Römische Philosophie

 

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Die Römer in Südwestdeutschland

Der Untergang der römischen Republik und die Regierungszeit des Kaisers Augustus (44 v.Chr. - 14 n. Chr.)

Römische Geschichte zur Zeit der Kaiser Domitian, Nerva und Trajan (81 - 117 n. Chr.)

Römische Geschichte zur Zeit der Kaiser Hadrian und Antoninus Pius (117 - 161 n.Chr.)

Römische Geschichte zur Zeit der Kaiser Marc Aurel und Commudus (161-192 n.Chr.)

Der Aufbau des römischen Staats

Das Heer während der römischen Kaiserzeit

Römische Religion und Philosophie

Römische Literatur

Entstehung und Ausbreitung des Christentums

Entwicklung des Christentums von Kaiser Konstantin I. bis zum Untergang des weströmischen Reiches (306 - 476)

Römische Medizin

Münzsystem und Fernhandel im Römischen Reich

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Das Geheimnis um den Ort Grinario

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Die Menschen im Dorf Grinario

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  Religion und Kult


  • Religiosität und Götterauffassung der Römer

  • Für die Römer sind die Götter immer gegenwärtig. Alle Bereiche des menschlichen Lebens stehen unter ihrer Macht: Geburt und Tod, Aussaat und Ernte, Krieg und Frieden, Rechtsprechung und Politik. Gegenüber den Göttern hatten die Römer das Gefühl der eigenen Unterlegenheit.

Das Verhältnis von Gott zu den Menschen entspricht prinzipiell den Beziehungen zwischen dem Familienoberhaupt und den Familienmitgliedern (bzw. den Beziehungen zwischen dem Schutzherrn und den Schutzbefohlenen).

  • Das Wesentliche an der römischen Göttervorstellung ist der im Einzelfall erlebte Eingriff der Götter in die Welt der Menschen.

  • In der Religion galt fast nur die praktische Erfahrung. Das Göttliche erfuhr man nur in einzelnen Handlungen - Schickung von Sieg, Niederlage, guter Ernte, Krankheit für Mensch und Vieh - sowie in auf diese hinweisenden Vorzeichen: Träume, Blitz, Vogelflug, Missgeburten bei Tieren. Solche Kräfte wurden zum Teil zu göttlichen Gestalten konkretisiert. Die Neigung der Römer, Einzelfälle in ihrer Besonderheit zu belassen, d.h. nicht in größere Zusammenhänge einzuordnen, führte zu zahllosen "Spezialgöttern", von denen jeder nur für ganz bestimmte Akte des Einwirkens zuständig war.

Besonders in der Landwirtschaft, dem wichtigsten Wirtschaftsfaktor der antiken Welt, waren die Spezialgötter am Werk. So sorgte zum Beispiel der Gott Nodutus (lat. nodus = der Knoten) dafür, dass die Wachstumsknoten beim Getreide entstanden.

  • Die Römer hielten ein Einwirken der Götter auf eine Schlacht für selbstverständlich. Kein Krieg wurde geführt ohne den vorhergegangen Versuch, die zahlreichen eigenen Götter und vor allem die des Feindes durch Opfer und Versprechen ("Vota") gnädig zu stimmen. Auch Kaiser Konstantins Annahme des christlichen Kreuzes als Feldzeichen an der Milvischen Brücke (312) wurzelte in der Vorstellung göttlicher Mitkämpfer.

Nach römischem Verständnis war das Opfer ein Dienst (officium), den die Götter mit Wohltaten (beneficia) vergalten. Nach Schicksalsschlägen wähnten die Römer das Verhältnis zu den Göttern gestört und intensivierten ihre Bemühungen, sie durch Opfer gnädig zu stimmen.

  • Die stete Sorge um "gute Beziehungen" zur Götterwelt führte zu ununterbrochener Neuaufnahme von Göttern, auch aus den eroberten Gebieten. Man befürchtete ständig, eine mächtige göttliche Kraft in dem schwer fassbaren Bereich des Göttlichen übergangen zu haben.

  • Da man sich das gute Verhältnis zu den Göttern keinesfalls verderben wollte, achtete man mit großer Sorgfalt auf die Einhaltung des kultischen Zeremoniells. Wie bei einem juristischen Vertrag Genauigkeit und die Erfüllung auch der kleinsten Vorschriften wichtig sind, durfte es gegenüber den Göttern keine Nachlässigkeit geben. Das Wort 'Religion' (religio) bedeutet die genaue Einhaltung der religiösen Vorschriften, die "aufgezählt" (relegere) werden, um nichts zu vergessen. Ebenso sorgfältig wurden die Zeichen (signa) beachtet, mit denen die Götter ihren Willen (fatum) mitteilen.

Werden alle Vorschriften eingehalten, erkennen die Götter aus "pietas" ihre Verpflichtung den Menschen gegenüber an und halten ihr Wort (fides). - Der römische Rechtsgrundsatz "do ut des" (ich gebe, damit du gibst) ist hier zu erkennen.

  • Für die Römer war der Verlauf ihrer Geschichte der Vollzug des 'fatum' (Götterspruchs), also dessen, was die Götter sagten und wollten. Anstelle der in den Göttermythen anderer Völker geschilderten Taten, deren Nachahmung "richtiges" Handeln verbürgten, trat bei den Römern die konkrete Erfahrung ihrer Vergangenheit (res gestae maiorum = Taten der Vorfahren).

  • Die Götter wachen über die Einhaltung der Normen, die zwischenmenschliche Beziehungen regeln; ihre Verletzung ist daher ein religiöser Frevel. Die Religion der Römer stellt jedoch keine ethischen Forderungen: So wachen die Götter darüber, dass Gerechtigkeit herrscht. Was aber Gerechtigkeit im Einzelfall ist, wird dem Senat (durch Verabschiedung eines Gesetzes) oder den Richtern (durch ein Urteil) überlassen.

Die römische Religion kennt keine echte Beziehung zwischen Religion und Moral. Es gibt von Seiten der Götter keinen Druck, keinen messianischen Auftrag. Allerdings wird von den Göttern auch kein Trost vermittelt. Da die Götter 'menschlich konstruiert', können sie zum Teil auch menschliche Schwächen haben.

  • Die geschichtliche Entwicklung der römischen Religion

  • Die römische Religion war einem steten Wandel unterworfen, unter anderem dadurch, dass ihr die Festlegung durch ein "Heiliges Buch" fehlte. Die Scheu der Römer, mit der Tradition zu brechen, bewirkte, dass die primitiv bäuerlichen Kulte der Frühzeit nicht durch die unter griechischem und orientalischem Einfluss entstandenen Kultformen abgelöst wurden, sondern bis in die Spätantike hinein nebeneinander existierten.

  • Die Römer der Frühzeit erkennen in dem für sie unverständlichen Wirken der Natur göttliche Kräfte. Unter etruskischem Einfluss  werden diese Kräfte einer bestimmten Arbeit oder einem Naturvorgang zugeordnet und erhalten Namen. Es entstehen fest umrissene Gottheiten mit eigenem Aufgabenbereich. Der alte Donnergott Jupiter wird zum Beschützer Roms.

  • Unter griechischem Einfluss werden weitere Götter in Rom eingeführt, so der griechische Hermes als Mercurius. In die Zeit der frühen Republik fällt die Gleichsetzung römischer und griechischer Götter, wobei gleiche Aufgaben zweier Götter den gemeinsamen Bezugspunkt bildeten. Auch orientalische Gottheiten dringen in Rom ein, teils auf Veranlassung der Behörden (Magna Mater), teils gegen ihren Widerstand (Bacchuskult).

Die breite Masse entschied sich zunehmend für die orientalischen Kulte, weil diese ihrem Lebensgefühl entgegenkamen, das sowohl zur hemmungslosen Diesseitigkeit als auch zur ekstatischen Weltflucht neigte. 186 v. Chr. wurden die Bacchanalien - ausschweifende Feiern eines Dionysosgeheimkultes - verboten.

  • In der Zeit der späten Republik kommt es unter dem wachsenden Einfluss der griechischen Philosophie zu einer regelrechten Krise der alten Religion. Während bei großen Teilen der ländlichen Bevölkerung der alte Glaube nach wie vor lebendig war, griffen in der Führungsschicht, bei den Gebildeten, aber auch schon im römischen Bürgertum philosophische Skepsis, Rationalismus, vor allem jedoch der Glaube an die Astrologie immer weiter um sich.

  • Die sozialen Unruhen und die Machtkämpfe während der Zeit 133 bis 30 v. Chr. führten zur Neubelebung der verschütteten religiösen Gefühle. Weit verbreitet war die Ansicht, dass alle momentanen Leiden und Nöte eine Strafe der Götter seien.

  • Kaiser Augustus versuchte, die alte Religion wieder zu beleben. Mit einem Staatskult sollte die Staatsgesinnung gewahrt und verbessert werden. Außerdem sollte die Neubelebung der alten Religion im Interesse der "sittlichen Erziehung" (Cicero) erfolgen. Augustus ließ verfallene Tempel wieder herstellen, halb vergessene Riten und Feste wieder erwecken, vakante Priesterstellen neu besetzen und eine Säkularfeier abhalten. In den Gremien der Priesterschaften wirkte er selbst aktiv mit.

 

Augustus (lat. = der Erhabene), Ehrenname des Gaius Octavianus (Octavian), römischer Kaiser von 27 v. Chr. bis 14 n. Chr., * 23.9.63 v. Chr. in Velitrae, † 19.8. 14 n. Chr. in Nola.

Bildquelle: Nationalmuseum Syrakus

  • Große Bedeutung gewann die 'ara pacis Augustae', der Friedensaltar des Augustus. Er wurde am 30. Januar 9 v. Chr. eingeweiht. Den Altar umgibt eine Außenmauer, deren Schmalseiten vier allegorische Reliefs, Symbole der als goldenes Zeitalter verstandenen Ära des Augustus, während auf den Längsseiten die Prozession abgebildet ist, die zur Grundsteinlegung stattfand. Sie zeigt die ganze Familie um Augustus und seiner Ehefrau Livia und symbolisiert so einträchtige Harmonie. Der Kaiser ist als oberster Staatspriester (Pontifex maximus) dargestellt. Ein anderer Altar, die 'ara numinis Augusti', gewidmet der göttlichen Kraft des Kaisers' wurde im Jahr 6 n. Chr. eingeweiht.

  • Es stellte sich bald als Illusion heraus, den Glauben an die alten römischen Götter wiederherstellen zu können. Die Religion stand weitgehend im Dienst der Politik und sprach die Frömmigkeit der Menschen kaum an, die sich immer mehr von Mysterienreligionen (Mithras, Serapis) angezogen fühlten. Die Diskrepanz zwischen dem kontinuierlichen Fortbestehen der alten Formen und dem Schwinden der alten römischen Überzeugungen in weiten Schichten der Bevölkerung ist eine Grundlinie der Entwicklung, welche die gesamte Epoche des Prinzipats durchzieht.

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  • Der Staatskult augusteischer Prägung hielt sich bis zum Ende des zweiten Jahrhunderts nach Chr.. Erst in den Wirren des dritten Jahrhunderts ging er restlos zugrunde. Die individuellen religiösen Bedürfnisse hatte er niemals befriedigt. Das Denken der Menschen begann sich mehr und mehr auf das eigene Ich und seine Not zu konzentrieren. Philosophie, Mysterienreligionen, Astrologie und die dazwischen liegenden Übergangsformen versprachen nun sowohl Erlösung von Bedrängnis als auch Befreiung von der Allmacht des Schicksals.

  • Die göttliche Verehrung der Kaiser wurde in der Stadt Rom mit Skepsis aufgenommen. Die Gottwerdung eines lebenden Menschen war mit den römischen Vorstellungen nicht vereinbar. Daher galten im konservativen Staatskult der Hauptstadt bis zum 2. Jahrhundert n. Chr. nur tote Kaiser als Götter. Allerdings setzte sich der Kult des lebenden Kaisers in denjenigen Provinzen durch, die an ein orientalisches Königtum (fortgesetzt von den hellenistischen Herrschern) gewöhnt waren.

  • Christliche Gemeinden entstanden im ersten Jahrhundert ausschließlich in den untersten Volksschichten größerer Städte. Nach geringfügiger Zunahme im zweiten Jahrhundert wurde das Christentum im 3. Jahrhundert zu einer mit dem Mithraskult und dem Neuplatonismus rivalisierenden Macht mit Anhängern auch in den höchsten Kreisen, um dann im 4. Jahrhundert endgültig den Sieg davonzutragen.

Der entscheidende Grund für den Sieg des Christentums liegt darin, dass jedem, dem Niedrigsten wie dem Höchsten, dem Frommen wie auch dem armen Sünder, die Glaubensgewissheit gegeben wurde, er persönlich sei ein Kind Gottes und werde von ihm geliebt. Vom Glauben an die Liebe Gottes beflügelt, empfanden die Menschen ein völlig neues Selbstbewusstsein und ein Gefühl der Freiheit trotz irdischer Unzulänglichkeiten. Da jeder Mensch als Kind Gottes galt, wurde das Verhältnis zu den Mitmenschen auf eine völlig neue Grundlage gestellt. Ein weiterer Grund für die Ausbreitung des christlichen Glaubens war, dass mit ihm allen Bedürfnissen privater Religiosität Rechnung getragen und sowohl der Gebildete als auch der weniger Gebildete angesprochen wurde.   -  Auf der anderen Seite war die christliche Kirche mit ihrer Organisationsstruktur für den Staatskult in einem  weltweiten Imperium wie geschaffen.

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Die Philosophie der Römer


  • Geschichtliche Entwicklung

  • Seit dem Beginn des zweiten Jahrhunderts nahm in Rom die Bedeutung des Staatskults ständig ab. Nur in den ländlichen Gebieten und in den Provinzen, in denen Kolonisten aus Italien wohnten, blieb er lebendig.

In Rom passte die bäuerliche Religion nicht mehr zu den neuen großstädtischen Lebensbedingungen. Durch Zuwanderungen aus dem Orient änderte sich auch die Zusammensetzung der Bevölkerung. In der römischen Oberschicht führte die Berührung mit der hellenistischen Welt zu radikalem Rationalismus. Alles, was mit dem Verstand nicht fassbar war, lief Gefahr, angezweifelt zu werden.

  • Anfangs sollte die griechische Philosophie dazu benutzt werden, die Lebenshaltung der aristokratischen Oberschicht zu rechtfertigen. Im Verlauf des fortschreitenden Verfalls der alten Lebensordnungen empfand man die Philosophie als festen Rückhalt in kritischen Lebenslagen. Dazu gehörten Cicero (106-43 v. Chr.) und Lukrez (um 95-55 v.Chr.). Die politischen und philosophischen Arbeiten Ciceros 'De res publica', 'De officiis', 'De legibus'  u.a.) stellen den Versuch dar, wesentliche Elemente der griechischen Philosophie in Rom heimisch zu machen und die Ideologie der römischen Führungsschicht zu erneuern.

  • Cicero suchte zeitlebens von den griechischen Philosophen zu lernen. Vor allem Sokrates und Platon waren seine Vorbilder. In Sokrates sah er den Vater der Philosophie, weil er, den Menschen ins Zentrum des Menschen stellend, die Ethik begründet habe. Platon folgte er vor allem in dessen Ideal, als Philosoph politisch tätig zu sein und sich der Redekunst (eloquentia) im Interesse der Weisheit (sapienta) zu bedienen. Cicero folgt der Ansicht Platons: Will man in einem Staat leben, in dem es keine Despoten gibt, sollte man denjenigen die Macht überantworten, die sie nicht wollen und über die Verlockungen der materiellen Welt erhaben sind - den Philosophen.

  • Die lateinische Sprache war von Hause aus nicht besonders dafür geeignet, um die philosophischen Gedanken der Griechen auszudrücken. Neue lateinische Begriffe mussten erdacht und definiert werden. Die bahnbrechenden und grundlegenden Schritte dieser sprachschöpferischen Leistung hat Cicero getan. Er hat damit erst die Nachwirkung des griechischen Geistes möglich gemacht, aus der die europäische Kultur entstanden ist.

  M. Tullius Cicero (* 106 v. Chr.,  † 43 v. Chr.)
  • Aus der Kopie und Übertragung der griechischen Philosophie erwuchsen die geistige Auseinandersetzung, das Bewusstsein eigener Art und eigener Werte, die Profilierung und Artikulation des spezifisch Römischen. So stellte sich für die Römer jetzt die Frage nach der Bedeutung der einzelnen Person (individuum) und nach deren Einordnung in Staat und Gesellschaft (commune).  Die römische Philosophie sah es als ihre Aufgabe an, dem Menschen hilfreich zur Seite zu stehen. Der Schwerpunkt der Philosophie verlagerte sich damit von der Spekulation über die Natur und deren Hintergründe auf die Ethik: Auf die Lehre vom praktischen Handeln und den dafür gültigen Begründungen. Die Philosophie vollzog durch Rom eine "ungriechische" Hinwendung zum einzelnen Menschen und wird zu einer Form von Seelsorge.

  • Der Staat ist für Cicero Sache des Volkes. In seinem Werk 'De res publica' definiert er das Volk als einen Zusammenschluss von Menschen, die durch eine gemeinsame Rechtsauffassung und die Sorge um das Staatswohl miteinander verbunden sind. 

  • In der Schrift 'De officiis' handelt Cicero das Sittliche (honestum) und das Nützliche (utile) ab. Auch mögliche Konflikte für den handelnden Menschen werden aufgezeigt.

  • Vorwiegend für Gebildete war die Philosophie Religionsersatz. In der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhundert v. Chr. (150-100 v. Chr.)  fand die Philosophenschule der Stoa große Beachtung.  Die Lehre Epikurs hatte nur in den Wirren der ausgehenden Republik viele Anhänger, als sein Grundsatz, das öffentliche Leben zu meiden, aktuell war. Zu Beginn des ersten Jahrhunderts v. Chr. bildete sich die Richtung der Neupythagoreer. Sie war mehr eine Sekte als eine Philosophenschule. Der Einfluss ihrer Zahlenmystik und Theologie (unter anderem Seelenwanderung, Unterweltsgericht) auf die augusteische Religiosität und Dichtung (besonders auf Ovid), ja auf die gesamte Spätantike einschließlich Christentum, war sehr groß.

  • Die philosophische Schule der Stoa

  • Im Jahre 301 oder 301 v. Chr. eröffneten Zenon und Kleanthes in Athen die 'Schule der Stoa'. Schullokal war eine 'bunte Säulenhalle' (griechisch: poikile stoá) - daher die Bezeichnung 'Stoa'). In ihren Schriften legen Zenon und Kleanthes bekenntnishaft dar, wie ihnen das stoische Denken in der politisch bedingten Unsicherheit ihrer Existenz Halt und Hilfe bietet. Der Ausbau zu einem geschlossenen philosophischen System erfolgte durch Chrysip (281-208 v. Chr.). Panaitios (180 - 110 v. Chr.) vermittelte die stoische Philosophie erstmals einem breiten für die griechische Bildung aufgeschlossenen römischen Leserkreis. Er und sein Schüler Poseidonios von Rhodos (131 - 51 v. Chr.) gelten als Hauptvertreter der 'mittleren Stoa'. Cicero hat eine Zeitlang auf der Insel Rhodos studiert und dort auch die Vorlesungen des Poseidonios gehört.

      Zenon von Kittion (* um 336, † 264 v. Chr.), Begründer der Stoa
  • In der Physik (=Naturphilosophie) denken die Stoiker materialistisch. In der Natur herrscht eine strenge Gesetzmäßigkeit, die sie 'Logos' - also Vernunft - oder 'Gott' nennen. Da Gott in allem ist, geschieht alles sinnvoll, ist unabänderliches Schicksal, eine Folge göttlicher Vorsehung. Die Betrachtung der wohlgeordneten Welt sollte den Menschen erbauen und außerdem mahnen, in Übereinstimmung mit der Harmonie der Natur zu gelangen.

  • Da der Mensch mit seiner Vernunft Teil des 'Logos' der gesamten Natur ist, kann er die göttliche Gesetzmäßigkeit erkennen und sein Leben danach ausrichten. Naturgemäßes Leben ist gleichzeitig vernunftgemäßes Leben und  bedeutet Glückseligkeit. In der Frage, auf welche Weise Erkenntnis gewonnen wird, sind die Römer Empiriker. Der menschliche Geist ist bei der Geburt "eine unbeschriebene Tafel" (tabula rasa). Die stoische Dialektik erörtert, wie man zu wahren Erkenntnissen kommen kann und wie man diese als solche beweist und von falschen unterscheidet.

  • Der Schwerpunkt der Stoa liegt in der Ethik. Die Tugend ist der oberste Wert. Alles andere ist unwichtig!

  • Die Tugend wird bei den Stoikern zu einer inneren Qualität des Menschen. Der Stoiker hat grundsätzlich niemanden nötig, der ihm seine Rechtschaffenheit bestätigt. Ihm genügt, dass er vor sich bestehen kann. Es kommt ihm allein auf die Selbstachtung an. Das innere Bewusstsein für Gut und Böse, das Gewissen, macht den Stoiker von Lob und Tadel der anderen Menschen unabhängig. Wer so lebt, dass er vor seinem Gewissen bestehen kann, hat seinem Leben eine moralische Richtschnur gegeben.

  • Die Ethik bildet sich aus der Erkenntnis eines einzelnen Menschen oder einer Gesellschaft, dass bestimmte Verhaltensweisen nützlich und gut, andere aber schädlich und schlecht sind. Die Tugend bestimmt das richtige Handeln im ethischen Sinn. Jede Tugend ist eine "Disposition", die den Menschen befähigt, seine Handlungen sittlichen Motiven unterzuordnen.

  • Über die Jahrhunderte hinweg hat sich gewandelt, was unter den jeweiligen Tugenden zu verstehen ist. Zu den vier Kardinaltugenden von Platon - Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit, Besonnenheit - fügten Papst Gregor der Große und Thomas von Aquin für das Christentum die theologischen Tugenden - Glaube, Hoffnung und Liebe - hinzu. Die Tugenden veranlassen, dass die richtige Entscheidung getroffen wird.  Sie sind jedoch nicht angeboren, sondern müssen durch Lernen, Erfahrung und Wissen, also durch die Vernunft erworben werden.

  Thomas von Aquin (* 1225, † 1274)
  • Tugend ist nur dann möglich, wenn man die Gesetzlichkeit der Natur und die Stellung des Menschen darin erkennt. Der Mensch handelt nur dann naturgemäß, wenn er seiner in ihm angelegten Vernunft (als Teil des Weltlogos) gehorcht. Richtige Erkenntnis kann nur dann gewonnen werden, wenn die Leidenschaften (Affekte) ausgeschaltet werden. Sie behindern den Menschen in seinem vernunftgemäßen Handeln und lassen Minderwertiges als wertvoll und Wertvolles als minderwertig erscheinen. Sind sie überwunden, ist der Mensch im Zustand der 'apatheia', der Leidenschaftslosigkeit. Das ermöglicht es ihm, 'weise' zu sein: Er sieht das Notwendige ein und führt es auch durch, er steht über allem und ist souverän.

Leidenschaften sind alle Empfindungen, bei denen Lust oder Schmerz gefühlt werden, also: Begierde, Zorn, Angst, Neid, Freude, Liebe, Hass oder Missgunst. Die Vernunft des Menschen erlaubt es, diese 'Leidenschaften' als Zorn, Schmerz oder Mitleid zu empfinden. Für den Stoiker ist die Rechtschaffenheit dadurch definiert, dass sie in der völligen Unabhängigkeit von Leidenschaften besteht. 'Leidenschaftslos' ist derjenige, der sich völlig davon freigemacht hat, sich von Angst, Lust und Mut zu irgend etwas motivieren zu lassen. Für die Stoiker ist dies der Mensch, der wahrhaft zu sich selbst gefunden hat. Sie nennen ihn den 'Weisen'. Schicksalsschläge besteht der 'Weise' aufgrund seiner Leidenschaftslosigkeit in ungebrochen aufrechter Haltung.

  • Höchstes Ideal der Stoa ist es, ein 'Weiser' (sapiens) zu sein. Der 'Weise' lebt in völliger "stoischer" Leidenschaftslosigkeit: er ist im Besitz der Tugend (des virtus) und dadurch des Glücks. Für ihn zählt nur das moralisch Gute oder Schlechte. Der 'Weise' entscheidet sich nur dann für das 'Vorteilhafte' (zum Beispiel Gesundheit, Besitz, Ehre), wenn es mit seiner Tugend (z.B. den Sinn für Gerechtigkeit) vereinbar ist. Das Glück, das er empfindet, wird auch nicht durch 'Unvorteilhaftes' (zum Beispiel Schmerz, Krankheit und Armut) beeinträchtigt. Allein auf der Bewahrung der Tugend beruht das Glück. Mit anderen Worten: Was der gewöhnliche Mensch als minderwertig oder schlecht betrachtet (Alter, Krankheit, Tod etc.) oder als kostbar ansieht (Leben, Ehre, Besitz etc.), das ist für den Stoiker weder gut noch schlecht. Es ist 'gleich-gültig'.

  • Die Identität, die innere Übereinstimmung mit sich selbst, ist nur ein Ideal. Die völlige innere Unabhängigkeit von den Leidenschaften ist nur ein Ziel, dem man sich in stetigem Streben annähern kann. Es ist fast unmöglich, in bestimmten Lebenssituationen nicht von Angst, Enttäuschung oder Schwermut überwältigt zu werden. Beinahe ebenso schwer ist es, sich nicht von Lust, Besitzgier etc. hinreißen zu lassen.

  • Der Stoiker braucht keinesfalls asketisch zu leben, sondern nur so, dass er zu allem Besitz den inneren Abstand der 'Leidenschaftslosigkeit' einhält.

  • Der Begriff der 'Pflicht' geht auf die stoische Philosophie zurück: Die Pflicht ist das, was zu tun ist, um im Einklang mit sich selbst zu handeln. Um der Pflicht nicht auszuweichen, bedarf es einer besonderen inneren Anspannung. Diese Anspannung bezeichnen wir seit den Stoikern als den 'Willen'.

  • Das Glück des 'Weisen' wird - im Idealfall - auch dann nicht beeinträchtigt, wenn er im Gefängnis verhungert oder grausam gefoltert wird. In den Wechselfällen des Lebens ist er innerlich frei. Brutus und Cato Uticensis, die schärfsten Gegner Cäsars,  bezogen angesichts der  - ihrer Meinung nach - herrschenden  'Willkür eines Tyrannen'   aus der stoischen Philosophie das Gefühl innerer Freiheit.

  • Im Zuge der römischen Ausprägung der Stoa wird das 'Ideal des Weisen' mit dem großen Ganzen in Zusammenhang gebracht, in dem das Individuum nur ein Teil ist und dem gegenüber es Pflichten zu erfüllen hat. Bestimmte Gegebenheit werden aus dem Bereich des 'Gleich-Gültigen', des weder gut noch Schlechten, herausgenommen und erhalten einen Stellenwert: Ehe, Familie, Staat.

  • Der starke Einfluss der Stoa auf die führenden Schichten Roms beruhte auf deren Anerkennung politischer Tätigkeit, vor allem aber auf der Möglichkeit, römisches Sendungsbewusstsein und römische Weltherrschaft stoisch zu interpretieren (Rom vertritt den 'Logos', die Weltvernunft, indem es überall für Friede, Ordnung und Gesetzmäßigkeit sorgt!).

  • In der stoischen Lehre von der Pflichterfüllung fanden die Römer eine Begründung für ihre eigenen Vorstellungen. Viele römische Schriftsteller erzählen vom Heldentum der Vorfahren, die im Staatsdienst oder beim Militär ihre Pflicht taten, ohne sich in Grenzsituationen durch Todesfurcht oder Zuneigung zu ihrer Familie davon abbringen zu lassen. Das stoische Ideal von der Leidenschaftslosigkeit fand daher bei den Römern großen Anklang.

  • Die Lehre der Stoa hatte starke Nachwirkungen im Christentum. Den für die christliche Ethik zentralen Begriff "Gewissen" hat Paulus der Stoa entlehnt. Die Freiheit, dem eigenen Gewissen zu folgen, ist Teil des stoischen Systems. Unsere heutigen Vorstellungen vom Naturrecht, von der Naturreligion und von der Menschenwürde (der Mensch als Vernunftwesen!) basieren ebenfalls auf der Stoa. Die mittelalterliche Ethik mit ihrer Berufung auf das natürliche Sittengesetz hat den Inhalt der Stoa übernommen. Den 'Pantheismus' (Gott ist in allen Dingen!) finden wir wieder bei Spinoza und Goethe.

  • Die wichtigsten Vertreter der Stoa waren während der Kaiserzeit die Römer Seneca (4 v. Chr.- 65 n. Chr.), Epiktet (60-140 n. Chr.) und Kaiser Marc Aurel (reg. 161-180 n.Chr.)

  • Mit seinen belehrenden Dialogen und Briefen war Seneca in erster Linie ein wichtiger römischer Vermittler der Philosophie der Stoa. Im Mittelpunkt seiner philosophischen Schriften standen die Fragen der Ethik. Mit großem Pathos und rhetorisch sorgfältiger Stilisierung versuchte er zur inneren Unabhängigkeit des Individuums hinzuführen, nicht zuletzt die Bedeutung des Todes für die menschliche Existenz zu relativieren. Die humane Grundhaltung, die Seneca in Rom verbreitete, führte letztendlich zur vollen Anerkennung der Sklaven als Menschen.

 
  • Im Jahr 41 n. Chr. musste Seneca auf Anordnung des Kaisers Claudius in die Verbannung nach Korsika gehen. Er war einer Intrige zum Opfer gefallen, bei der Messalina, die dritte Frau des Claudius, die Fäden gezogen hatte. Um sein eigenes Schicksal in der Isolation auf der Mittelmeerinsel besser bewältigen zu können, schreibt er seine Gedanken nieder. In einer Schrift heißt es: "Die Ortsveränderung ist an sich nichts Schreckliches" ... Wie wenig ist doch, was der Mensch zum Leben braucht. Was mich betrifft, so habe ich nur Geschäfte, nicht Schätze verloren. Der Körper braucht nicht viel. Er will die Kälte abgewehrt wissen und Hunger und Durst durch Nahrungsmittel stillen. Was darüber geht, das ist Luxus, nicht Notwendigkeit."

  Seneca (* um Christi Geburt, † 65 n. Chr.)
 
  • Auf Initiative von Agrippina, der vierten Gemahlin von Kaiser Claudius, erhielt Seneca im Jahr 49 den Rückruf nach Rom. Agrippina übertrug ihm die Erziehung und Ausbildung ihres Sohnes Nero, den sie mit in die Ehe gebracht hatte. Seneca wollte aus dem jungen Nero eine gebildete, charakterlich integre Persönlichkeit formen. Nach dem Tod des Claudius am 13.10.54 wurde Seneca zum einflussreichen Berater des neuen Kaisers. Für kurze Zeit gelang es ihm, Nero sein philosophisches Programm der Milde (clementia) als primärer Herrschertugend beizubringen. Danach regierten nur noch Gewalt und Tyrannei. Eingegriffen hat Seneca nicht, wohl auch deshalb, weil der Kaiser seinen Ratgeber mit hohen Geldsummen und wertvollen Geschenken bedachte. Der Reichtum Senecas passte keinesfalls in die Lehre der Stoa, nach der ein weiser und damit glücklicher Mensch nur derjenige war, der sich von allen äußeren Gütern frei machte. Seneca nimmt in seiner Schrift "De beata vita" (Vom glücklichen Leben) zu den ihm gemachten Vorwürfen Stellung. Für ihn ist Reichtum keine Schande, denn "der weise Mensch hat, wenn er ein Vermögen besitzt, mehr Mittel, seinen Geist zu entwickeln". Man müsse allerdings darauf achten, seine innere Unabhängigkeit zu bewahren. Mit sich selbst im reinen sein, in sich selbst zu ruhen, das war für Seneca das Rezept zu einem glücklichen Leben.

 

In der Abhandlung "De clementia" (Von der Gnade), die an den jungen Nero gerichtet ist, wendet Seneca die stoische Tugendlehre praktisch an: "Gnade ist die Beherrschung seiner selbst in der Macht, sich zu rächen, oder die Sanftmut des Überlegenen gegenüber dem Niederen in der Festsetzung der Strafe."

 
  • Angesichts immer weiterer Untaten Neros zog sich Seneca allmählich aus der Politik zurück. Im Jahr 62 bat er den Kaiser um Erlaubnis zur Demission. Er bat Nero sogar, ihm die Reichtümer zurückgeben zu dürfen, die er durch ihn erworben hatte. Seneca ließ sich vom Kaiser, der den Rücktritt nicht annehmen wollte, nicht mehr umstimmen. Offensichtlich plagten  ihn Gedanken, die er in seinem Werk "De brevitate vitae" (Von der Kürze des Lebens) niedergeschrieben hatte: "Wir haben nicht zu wenig Zeit, wir verschwenden zu viel Zeit" und "Alles haltet ihr fest, und doch müsst ihr sterben. Alles begehrt ihr, als solltet ihr ewig leben."

 

Eine weitere Lebensregel Senecas: "Jeder überstürzt sein Leben und leidet an der Sehnsucht nach dem Kommenden. Der hingegen, der jeden Augenblick zu seinem Nutzen verwendet, der jeden Tag so einteilt, als wäre er sein Leben, sehnt sich nicht nach dem folgenden Tag und fürchtet sich nicht davor. Was könnte noch irgendeine Stunde an neuer Lust bringen? Alles ist bekannt, alles ist zur Sättigung genossen. Über das Andere mag das Glück beliebig verfügen, das Leben ist schon in Sicherheit. Diesem Menschen kann man noch etwas hinzugeben, wegnehmen nichts."

  • Im Jahr 65 wurde Seneca beschuldigt, in eine Verschwörung gegen den Kaiser verwickelt zu sein. Nero befahl ihm, Selbstmord zu begehen. Seneca kam diesem Befehl in gelassener Haltung nach.

  • Epiktet, ein um das Jahr 50 in Hierapolis in Phygien (in der heutigen Türkei) geborener und zwischen den Jahren 70 und 80 freigelassener Sklave, betonte die innere Freiheit gegenüber widrigen Umständen. Angefangen bei der von ihm vorgenommenen Unterscheidung zwischen dem, was in unserer Macht, und dem, was nicht in unserer Macht steht, befasst er sich mit den Grenzen der wahrhaften Freiheit, um Glück und Einklang mit der Welt zu erreichen. Mit seiner sittenstrengen Lebensweise und seiner moralischen Unnachgiebigkeit entspricht er genau dem Bild, das man sich traditionell vom stoischen Weisen macht. Doch Epiktet kleidet seine Strenge in das Gewand eines aufrührerischen Geistes und versendet eine Vielzahl ironischer Spitzen. Vor allem praktiziert er die Philosophie nicht, um sich von der Welt abzuschotten, sondern um sich selbst und anderen in seiner Existenz Orientierung zu geben. So bekennt Epiktet "Wir sind alle Brüder und haben in gleicher Weise Gott zum Vater". Dies verpflichtet zu Gerechtigkeit (Rechtsgleichheit), Humanität und Nächstenliebe. An anderer Stelle heißt es: "Ich bin frei und habe kein Ding und keinen Menschen über mir".

  • Kaiser Marc Aurel war als Zwölfjähriger mit der Stoa in Berührung gekommen. Die Tugenden des Mutes, der Unerschütterlichkeit und Pflichtentreue, der Selbstbeherrschung und der Willensstärke in der persönlichen Lebensführung wie im staatspolitischen Handel finden in seiner Person eine gelungene Ausprägung. Sie bewahrten ihn davor, den Versuchungen der Macht zu unterliegen.

 
  • Eine von Marc Aurels zentralen Lehren geht auf die frühesten Stoiker zurück: Unterscheide das, worauf Du Einfluss hast sorgfältig von dem, was Du nicht ändern kannst. Eine solch differenzierte Betrachtung verleiht den Mut, sich den Hindernissen im eigenen Leben zu stellen und zu erkennen, dass die wahre Freiheit im Denken liegt. Machen wir unsere Freiheit zu sehr von der Außenwelt abhängig bedeutet das, dass wir uns selbst als Sklaven einer Situation behandeln, über die wir nicht verfügen können. Bei Marc Aurel ist die gedankliche Freiheit nur ein Teil eines weitaus größeren Freiheitsbegriffs. Nur wer Freiheit nach Innen kultiviert hat, kann diese in einem zweiten Schritt auch nach außen treten lassen.

 
  • Marc Aurel erinnert in seinen Schriften immer wieder daran, dass man sich besonders in schwierigen Zeiten nicht selbst aus dem Blick verlieren sollte. Dies hat nichts mit Einigelung zu tun, sondern soll der inneren Beruhigung dienen. In einer Krise wäre es sehr schlimm, die innere Balance zu verlieren und nicht mehr zurückzuerlangen. Marc Aurel lehrt uns, die schlechten und absurden Gedanken nicht einfach zu verjagen und sie dadurch nur noch größer werden zu lassen, sondern sie anzunehmen und ihnen so Lehrreiches abzugewinnen. Die Sorge um das eigene Selbst und der inneren Freiheit geht Hand in Hand mit dem Gedanken des Selbstschutzes.

  • Der Epikureismus

  • Gründer dieser philosophischen Schule war Epikur aus Samos (341-270 v. Chr.). Wie bei Zenon, dem Begründer der Stoa, liegt der Zweck der Philosophie nicht so sehr in der Wahrheitsfindung, sondern in der Wegweisung zum Glück für den einzelnen Menschen. Die 'Lebenspraxis' wird in das Zentrum gerückt. Epikur hat wie die Stoiker das Vertrauen in die Polis verloren und möchte sich von der inneren Bindung an sie lösen. Weitere Gemeinsamkeiten mit der Schule der Stoa sind: 1) Einziges Mittel der Erkenntnis ist die Vernunft 2) Tugend und Seelenruhe sind Voraussetzungen der Glückseligkeit 3) Geringschätzung der Güter dieser Welt.  

     

    Epikur stellte den menschlichen Leib ins Zentrum seines Denkens und formulierte ausgehend von dessen zentralen Bedürfnissen eine Philosophie des guten Lebens. Gefangen zwischen Lust und Schmerz, endlicher Existenz und unendlichem Streben, sucht der Mensch sein Lebensglück. Anders als für seine philosophischen Gegenspieler der Stoa, findet Epikur das Glück in einer offenen Anerkennung der eigenen Bedürfnisse und Triebe. Fern eines oberflächlichen Luststrebens weist Epikur damit den Weg zu einer sorgsamen Pflege des Selbst, die auch direkt körperliche und sinnliche Aspekte unserer Existenz miteinschließt.

      Epikur (*341, † 270 v. Chr.), Begründer des Epikureismus
  • Epikur will den Menschen vom Druck des verhängten Schicksals (fatum) befreien. Die Weltanschauung der Stoiker, dass das Leben durch das Schicksal bestimmt wird, lehnt er ab. Durch die Einsicht in die Gesetze der Natur sollen die Menschen von aller Angst befreit, jedoch auch ihre Grenzen aufgezeigt werden.

  • Nach der Philosophie der Stoa herrscht in der Natur (Welt) eine strenge Gesetzmäßigkeit, die sie 'Logos' oder 'Gott' nannten. Da sie Gott in allem sahen, war alles, was geschah, unabänderliches Schicksal.  Nach der Naturlehre des Epikurs ist die ganze Welt, die Natur, nichts anderes als eine Ansammlung von unteilbaren Materiestückchen, von Atomen. Die Anordnung der Atome, durch die unsere Welt zustande gekommen ist, beruht meistens auf reinem Zufall. Auch Körper und Seele bestehen aus Atomen. Die Götter wohnen in den Bereichen zwischen den Welten, ohne auf diese und die Menschheit einzuwirken. Kein Gott hat die Welt geschaffen und kann in ihren Ablauf eingreifen. In dem Weltprozess läuft nicht alles nach dem Kausalitätsprinzip ab. Mit dem Prinzip des Zufalls fügt Epikur der Atomlehre Demokrits etwas entscheidend Neues hinzu. Auf den Menschen übertragen, bedeutet die Möglichkeit eines Zufalls, dass die Willensfreiheit nicht verloren geht. Ein Verlust der Willensfreiheit würde nach Epikur eine erhebliche Störung des Lebensgenusses zur Folge haben.

  • Für Epikur sind auch die Götter materielle Wesen. Er warnt davor zu glauben, sie nähmen auf das Leben der Menschen im Guten oder Bösen irgendeinen Einfluss. Die Götter hausen vielmehr irgendwo zwischen den unendlich vielen Welten, d.h. den Atomansammlungen und führen dort ein glückliches Leben. Ihre Glückseligkeit dient als Vorbild für das Leben, wonach der 'Weise' streben soll. Die Naturlehre Epikurs sollte den Menschen die Furcht vor den Göttern und einem ungewissen Jenseits nehmen.

  • Nach Epikur ist alles, was die Sinnesorgane aufnehmen, wahr. Aus wiederholten Wahrnehmungen bilden sich Allgemeinvorstellungen und Begriffe. Wahrheitskriterien sind bei der Beurteilung eines Tatbestandes die durch die Sinneswahrnehmungen zurückführbaren Lust- und Unlustgefühle. Letztendlich beruht jede Erkenntnis auf den Wahrnehmungen der Sinne (= Erkenntnistheorie des Epikur). Keine der kostbaren Gelegenheiten, sich des Lebens zu erfreuen, soll ungenutzt verstreichen! Unter diesem Lebensgenuss des Augenblicks versteht Epikur die Freude an dem, was wir mit allen unseren Sinnen aufnehmen.

  • Zum 'Glück' gehört nach Epikur auch, dass wir uns auch glücklich fühlen. Glücklich zu sein heißt mit den Lebensumständen zufrieden zu sein. Mit Hilfe seiner Erkenntnistheorie erkennt Epikur die Lust (griech, 'hedone) als den höchsten Wert. Lust ist der Zustand der Freiheit von körperlichem Schmerz und seelischer Unruhe. (Zur Erinnerung: Die Stoiker gründen das Glück auf die Befolgung moralischer Normen, durch die sich der Mensch die Haltungen der Tugend zu eigen macht). Epikur sprach davon, dass man den geistigen Genüssen den Vorzug geben solle vor den körperlichen. Außerdem dürfe man nicht blind und gierig den nächst besten Genüssen nachgeben, sondern müsse eine "Messkunst" anwenden, die auf das Ganze des Lebens ausgerichtet ist. Er warnt davor, sich mit einer momentan gierig ergriffenen kleinen Lust eine in Aussicht stehende größere Lust zu verscherzen. Das Wort des Horaz "Carpe diem" (Pflücke, genieße den Tag) meint nicht die Unersättlichkeit des Lebensgenusses, sondern die Aufgeschlossenheit für die Werte des Daseins. Diese Werte drohten im harten Pflichtensoll der Stoa verloren zu gehen.

Die Kernaussage der Ethik Epikurs lautet: Das sittlich Gute besteht in der Lust. Die entsprechende praktische Anweisung ist: "Begehre und genieße!" Was  'gut' ist, ergibt sich aus dem Begehren: "Weil mir etwas gefällt und Lust bringt, deswegen nenne ich es gut; weil etwas mir nicht gefällt, deswegen nenne ich es nicht gut". (Aristoteles sagte es genau umgekehrt: "Weil etwas gut ist, darum gefällt es mir".) Epikur empfiehlt jedoch seinen Lesern: kein Leben in Saus und Braus, sondern die leise Freude an den bescheidenen Genüssen des Daseins. Seine berühmte Parole lautet: "Halte Dich bei Deiner Lebensführung im Verborgenen", d.h. entziehe Dich mit Deinem Freundeskreis der öffentlich-politischen Sichtbarkeit. Damit steht er im Gegensatz zu Aristoteles, der zur Zeit der klassischen griechischen Polis im Leben des Menschen eine natürliche Ausrichtung auf die politische Gemeinschaft gesehen hatte.

  • Um frei von innerer Unruhe zu sein, muss man tugendhaft leben. Ferner sollte man so besonnen sein, um herausfinden zu können, welches 'Lustgefühl' kein späteres 'Unlustgefühl' bewirkt. Jeder Mensch gewinnt so die Freiheit, sein Leben selber zu gestalten. Materielle Güter sind nicht erforderlich.

Um Glückseligkeit zu empfinden, muss man ganz in der Gegenwart aufgehen können. Furcht vor der Zukunft braucht man nicht zu haben. Auch die Todesfurcht ist unbegründet. Körper, Geist (animus) und Seele (anima) stellen für die Dauer des Lebens eine Einheit dar. Da die Seele unsterblich ist und sich Sterbliches nicht mit Unsterblichem verbindet, existiert beim Eintritt des Todes kein Subjekt mehr, das darüber Schmerz empfinden könnte. Epikur: "Solange wir noch da sind, ist der Tod nicht da. Stellt sich aber der Tod ein, sind wir nicht mehr da."

  • Epikur betrieb seine Schule in einem Garten. Seine Schüler, zu denen auch Siron, der Lehrer Vergils gehörte, nannte man "die aus dem Garten". In Rom wurde der Epikureismus im Wesentlichen durch den Dichter Lukrez (95 - 55 v. Chr.)  verbreitet. In seinem unfertigen Lehrgedicht 'De rerum natura' (=Über das Wesen der Welt) verkündet er die Lehre Epikurs. In den Wirren der 'Späten Republik' fand sie in den Kreisen um Horaz, dem jungen Vergil und Maecenas (Freund und Berater des Augustus, Förderer der Dichter; nach ihm spricht man heute noch vom Mäzenatentum) fand sie rasch Anklang. Insbesondere beeindruckte in dieser Zeit die Aussage Epikurs, das öffentliche Leben zu meiden. Im Gegensatz zur Lehre der Stoa, hinterließ der Epikureismus im Christentum keine Spuren. Die moderne Physik und auch Karl Marx interessierten sich fast ausschließlich für die Naturlehre.

Der 'Garten' (Kepos), nach dem die Schule ihren Namen erhielt, beherbergte nicht nur den Ort des Unterrichts, sondern auch die gemeinsame Wohnstätte von Lehrer und Schülern. Er lag auf einem dem städtischen Trubel entzogenen Gelände. Die Lebensführung war äußerst einfach. Auch Frauen, unter ihnen Hetären, und sogar Sklaven gehörten zum Kreis der Schüler Epikurs. Um den Fortbestand der Schule nach seinem Tod zu sichern, ernannte Epikur zwei Schüler, Amynomachos und Timokrates, die als Bürger Athens Land besitzen durften, zu seinen Erben. Die Schule wurde bis in die Mitte des ersten Jahrhunderts v. Chr. fortgeführt.

  • Der Eklektizismus - der skeptisch auswählende Mensch

  • Die Lehren der griechischen Philosophenschulen wurden in Rom nicht widerspruchslos hingenommen. Dies lag insbesondere an der Abneigung der Römer gegen starre theoretische Systeme. Wer sich für Philosophie interessierte, wählte aus den verschiedenen Systemen pragmatisch das ihm richtig Erscheinende aus (Eklektiker = Auswählende). Bei der Auswahl spielte es eine Rolle, ob die philosophischen Aussagen zur praktischen Orientierung und zum Ziel gerichteten Handeln benutzt werden konnten.

  • Sowohl die Stoiker als auch die Epikureer verwendeten eine dogmatisch festgelegte Methode. Diese starre Regelung löste bei den Römern Skepsis aus. So treffen wir in der Philosophie römischer Ausprägung den Skeptizismus, greifbar in der Mittleren und Neueren Akademie. Die Skepsis der Akademie richtet sich auf die Fragen: Wie können wir zu einer absoluten Wahrheitsfindung kommen? Wie ist das Verhältnis von objektivem Wahrheitswillen und der praktischen Verwirklichung?

Im Jahre 155 v. Chr. waren durch eine Gesandtschaft von griechischen Philosophen in Rom diese Fragen aufgeworfen worden. Karneades (214-129 v. Chr.), einer der Väter des Skeptizismus, hielt an einem Tag eine Rede zum Lob der Gerechtigkeit, der man wegen der einleuchtenden Beweise beipflichtete. Am nächsten Tag hielt er eine Rede gegen die Gerechtigkeit, die man ebenso einleuchtend fand, obwohl Karneades daraus folgerte, dass es überhaupt keine Gerechtigkeit gebe und sogar forderte, die Römer müssten ihre Eroberungen schleunigst herausgeben. - Angesichts der Schwierigkeit, zu einer objektiven Wahrheitssicherung zu kommen, verlegte man sich auf eine auf Ausgleich bedachten Haltung gegenüber allen Systemen. Man hielt es für gut und wahr, was man Gutes in den Systemen fand. Typisch für diese Haltung war Cicero (106-43 v. Chr.).

  •  Cicero rechnet sich in seiner Erkenntnislehre zur Akademie gehörig. In seinen ethischen Anschauungen überwiegt das stoische Denken, ebenso in seinen Betrachtungen zu menschlichen Fragen. In seinen Werken fließen die Gedanken der verschiedensten Schulen zusammen. Ciceros Verdienst ist es, das philosophische Gedankengut an das allgemeine Bewusstsein vermittelt und damit das praktische Verhalten der Zeitgenossen tief beeinflusst zu haben.


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