lösungen wie die Verbindung eines engeren, nur 'Deutsch-Österreich' einbeziehenden und eines weiteren, alle habsburgischen Länder umfassenden Bundes hätten die Einheit der Monarchie zerstört. So schien im September 1848 als einzige realisierbare Möglichkeit für Österreicher wie Nationaldeutsche der Verzicht auf den Anschluss der Gesamtmonarchie und die Konstituierung eines „kleindeutschen“ Reiches zu sein.

  • Über die Beratung der Grundrechte zerrann die Zeit,  in der die Bildung einer nationalen Gesamtstaatsgewalt noch möglich gewesen wäre. Die provisorische Reichsgewalt mit dem Reichsverweser Erzherzog Johann von Österreich konnte ihren Anspruch auf eine nationalstaatliche Souveränität über die erstarkten Einzelstaaten nicht mehr durchsetzen.

  Erzherzog Johann von Österreich (*1782, †1859), von der Frankfurter Nationalversammlung zum Reichsverweser gewählt, Rücktritt Ende 1849
  • Ziel der auf das Besitz- und Bildungsbürgertum gestützten Liberalen in der Nationalversammlung war es nun, einer einzelstaatlichen Großmacht die dauerhafte Führungsrolle in einem nationalen Bundesstaat zu übergeben. Am 27./28. März 1849 einigten sich 'kleindeutsche Demokraten' und 'kleindeutsche Liberale' auf ein Erbkaisertum und darauf, dem preußischen König Friedrich Wilhelm IV. die deutsche Kaiserkrone anzubieten. Beide Gruppierungen hatten erhebliche Zugeständnisse gemacht: die Demokraten hatten für ein Erbkaisertum gestimmt, die Liberalen hatten ein allgemeines Wahlrecht hingenommen.

Friedrich Wilhelm IV.  lehnt die Kaiserkrone ab. Ihre Annahme hätte fast mit absoluter Sicherheit einen machtpolitischen Konflikt mit Österreich und  Russland bedeutet, die gerade gemeinsam die nationale Erhebung der Ungarn niedergeschlagen hatten. Außerdem hasste der preußische König die Revolution; er wollte diesen "imaginären Reif nicht", der "aus Dreck und Letten gebacken", an dem "der Ludergeruch der Revolution klebte", die von Volkssouveränität und Parlamentarismus sprach.

  • Die Ablehnung Friedrich Wilhelms IV. ist das Signal zum Austritt der meisten Abgeordneten  aus der Frankfurter Nationalversammlung und zur Erhebung der radikalen Demokraten.

Die radikalen Demokraten fanden zunächst im "Rumpfparlament" in Stuttgart ihren Stützpunkt und gingen nach dessen Auflösung  in Sachsen, in Baden und in der Pfalz zur offenen Revolution über. Preußische Truppen unter dem Prinzen Wilhelm unternahmen einen förmlichen Feldzug gegen die Heere der Revolution. Die Reste der Revolutionäre werden in Rastatt eingeschlossen, belagert und zur Aufgabe gezwungen wurden. Die Anführer, soweit sie in Gefangenschaft geraten, werden erschossen.

Viele der im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verankerten Grundrechte gehen auf die Revolution von 1848 zurück. Vielfach heißt es, die Revolution von 1848 sei gescheitert. Richtig ist, dass die damals beschlossene Verfassung nie in Kraft trat. Richtig ist auch, dass die Berliner Reichsverfassung von 1871 keinen Grundrechtskatalog enthielt. Doch schon die Weimarer Nationalversammlung von 1919 und noch stärker der Bonner Parlamentarische Rat von 1948/49 übernahmen viele Formulierungen von der Frankfurter Paulskirchenversammlung. Darf man etwas gescheitert nennen, was heute geltendes Recht ist? Muss man nicht von einem späten Triumph sprechen? Der heutige Rechtsstaat Deutschland hat alte Wurzeln in der eigenen Geschichte!


Allen Schülern und Studenten, die gerade eine Prüfung zu bestehen haben, wünschen wir viel Erfolg.  Wir drücken auch die Daumen für diejenigen, die eine Klausur schreiben müssen oder eine Hausarbeit bzw. Referat anzufertigen haben.

Literaturhinweise


Botzenhart, Manfred

1848/49: Europa im Umbruch, Uni-Taschenbücher, 2061. Paderborn, München, Wien 1998

Dipper, Christof / Speck, Ulrich (Hrsg.)

1848, Revolutionen in Deutschland. Frankfurt/M. 1998

Frei, Albrecht Georg

Wegbereiter der Demokratie. Die badische Revolution 1848/49, Karlsruhe 1997

Freitag, Sabine (Hrsg.)

Die 40er. Lebensbilder aus der deutschen Revolution 1848/49, München 1997

Heuss, Theodor

1848. Die gescheiterte Revolution. 1998

Jaworski, Rudolf / Luft, Robert (Hrsg.)

Revolutionen in Ostmitteleuropa, München 1996

Koch, Rainer

Deutsche Geschichte 1815-1848. Restauration oder Vormärz? Stuttgart 1985

Langewiesche, Dieter

Europa zwischen Restauration und Revolution 1815-1849 (Oldenbourg Grundriss der Geschichte, Bd. 13). München 1993

Mick, Günter

Die Paulskirche. Streiten für Einigkeit und Recht und Freiheit. Frankfurt/M. 1997

Sieburg, Friedrich Französische Geschichte. Frankfurt/M. 1966

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