Römische Medizin

 

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Die Römer in Südwestdeutschland

Der Untergang der römischen Republik und die Regierungszeit des Kaisers Augustus (44 v.Chr. - 14 n. Chr.)

Römische Geschichte zur Zeit der Kaiser Domitian, Nerva und Trajan (81 - 117 n. Chr.)

Römische Geschichte zur Zeit der Kaiser Hadrian und Antoninus Pius (117 - 161 n.Chr.)

Römische Geschichte zur Zeit der Kaiser Marc Aurel und Commudus (161-192 n.Chr.)

Der Aufbau des römischen Staats

Das Heer während der römischen Kaiserzeit

Römische Religion und Philosophie

Römische Literatur

Entstehung und Ausbreitung des Christentums

Entwicklung des Christentums von Kaiser Konstantin I. bis zum Untergang des weströmischen Reiches (306 - 476)

Römische Medizin

Münzsystem und Fernhandel im Römischen Reich

Das Weiterleben der römischen Kultur

Römisches Recht

Römische Sprichwörter und Lebensregeln

Das Geheimnis um den Ort Grinario

Das römische Kastell in Grinario

Das Dorf Grinario

Die Menschen im Dorf Grinario

Ausgrabungen im heutigen Köngen

 

   
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  • Am Anfang der Medizingeschichte stehen Religion und Magie: In Afrika beschwor man die Geister mit Masken, die von Lähmungen entstellte Gesichter darstellten. Die altmexikanischen Olmeken formten Tonpüppchen mit Pestbeulen oder Buckel, um Krankheiten fernzuhalten oder zu vertreiben. In der europäischen Volkmedizin spielten Heilige eine wichtige Rolle, die Schutz vor Krankheiten gewähren sollten.

  • Die Entwicklung einer wissenschaftlich fundierten Medizin ist eine wichtige geistige Errungenschaft der griechischen und römischen Kultur. Das ganze Mittelalter hindurch und bis weit in die Neuzeit hinein besaßen die antiken Forschungsergebnisse absolute Autorität. Zur Entwicklung der Medizin haben die Römer nichts Nennenswertes beigetragen. Ihre Leistung lag darin, dass sie das gesamte Wissen der antiken Heilkunde in einem logisch durchdachten System zusammengefasst haben. Insofern fungierte die römische Medizin als Bindeglied.

Die chinesische Medizin geht nachweisbar bis auf die Zeit um 2500 v. Chr. zurück. Ägyptische Medizin lässt sich schon für die Zeit um 1550 v. Chr. belegen. Die Entstehung einer wissenschaftlichen Medizin ist mit der Person des Griechen Hippokrates verbunden (* um 460 v. Chr. in Kos, † um 370 v. Chr. in Larissa). Im westlichen Kulturkreis gilt er als Vater der Medizin.

  • Die griechische Medizin

  • Bei den Griechen galt die Gesundheit als das größte Geschenk der Götter. Der griechische Dramatiker Sophokles (um 497/496 - ca. 406/405 v. Chr.) schreibt: "Das Schönste von allem ist gerecht zu sein, das Beste ohne Siechtum zu leben."

 

Krankheit verstehen die frühen Griechen ausschließlich als Werk der Götter. Nur sie sind in der Lage, Krankheiten zu heilen. Ab circa 500 v. Chr. entsteht ein Kult um den Heilgott Asklepios, dessen Tempel von erkrankten Menschen aufgesucht wird. Der Begriff 'Pharmakon' bezeichnet damals Mittel, die man zur Heilung einsetzt. Dazu gehören auch magische Praktiken wie die Anwendung von Zauberformeln oder Amuletten. In Homers Odyssee taucht ein geheimnisvolles Heilkraut mit dem Namen Nepenthes auf, das die Göttin Helena den homerischen Helden in den Wein mischt. Das Zaubermittel soll deren Kummer vertrieben haben.

  • Das rationale Denken zieht im fünften Jahrhundert vor Christus mit Hippokrates von Kos in die Medizin ein. Im Mittelpunkt der Lehre des Hippokrates stand die Harmonie der Körperfunktionen und der Körpersäfte. Ihre Störung führt zur Krankheit, welcher der Arzt durch Schröpfen, Aderlass, abführende Mittel und notfalls durch chirurgische Eingriffe abhelfen muss.

 

Hippokrates (um 460 - 370 v. Chr.)

Römische Kopie einer Büste des Hippokrates, Neapel, Nationalmuseum

  • Ausgangspunkt der "Viersäftelehre" ist die Lehre des griechischen Philosophen Empedokles (um 483 bis etwa 425 v. Chr.) von den vier Elementen als kleinsten Einheiten der physischen Welt. Den vier Elementen (Luft, Feuer, Erde und Wasser) entsprechen nach Hippokrates im menschlichen Körper vier Säfte. Die Luft entspricht dem Blut (sanguis), das Feuer der Gelben Galle (cholera), die Erde der Schwarzen Galle (melancholia) und das Wasser dem Schleim (phlegma). Jeder Saft bezieht sich auf ein Organ: das Blut auf das Herz, die Gelbe Galle auf die Leber, die Schwarze Galle auf die Milz und der Schleim auf das Gehirn. Jedes Element, jeder Körpersaft und jedes Organ ist durch zwei von vier Primärqualitäten (heiß, kalt, feucht, trocken) gekennzeichnet. Luft/Herz/Blut sind heiß und feucht, Feuer/Leber/gelbe Galle heiß und trocken, Erde/Milz/schwarze Galle kalt und trocken und Wasser/Hirn/Schleim kalt und feucht.

  • Befinden sich die vier Körpersäfte in einem harmonischen Verhältnis (eukrasisa), dann ist der Mensch gesund. Die Harmonie kann jedoch von Person zu Person unterschiedlich sein. Aus der individuellen Mischung ergeben sich die Charaktere: Sanguiniker, Choleriker, Melancholiker und Phlegmatiker.

  • Krankheiten entstehen durch Störungen (Dyskrasie) der Harmonie. Ist in einem Menschen zu viel von einem Körpersaft vorhanden, dann ist er krank. Die Art der Krankheit wird von den Qualitäten des jeweiligen Saftes bestimmt. Zur Wiederherstellung der Harmonie muss eine Arznei mit entgegen gesetzter Wirkung gegeben werden. Dazu wurden die Wirkungen der Arzneien ebenfalls entsprechend ihrer Primärqualitäten eingeteilt: Es gibt wärmende und befeuchtende Mittel, wärmende und trocknende, kühlende und befeuchtende sowie kühlende und trocknende. 

Gegen eine kalte und feuchte Krankheit, bei der das Gehirn zu viel Schleim erzeugt, der dann - wie es bei einem handfesten Schnupfen der Fall ist - durch die Nase abfließt, müssen wärmende und trocknende Heilmittel (z.B. Thymian oder Melisse) gegeben werden. Bei einem Durchfall helfen kühlende und trocknende Mittel.

  • Von den über 70 Schriften, die Hippokrates zugeschrieben werden, hat er vermutlich nur sechs selber verfasst. Von Bedeutung ist, dass in der 'Sammlung des Hippokrates' die Krankheiten nicht auf göttlichen Ratschluss sondern auf naturwissenschaftlich begründete Ursachen zurückgeführt wurden.

  • Der griechische Philosoph Theophrast (um 372 bis 287 v. Chr.), der viele Schriften über Logik, Politik, Dichtung und Metaphysik verfasste, bemühte sich leidenschaftlich, die Naturwissenschaft populär zu machen. Seine 'Naturgeschichte der Gewächse' war das erste gründliche Werk zur Botanik. So führte er zum Beispiel die binäre Nomenklatur (doppelte Namensgebung) der Pflanzen ein und ermöglichte dadurch ihre Klassifikation. Die Heilpflanzen wurden nach ihren Primärqualitäten - und damit auf ihre Wirkung auf den erkrankten Menschen - eingeteilt.

  • Griechische Ärzte im republikanischen Rom
 
  • Ab dem 3. Jahrhundert v. Chr. begannen Heilkundige aus Griechenland, Kleinasien und Ägypten in Rom zu wirken. Da sie zunächst fast ausnahmslos Sklaven waren, wurden sie meist verachtet. Zuvor hatte es dort keine vergleichbare Berufsgruppe gegeben. Griechisch wurde die medizinische Fachsprache. Die Entwicklung der Medizin als wissenschaftlicher Disziplin fand in Rom zunächst fast ausschließlich unter Griechen statt.

In Roms Tabernen (Läden, Gasthäusern) eröffneten die Schüler des Hippokrates sowie der ägyptischen Chirurgen und Augenärzte ihre Praxen. Das Honorar mussten sie ganz oder teilweise an ihren Eigentümer abführen. Einige wenige Ärzte waren so erfolgreich, dass sie sich freikaufen konnten.

 
  • Ärzte, die geschult waren und die Heilkunst als einzigen Beruf ausübten, kamen erst seit dem Ende des 3. Jahrhunderts v. Chr. in größerer Zahl nach Rom. Als erster namentlich bekannter griechischer Arzt ließ sich Archagathus im Jahr 219 v. Chr. in Rom nieder. Wegen seiner Methoden ('Schneiden' und 'Brennen') wurde er 'Schinder' (Carnifex) genannt. Aufgrund seiner Heilerfolge erhielt er jedoch schon 220 v. Chr. das römische Bürgerrecht.

 
  • Der Mediziner Asklepiades von Prusa, geboren 124 v. Chr. in Bithynien (Landschaft in Kleinasien) kam 91 v. Chr. nach Rom. Er wurde zum Begründer der Wasserheilkunde (Balneotherapie).  Asklepiades gelang es, durch erfolgreiche Wasserkuren zu Ansehen und Reichtum zu gelangen sowie eine Schule zu gründen, in der Interessenten (meistens griechische Sklaven) medizinische Kenntnisse erwerben konnten. - Sebastian Kneipp (1821-1897) hat die Wasserheilkunde wieder eingeführt.

 
  • Die Akzeptanz der griechischen Medizin in Rom

  • Während der Zeit der Republik - und noch in den frühen Jahren der Kaiserzeit - enthielten sich die Römer der wenig angesehenen ärztlichen Tätigkeit und überließen sie den Griechen. Römische Autoren, wie zum Beispiel  Cato der Ältere (234-149 v. Chr.), äußerten sich kritisch über das von Fremden betriebene Gewerbe. Ihr Urteil basierte auf altrömischen Tugenden und Traditionen, die sie gegenüber den griechischen Einflüssen zu verteidigen suchten. Die skeptische Haltung wurde durch die Scharlatanerie begünstigt, die auch bei griechischen Ärzten vorkam.

  • Trotz der Fortschritte der griechischen Heilkunde, verschloss man sich ursprünglich in Rom den wissenschaftlichen Erkenntnissen und begnügte sich mit der traditionellen Laien- und Volksmedizin. Diese umfasste bis dahin nur Diät- und Badekuren, Heilkräuterkenntnis und Wundbehandlung. Traditionellerweise hatte der Hausvater (pater familias) Krankheiten zu therapieren und die Mitarbeit von Laienhelfern zu koordinieren. Sein Wissen erlangte er von seinem Vorgänger. Die traditionelle römische Hausmedizin nutzte neben alten Hausmitteln auch magisch-religiöse Praktiken.

Cato der Ältere gibt in seinem Werk über die Landwirtschaft ("De agri cultura") unter anderem Rezepturen und Anweisungen, wie die Gesundheit der Mitglieder eines Gutshofs zu erhalten und zu verbessern sei. Als Allheilmittel empfiehlt er verschiedene Kohlsorten, die als Speise die Verdauung und als Saft zum Erbrechen verhelfen sollen. Er fürchtete gar, die Griechen wollten die Römer mit Hilfe der Medizin ausrotten. Auf sein Drängen hin wurde 155 v. Chr. eine Gesandtschaft griechischer Philosophen aus Rom ausgewiesen.

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  • Die Medizin während der römischen Kaiserzeit
 
  • Plinius der Ältere (23/24 - 79 n. Chr.) beklagte die "Habsucht und Mittelmäßigkeit" der griechischen Ärzte, die in Rom wirkten. In seiner Naturgeschichte ("naturalis historia") gibt er auch eine kurze Zusammenfassung der Geschichte der Medizin. Dabei kritisiert er die seiner Ansicht nach zu hohen Einkommen der Ärzte am Kaiserhof. Für ihn ist die Medizin kein Brotberuf; es ist für ihn unmoralisch, wenn aus der Erhaltung des Lebens Gewinn gezogen wird. Ferner weist er darauf hin, dass die Römer sechs Jahrhunderte auch ohne Ärzte gut ausgekommen seien.

 
  • Trotz aller Kritik übernahmen die Römer viele medizinische Grundkenntnisse der Griechen. Die traditionelle römische Volksmedizin konnte sich neben der griechischen Medizin halten. Im Verlauf der römischen Kaiserzeit fand ein Assimilierungsprozess statt. Teilgebiete der Medizin, wie zum Beispiel die Bäderheilkunde, wurde von den Römern systematisch ausgebaut. Die zahlreichen Thermen, Heilquellen und öffentlichen Bäder dienten nicht nur der Hygiene, sondern auch der Vorbeugung und Behandlung von Krankheiten.

  • Eine einzigartige Verbindung von landschaftlicher Schönheit, gesundheitsfördernden Heilquellen und günstigen klimatischen Bedingungen ließ Baiae am Golf von Pozzuoli (in römischer Zeit Golf von Puteoli) zum bevorzugten Luft- und Badekurort der Römer und zum größten Thermalbad der Antike überhaupt werden. Hier traten aus dem vulkanischen Boden heiße Dämpfe (Fumarolen) aus, die insbesondere bei arthritischen und rheumatischen Erkrankungen heilsam wirkten. In Baiae hielten sich die Angehörigen der römischen Führungsschicht auf. Marius, Cicero, Crassus, Pompeius, Caesar, Hadrian und Antoninus Pius besaßen im Gebiet von Baiae pompöse Villen.

  Ruinen des Macellum, eines Marktes im Bereich des römischen Hafens von Pozzuoli

  • Die unter Kaiser Caracalla ab dem Jahr 212 n. Chr. errichteten und 216 n. Chr. eingeweihten Caracalla-Thermen in Rom standen für die Allgemeinheit offen. Allein der Hauptbau konnte bis zu 2000 Besucher aufnehmen. Eine ausgeklügelte Infrastruktur sorgte für frisches Wasser und warme Böden.

  • Die bekannten Heilquellen der Antike werden zum Teil noch heute als Kurorte genutzt, beispielsweise die deutschen Badeorte Aachen, Wiesbaden, Baden-Baden (Aqua Aureliae) und Badenweiler.

Die römische Besiedlung von Baden-Baden im Oostal begann in vespasianischer Zeit (69 - 79 n. Chr.). Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr. wurde das von den Bergen des nördlichen Schwarzwaldes umgebene antike 'Aquae' zum Hauptort der 'civitas Aquensis' und war zugleich Kur- und Heilbad für in Straßburg stationierten Truppen. Im Zusammenhang mit der Aufgabe des Limes in der Zeit um 259/260 n. Chr. endete auch die römische Besiedlung Baden-Badens.I

   
 
  • In der Kaiserresidenz Trier, einer Stadt mit ca. 40.000 Einwohnern, wurde die zweitgrößte Thermenanlage des Römischen Reiches errichtet. Allerdings diente die Anlage nicht nur der Körperpflege und dem Sport. Man hat sich dort getroffen, um Klatsch und Tratsch auszutauschen, Geschäfte abzuschließen, sich ärztlich versorgen oder massieren zu lassen - und wenn man hungrig wurde, ging man einfach in eines der Restaurants. So prunkvoll die mit buntem Marmor verzierten Thermen auch waren - der Eintrittspreis war erschwinglich. Der Besuch der Thermenanlage diente auch der Hygiene, denn anders als die Villen der Reichen hatten die Häuser des einfachen Volkes kein Bad, kein fließend Wasser und keine Toilette.

 
  • Bereits Gaius Julius Caesar (100-44 v. Chr.) gab den fremden Ärzten und medizinischen Lehrern das Bürgerrecht. Die Erhebung in den Bürgerstand zog nicht nur weitere Ärzte aus Griechenland und dem Orient nach Rom, auch Einheimische wandten sich jetzt dem langsam ehrenhaft werdenden Beruf zu. Kaiser Augustus (reg. 27 v. Chr. - 14 n. Chr.) befreite die Ärzte von den Lasten und Abgaben, welche Bürger im allgemeinen zu zahlen hatten.

Augustus, der erste Kaiser des Römischen Reiches, soll dies aus Dankbarkeit gegenüber Antonius Musa, einem seiner Freigelassenen, getan haben, der ihn mit Kaltwasser- und Lattichkuren von einer schweren Krankheit geheilt hatte.

 
  • Die römischen Kaiser beriefen die besten Ärzte für sich und ihre Familien. Der römische Arzt Aulus Cornelius Celsus behandelte Kaiser Tiberius (reg. 14-37 n. Chr.). Kaiser Nero (reg. 54-68 n. Chr.) gab seinem Leibarzt den Titel "Archiater" (Oberarzt), aus dem das deutsche Wort Arzt abgeleitet wird. Kaiser Konstantin I. (reg. 306-337) erhob seinen Leibarzt zum Ritter.

 
  • Kaiser Antoninus Pius (reg. 138-161) regelte als erster die allgemeine Krankenversorgung. Für jede der vierzehn Regionen Roms wurde ein öffentlicher Oberarzt angestellt. Die kleineren Städte erhielten fünf bis sieben 'Amtsärzte'. Die öffentlichen Ärzte bezogen ein festes Gehalt. Ihre Aufgabe sollte vor allem die Behandlung armer Patienten sein, doch konnten sie auch mit Reichen Behandlungsverträge abschließen. In jedem Ort wurde ein Gremium gebildet, das für die Ausbildung von Medizinern zu sorgen hatte

Für die Krankenversorgung und Verwundetenbetreuung des römischen Heeres wurden während der Kaiserzeit große Lagerlazarette (valetudinaria) eingerichtet (z.B. in Xanten, Neuss, Windisch, Wiesbaden). Der Innenhof des Lazarettgebäudes war der Innenhof der Sammelplatz für die Verwundeten. Die Patienten wurden entlang des Gebäudekorridors untergebracht, so dass die Pflegekräfte schnell Zutritt hatten. Die Leitung eines Lazaretts versah ein Unteroffizier im jeweiligen Lager. Ihm unterstanden die Ärzte, das Pflegepersonal und die Verwaltung.

 
  • Während der Kaiserzeit wurde im Römischen Reich das griechische Wissen über die Heilkunst aufgearbeitet und lexikalisch sortiert. Zur eigentlichen Entwicklung der Medizin haben die Römer keinen nennenswerten Beitrag geleistet.

  • Aulus Cornelius Celsus (geb. 35 v. Chr.), ein Römer, verfasste im 1. Jahrhundert n. Chr. eine umfangreiche Enzyklopädie über Medizin, Rhetorik, Geschichte, Philosophie und Landwirtschaft. In seinen acht Büchern über Medizin ("De medicina")  behandelt er  fast alle Bereiche ärztlichen Wirkens im Altertum: Anatomie, Pharmakologie, innere Medizin, Dermatologie, Augenheilkunde, Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Geburtshilfe. Auch wenn Celsus eine lateinische Nomenklatur benutzte, nahm er fast ausschließlich Bezug auf griechische Autoren.

  Aulus Cornelius Celsus, römischer Enzyklopädist (* 35 n. Chr., † um 50 n. Chr.)

Bei der Klassifikation der Krankheiten orientiert sich Celsus an der Art der Therapie (Diät, Medikamente, chirurgische Eingriffe). Daneben beschreibt er die Verfahren, die entsprechend der Viersäftelehre angewandt wurden, um kranke Materie zu entfernen: Aderlass, Schröpfen, Abführmittel, Brechmittel u. a.. Außerdem schildert er komplizierte Operationen wie zum Beispiel das Öffnen des Schädels und die Amputation.

  • Ein eifriger Sammler ärztlichen Wissens war der römische Historiker und Schriftsteller Plinius der Ältere (um 23 - 79 n. Chr.). Seine große Enzyklopädie der Naturgeschichte und der Kunst, die "Naturalis historiae" deckt die Gebiete Kosmologie, Geographie, Ethnographie, Anthropologie, Zoologie, Botanik, Gartenbau, Medizin, Arzneien aus Pflanzen- und Tiersubstanzen, Mineralogie und Metallverarbeitung ab. Plinius der Ältere konnte in seiner "Naturalis historiae' stolz behaupten: "Zwanzigtausend merkwürdige Gegenstände, gesammelt durch das Lesen von etwa 2000 Büchern ... von Hundert der besten Schriftsteller, habe ich in 37 Büchern zusammengefasst".

 

Zu Medizin und Pharmakologie bietet Plinius der Ältere in seiner "Naturalis historiae" eine fast unüberschaubare Menge an Informationen, die nach Heilmitteln sortiert sind: Die Bücher 20 bis 27 behandeln pflanzliche Arzneien, sortiert nach ihrer Fundstelle (Gartengewächse, Kulturpflanzen, wild wachsende Pflanzen), die Bücher 28 bis 30 Heilmittel aus dem Tierreich und die Bücher 31 bis 32 Heilmittel aus dem Wasser. In der Praxis nützlich war die so sortierte enzyklopädische Zusammenstellung nur, wenn man bereits wusste, welches Heilmittel für eine bestimmte Beschwerde hilfreich ist.

  • Die römische Kaiserzeit wurde die Zeit der ärztlichen Spezialisierung: Augenheilkunde, Geburtshilfe und Gynäkologie, Nieren- und Blasenleiden und die Chirurgie waren intensiv gepflegte Spezialgebiete. Zu den großen Ärzten zählt Soranus von Ephesus, ein Grieche, der unter der Regierungszeit Trajans (98-117 n. Chr.) lebte. Seine Schriften geben einen guten Einblick in die Frauenheilkunde und die Geburtshilfe. Nicht weniger bedeutend sind die Werke des Rufus von Ephesus (um 100 n. Chr.) über die Nieren- und Blasenleiden.

  Soranus von Ephesus, griechischer Arzt in Alexandria und Rom (2. Jahrhundert nach Chr.)

  • Den Höhepunkt ihrer Entwicklung erreichte die römischen Medizin mit Claudius Galenus (auch Galenos oder Galen genannt), einem Griechen, der 129 n. Chr. in Pergamon geboren wurde und 199 in Rom starb. Schon im Alter von 25 Jahren wurde er wegen seiner diagnostischen Fähigkeiten an den kaiserlichen Hof berufen. Im Jahr 168 wird ihm die Rettung des Lebens von Kaiser Marc Aurel in dem durch die Pest verseuchten Aquileia zugeschrieben. Zuletzt betreute er Kaiser Commodus (reg. 180-192 n. Chr.). Galenus fasste das gesamte Wissen der antiken Heilkunde (Therapeutik, Pharmakologie, Anatomie) in einem logisch durchdachten System zusammen. Von seinen Forschungen berichten 83 echte Handschriften. Er griff auf die Lehren des Hippokrates und seiner Nachfolger zurück, übernahm diese jedoch nicht ohne Nachprüfung und schloss die Lücken durch eigene Forschungen.

Bei der Auswahl der Kranken ist Galenus nicht wählerisch. Er behandelt Aristokraten ebenso wie deren Sklaven. Im Kolosseum in Rom kümmerte er sich um schwer verwundete Gladiatoren. Oft versorgt der wohlhabende Arzt seine Patienten auf eigene Kosten mit Medizin und Pflegepersonal. Allerdings verlangte er dafür absoluten Gehorsam bei der Anwendung seiner Therapie.

  • Die Medikamente der Antike waren meist pflanzlichen Ursprungs, nur wenige stammten von Tieren oder Mineralien. Das berühmteste Werk über die Pharmakologie - neben den Schriften von Galenus - schrieb Pedanios Dioskurides, ein griechischer Arzt aus Kilikien (Kleinasien), der im 1. Jahrhundert n. Chr. in Rom als Militärarzt tätig war. In seinem fünfbändigen Hauptwerk "Materia medica" informiert er ausführlich über Herstellung, Lagerung und die therapeutischen Aspekte von mehr als 800 pflanzlichen und jeweils 100 tierischen und mineralischen Arzneien. Dioskurides beschreibt Pflanzen, die aus Griechenland und Kleinasien, aber auch aus Italien und Ägypten stammen. Insgesamt rund 1.000 Medikamente und Rezepturen sowie deren mögliche Anwendungen bei Leiden wie Kopfschmerzen, Frauenkrankheiten oder Vergiftungen behandelt er in seinem Werk.

  •  Die Pharmakologie des Dioskurides wurde über das Mittelalter und die Renaissance hinaus als Standardwerk genutzt. Hier einige Beispiele für die von ihm empfohlenen Heilpflanzen:

  • Über die Pfefferminze (Hedysomos, Mintha, Kalamintha) schreibt Dioskurides: Sie [Er] ist "eine bekannte Pflanze mit erwärmender, adstringierender und austrocknender Kraft, daher stillt der Saft mit Essig getrunken den Blutauswurf.  Er tötet ferner die runden Würmer, reizt zum Liebesgenuss, bringt das Schlucken, den Brechreiz und die Cholera zur Ruhe, wenn zwei bis drei Reiser genommen werden. Mit Graupen umschlagen zerteilt er die Abszesse; auf die Stirn gelegt lindert er Kopfschmerzen, besänftigt geschwollene und (von Milch) strotzende Brüste. ... Den Weibern aber vor dem Beischlaf im Zäpfchen eingelegt behindert er die Empfängnis. Fein gerieben glättet er eine raue Zunge. Ferner bewahrt er die Milch vor dem Gerinnen, wenn die Blätter desselben in der Milch umgeschwenkt werden. Überhaupt ist er dem Magen zuträglich und eine gute Würze."

  • Anis (anisum): erwärmend, erleichtert den Atem, schmerzstillend, harntreibend, Durst stillend bei Wassersucht, gegen Blähungen und Durchfall, lindert Kopfschmerzen und Ohrenleiden.

  • Basilikum (ocimum): innerlich und äußerlich anzuwenden, gegen Verstopfung, gegen Lungenentzündung, gegen Melancholie (Überfluss von "schwarzer Galle).

  • Dill (anetum): erleichtert die Verdauung, gegen leichtes Erbrechen, als "Sitzbad für hysterische Frauen"

  • Fenchel (feniculum): stärkt schwache Augen, gegen Nieren- und Blasenleiden, harntreibend, gegen Sodbrennen

 
 

Die Ausführungen des Dioskurides folgen stets dem gleichen Schema: Zunächst nennt er den Namen des Heilmittels, gefolgt von einer Liste geläufiger Synonyme. Es schließen sich Angaben über die Herkunft sowie eine kurze Beschreibung an. Das Hauptaugenmerk liegt dann auf den medizinischen Eigenschaften sowie Anleitungen zur Anwendung. Da werden die Arzneien als erwärmend, kühlend, erweichend, trocknend oder Schlaf erzeugend beschrieben. Dioskurides sortiert die Heilmittel nicht alphabetisch oder nach äußerlichen Merkmalen. Stattdessen verwendet er eine Systematik, die sich nach der medizinischen Wirksamkeit der Stoffe richtet. Bei den ersten Abschriften seines Werkes ging dieses Ordnungsprinzip wieder verloren, die Stoffe wurden wieder alphabetisch sortiert.

  • Römische Ärzte verfügten über hoch entwickelte medizinische Geräte für Chirurgie, Gynäkologie, Urologie und Orthopädie. Sie konnten Rekto- und Uteroskopien vornehmen und Knochenbrüche durch Schraubvorrichtungen schienen. Allein aus Pompeji sind etwa 200 verschiedene ärztliche Geräte bekannt.

 
  • Operationen waren mangels steriler Bedingungen riskant und ohne Anästhesie für die Patienten eine Tortur. Sie beschränkten sich daher auf äußere Körperzonen wie der Aderlass an den Gliedmaßen, Staroperationen am Auge sowie das Versorgen und Ausbrennen von Wunden und Geschwüren. Zu den wenigen invasiven Maßnahmen gehörte der Blasensteinschnitt, ein Einschnitt durch das Perinäum (Region zwischen After und äußeren Geschlechtsorganen) in die Harnblase, um einen dort befindlichen Stein zu entfernen. Brust- und Bauchraum waren normalerweise tabu. Bei Notfällen, wie tiefen Schnittwunden, Zahnvereiterungen, komplizierten Knochenbrüchen oder Komplikationen bei der Geburt, wurde immer versucht, dem Patienten durch eine Operation zu helfen.

  • Meist verfügten die Ärzte über ein Set von Messern und Skalpellen. Zur Versorgung von Wunden benutzten sie Wundhaken, Nadel und Faden aus Leinen und Wolle. Für zahlreiche Aufgaben, wie zum Beispiel für das Stillen von kleineren Blutungen oder die Behandlung von Fisteln wurden Brenneisen, so genannte Kautere, verwendet. Fremdkörper in Wunden entfernte man mit Zangen und Pinzetten.

 

5 Skalpelle aus einer römischen villa rustica bei Sontheim/Brenz. Bronze und Eisen. Um 200 n. Chr.

Württ. Landesmuseum Stuttgart, im Limesmuseum Aalen, Foto des Museums (Ausschnitt).

  • Neben den Hilfsmitteln der "Basischirurgie" (Skalpelle, Sonden, Spatel, Pinzetten, Löffel, Wundhaken und Knochenheber), die typisch für Ärzte in den ländlichen Regionen waren, sind auch Spezialinstrumente für besondere Anwendungen bekannt. Dazu gehören: Starnadeln zur Entfernung von getrübten Augenlinsen, Trepane zur Schädelöffnung, Zahnzangen, Geräte zur Entfernung von Blasensteinen, Knochensägen, Geburtszangen, Spiegel (specula) für Rektaluntersuchungen.

  • Den Römern waren zwei narkotisierende Mittel bekannt: Opium und Alraune. Vom römischen Kaiser Marc Aurel ist bekannt, dass er Opium fast grammweise jeden Tag zu sich genommen hat. Sein Leibarzt Galen berichtet über dessen Sucht und auch über Entzugsversuche. Die Alraune oder Mandragora enthält einen hohen Anteil eines Stoffs, das 'Scopolamin', das noch heute für die Anästhesie als schmerzstillendes Mittel eingesetzt wird.

  • In den römischen Legionslagern gab sogenannte Valetudinarien ('Krankenhäuser'), die mit 60 Betten ausgestattet waren. In jedem Lager kümmerten sich etwa zehn Ärzte um die kranken Soldaten.

  • Das Weiterleben der antiken Medizin
 
  • Im Mittelalter fand - unter anderem durch die Kreuzzüge - eine Durchmischung von abendländischer und orientalischer Kultur statt.

In der arabischen Welt hat Avicenna (um 980 bis 1037) herausragende Leistungen auf dem Gebiet der Medizin vollbracht. Sein Werk "Kanon der Medizin" umfasst das gesamte medizinische und heilkundliche Wissen seiner Zeit. Die erste lateinische Übersetzung wurde im 12. Jahrhundert angefertigt. Im Mittleren Osten und später in Europa zählte das Werk Avicennas lange Zeit zu den bedeutendsten Lehrbüchern. 

 
  • Wandernde Mönche brachten das Wissen um heilende Pflanzen aus Griechenland und Italien in die Klöster Mitteleuropas. In den Klöstern fand dann auch die Vermengung der klassischen Heilpflanzenkunde der Griechen, Römer und Araber mit der volkstümlichen Medizin Mitteleuropas statt. Da nur Nonnen und Mönche zu dieser Zeit des Lesens und Schreibens mächtig waren, vor allem aber Latein und Griechisch konnten, blieb das Wissen um die Pflanzenheilkunde lange Zeit auf die Klöster beschränkt.   In vielen Klöstern entstanden die berühmten Heilpflanzengärten, so zum Beispiel der Heilpflanzengarten im Kloster St. Rupert in Bingen am Rhein, wo die Benediktiner nach den Regeln der Hildegard von Bingen (1098 - 1179)  Pflanzen anbauten und erforschten.

  • Das ganze Mittelalter hindurch und weit in die Neuzeit hinein wurde Galenus als die bedeutendste Autorität auf medizinischem Gebiet angesehen. Auch in der Klostermedizin galt ab dem 11. Jahrhundert die Regel, dass nur derjenige gesund ist, bei dem die vier Körpersäfte (Blut, Schleim, gelbe und schwarze Galle) richtig gemischt und im Gleichgewicht sind.

Die von Galenus vertretenen Theorien bildeten die Grundlage der Medizin der Hildegard von Bingen, der Physiognomik von Johann Kaspar Lavater (1741-1801) und der Wasserkur von Sebastian Kneipp (1821-1897).

   
 
  • Bis in die frühe Neuzeit hinein hielt sich die Arzneimittellehre des griechischen Arztes Pedanios Dioskurides als Nachschlagewerk von hohem Stellenwert und verbreitete sich in mannigfachen Abschriften, Bearbeitungen und Übersetzungen.
 
  • Während der Renaissance wurde Wissen über die Heilkunde, das sich in den Klöstern bewahrt hatte, einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die Bücher antiker Autoren wurden übersetzt und, nicht zuletzt durch die Erfindung des Buchdrucks, rasch verbreitet.


 


Der Inhalt der Internet-Seiten, die unter dem unten stehenden Inhaltsverzeichnis 'Die Römer' zur Verfügung stehen, ist auch Inhalt einer 135seitigen Broschüre.  Der Preis der Broschüre beträgt 12 € (plus Porto). Der Reinerlös kommt der Sanierung des Köngener Schlosses, einem Kulturdenkmal von hohem Wert, zugute. Bitte richten Sie Ihre Bestellung an den Geschichts- und Kulturverein Köngen e.V.!

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Stand: 12.07.2019                                                  Copyright © 2019 Geschichts- und Kulturverein Köngen e.V.                                                 Autor: Dieter Griesshaber                                             

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