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Die Reformation von Luthers Anschlag der 95 Thesen bis zum Wormser Reichstag (1517 - 1521)

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Die Französische Revolution bis zum Ende der Diktatur Robespierres (1789 - 1794)

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Von der gescheiterten Revolution 1848 bis zur Gründung des Deutschen Reiches 1871

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Europäischer Kolonialismus und Imperialismus (1520 - 1914)

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Der Kampf um die Staatsgewalt in der Weimarer Republik (1919 - 1933)

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Der Zweite Weltkrieg (1939 - 1945)

Der Weg in die Teilung Deutschlands (1945 - 1949)

Der Kalte Krieg: Vom Kriegsende 1945  bis zum Bau der Berliner Mauer 1961

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Die Kanzlerschaft Ludwig Erhards 1963 - 1966

Kalter Krieg Teil 2: Von der Kubakrise 1962 bis zur Auflösung der Sowjetunion 1991

Die Zeit der Großen Koalition 1966 - 1969

Die Ära Brandt (1969 - 1974)

Die Kanzlerschaft Helmut Schmidts (1974 - 1982)

Die Kanzlerschaft Helmut Kohls von 1982 bis 1987

Die Kanzlerschaft Helmut Kohls von 1987 - 1989

Der Weg zur Wiedervereinigung Deutschlands (Teil I: Die DDR von den siebziger Jahren bis zum Fall der Mauer im Jahr 1989)

Vom Fall der Berliner Mauer bis zur deutschen Einheit (1989 - 1990)

 

 

 
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Die sozial-liberale Koalition 1969 - 1974


 Ostpolitik     Berlin-Abkommen     Ratifizierung Ostverträge     Deutschlandpolitik     Innere Reformen   Rücktritt     Literaturhinweise


Die Übernahme der Kanzlerschaft durch Willy Brandt 1969


  • Die Wahlen zum sechsten Deutschen Bundestag am 28. September 1969

  • Bei einer Wahlbeteiligung von 86,7% entfallen auf CDU/CSU 46,1% (1965: 47,6%; -1,5%). Die SPD kommt auf 42,7% (+3,4%), die FDP verbucht 5,8% (-3,7%). Die NPD verfehlt den Einzug in den Bundestag (4,3%, +2,3%)

Der Sieg der Sozialdemokraten kann als Bestätigung des mit dem Godesberger Programm von 1959 eingeleiteten Wandels der SPD von einer ideologisch bestimmten Klassenpartei zu einer auf die linke Mitte hin orientierten Volkspartei gewertet werden. Auch die charismatische Führungsfigur Willy Brandt und die während der Großen Koalition gezeigten Regierungsfähigkeit hatten der SPD neue Stimmen gebracht.

  • SPD und FDP verfügten zusammen über nicht mehr Sitze als 1965 (254 von 496 Sitzen). Damit lagen sie nur fünf Sitze über der Kanzlermehrheit. Willy Brandt und der Parteivorsitzende der FDP, Walter Scheel, verabredeten noch in der Wahlnacht die Bildung einer gemeinsamen Regierung.

Für die SPD lag die absolute Mehrheit außer Reichweite. So gab es für sie nur die Option, eine Koalition mit der FDP zu bilden. Die FDP hatte sich in ihren "Freiburger Thesen" von 1971 zu einem "demokratischen und sozialen Liberalismus" bekannt und war, im Gegensatz zu den Unionsparteien, für eine faktische Anerkennung der DDR und für Initiativen in der Ostpolitik eingetreten.

  • Der Parteivorsitzende der SPD, Willy Brandt, wird am 21.Oktober 1969 zum vierten Bundeskanzler gewählt.

Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik übernimmt ein Sozialdemokrat das Amt des Bundeskanzlers. Nach zwanzig Jahren Regierungsverantwortung wird die CDU/CSU in die Opposition verwiesen.

 

Willy Brandt (1913 - 1992). Aufnahme im Jahr 1969

1957-1966 Regierender Bürgermeister in Berlin, 1964-1987 Parteivorsitzender der SPD, 1966-1969 Bundesminister des Auswärtigen, 1969-1974 Bundeskanzler

Mit besonderer Genehmigung des Bildautors Josef Albert Slominski (slomifoto). Link: www.slomifoto.de

  • Die Regierungserklärung Willy Brandts am 28. Oktober 1969

 
  • Die Regierungserklärung stellt die programmatische Agenda der sozial-liberalen Regierung dar. Den Rahmen für die einzelnen Ziele bilden die Formeln "Kontinuität und Erneuerung", "Fähigkeit zum Wandel" und "Mehr Demokratie wagen".

  • Zum Verhältnis zur DDR  sagt Brandt: "Aufgabe der praktischen Politik  in den vor uns liegenden Jahren ist es, die Einheit der Nation dadurch zu wahren, dass das Verhältnis zwischen den Teilen Deutschlands aus der gegenwärtigen Verkrampfung gelöst wird. ... 20 Jahre nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland und der DDR müssen wir ein weiteres Auseinanderleben der deutschen Nation verhindern, also versuchen, über ein geregeltes Nebeneinander zu einem Miteinander zu kommen." Einen Akzent setzte Brandt im Bereich der Deutschlandpolitik: "Eine völkerrechtliche Anerkennung der DDR durch die Bundesregierung kann nicht in Betracht kommen. Auch wenn zwei Staaten in Deutschland existieren, sind sie füreinander nicht Ausland; ihre Beziehungen zueinander können nur von besonderer Art sein." Der Führung der DDR wurden Regierungsverhandlungen angeboten.

Brandt rückte deutlich von den bisherigen Positionen ab: dem Alleinvertretungsanspruch der Bundesrepublik sowie dem Ignorieren und der internationalen Isolierung der DDR. Die staatliche Existenz der DDR wurde anerkannt. Die 1955 etablierte Hallstein-Doktrin war damit aufgegeben.

  • Ankündigung von inneren Reformen mit dem Ziel einer Demokratisierung der Gesellschaft. Brandt: "Wir wollen eine Gesellschaft, die mehr Freiheit bietet und mehr Mitverantwortung fordert". Dazu zählte Brandt u.a. die Herabsetzung des Wahlalters, Reformen im Bereich der Betriebsverfassung, des Bildungswesens und des Gesundheitswesens, den Ausbau des Sozialsystems.

Mitwirkung, Mitbestimmung und Planung waren die Schlüsselbegriffe für die inneren Reformen. "Bildung und Ausbildung, Wissenschaft und Forschung" sollten, so Brandt, "an der Spitze der Reformen" stehen. Für die Bildungspolitik gab Brandt "Chancengleichheit" und "soziale Demokratie" vor.  Soziale Teilhabe sollte die Sozialpolitik bestimmen (Mitbestimmung der Arbeitnehmer sowie vielfältige Leistungsausweitungen im Gesundheits-, Renten- und Arbeitswesen und für Familien).

  • Ankündigung einer Politik zur Verbesserung der Lage West-Berlins.

  • Ankündigung von außenpolitischen Beiträgen zur Sicherung des Friedens.


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Die Ostpolitik der sozial-liberalen Regierung


  • Internationale Rahmenbedingungen

  • Anstelle der Zurückdrängung des Kommunismus fordern die führenden westlichen Staaten Entspannung, Verständigung, Zusammenarbeit und Versöhnung mit der Sowjetunion und den anderen osteuropäischen Staaten.

Angesichts der Kosten und Risiken stetiger Konfrontation kristallisierte sich in den sechziger Jahren zunehmend ein gemeinsames Interesse der USA und der Sowjetunion heraus, diese Belastungen abzubauen.

  • Die Entspannung bedeutete für die westlichen Bündnispartner, sich mit dem Status quo zwischen Ost und West zu arrangieren. Die Bundesrepublik, deren Außenpolitik auf eine Veränderung des Status quo angelegt war, geriet in den sechziger Jahren zunehmend in die Defensive. Es drohte sogar die Gefahr, die außenpolitische Bewegungsfreiheit zu verlieren.

Willy Brandt hatte sich seit dem Mauerbau 1961 (er war zu dieser Zeit Regierender Bürgermeister von West-Berlin) bereit gezeigt, das Verhältnis zur Sowjetunion und zur DDR neu zu gestalten. Zusammen mit der West-Berliner SPD setzte er schon damals darauf, durch vertragliche Anerkennung des Status quo die Vertragspartner in Moskau und Ost-Berlin zu politischen Auflockerungen und Kontakten zu bewegen, durch die schließlich der bestehende Zustand überwunden werden sollte. Egon Bahr, ein enger Mitarbeiter Brandts, hatte dieses Vorgehen auf die Formel "Wandel durch Annäherung" gebracht.

  Egon Bahr (*1922), deutscher Politiker, Mitglied der SPD

1972 - 1974 Bundesminister für besondere Aufgaben
1974 - 1976 Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit
  • Grundprobleme der Ostpolitik

  • Die Bundesregierung war bereit, den politisch-territorialen Status quo in Europa zur Kenntnis zu nehmen und sich in den Grenzfragen - ob polnische Westgrenze oder deutsch-deutsche Grenzlinie - zum Gewaltverzicht zu bekennen. Aufgrund des Wiedervereinigungsgebots des Grundgesetzes und der Vier-Mächte-Verantwortung für ganz Deutschland, war sie jedoch nicht in der Lage, die bestehende territoriale Lage als nicht veränderbar zu akzeptieren oder die DDR völkerrechtlich anzuerkennen.

Der Hinweis der Bundesregierung, dass sie Verträge, die nicht nur die Bundesrepublik, sondern auch die DDR oder die Grenzen eines gesamtdeutschen Staates betrafen, nicht abschließen könne, wurde von der Gegenseite nicht akzeptiert.

  • Die sowjetische Regierung beharrte auf der Anerkennung und Legalisierung des Status quo,  die Anerkennung der Grenzen in Europa als unabänderlich, die völkerrechtliche Anerkennung der DDR seitens der Bundesrepublik, den Verzicht auf den Wiedervereinigungsanspruch sowie auf Trennung West-Berlins vom Bund.

  • Verhandlungen mit der Sowjetunion

  • Zwischen Januar und Mai 1970 führte der Vertraute Willy Brandts, Egon Bahr, - ohne Einbeziehung des Außenministers Walter Scheel - in Moskau Vertragsverhandlungen mit der sowjetischen Regierung. Am 20.5. legte er in Bonn einen Vertragsentwurf vor, der als "Bahr-Papier" bekannt wurde.

  Walter Scheel, (*1919), 1961 -1966 Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, 1968 - 1974 Bundesvorsitzender der FDP, 1969 - 1974 Bundesminister des Auswärtigen, 1974 - 1979 Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland.

 Foto: bpa

In diesem Vertragsentwurf bekannten beide Parteien, von der "bestehenden wirklichen Lage" in Europa auszugehen, den Status quo also vorauszusetzen und faktisch anzuerkennen. Ein Gewaltverzicht wurde festgelegt, die Unantastbarkeit der bestehenden Grenzen beschlossen. Darüber hinaus enthielt das "Bahr-Papier" die grundsätzliche Übereinkunft zwischen Bonn und Moskau über von der Bundesrepublik zu schließende Verträge mit Polen, der Tschechoslowakei und der DDR. Auch die hauptsächlichen Inhalte dieser Verträge wurden bereits abgesprochen. Auf diese Weise sollte der Führungsanspruch der Sowjetunion akzeptiert werden.

  • Ende Juli 1970 reiste Außenminister Walter Scheel zu weiteren Verhandlungen nach Moskau. Wieder wurde um Formulierungen und Gewichtungen gerungen. Schließlich wurde eine "Brückenformulierung" gefunden, mit der die deutsche Konzession zur Grenzanerkennung als Bestandteil des Gewaltverzichts ausgewiesen und somit in ihrer Bedeutung etwas zurückgenommen wurde.

  • In dem am 12. August unterzeichneten "Moskauer Vertrag" verpflichtete sich die Bundesrepublik, die bestehenden Grenzen in Europa,  einschließlich der Oder-Neiße-Linie und der Grenzen der DDR, als unverletzlich zu betrachten. Änderungen der Grenzen sollten, sofern sie mit friedlichen Mitteln erreicht werden, weiterhin möglich sein. Im Hintergrund stand dabei der Gedanke an eine "friedliche" Wiedervereinigung Deutschlands und die Möglichkeit eines Zusammenschlusses westeuropäischer Staaten. - Die Bundesregierung machte die Ratifizierung des Abkommens von einer befriedigenden Berlinregelung abhängig.

Die Bundesregierung übergab der sowjetischen Regierung am Tag der Vertragsunterzeichnung einen "Brief zur deutschen Einheit", der Bestandteil des Vertragswerks wurde, ohne im Vertrag zu stehen. In dem Brief wurde festgehalten, dass der Moskauer Vertrag "nicht im Widerspruch zu dem politischen Ziel der Bundesrepublik Deutschland steht, auf einen Zustand des Friedens in Europa hinzuwirken, in dem das deutsche Volk in freier Selbstbestimmung seine Einheit wiedererlangt."

  • Der Warschauer Vertrag

  • Bei den Verhandlungen in Warschau ging es der polnischen Regierung in erster Linie um die Anerkennung der Oder-Neiße-Linie als Grenze zwischen Deutschland und Polen.

Da die Oder-Neiße-Linie keine Grenze zur Bundesrepublik darstellte, konnte die Bundesregierung  völkerrechtlich darüber gar nicht verfügen. Außerdem wurden die Rechte der Vier Mächte in Bezug auf Deutschland als Ganzes berührt.

  • Trotz der oben genannten Einschränkungen  sah sich die Bundesregierung aus politischen Gründen veranlasst, sich zur Grenzfrage zu äußern. Im "Warschauer Vertrag", der am 7. Dezember 1970 von Bundeskanzler Willy Brandt unterzeichnet wurde, erkannte Bonn die "bestehende Grenzlinie" als "westliche Staatsgrenze der Volksrepublik Polen" unter gesamtdeutschen Vorbehalt (Wiedervereinigung) an. Außerdem versicherte die Bundesregierung, "keine Gebietsansprüche gegen Polen" zu haben. Gleichzeitig sagte die polnische Regierung zu, eine größere Zahl von Deutschen und Deutschstämmigen aus Polen ausreisen zu lassen.

  Kniefall Willy Brandt vor dem Denkmal für die Opfer des Warschauer Ghettos

Photographie, Bundesbildstelle, Bonn

Einen tiefen Eindruck hinterließ Willy Brandt, als er vor dem Denkmal für die Opfer des Warschauer Ghettos niederkniete und damit die deutsche Schuld und die Verantwortung der Bundesrepublik für die Opfer der nationalsozialistischen Herrschaft zum Ausdruck brachte.

  • Der Prager Vertrag

  • Nachdem Einigung über die von der Bundesrepublik geforderte volle Einbeziehung West-Berlins in die Abmachungen erzielt werden kann, wird der Vertrag am 11.12. 1973 in Prag von Willy Brandt und dem tschechoslowakischen Ministerpräsidenten Lubomir Strougal unterzeichnet.

  • Der Prager Vertrag war formal ein Gewaltverzichts- und Grenzanerkennungsvertrag. Darüber hinaus wurde die Nichtigkeit des Münchener Abkommens vom 29.9.1938 im Vertrag festgehalten. In Begleitpapieren werden Fragen der Familienzusammenführung  und - durch eine einseitige Erklärung der Tschechoslowakei - die Aussetzung von Rechtsfolgen aus der Nichtigkeitserklärung zum Münchener Abkommen behandelt. Die Legitimität der Vertreibung der Sudetendeutschen wurde vom Vertrag ausgeklammert.

  • Bilanz der Ostpolitik

  • Gewaltverzichts- und Grenzanerkennungsverträge bedeuteten die faktische Anerkennung des Status quo nach 1945 durch die Bundesrepublik

  • Anerkennung der Oder-Neiße-Linie als polnische Westgrenze und somit des Verlustes der Ostgebiete

  • Anerkennung der DDR als Staat und damit der deutschen Teilung

  • Anerkennung der sowjetischen Hegemonie in Osteuropa

  • Befreiung aus der sich anbahnenden Isolation innerhalb des westlichen Bündnissystems durch Anpassung an die auf Entspannung ausgerichteten Politik der USA und der Sowjetunion.

Die Außenpolitik der Bundesregierung gewann nun neue Handlungsspielräume und in der Deutschlandpolitik die Möglichkeit, das Verhältnis zwischen den deutschen Staaten zu regulieren und "menschliche Erleichterungen" zu schaffen.

  • Der greifbarste Gewinn lag in einem Abkommen der Vier Mächte, mit dem die Bindung West-Berlins an die Bundesrepublik gesichert wurde. Die Bundesregierung hatte die Ratifizierung der Ostverträge von dem Abschluss eines solchen "Berlin-Abkommens" abhängig gemacht. Das Abkommen war auch Vorbedingung für Verträge mit Ost-Berlin.


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Das Berlin-Abkommen


  • Ziel des Vier-Mächte-Abkommens über Berlin war, die politische und rechtliche Stellung der Stadt zu fixieren und die Situation ihrer Bewohner zu verbessern. Die Zuordnung West-Berlin zum Bund sollte festgeschrieben und der Zugang von der Bundesrepublik nach West-Berlin gesichert werden. Außerdem sollten Regelungen für den Zutritt der West-Berliner nach Ost-Berlin und in die übrige DDR gefunden werden.

  • Am 3. September 1971 wurde das Berlin-Abkommen von den vier Mächten unterzeichnet. Die Unterzeichnung des Schlussprotokolls erfolgte am 3. Juni 1972, so dass das Berlin-Abkommen und die dann ratifizierten Ostverträge zu gleicher Zeit in Kraft traten. Das Abkommen hält den Willen der Vier Mächte fest, Streitigkeiten mit friedlichen Mitteln beizulegen und ihre gemeinsamen Rechte und Verantwortlichkeiten in Berlin zu achten. Die engen und besonderen Bindungen zwischen der Bundesrepublik und West-Berlin sollen "aufrecht erhalten und entwickelt werden". Schließlich garantierte die Sowjetunion einen ungehinderten Transitverkehr zwischen den Westsektoren Berlins und dem Bundesgebiet.

Das Berlin-Abkommen verknüpfte die Ostpolitik der Regierung Brandt mit der Entspannungspolitik der Westmächte. Die Sowjetunion entrichtete mit dem Abkommen die Gegenleistung für die in den Ostverträgen gemachten Zusagen der Bundesrepublik.


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Die Ratifizierung der Ostverträge


  • Die Ratifizierung der Ostverträge in Bundestag und Bundesrat galt lange als ungewiss. Unsicher war, ob der Stimmenvorsprung der sozial-liberalen Koalition im Bundestag ausreichen oder ob einzelne Abgeordnete von SPD und FDP, denen die Zugeständnisse an die östlichen Vertragspartner zu weit gingen, die Verträge ablehnen oder gar zur Opposition wechseln würden. Unklar war auch, ob die Unionsparteien dem Vertragswerk zustimmen würden.

  • Der Partei- und Fraktionsvorsitzende der CDU, Rainer Barzel, erklärte anlässlich der ersten Lesung der Ostverträge am 23.Februar 1972, die Verträge seien so nicht annehmbar, weil sie den deutschen Interessen widersprächen. Als Voraussetzung für die Zustimmung der CDU/CSU stellt Barzel drei Forderungen zur Nachbesserung der Verträge: die Anerkennung der Europäischen Gemeinschaft (EG) durch die Sowjetunion, eine Bestätigung des Selbstbestimmungsrechts der Deutschen im Vertragswerk und schließlich die "verbindlich vereinbarte Absicht", stufenweise die Freizügigkeit in Deutschland herzustellen.

 

Rainer Barzel (*1924, †2006), 1962/1963 Bundesminister für Gesamtdeutsche Fragen, 1971 - 1973 Vorsitzender der CDU, 1982 - 1983 Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen, 1983 - 1984 Bundestagspräsident

Bild: FAZ (Ausschnitt)

Der Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, Leonid Breschnew geht auf zwei dieser Forderungen ein: Er erklärt sich bereit, die EG anzuerkennen und bestätigt, dass der "Brief zur deutschen Einheit" (siehe oben) Teil des Vertrages ist. Trotz weitgehender Erfüllung seiner Forderungen kann Barzel eine Zustimmung zu den Ostverträgen in der CDU/CSU nicht durchsetzen.

  • Im Vorfeld der Abstimmung über die Ostverträge bröckelte die parlamentarische Mehrheit der sozial-liberalen Koalition immer mehr ab. Parteiübertritte und Fraktionswechsel einzelner Abgeordneter ließen die Verabschiedung der Verträge als unsicher erscheinen. In dieser Situation wagte Rainer Barzel den Versuch, die Bundesregierung über ein konstruktives Misstrauensvotum zu stürzen und selbst die Regierung zu übernehmen. Bei der Abstimmung am 27. April 1972 verfehlte Barzel die erforderliche Mehrheit um zwei Stimmen. Da auch die Regierung Brandt keine Mehrheit im Bundestag mehr hinter sich wusste, wurden für den November 1972 vorzeitige Neuwahlen angesetzt. Die Ratifizierung der Ostverträge sollten noch vor den Neuwahlen abgewickelt werden.

  • Vor der Abstimmung über die Ostverträge verständigt sich die CDU/CSU-Fraktion auf Stimmenthaltung; einigen Abgeordneten wird die Ablehnung zugestanden. Am 17. Mai 1972 billigt der Bundestag mit der Mehrheit seiner Mitglieder die Ostverträge. Für die Annahme des Moskauer Vertrags werden 248 Ja-Stimmen, 238 Enthaltungen und 10 Nein-Stimmen abgegeben. Der Warschauer Vertrag erhält 248 Ja-Stimmen, 231 Enthaltungen und 17 Nein-Stimmen.

 

Die im Warschauer Vertrag vollzogene Anerkennung der Oder-Neiße-Linie durch die Bundesrepublik trug erheblich zur angestrebten Normalisierung der Beziehungen mit Polen bei. Das Zugeständnis Willy Brandts stieß in Teilen Deutschlands auf die Kritik, dass diese Anerkennung einer Aufgabe der ehemaligen Ostgebiete gleichkäme. Der deutsche Bundeskanzler vertrat die Meinung, dass der Vertrag letztlich "nichts preisgibt, was nicht schon verspielt worden" sei. In einem Gespräch mit dem polnischen Außenminister Stefan Olszowski wies Willy Brandt auf das Unrecht der deutschen Vertreibung hin.


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Die Deutschlandpolitik


  •  Der Kontakt zwischen den Deutschen in Ost und West sollte ermöglicht und verstärkt, weitest mögliche Erleichterungen für die von der Teilung betroffenen Menschen geschaffen werden.

  • Parallel zu ihren Gesprächen mit der Sowjetunion und Polen nahm die Bundesregierung offiziellen Kontakt zur Regierung der DDR auf. Im März und Mai 1970 kam es zu zwei Begegnungen zwischen Willy Brandt und Willi Stoph. Sie führten jedoch eher zu einer Konfrontation als zu einer Verständigung. Ende November 1970 - nach Abschluss des Moskauer Vertrags - wurden neue, erfolgreichere Gespräche aufgenommen.

  • Mit Wirkung vom 31. Januar 1971 wird der seit 1952 unterbrochene Fernsprechverkehr zwischen den beiden Stadthälften Berlins wieder aufgenommen. Am 30.9.1971 unterzeichnen Vertreter der beiden deutschen Postministerien ein Post- und Fernmeldeabkommen.

  • Am 17. Dezember 1971 unterzeichnen die Staatssekretäre Egon Bahr (BRD) und Michael Kohl (DDR) in Ost-Berlin als ersten Vertrag zwischen beiden deutschen Staaten ein Transitabkommen. Es regelt den Transport von zivilen Gütern und Personen auf Straßen, Schienen und Wasserwegen zwischen der Bundesrepublik und West-Berlin.

  • Am 20. Dezember 1971 werden zwischen der DDR-Regierung und dem West-Berliner Senat Vereinbarungen über Verbesserungen des Reise- und Besucherverkehrs unterzeichnet.

  • Im Verkehrsvertrag vom 26. Mai 1972 werden die Regelungen des Transitabkommens erweitert. Der Vertrag ermöglicht sowohl Reiseerleichterungen für Bürger der Bundesrepublik als auch für DDR-Bürger.

  • Grundlagenvertrag

  • Entscheidender Punkt des am 21. Dezember 1972 unterzeichneten Grundlagenvertrags war die Formalisierung des zwischenstaatlichen Verhältnisses. Zwar konnte die DDR ihre völkerrechtliche Anerkennung durch die Bundesrepublik nicht durchsetzen, doch wurden ihr Staatscharakter und staatsrechtliche Souveränität bestätigt. Eine eigenständige Staatsangehörigkeit der DDR wurde von der Bundesregierung nicht anerkannt.

  • Die beiden deutschen Staaten vereinbarten, Streitfragen ausschließlich mit friedlichen Mitteln zu lösen, keine internationale Vertretung des anderen Staates vorzunehmen und die Hoheitsgewalt auf das eigene Staatsgebiet zu beschränken. Anstelle des Austausches von Botschaftern wurden "Ständige Vertretungen" eingerichtet.

  • Der Grundlagenvertrag ebnete der DDR den Weg zur völkerrechtlichen Anerkennung durch westlichen Staaten und zur Aufnahme in internationale Organisationen. Im September 1973 wurde die DDR - gemeinsam mit der Bundesrepublik - Mitglied der Vereinten Nationen.


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Innere Reformen der Regierung Brandt


  • Die gesamte Reformpolitik der Regierung Brandt wurde von dem optimistischen Glauben an die Möglichkeit der umfassenden und langfristigen Planung und Gestaltung der Zukunft angetrieben.

  • Bildungspolitik

  • Bereits die Große Koalition hatte die Bundeskompetenz auf dem Bildungssektor ausgeweitet und ein Programm zur Neugründung von Hochschulen initiiert. Daran knüpfte die sozial-liberale Koalition an. Die Bildungspolitik entwickelte sich zu einem Kampfplatz, auf dem die Regierung ihre Reformansätze, die auf mehr Chancengleichheit für Kinder aus unterschiedlichen sozialen Schichten und neue Bildungsinhalte zielten, nur unvollkommen durchsetzen konnte. Dies gilt sowohl für die Einführung der Gesamtschule als auch für die Reorganisation der Universitäten.

  • Zwischen den Parteien und auch zwischen Bund und Ländern war man sich über die Notwendigkeit quantitativer Reformen im Zusammenhang mit dem technischen, wirtschaftlichen und sozialen Wandel einig. Konfliktpotential lag in den auf Gleichheit zielenden Bildungs- und Lernzielen, die den gesellschaftspolitischen Ansprüchen der sozial-liberalen Koalition entsprachen. Gesamtschule und Orientierungsstufe, Lehrerbildung und Hochschulmitbestimmung standen im Mittelpunkt einer polarisierten Bildungsdiskussion.

  • Sozialpolitik

  • Die bedeutendste Weiterentwicklung war die Neuregelung der Mitbestimmung, die in der Ausbalancierung der Gewichte von Kapital und Arbeit in den Unternehmen die Anteile leicht verschob und nun auch den Angestellten einen Einfluss zumaß.

"Soziale Demokratie" bedeutete für die Sozialdemokraten gesellschaftliche Teilhabe aller Schichten und Berufsgruppen. Die Ausweitung der Mitbestimmung hatte daher in erster Linie eine sozial-ökonomische Dimension. Das Betriebsverfassungsgesetz von 1972 erweiterte die Rechte der Betriebsräte in personellen und sozialen Angelegenheiten.

  • Mit der Rentenreform von 1972 wurden die Leistungen und der Kreis der Berechtigten der staatlichen Alterssicherung ausgeweitet. Das allgemeine Rentenniveau wurde erhöht und eine Mindestrente eingeführt. Außerdem erfolgte die Öffnung des staatlichen Rentensystems für Selbständige und Hausfrauen. Auch die flexible Altersgrenze wurde eingeführt. - Derselbe Mechanismus kam in der gesetzlichen Krankenversicherung zum Tragen: durch die Einbeziehung von Landwirten und Studenten sowie durch die Ausweitung der Leistungen.

Da neue programmatische Initiativen und strukturelle Reformen infolge der auseinander gehenden Ansichten der Koalitionspartner schwierig waren, verlegte man sich auf die Leistungsexpansion innerhalb etablierter Strukturen. "Soziale Demokratie" als materielle Teilhabe bedeutete die Expansion des Sozialstaats - von der Korrektur sozialer Defizite bis zum Ausbau sozialer Sicherheit in Richtung umfassender Versorgung und der Befriedigung vielfältiger Bedürfnisse.

  • Die Finanzierbarkeit der Reformen

  • Die Rückkehr zu Wachstum und Vollbeschäftigung hatte die Regierung Brandt in eine günstige Ausgangslage gebracht. Die von der Großen Koalition geschaffenen Instrumentarien zur Steuerung der Konjunktur schienen eine gute Voraussetzung zu sein, um die finanziellen Mittel zur Realisierung der angestrebten inneren Reformen bereitstellen zu können. Voller Optimismus angesichts der hohen Wachstumsraten zu Beginn der siebziger Jahre wurden die sozialen Leistungsansprüche von der finanziellen Leistungskraft abgekoppelt.

  • Die finanziellen Wünsche der Ressorts waren bald nicht mehr mit den Prinzipien einer guten Haushaltspolitik in Einklang zu bringen. Als eine konjunkturelle Abflachung geringere Steuereinnahmen erwarten ließ, sah sich Finanzminister Alex Möller angesichts der Deckungslücken im Bundeshaushalt genötigt, am 12. Mai 1971 seinen Rücktritt einzureichen. Sein Nachfolger im Amt, Karl Schiller, der auch das Wirtschaftsministerium übernommen hatte, musste erkennen, dass die von ihm selbst entwickelten konjunkturpolitischen Steuerungsinstrumente kaum wirksam waren. Nur 14 Monate nach Möller trat auch er zurück. Große Reformvorhaben (unter anderem das Abtreibungsrecht nach §218 StGB) kamen nicht mehr voran, weil sie nicht mehr finanziert werden konnten.

     

    Der Wirtschafts- und Finanzminister Karl Schiller galt als designierter Nachfolger von Bundeskanzler Willy Brandt. Am Wahlsieg der SPD im Jahr 1969 hatte er einen wesentlichen Anteil gehabt. In der Partei und in der SPD-Bundestagsfraktion fand Karl Schiller kaum Rückhalt, einige bittere Niederlagen waren die Folge. Als im Kabinett eine eher unwichtige Vorlage zur Devisenkontrolle eingebracht wurde, gegen die er sich erfolglos zur Wehr setzte, war für ihn das Maß voll. Am 2. Juli 1972 bat er in einem Schreiben voller Verbitterung Willy Brandt um seinen Rücktritt. Der Bundeskanzler entsprach dem Wunsch. Zum Nachfolger bestimmte er Schillers größten politischen Gegner - Helmut Schmidt.

     

    Karl Schiller (1911 - 1994)

    1966 - 1971 Bundeswirtschaftsminister, 1971 -1972 Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen

    Photographie, Deutsches Historisches Museum, Inv-Nr. D2941486


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Die zweite Regierung Willy Brandts (1972 - 1974)


  • Die vorgezogenen Neuwahlen zum Bundestag am 19. November 1972

  • Die Bundestagswahl geriet zu einer Volksabstimmung über die Ostpolitik der sozial-liberalen Koalition. Zusätzliches Gewicht erhielt die Wahl dadurch, dass wenige Tage zuvor auch der Grundlagenvertrag mit der DDR paraphiert war und somit die Fortschritte im deutsch-deutschen Verhältnis indirekt mit zur Abstimmung standen. Die Neuwahlen wurden zum Triumph für SPD und FDP: Die SPD gewann abermals 3,1 Prozentpunkte und wurde mit 45,8% stärkste Fraktion im neuen Bundestag. Die FDP verbesserte sich wieder auf  8,4%, die Unionsparteien gingen auf 44,9% zurück.

  • Mit ihrem Wahlsieg vom 19. November 1972 hatte die sozial-liberale Koalition ihren Höhepunkt erklommen. Von diesem Tag an ging es sprichwörtlich bergab. Aufgrund einer Erkrankung Willy Brandts lief die Regierungsbildung an ihm vorbei. Der unumstritten starke Mann im Kabinett war Helmut Schmidt.

  • Der Zusammenbruch der Hochkonjunktur

  • Defizite in der US-amerikanischen Zahlungsbilanz als Folge des Vietnam-Krieges hatten Ende der sechziger Jahre den Dollar unter Druck gesetzt und zu Krisen im System stabiler Wechselkurse (Bretton-Woods-System) geführt. Im Jahr 1971 mussten die Regierungen dramatische Maßnahmen ergreifen: so zum Beispiel die vorübergehende Freigabe des DM-Wechselkurses durch die Bundesregierung im Mai und die unilaterale Lösung des Dollar vom Gold durch die US-amerikanische Regierung im August.

  • Der infolge der expansiven Geldpolitik der USA schwache Dollar führte zu einem Run auf die D-Mark und zu massiven Devisenzuflüssen in die Bundesrepublik, welche die durch die Expansion der Staatsausgaben ausgelöste Inflation weiter anheizten. Die verstärkten Kapitalbewegungen brachten das System stabiler Wechselkurse endgültig zum Einsturz. Im März 1973 gaben sechs europäische Regierungen (darunter die Bundesregierung) den Dollarkurs frei und lösten somit ihre Währungen von der amerikanischen Leitwährung. Der Zusammenbruch der seit Kriegsende bestehenden Währungsordnung zog erhebliche Währungsturbulenzen nach sich. Die Bundesbank sah sich gezwungen, zu einer stark restriktiven und stabilitätsorientierten Geldpolitik überzugehen. Ein schwerer Konjunktureinbruch ab Herbst 1973 führte die Bundesrepublik in die schärfste Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg.

Eine Trendwende zeichnete sich ab: ein struktureller Übergang von hohen Wachstumsraten der Wirtschaft und von Vollbeschäftigung zur "Stagflation" (hoher Inflation bei niedriger oder gar negativen Wachstumsraten und gleichzeitiger Arbeitslosigkeit).

Nebenbei bemerkt: Am 14. Mai 1973 wird die erste amerikanische Raumstation, die "Skylab 1", von Cape Kennedy (heute Cape Canaveral) aus gestartet. Am 11. Juli 197
9 stürzt sie über Südwestaustralien ab.

  • Ölkrise

Am 6. Oktober 1973 brach der vierte Nahostkrieg zwischen Israel und arabischen Staaten aus. Als sich der Krieg zugunsten Israels neigt, griffen die Öl exportierenden arabischen Staaten zum Öl als Waffe. Sie verhängten einen Lieferboykott gegen die USA und die Niederlande, der bald auch auf die anderen westlichen Länder ausgedehnt wurde. In der Bundesrepublik beschleunigte die Verteuerung des Erdöls den Preisaufschwung und den Anstieg der Arbeitslosigkeit. Die Inflationsrate stieg von 2,1% im Jahr 1969 auf 7% im Jahr 1973.

   
 

Der arabische Angriff traf  Israel völlig unerwartet, denn er erfolgte am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur, dem Versöhnungstag. Die israelischen Stellungen an der Bar-Lew-Linie am Ostüfer des Suezkanals waren daher hoffnungslos unterbesetzt und sahen sich der ägyptischen Übermacht hilflos ausgeliefert. Auf den Golanhöhen, welche die Israelis 1967 besetzt hatten, mussten es gerade einmal 177 israelische mit 930 syrischen Panzern aufnehmen. In den ersten drei Tagen fielen 1500 bis 2000 israelische Soldaten. Erst als US-Präsident Nixon beschloss, Israel zu unterstützen, wendete sich das Blatt. Am 12. Oktober setzten die Vereinigten Staaten eine Luftbrücke in Gang, die die Israelis mit Kriegsmaterial versorgte. Die Israelis starteten eine Gegenoffensive. Am Ende konnten sie den Kampf für sich entscheiden. Die arabischen Länder verhängten ein Ölembargo, das die USA und Europa empfindlich zu spüren bekamen.

  • Das Scheitern der Globalsteuerung der Wirtschaft

  • Im Jahr 1967 war der Globalsteuerung die schnelle Überwindung der Rezession zugerechnet worden. Jetzt zeigte sich, dass sie die schweren Wirtschafts- und Währungsturbulenzen nicht beseitigen konnte. Konjunkturpolitische Maßnahmen auf der Beschäftigungsseite zeigten sich wirkungslos. Außerdem mangelte es der staatlichen Ausgabetätigkeit an der für die Steuerung erforderlichen Flexibilität und Effektivität.

  • Mit dem wirtschaftlichen Umschwung von 1973 schwand der Glaube an die Steuerbarkeit des Wirtschaftsgeschehens. Auch der Glaube an eine uneingeschränkte Machbarkeit und  eine technokratische Zukunftsplanung ging verloren.

  • Der Rücktritt Willy Brandts

  • In seiner zweiten Regierungserklärung nach seiner Wiederwahl als Bundeskanzler blieb Willy Brandt ohne deutliche politische, gar reformpolitische Zielvorgaben. Sein Verlust an Zuversicht, der bereits zu Beginn  seiner zweiten Amtszeit deutlich wurde, verstärkte sich durch die wirtschaftlichen Krisen des Jahres 1973. Im Kabinett zeigte er plötzlich Führungsschwäche.

Verantwortlich dafür, dass Willy Brandt zunehmend auch die Kontrolle über die politische Entwicklung in der Bundesrepublik verlor, war neben seiner physisch eingeschränkten Leistungskraft die Tatsache, dass er nach dem von Herbert Wehner und Helmut Schmidt durchgesetzten Ausscheiden von Horst Ehmke aus dem Kanzleramt nicht mehr über ein leistungsfähiges Umfeld verfügte, das ihm zuarbeitete und seine Schwächen kompensierte. Brandt scharte im Kanzleramt einen kleinen Kreis von Vertrauten (Egon Bahr, Klaus Harpprecht, Günter Gaus) um sich, der allerdings wie ein "Hofstaat" agierte. Das Arbeitsklima in der Führungsspitze der sozial-liberalen Koalition verschlechterte sich deshalb zusehends. 

 
 

Helmut Schmidt (1918 -   ), Bundesverteidigungsminister 1969 - 1972, Bundeswirtschafts- und Finanzminister 1972, Bundesfinanzminister 1972 - 1974, Bundeskanzler 1974 - 1982

Aufnahme im Jahre 1974

Mit besonderer Genehmigung des Bildautors Josef Albert Slominski (slomifoto). Link: www.slomifoto.de

  • Ende September 1973 kritisierte Herbert Wehner die Führungsschwäche Willy Brandts. Ausgerechnet in Moskau hielt er vor deutschen Journalisten der "Nummer eins" vor, sie sei "entrückt" und "abgeschlafft", der Kanzler bade "gern lau - so in einem Schaumbad". Brandt vermochte es nicht,  im Präsidium und in der Bundestagsfraktion der SPD die Ablösung Wehners als Fraktionsvorsitzender durchzusetzen.

  • Wie sehr der Kanzler die Zügel aus der Hand gegeben hatte, zeigte sich im Februar 1974 als die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr  unter ihrem Vorsitzenden Heinz Kluncker Bund, Länder und Gemeinden eine Lohnsteigerung von 11% abrang. Im Vorfeld hatte sich Willy Brandt gegen einen zweistelligen Abschluss ausgesprochen.

Die Lohnsteigerung wurde in der Öffentlichkeit als Kapitulation des Staates vor seinen Bediensteten empfunden. Die Quittung für die offensichtliche Führungsschwäche der Regierung erhielt die SPD wenige Wochen später bei der Hamburger Bürgerschaftswahl vom 3. März 1974. Die SPD verlor 10,4%, während die CDU 7,8% hinzugewann.

  • Am 24. April wurde Brandts persönlicher Referent im Kanzleramt, Günter Guillaume, als Agent der Staatssicherheit der DDR verhaftet. Brandt dachte deswegen nicht an Rücktritt. Erst als Dinge aus Brandts Privatleben bekannt wurden, die als Erpressungspotential gegen den Kanzler angesehen werden konnten, gewann die Krise eine eigene Dynamik. Resigniert erklärte Willy Brandt am 6. Mai 1974 seinen Rücktritt.

Nebenbei bemerkt:  An 26. April  1974 billigt der Deutsche Bundestag die „Fristenregelung“ für den Schwangerschaftsabbruch. Danach ist eine Abtreibung innerhalb der ersten zwölf Wochen straffrei.


Allen Schülern und Studenten, die gerade eine Prüfung zu bestehen haben, wünschen wir viel Erfolg.  Wir drücken auch die Daumen für diejenigen, die eine Klausur schreiben müssen oder eine Hausarbeit bzw. Referat anzufertigen haben.


Literaturhinweise


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Machtwechsel. Die Ära Brandt-Scheel, Stuttgart 1993

Bracher, Karl Dietrich/ Theodor Eschenburg/Joachim Fest/Eberhard Jäckel (Hrsg.)

Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart und Wiesbaden 1983, Band 4/I: K.D. Bracher / W.Jäger / W. Link: Republik im Wandel 1969 - 1974. Die Ära Brandt.

Dülfer, Jost

Europa im Ost-West-Konflikt. 1945-1990 (=Oldenbourg Grundriss der Geschichte 18). München 2004

Ellwein, Th. / Holtmann, E. (Hrsg.)

50 Jahre Bundesrepublik Deutschland. Rahmenbedingungen, Entwicklungen, Perspektive. Opladen 1999

Görtemaker, M.

Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Von der Gründung bis zur Gegenwart. München 1999

Hobsbawn, E.

Das Zeitalter der Extreme. Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts. München 1995

Recker, M.-L.

Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. München 2002

Rödder, A.

Die Bundesrepublik Deutschland 1969 - 1990, Oldenbourg Grundriss der Geschichte. München 2004

Steininger, Rolf

Deutsche Geschichte, Darstellung und Dokumente in vier Bänden, Frankfurt am Main 2002. Band 3: 1955 - 1974 (454 Seiten, Fischer Taschenbuch 15582).

Wirsching, A.

Deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert. München 2001


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