Der Name "Grinario"

 

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Die Römer in Südwestdeutschland

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  • Eintrag des Ortes "Grinarione" (Grinario) auf der so genannten "Peutinger Tafel" (Tabula Peutingeriana), der mittelalterlichen Kopie (12. Jahrhundert) einer spätantiken Straßenkarte (4./5. Jahrhundert).

  • Für den Ortsnamen wird ein keltischer Ursprung vermutet. Auf der "Peutinger Tafel" liegt der Ort an der Fernstraße, die von "Augusta Rauracum" (Augusta Raurica / Basel-Augst) über "Aris Flavis" (Arae Flaviae / Rottweil) nach "Augusta Vindelicum" (Augsburg) bzw. nach "Regino" (Castra Regina / Regensburg) führt. Rund 48 km östlich des bei Samulocenis (Sumelocenna / Rottenburg) dargestellten Rasthauses ist durch einen Haken in der Straßenlinie eine Pferdewechselstation mit Namen "Grinarione" markiert. Mit der nächsten Station "Clarenna" ist wahrscheinlich der heutige Ort Donnstetten gemeint.

 

Ausschnitt aus der Peutingertafel

 

Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek

 
  • Die Tabula Peutingeria, eine Karte, die das gesamte Imperium Romanum darstellt, ist einzigartig. Dargestellt ist der "Orbis Terrarum" von den Pyrenäen - das 'westliche' Kartenende mit der Iberischen Halbinsel, einem großen Teil von Britannien und dem westlichen Nordafrika ist verloren - bis in den Fernen Osten (Indien) sowie von Britannien bis zu den nordafrikanischen Wüsten. Und dies alles auf heute elf rechteckigen Pergamentblättern, die ursprünglich an den Schmalseiten zusammengeklebt waren und somit eine Buchrolle von knapp 34 cm Höhe, aber sechs Meter Breite ergeben haben. Eine durchgängig maßstäbliche und richtungstreue Darstellung war in diesem Kartenformat nicht möglich. Manche Regionen sind weitgehend stimmig dargestellt - etwa Gallien -, andere, insbesondere solche, die eine starke Nord-Südausdehnung haben, jedoch nicht. So fließt zum Beispiel der Rhein am oberen Kartenrand von rechts nach links, Germanien ist auf einen dünnen Streifen verkürzt. Das Mittelmeer ist in der Nord-Süd-Ausdehnung auf ein schmales Rinnsal zusammengeschrumpft und Italien ist in Ost-West-Richtung 'umgeklappt'.

  Ihren Namen erhielt die Karte von einem ihrer ehemaligen Besitzer, dem Augsburger Stadtschreiber Konrad Peutinger (* 1465, † 1547), der um Jahr 1500 in seiner Heimatstadt nicht nur als leidenschaftlicher Altertumsforscher galt, sondern auch als ein eifriger Sammler wertvoller alter Urkunden bekannt war. Sein kostbarstes Stück war die aus dem Mittelalter stammende Kopie einer römischen Straßenkarte.
 
  • Bei dem obigen Kartenausschnitt wogt am oberen Bildrand das Meer, unten befinden sich die gezackten Gipfel der Alpen. Dazwischen fließt die Donau. Der Raum zwischen der Donau und der Ostseeküste ist von dem unbekannten Kartographen ebenso leer wie schmal wiedergegeben. Einige Siedlungen, die sich nördlich der Donau befinden, sind südlich davon eingezeichnet. So wäre zum Beispiel das bedeutende Römerkastell Sumelocenna (das heutige Rottenburg) und auch Grinario nördlich der Donau einzuzeichnen gewesen. Auch die Schreibweise der Orte differiert; sie sind jedoch eindeutig zuzuordnen.

 

Der Umstand, dass in der Peutingertafel zwischen 'Aris Flavis' und 'Samulocensis' ein Fluss eingetragen ist, der aufgrund seines weiteren Verlaufs nach Osten eindeutig die Donau oder einen ihrer Nebenflüsse bezeichnen muss, hatte jahrelang für heftige Diskussionen gesorgt. Dabei hatte bereits 1784 der bayerische Historiker Lorenz Westenrieder erkannt, dass die meisten der rechts der Donau eingetragenen Orte sich in Wirklichkeit links davon befinden müssten. In verschiedenen Schriften des 17. Jahrhunderts wurde die Station 'Grinario' im heutigen Bayerisch-Schwaben, zwischen Günz und Mindel beim Ort 'Knäringen' lokalisiert. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts vermutete der Professor für Geschichte Konrad Mannert die Lage dieser Station bei Sigmaringen. 1820 glaubte er, 'Grinario' mit dem Ort Mengen gleichsetzen zu können. Zuvor (1813) hatte der bayerische Staatsrat Wigand von Stichaner Grinario mit Rottenburg identifiziert. Andere Forscher (Reichard, Prugger) legten sich auf den Ort Grüningen fest. Eine neue Variante brachte 1835 Eduard Paulus (der Ältere) ins Spiel, der Sumelocenna in Rottenburg und Grinario im 22 römische Meilen entfernten Böblingen vermutete. Die Station Samulocensis (Sumelocenna / Rottenburg) zeichnet sich durch besondere optische Hervorhebung aus. Die Doppelturmvignette bedeutet wahrscheinlich eine Qualitätsangabe der dort vorhandenen Unterkunftsmöglichkeiten.

 

Einen detaillierten Bericht über die wechselhafte Forschungsgeschichte zur Lokalisierung des auf der Peutingertafel verzeichneten Ortes 'Grinarione' bietet der Köngener Archäologe Martin Luik in seinem Aufsatz 'Zur Deutung von Grinarione'  (Landesamt für Denkmalpflege: Landesarchäologie. Festschrift für Dieter Planck zum 65. Geburtstag. Herausgegeben von Jörg Biel, Jörg Heiligmann und Dirk Krause. Konrad Theiss Verlag. Stuttgart 2009), Seiten 291 - 302)

 
  • Die auf der Peutingertafel angegebenen Entfernungsangaben zwischen zwei Orten sind richtig zu interpretieren. Seit der Zeit des Septimius Severus (193-211 n. Chr.) wurden die Entfernungen in den gallischen und germanischen Provinzen in Leugen angegeben (1 Leuga = 2220 m ist ein keltisches Maß). In den anderen Provinzen, so auch in Rätien, wird in Milien gerechnet (1 Milia passuum = 1478 m ist ein römisches Maß). Die Zahlen von Vindinossa (Windisch) bis Grinario (Köngen) bezeichnen Leugen. Die Zahlen von Clarenna (Donnstetten) bis Reginum (Regensburg) geben milia passuum an. All dies zeigt, dass im Fall der Maßeinheit für Entfernungen der Zentralismus Roms offenbar begrenzt war. Offenbar konnten die Römer keltische Gewohnheiten - hier das Messen von Entfernungen in Leugen - nicht komplett beseitigen.

  • Noch im 19. Jahrhundert war der Verlauf der Römerstraße zwischen Sumelocenna (Rottenburg) und dem Ort Urspring (dem Anschlusspunkt an die Straße nach Augusta Vindelicum = Augsburg) völlig unbekannt. Die auf der Peutingertafel verzeichneten Orte Grinario und Clarenna konnten keiner bestehenden Gemeinde zugeordnet werden.

  • Auf dem Gebiet der heutigen Gemeinde Köngen hatte man bei Ausgrabungen in den Jahren 1783 und 1784 verschiedene Teile einer römischen Siedlung (Gebäude, Straßen) entdeckt. 1885 und 1886 erkannte man Fundamente und Straßenzüge als Überreste eines römischen Kastells. Eine Zuordnung von Siedlung und Kastell zu dem Ort Grinario auf der Peutingertafel  war jedoch zu diesem Zeitpunkt nicht möglich.

  • Der Meilenstein vom Kastell Grinario

 

  • Die Meilensteine waren ursprünglich zwei Meter hoch und informierten die Menschen über Entfernungen. Diese Meilensteine sind jedoch weniger serviceorientierte Informationsträger als vielmehr Mittel zur Selbstdarstellung der römischen Kaiser und gelegentlich auch der für die Bauausführung verantwortlichen Provinzstatthalter.

  • Ende Januar 1900 wurde direkt vor dem rechten Lagertor ("Rottenburger Tor", Porta principalis dextra) ein aus dem Jahr 129 n. Chr. stammender Meilenstein gefunden, der eine Entfernung von 29.000 Schritten (=29 römische Meilen,=42,68 km) bis nach Rottenburg angibt. Mit dieser sensationellen Entdeckung wurde das Grinario der Peutingertafel als  Köngener Kastell und Siedlung entschlüsselt.

 

  • Die Distanz zwischen Köngen und Rottenburg beträgt in der Luftlinie lediglich 38,2 km. Die Abweichung liegt darin, dass die Straße natürlich nicht geradlinig durch das Gelände geführt werden konnte. In der Peutingertafel findet sich zwischen den Stationen Samulocenis (=Rottenburg) und Grinarione (=Köngen) die Zahl XXII. Gleichgültig, ob damit Meilen (=33 km) oder, was wahrscheinlicher ist, Leugen (=44 km) gemeint sind, die auf dem Meilenstein und auf der Peutingertafel gemachten Angaben weichen voneinander ab. Wahrscheinlich liegt nur ein Fehler des Kopisten der Handschrift vor.

 

  • Wie üblich ist der Kaiser genannt, unter dem der Meilenstein aufgestellt wurde. Es handelt sich um Kaiser Hadrian (117 - 138 n. Chr.). Anhand der Kaisertitulatur kann das Jahr 129 n. Chr. als Zeitpunkt für die Errichtung festgelegt werden. In der vorletzten und letzten Zeile wird die Entfernung zur nächst größeren Stadt angegeben.

 

 

Die lateinische Inschrift des Meilensteins ins Deutsche übertragen lautet:

"Der Imperator Caesar, des verewigten Traianus, des Parthersiegers, Sohn, des verewigten Nerva Enkel, Traianus Hadrianus Augustus, Oberpriester, im 13. Jahr seiner tribunizischen Gewalt, Konsul zum dritten Mal, Vater des Vaterlandes. Von Sumelocenna 29000 Schritte."

 

  • Mit dem Fund des Meilensteins in Köngen konnte auch der Streit der Wissenschaftler über die Identifikation des ebenfalls auf der Peutingertafel verzeichneten Ortes Clarenna beendet werden. Einige Fachleute hatten es mit dem Cannstatter Kastell gleichgesetzt. Nach der römischen Straßenkarte musste nun Clarenna zwischen Köngen und Urspring zu finden sein - hier kommt nur das Kastell bei Donnstetten in Frage.

  • Später aufgefundene Inschriftensteine (Fundstelle Rottenburger Straße beim Jupiterheiligtum) belegen, dass das heutige Köngen auf dem Boden des früheren Grinario entstanden ist.

 

  • Bauinschrift aus der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts n. Chr.: "Zur Ehre des Kaiserhauses haben dem besten und größten Jupiter der rechten Straße die Anlieger der Rottenburger Straße des Dorfes Grinario die Umfassungsmauer des Heiligtums von ihrem Geld errichtet."

    Bauinschrift 

 

  • Weihestein (errichtet 150 - 230 n. Chr.): "Zur Ehre des Kaiserhauses hat einen Genius und einen Altar für die Dorfbewohner der Rottenburger Straße von Grinario Attius Attianus (?). aufgestellt."


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Stand: 07.03.2023                                                  Copyright © 2013 Geschichts- und Kulturverein Köngen e.V.                                                  Autor: Dieter Griesshaber

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