Die Welt des späten
Mittelalters (1250 - 1400)
Das Ende der Luxemburger
und der Aufstieg der Habsburger Kaiserdynastie (1400 - 1517)
Die Reformation von
Luthers Anschlag der 95 Thesen bis zum Wormser Reichstag (1517 - 1521)
Der Dreißigjährige Krieg
(1618 - 1648)
Vom Westfälischen Frieden
(1648) bis zum Regierungsantritt Friedrichs des Großen (1740)
Der Aufstieg Preußens zur
europäischen Großmacht (1740 - 1763)
Die Französische
Revolution bis zum Ende der Diktatur Robespierres (1789 - 1794)
Deutschland in der Zeit der
Französischen Revolution und der Herrschaft Napoleons (1789 - 1815)
Restauration und
Revolution (1815 - 1830)
Monarchie und Bürgertum (1830
- 1847)
Die Revolution von
1848/49
Von der gescheiterten
Revolution 1848 bis zur Gründung des Deutschen Reiches 1871
Die Innen- und Außenpolitik
Bismarcks (1871 - 1890)
Das Deutsche Kaiserreich
von 1890 bis zum Ausbruch der Ersten Weltkriegs 1914
Die Industrielle
Revolution in England und Deutschland (1780 - 1914)
Europäischer
Kolonialismus und Imperialismus (1520 - 1914)
Der Erste Weltkrieg (1914 -
1918)
Der Weg zur Weimarer
Republik 1918 - 1919
Der Kampf um die Staatsgewalt
in der Weimarer Republik (1919 - 1933)
Die Machtübernahme der NSDAP
und die Errichtung der Diktatur Hitlers (1933 - 1939)
Der Zweite Weltkrieg (1939
- 1945)
Der Weg in die Teilung
Deutschlands (1945 - 1949)
Der Kalte Krieg: Vom
Kriegsende 1945 bis zum Bau der Berliner Mauer 1961
Die Ära Adenauer (1949 -
1963)
Die Kanzlerschaft Ludwig
Erhards 1963 - 1966
Kalter Krieg Teil 2: Von
der Kubakrise 1962 bis zur Auflösung der Sowjetunion 1991
Die Zeit der Großen
Koalition 1966 - 1969
Die Ära Brandt (1969 - 1974)
Die Kanzlerschaft Helmut
Schmidts (1974 - 1982)
Die Kanzlerschaft Helmut
Kohls von 1982 bis 1987
Die Kanzlerschaft Helmut
Kohls von 1987 - 1989
Der Weg zur
Wiedervereinigung Deutschlands (Teil I: Die DDR von den siebziger Jahren
bis zum Fall der Mauer im Jahr 1989)
Vom Fall der Berliner
Mauer bis zur deutschen Einheit (1989 - 1990)
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Geschichte
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Die sozial-liberale Koalition 1969 - 1974
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Ostpolitik
Berlin-Abkommen
Ratifizierung Ostverträge
Deutschlandpolitik
Innere Reformen
Rücktritt
Literaturhinweise
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Die Übernahme der Kanzlerschaft
durch Willy Brandt 1969
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Bei einer Wahlbeteiligung von
86,7% entfallen auf CDU/CSU 46,1% (1965:
47,6%; -1,5%). Die SPD kommt auf 42,7%
(+3,4%), die FDP verbucht 5,8% (-3,7%). Die
NPD verfehlt den Einzug in den Bundestag
(4,3%, +2,3%)
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Der
Sieg der
Sozialdemokraten kann als Bestätigung des
mit dem Godesberger Programm von 1959
eingeleiteten Wandels der SPD von einer
ideologisch bestimmten Klassenpartei zu einer
auf die linke Mitte hin orientierten Volkspartei
gewertet werden. Auch die charismatische
Führungsfigur Willy Brandt und die
während der Großen Koalition gezeigten
Regierungsfähigkeit hatten der SPD neue Stimmen
gebracht.
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SPD und FDP verfügten zusammen
über nicht mehr Sitze als 1965 (254 von
496
Sitzen). Damit lagen sie nur fünf Sitze über der
Kanzlermehrheit. Willy Brandt
und der
Parteivorsitzende der FDP,
Walter Scheel,
verabredeten noch in der Wahlnacht die Bildung einer
gemeinsamen Regierung.
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Für die SPD lag
die absolute Mehrheit außer Reichweite. So gab
es für sie nur die Option, eine
Koalition mit
der FDP zu bilden. Die FDP hatte sich in
ihren "Freiburger Thesen" von 1971 zu
einem "demokratischen und sozialen Liberalismus"
bekannt und war, im Gegensatz zu den
Unionsparteien, für eine faktische Anerkennung
der DDR und für Initiativen in der Ostpolitik
eingetreten.
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Erstmals in der
Geschichte der Bundesrepublik übernimmt ein
Sozialdemokrat das Amt des Bundeskanzlers. Nach
zwanzig Jahren Regierungsverantwortung wird die
CDU/CSU in die Opposition verwiesen.
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Willy
Brandt (1913 - 1992). Aufnahme im
Jahr 1969
1957-1966 Regierender
Bürgermeister in Berlin, 1964-1987
Parteivorsitzender der SPD, 1966-1969
Bundesminister des Auswärtigen,
1969-1974 Bundeskanzler
Mit besonderer Genehmigung des
Bildautors Josef Albert
Slominski (slomifoto).
Link:
www.slomifoto.de
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- Die Regierungserklärung
stellt die programmatische Agenda der sozial-liberalen
Regierung dar. Den Rahmen für die einzelnen Ziele bilden
die Formeln "Kontinuität und Erneuerung", "Fähigkeit zum
Wandel" und "Mehr Demokratie wagen".
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Zum
Verhältnis zur DDR
sagt Brandt: "Aufgabe der praktischen Politik in
den vor uns liegenden Jahren ist es, die Einheit der
Nation dadurch zu wahren, dass das Verhältnis
zwischen den Teilen Deutschlands aus der
gegenwärtigen Verkrampfung gelöst wird. ... 20 Jahre
nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland und der
DDR müssen wir ein weiteres Auseinanderleben der
deutschen Nation verhindern, also versuchen, über
ein geregeltes Nebeneinander zu einem
Miteinander zu kommen." Einen Akzent setzte
Brandt im Bereich der Deutschlandpolitik:
"Eine völkerrechtliche Anerkennung der DDR durch die
Bundesregierung kann nicht in Betracht kommen. Auch
wenn zwei Staaten in Deutschland existieren, sind
sie füreinander nicht Ausland; ihre Beziehungen
zueinander können nur von besonderer Art sein." Der
Führung der DDR wurden Regierungsverhandlungen
angeboten.
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Brandt rückte
deutlich von den bisherigen Positionen ab: dem
Alleinvertretungsanspruch der Bundesrepublik
sowie dem Ignorieren und der internationalen
Isolierung der DDR. Die staatliche Existenz der
DDR wurde anerkannt. Die 1955 etablierte
Hallstein-Doktrin war damit aufgegeben.
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Ankündigung von
inneren
Reformen mit dem Ziel einer
Demokratisierung
der Gesellschaft. Brandt: "Wir wollen eine
Gesellschaft, die mehr Freiheit bietet und mehr
Mitverantwortung fordert". Dazu zählte Brandt u.a.
die Herabsetzung des Wahlalters, Reformen im Bereich
der Betriebsverfassung, des Bildungswesens und des
Gesundheitswesens, den Ausbau des Sozialsystems.
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Mitwirkung,
Mitbestimmung und
Planung waren
die Schlüsselbegriffe für die inneren Reformen.
"Bildung und Ausbildung, Wissenschaft und
Forschung" sollten, so Brandt, "an der
Spitze der Reformen" stehen. Für die
Bildungspolitik gab Brandt "Chancengleichheit"
und "soziale Demokratie" vor. Soziale Teilhabe
sollte die Sozialpolitik bestimmen
(Mitbestimmung der Arbeitnehmer sowie
vielfältige Leistungsausweitungen im
Gesundheits-, Renten- und Arbeitswesen und für
Familien).
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Übernahme Kanzlerschaft
Berlin-Abkommen Ratifizierung
Ostverträge
Deutschlandpolitik Innere Reformen
Rücktritt
Literaturhinweise
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Die Ostpolitik der sozial-liberalen
Regierung
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Anstelle der Zurückdrängung des
Kommunismus fordern die führenden westlichen Staaten
Entspannung,
Verständigung,
Zusammenarbeit und Versöhnung mit der
Sowjetunion und den anderen osteuropäischen Staaten.
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Angesichts der
Kosten und Risiken stetiger Konfrontation
kristallisierte sich in den sechziger Jahren
zunehmend ein gemeinsames Interesse der USA
und der Sowjetunion heraus, diese
Belastungen abzubauen.
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Die Entspannung bedeutete für die
westlichen Bündnispartner, sich mit dem
Status
quo zwischen Ost und West zu arrangieren. Die
Bundesrepublik, deren Außenpolitik auf eine
Veränderung des Status quo angelegt war, geriet in
den sechziger Jahren zunehmend in die Defensive. Es
drohte sogar die Gefahr, die
außenpolitische
Bewegungsfreiheit zu verlieren.
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Willy Brandt
hatte sich seit dem Mauerbau 1961 (er war zu
dieser Zeit Regierender Bürgermeister von
West-Berlin) bereit gezeigt, das Verhältnis zur
Sowjetunion und zur DDR neu zu gestalten.
Zusammen mit der West-Berliner SPD setzte er
schon damals darauf, durch
vertragliche
Anerkennung des Status quo
die
Vertragspartner in Moskau und Ost-Berlin zu
politischen Auflockerungen und Kontakten zu
bewegen, durch die schließlich der bestehende
Zustand überwunden werden sollte. Egon Bahr, ein
enger Mitarbeiter Brandts, hatte dieses Vorgehen
auf die Formel "Wandel durch Annäherung"
gebracht.
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Egon Bahr
(*1922), deutscher Politiker, Mitglied
der SPD
1972 - 1974 Bundesminister für besondere
Aufgaben
1974 - 1976 Bundesminister für
wirtschaftliche Zusammenarbeit |
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Die Bundesregierung war bereit,
den politisch-territorialen Status quo in
Europa zur Kenntnis zu nehmen und sich in den
Grenzfragen - ob polnische Westgrenze oder
deutsch-deutsche Grenzlinie - zum
Gewaltverzicht
zu bekennen. Aufgrund des Wiedervereinigungsgebots
des Grundgesetzes und der Vier-Mächte-Verantwortung
für ganz Deutschland, war sie jedoch nicht in der
Lage, die bestehende territoriale Lage als nicht
veränderbar zu akzeptieren oder die DDR
völkerrechtlich anzuerkennen.
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Der Hinweis der
Bundesregierung, dass sie Verträge, die nicht
nur die Bundesrepublik, sondern auch die DDR
oder die Grenzen eines gesamtdeutschen Staates
betrafen, nicht abschließen könne, wurde von der
Gegenseite nicht akzeptiert.
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Die
sowjetische Regierung
beharrte auf der Anerkennung und Legalisierung des
Status quo, die Anerkennung der Grenzen in Europa
als unabänderlich, die völkerrechtliche Anerkennung
der DDR seitens der Bundesrepublik, den Verzicht auf
den Wiedervereinigungsanspruch sowie auf Trennung
West-Berlins vom Bund.
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Zwischen Januar und Mai 1970
führte der Vertraute Willy Brandts,
Egon Bahr,
- ohne Einbeziehung des Außenministers
Walter
Scheel - in Moskau Vertragsverhandlungen mit der
sowjetischen Regierung. Am 20.5. legte er in Bonn
einen Vertragsentwurf vor, der als
"Bahr-Papier"
bekannt wurde.
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Walter Scheel,
(*1919), 1961 -1966 Bundesminister für
wirtschaftliche Zusammenarbeit, 1968 - 1974
Bundesvorsitzender der FDP, 1969 - 1974
Bundesminister des Auswärtigen, 1974 - 1979
Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland.
Foto: bpa |
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In diesem
Vertragsentwurf bekannten beide Parteien, von
der "bestehenden wirklichen Lage" in
Europa auszugehen, den Status quo also
vorauszusetzen und faktisch anzuerkennen. Ein
Gewaltverzicht wurde festgelegt, die
Unantastbarkeit der bestehenden Grenzen
beschlossen. Darüber hinaus enthielt das
"Bahr-Papier" die grundsätzliche Übereinkunft
zwischen Bonn und Moskau über von der
Bundesrepublik zu schließende Verträge mit
Polen, der Tschechoslowakei und der DDR. Auch
die hauptsächlichen Inhalte dieser Verträge
wurden bereits abgesprochen. Auf diese Weise
sollte der Führungsanspruch der Sowjetunion
akzeptiert werden.
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Ende Juli 1970 reiste
Außenminister Walter Scheel zu weiteren
Verhandlungen nach Moskau. Wieder wurde um
Formulierungen und Gewichtungen gerungen.
Schließlich wurde eine "Brückenformulierung"
gefunden, mit der die deutsche Konzession zur
Grenzanerkennung als Bestandteil des Gewaltverzichts
ausgewiesen und somit in ihrer Bedeutung etwas
zurückgenommen wurde.
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In dem am 12. August
unterzeichneten "Moskauer Vertrag"
verpflichtete sich die Bundesrepublik, die
bestehenden Grenzen in Europa, einschließlich der
Oder-Neiße-Linie und der Grenzen der DDR, als
unverletzlich zu betrachten. Änderungen der Grenzen
sollten, sofern sie mit friedlichen Mitteln erreicht
werden, weiterhin möglich sein. Im Hintergrund stand
dabei der Gedanke an eine "friedliche"
Wiedervereinigung Deutschlands und die Möglichkeit
eines Zusammenschlusses westeuropäischer Staaten. -
Die Bundesregierung machte die Ratifizierung des
Abkommens von einer befriedigenden Berlinregelung
abhängig.
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Die
Bundesregierung übergab der sowjetischen
Regierung am Tag der Vertragsunterzeichnung
einen "Brief zur deutschen Einheit", der
Bestandteil des Vertragswerks wurde, ohne im
Vertrag zu stehen. In dem Brief wurde
festgehalten, dass der Moskauer Vertrag "nicht
im Widerspruch zu dem politischen Ziel der
Bundesrepublik Deutschland steht, auf einen
Zustand des Friedens in Europa hinzuwirken, in
dem das deutsche Volk in freier Selbstbestimmung
seine Einheit wiedererlangt."
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Da die
Oder-Neiße-Linie keine Grenze zur Bundesrepublik
darstellte, konnte die Bundesregierung
völkerrechtlich darüber gar nicht verfügen.
Außerdem wurden die Rechte der Vier Mächte in
Bezug auf Deutschland als Ganzes berührt.
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Trotz der oben genannten
Einschränkungen sah sich die Bundesregierung aus
politischen Gründen veranlasst, sich zur Grenzfrage
zu äußern. Im "Warschauer Vertrag", der am
7. Dezember 1970 von Bundeskanzler Willy Brandt
unterzeichnet wurde, erkannte Bonn die "bestehende
Grenzlinie" als "westliche Staatsgrenze der
Volksrepublik Polen" unter gesamtdeutschen Vorbehalt
(Wiedervereinigung) an. Außerdem versicherte die
Bundesregierung, "keine Gebietsansprüche gegen
Polen" zu haben. Gleichzeitig sagte die
polnische Regierung zu, eine größere Zahl von
Deutschen und Deutschstämmigen aus Polen ausreisen
zu lassen.
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Kniefall Willy
Brandt vor dem Denkmal für die Opfer des
Warschauer Ghettos
Photographie,
Bundesbildstelle, Bonn |
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Einen tiefen
Eindruck hinterließ Willy Brandt, als er vor dem
Denkmal für die Opfer des Warschauer Ghettos
niederkniete und damit die deutsche Schuld und
die Verantwortung der Bundesrepublik für die
Opfer der nationalsozialistischen Herrschaft zum
Ausdruck brachte.
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Nachdem Einigung über die von der
Bundesrepublik geforderte volle
Einbeziehung
West-Berlins in die Abmachungen erzielt werden
kann, wird der Vertrag am 11.12. 1973 in Prag von
Willy Brandt und dem tschechoslowakischen
Ministerpräsidenten Lubomir Strougal unterzeichnet.
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Der Prager Vertrag war formal ein
Gewaltverzichts- und Grenzanerkennungsvertrag.
Darüber hinaus wurde die Nichtigkeit des
Münchener Abkommens
vom 29.9.1938 im Vertrag
festgehalten. In Begleitpapieren werden Fragen der
Familienzusammenführung und - durch eine einseitige
Erklärung der Tschechoslowakei - die Aussetzung von
Rechtsfolgen aus der Nichtigkeitserklärung zum
Münchener Abkommen behandelt. Die Legitimität der
Vertreibung der Sudetendeutschen wurde vom Vertrag
ausgeklammert.
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Anerkennung der
Oder-Neiße-Linie als polnische Westgrenze
und somit des Verlustes der Ostgebiete
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Anerkennung der DDR als
Staat und damit der deutschen Teilung
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Anerkennung der
sowjetischen Hegemonie in Osteuropa
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Die Außenpolitik
der Bundesregierung gewann nun neue
Handlungsspielräume und in der
Deutschlandpolitik die Möglichkeit, das
Verhältnis zwischen den deutschen Staaten zu
regulieren und "menschliche Erleichterungen" zu
schaffen.
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Der greifbarste Gewinn lag in
einem Abkommen der Vier Mächte, mit dem die
Bindung West-Berlins an die Bundesrepublik gesichert
wurde. Die Bundesregierung hatte die Ratifizierung
der Ostverträge von dem Abschluss eines solchen
"Berlin-Abkommens" abhängig gemacht. Das
Abkommen war auch Vorbedingung für Verträge mit
Ost-Berlin.
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Übernahme Kanzlerschaft Ostpolitik
Ratifizierung Ostverträge
Deutschlandpolitik
Innere Reformen
Rücktritt Literaturhinweise
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Das Berlin-Abkommen
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Ziel des Vier-Mächte-Abkommens
über Berlin war, die politische und rechtliche Stellung der
Stadt zu fixieren und die Situation ihrer Bewohner zu
verbessern. Die Zuordnung West-Berlin zum Bund sollte
festgeschrieben und der Zugang von der Bundesrepublik nach
West-Berlin gesichert werden. Außerdem sollten Regelungen
für den Zutritt der West-Berliner nach Ost-Berlin und in die
übrige DDR gefunden werden.
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Am
3. September 1971 wurde das
Berlin-Abkommen von den vier Mächten unterzeichnet. Die
Unterzeichnung des Schlussprotokolls erfolgte am 3.
Juni 1972, so dass das Berlin-Abkommen und die dann
ratifizierten Ostverträge zu gleicher Zeit in Kraft traten.
Das Abkommen hält den Willen der Vier Mächte fest,
Streitigkeiten mit friedlichen Mitteln beizulegen und ihre
gemeinsamen Rechte und Verantwortlichkeiten in Berlin zu
achten. Die engen und besonderen Bindungen zwischen der
Bundesrepublik und West-Berlin sollen "aufrecht erhalten und
entwickelt werden". Schließlich garantierte die Sowjetunion
einen ungehinderten Transitverkehr zwischen den
Westsektoren Berlins und dem Bundesgebiet.
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Das Berlin-Abkommen
verknüpfte die Ostpolitik
der Regierung Brandt
mit der Entspannungspolitik der Westmächte. Die
Sowjetunion entrichtete mit dem Abkommen die
Gegenleistung für die in den Ostverträgen gemachten
Zusagen der Bundesrepublik.
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Übernahme Kanzlerschaft
Ostpolitik
Berlin-Abkommen
Deutschlandpolitik
Innere Reformen
Rücktritt
Literaturhinweise
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Die Ratifizierung der Ostverträge
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Die Ratifizierung der Ostverträge in
Bundestag und Bundesrat galt lange als ungewiss. Unsicher
war, ob der Stimmenvorsprung der sozial-liberalen Koalition
im Bundestag ausreichen oder ob einzelne Abgeordnete von SPD
und FDP, denen die Zugeständnisse an die östlichen
Vertragspartner zu weit gingen, die Verträge ablehnen oder
gar zur Opposition wechseln würden. Unklar war auch, ob die
Unionsparteien dem Vertragswerk zustimmen würden.
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Der Partei- und Fraktionsvorsitzende der
CDU, Rainer Barzel, erklärte anlässlich der ersten
Lesung der Ostverträge am 23.Februar 1972, die Verträge
seien so nicht annehmbar, weil sie den
deutschen
Interessen widersprächen. Als Voraussetzung für die
Zustimmung der CDU/CSU stellt Barzel drei Forderungen zur
Nachbesserung der Verträge: die Anerkennung der
Europäischen Gemeinschaft (EG) durch die Sowjetunion, eine
Bestätigung des Selbstbestimmungsrechts der Deutschen im
Vertragswerk und schließlich die "verbindlich vereinbarte
Absicht", stufenweise die Freizügigkeit in Deutschland
herzustellen.
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Rainer Barzel (*1924, †2006),
1962/1963 Bundesminister für Gesamtdeutsche Fragen, 1971
- 1973 Vorsitzender der CDU, 1982 - 1983 Bundesminister
für innerdeutsche Beziehungen, 1983 - 1984
Bundestagspräsident
Bild: FAZ (Ausschnitt)
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Der Generalsekretär der
Kommunistischen Partei der Sowjetunion,
Leonid
Breschnew geht auf zwei dieser Forderungen ein: Er
erklärt sich bereit, die EG anzuerkennen und bestätigt,
dass der "Brief zur deutschen Einheit" (siehe
oben) Teil des Vertrages ist. Trotz weitgehender
Erfüllung seiner Forderungen kann Barzel eine Zustimmung
zu den Ostverträgen in der CDU/CSU nicht durchsetzen.
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Im Vorfeld der
Abstimmung über die
Ostverträge bröckelte die parlamentarische Mehrheit der
sozial-liberalen Koalition immer mehr ab.
Parteiübertritte und
Fraktionswechsel einzelner
Abgeordneter ließen die Verabschiedung der Verträge als
unsicher erscheinen. In dieser Situation wagte Rainer Barzel
den Versuch, die Bundesregierung über ein konstruktives
Misstrauensvotum zu stürzen und selbst die Regierung zu
übernehmen. Bei der Abstimmung am 27. April 1972 verfehlte
Barzel die erforderliche Mehrheit um zwei Stimmen. Da auch
die Regierung Brandt keine Mehrheit im Bundestag mehr hinter
sich wusste, wurden für den November 1972 vorzeitige
Neuwahlen angesetzt. Die Ratifizierung der Ostverträge
sollten noch vor den Neuwahlen abgewickelt werden.
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Vor der
Abstimmung über die
Ostverträge verständigt sich die CDU/CSU-Fraktion auf
Stimmenthaltung; einigen Abgeordneten wird die Ablehnung
zugestanden. Am 17. Mai 1972 billigt der Bundestag mit der
Mehrheit seiner Mitglieder die Ostverträge. Für die Annahme
des Moskauer Vertrags werden 248 Ja-Stimmen, 238
Enthaltungen und 10 Nein-Stimmen abgegeben. Der Warschauer
Vertrag erhält 248 Ja-Stimmen, 231 Enthaltungen und 17
Nein-Stimmen.
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Die im Warschauer Vertrag vollzogene
Anerkennung der Oder-Neiße-Linie
durch
die Bundesrepublik trug erheblich zur angestrebten
Normalisierung der Beziehungen mit Polen bei. Das
Zugeständnis Willy Brandts stieß in Teilen Deutschlands
auf die Kritik, dass diese Anerkennung einer
Aufgabe der ehemaligen Ostgebiete gleichkäme.
Der deutsche Bundeskanzler vertrat die Meinung, dass der
Vertrag letztlich "nichts preisgibt, was nicht schon
verspielt worden" sei. In einem Gespräch mit dem
polnischen Außenminister
Stefan
Olszowski wies
Willy
Brandt auf das Unrecht der deutschen Vertreibung
hin.
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Übernahme Kanzlerschaft Ostpolitik
Berlin-Abkommen
Ratifizierung Ostverträge
Innere Reformen
Rücktritt Literaturhinweise
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Die Deutschlandpolitik
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Der Kontakt zwischen den Deutschen in
Ost und West sollte ermöglicht und verstärkt, weitest
mögliche Erleichterungen für die von der Teilung
betroffenen Menschen geschaffen werden.
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Parallel zu ihren Gesprächen mit der
Sowjetunion und Polen nahm die Bundesregierung offiziellen
Kontakt zur Regierung der DDR auf. Im März und Mai 1970 kam
es zu zwei Begegnungen zwischen Willy Brandt und
Willi Stoph. Sie führten jedoch eher zu einer
Konfrontation als zu einer Verständigung. Ende November 1970
- nach Abschluss des Moskauer Vertrags - wurden neue,
erfolgreichere Gespräche aufgenommen.
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Mit Wirkung vom 31.
Januar 1971 wird
der seit 1952 unterbrochene Fernsprechverkehr
zwischen den beiden Stadthälften Berlins wieder
aufgenommen. Am 30.9.1971 unterzeichnen Vertreter
der beiden deutschen Postministerien ein
Post-
und Fernmeldeabkommen.
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Am 17.
Dezember 1971 unterzeichnen die
Staatssekretäre Egon Bahr (BRD) und
Michael Kohl
(DDR) in Ost-Berlin als ersten Vertrag zwischen
beiden deutschen Staaten ein
Transitabkommen.
Es regelt den Transport von zivilen Gütern und
Personen auf Straßen, Schienen und Wasserwegen
zwischen der Bundesrepublik und West-Berlin.
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Am 20.
Dezember 1971 werden zwischen der
DDR-Regierung und dem West-Berliner Senat
Vereinbarungen über Verbesserungen des
Reise- und
Besucherverkehrs unterzeichnet.
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Im
Verkehrsvertrag
vom
26. Mai 1972 werden die Regelungen des Transitabkommens
erweitert. Der Vertrag ermöglicht sowohl
Reiseerleichterungen für Bürger der Bundesrepublik
als auch für DDR-Bürger.
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Entscheidender Punkt des am 21.
Dezember 1972 unterzeichneten Grundlagenvertrags war
die Formalisierung des zwischenstaatlichen
Verhältnisses. Zwar konnte die DDR ihre
völkerrechtliche Anerkennung durch die
Bundesrepublik nicht durchsetzen, doch wurden ihr
Staatscharakter und
staatsrechtliche
Souveränität bestätigt. Eine eigenständige
Staatsangehörigkeit der DDR wurde von der
Bundesregierung nicht anerkannt.
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Die beiden deutschen Staaten
vereinbarten, Streitfragen ausschließlich mit
friedlichen Mitteln zu lösen, keine internationale
Vertretung des anderen Staates vorzunehmen und die
Hoheitsgewalt auf das eigene Staatsgebiet zu
beschränken. Anstelle des Austausches von
Botschaftern wurden "Ständige Vertretungen"
eingerichtet.
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Der Grundlagenvertrag ebnete der
DDR den Weg zur völkerrechtlichen Anerkennung durch
westlichen Staaten und zur
Aufnahme in
internationale Organisationen. Im September 1973
wurde die DDR - gemeinsam mit der Bundesrepublik -
Mitglied der Vereinten Nationen.
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Übernahme Kanzlerschaft Ostpolitik
Berlin-Abkommen
Ratifizierung Ostverträge
Deutschlandpolitik
Rücktritt
Literaturhinweise
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Innere Reformen der Regierung Brandt
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Bereits die
Große Koalition
hatte die Bundeskompetenz auf dem Bildungssektor
ausgeweitet und ein Programm zur
Neugründung von
Hochschulen initiiert. Daran knüpfte die
sozial-liberale Koalition an. Die Bildungspolitik
entwickelte sich zu einem Kampfplatz, auf dem die
Regierung ihre Reformansätze, die auf mehr
Chancengleichheit für Kinder aus
unterschiedlichen sozialen Schichten und neue
Bildungsinhalte zielten, nur unvollkommen
durchsetzen konnte. Dies gilt sowohl für die
Einführung der Gesamtschule als auch für die
Reorganisation der Universitäten.
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Zwischen den Parteien und auch
zwischen Bund und Ländern war man sich über die
Notwendigkeit quantitativer Reformen
im
Zusammenhang mit dem technischen, wirtschaftlichen
und sozialen Wandel einig. Konfliktpotential lag in
den auf Gleichheit zielenden Bildungs- und
Lernzielen, die den gesellschaftspolitischen
Ansprüchen der sozial-liberalen Koalition
entsprachen. Gesamtschule und Orientierungsstufe,
Lehrerbildung und Hochschulmitbestimmung standen im
Mittelpunkt einer polarisierten
Bildungsdiskussion.
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"Soziale
Demokratie" bedeutete für die
Sozialdemokraten gesellschaftliche Teilhabe
aller Schichten und Berufsgruppen. Die
Ausweitung der Mitbestimmung hatte daher in
erster Linie eine sozial-ökonomische Dimension.
Das Betriebsverfassungsgesetz von 1972
erweiterte die Rechte der Betriebsräte in
personellen und sozialen Angelegenheiten.
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Da neue
programmatische Initiativen und strukturelle
Reformen infolge der auseinander gehenden
Ansichten der Koalitionspartner schwierig waren,
verlegte man sich auf die Leistungsexpansion
innerhalb etablierter Strukturen. "Soziale
Demokratie" als
materielle Teilhabe
bedeutete die Expansion des Sozialstaats - von
der Korrektur sozialer Defizite bis zum Ausbau
sozialer Sicherheit in Richtung umfassender
Versorgung und der Befriedigung vielfältiger
Bedürfnisse.
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Die Rückkehr zu Wachstum und
Vollbeschäftigung hatte die Regierung Brandt in eine
günstige Ausgangslage gebracht. Die von der Großen
Koalition geschaffenen Instrumentarien zur
Steuerung der Konjunktur schienen eine gute
Voraussetzung zu sein, um die finanziellen Mittel
zur Realisierung der angestrebten inneren Reformen
bereitstellen zu können.
Voller Optimismus
angesichts der hohen Wachstumsraten zu Beginn der
siebziger Jahre wurden die sozialen
Leistungsansprüche von der finanziellen
Leistungskraft abgekoppelt.
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Die finanziellen Wünsche der
Ressorts waren bald nicht mehr mit den Prinzipien
einer guten Haushaltspolitik in Einklang zu bringen.
Als eine konjunkturelle Abflachung geringere
Steuereinnahmen erwarten ließ, sah sich
Finanzminister Alex Möller
angesichts der
Deckungslücken im Bundeshaushalt genötigt, am
12. Mai 1971 seinen Rücktritt einzureichen. Sein
Nachfolger im Amt, Karl Schiller, der auch
das Wirtschaftsministerium übernommen hatte, musste
erkennen, dass die von ihm selbst entwickelten
konjunkturpolitischen Steuerungsinstrumente kaum
wirksam waren. Nur 14 Monate nach Möller trat auch
er zurück. Große Reformvorhaben (unter anderem das
Abtreibungsrecht nach §218 StGB) kamen nicht mehr
voran, weil sie nicht mehr finanziert werden
konnten.
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Der Wirtschafts-
und Finanzminister Karl Schiller
galt als designierter Nachfolger von
Bundeskanzler Willy Brandt. Am Wahlsieg der
SPD im Jahr 1969 hatte er einen wesentlichen
Anteil gehabt. In der Partei und in der
SPD-Bundestagsfraktion fand Karl Schiller
kaum Rückhalt, einige bittere Niederlagen
waren die Folge. Als im Kabinett eine eher
unwichtige Vorlage zur Devisenkontrolle
eingebracht wurde, gegen die er sich
erfolglos zur Wehr setzte, war für ihn das
Maß voll. Am 2. Juli 1972 bat er in einem
Schreiben voller Verbitterung Willy Brandt
um seinen Rücktritt. Der Bundeskanzler
entsprach dem Wunsch. Zum Nachfolger
bestimmte er Schillers größten politischen
Gegner - Helmut Schmidt.
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Karl
Schiller (1911 - 1994)
1966 - 1971
Bundeswirtschaftsminister, 1971 -1972
Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen
Photographie, Deutsches Historisches
Museum, Inv-Nr. D2941486
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Übernahme Kanzlerschaft Ostpolitik
Berlin-Abkommen
Ratifizierung Ostverträge
Deutschlandpolitik
Innere Reformen
Literaturhinweise
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Die zweite Regierung Willy Brandts (1972
- 1974)
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Die Bundestagswahl geriet zu
einer Volksabstimmung über die Ostpolitik der
sozial-liberalen Koalition. Zusätzliches Gewicht
erhielt die Wahl dadurch, dass wenige Tage zuvor
auch der Grundlagenvertrag mit der DDR paraphiert
war und somit die Fortschritte im deutsch-deutschen
Verhältnis indirekt mit zur Abstimmung standen. Die
Neuwahlen wurden zum Triumph für SPD und FDP:
Die SPD gewann abermals 3,1 Prozentpunkte und wurde
mit 45,8% stärkste Fraktion im neuen Bundestag. Die
FDP verbesserte sich wieder auf 8,4%, die
Unionsparteien gingen auf 44,9% zurück.
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Mit ihrem Wahlsieg vom 19.
November 1972 hatte die sozial-liberale Koalition
ihren Höhepunkt erklommen. Von diesem Tag an ging es
sprichwörtlich bergab. Aufgrund einer Erkrankung
Willy Brandts lief die Regierungsbildung an ihm
vorbei. Der unumstritten starke Mann im Kabinett war
Helmut Schmidt.
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Defizite in der US-amerikanischen
Zahlungsbilanz als Folge des Vietnam-Krieges hatten
Ende der sechziger Jahre den Dollar unter Druck
gesetzt und zu Krisen im System stabiler
Wechselkurse (Bretton-Woods-System) geführt. Im
Jahr 1971 mussten die Regierungen dramatische
Maßnahmen ergreifen: so zum Beispiel die
vorübergehende Freigabe des DM-Wechselkurses durch
die Bundesregierung im Mai und die unilaterale
Lösung des Dollar vom Gold durch die
US-amerikanische Regierung im August.
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Der infolge der
expansiven
Geldpolitik der USA schwache Dollar führte zu
einem Run auf die D-Mark und zu massiven
Devisenzuflüssen in die Bundesrepublik, welche
die durch die Expansion der Staatsausgaben
ausgelöste Inflation weiter anheizten. Die
verstärkten Kapitalbewegungen brachten das
System
stabiler Wechselkurse endgültig zum Einsturz. Im
März 1973
gaben sechs europäische Regierungen
(darunter die Bundesregierung) den Dollarkurs frei
und lösten somit ihre Währungen von der
amerikanischen Leitwährung. Der Zusammenbruch der
seit Kriegsende bestehenden Währungsordnung zog
erhebliche Währungsturbulenzen nach sich. Die
Bundesbank sah sich gezwungen, zu einer stark
restriktiven und stabilitätsorientierten Geldpolitik
überzugehen. Ein schwerer
Konjunktureinbruch
ab Herbst 1973 führte die Bundesrepublik in die
schärfste Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg.
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Eine Trendwende
zeichnete sich ab: ein struktureller Übergang
von hohen Wachstumsraten der Wirtschaft und von
Vollbeschäftigung zur
"Stagflation"
(hoher Inflation bei niedriger oder gar
negativen Wachstumsraten und gleichzeitiger
Arbeitslosigkeit).
Nebenbei bemerkt:
Am 14. Mai 1973 wird die erste amerikanische
Raumstation, die "Skylab 1", von Cape Kennedy
(heute Cape Canaveral) aus gestartet. Am 11.
Juli 1979
stürzt sie über Südwestaustralien ab.
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Am 6. Oktober 1973 brach
der vierte Nahostkrieg zwischen Israel und
arabischen Staaten aus. Als sich der Krieg zugunsten
Israels neigt, griffen die Öl exportierenden arabischen
Staaten zum Öl als Waffe. Sie verhängten einen
Lieferboykott gegen die USA und die Niederlande, der
bald auch auf die anderen westlichen Länder ausgedehnt
wurde. In der Bundesrepublik beschleunigte die
Verteuerung des Erdöls den Preisaufschwung und
den Anstieg der Arbeitslosigkeit. Die
Inflationsrate stieg von 2,1% im Jahr 1969 auf 7% im
Jahr 1973.
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Der arabische Angriff traf
Israel völlig unerwartet, denn er erfolgte am
höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur,
dem Versöhnungstag. Die israelischen Stellungen
an der Bar-Lew-Linie am Ostüfer des
Suezkanals waren daher hoffnungslos
unterbesetzt und sahen sich der
ägyptischen Übermacht hilflos
ausgeliefert. Auf den Golanhöhen,
welche die Israelis 1967 besetzt hatten,
mussten es gerade einmal 177
israelische mit 930 syrischen Panzern aufnehmen.
In den ersten drei Tagen fielen 1500 bis 2000
israelische Soldaten. Erst als
US-Präsident Nixon beschloss, Israel zu
unterstützen, wendete sich das Blatt. Am 12.
Oktober setzten die Vereinigten Staaten eine
Luftbrücke in Gang, die die Israelis mit
Kriegsmaterial versorgte. Die Israelis starteten
eine Gegenoffensive. Am Ende konnten sie den
Kampf für sich entscheiden. Die arabischen
Länder verhängten ein Ölembargo,
das die USA und Europa empfindlich zu spüren
bekamen.
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Im Jahr 1967 war der
Globalsteuerung die schnelle Überwindung der
Rezession zugerechnet worden. Jetzt zeigte sich,
dass sie die schweren Wirtschafts- und
Währungsturbulenzen nicht beseitigen konnte.
Konjunkturpolitische Maßnahmen auf der
Beschäftigungsseite zeigten sich wirkungslos.
Außerdem mangelte es der staatlichen
Ausgabetätigkeit an der für die Steuerung
erforderlichen Flexibilität und Effektivität.
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Mit dem wirtschaftlichen
Umschwung von 1973 schwand der Glaube an die
Steuerbarkeit des Wirtschaftsgeschehens. Auch
der Glaube an eine uneingeschränkte Machbarkeit und
eine technokratische Zukunftsplanung ging verloren.
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In seiner
zweiten
Regierungserklärung nach seiner Wiederwahl als
Bundeskanzler blieb Willy Brandt ohne deutliche
politische, gar reformpolitische Zielvorgaben. Sein
Verlust an Zuversicht, der bereits zu Beginn seiner
zweiten Amtszeit deutlich wurde, verstärkte sich
durch die wirtschaftlichen Krisen des Jahres 1973.
Im Kabinett zeigte er plötzlich Führungsschwäche.
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Verantwortlich
dafür, dass Willy Brandt zunehmend auch die
Kontrolle über die politische Entwicklung in
der Bundesrepublik verlor, war neben seiner
physisch eingeschränkten Leistungskraft die
Tatsache, dass er nach dem von
Herbert Wehner
und Helmut Schmidt durchgesetzten
Ausscheiden von Horst Ehmke aus dem
Kanzleramt nicht mehr über ein leistungsfähiges
Umfeld verfügte, das ihm zuarbeitete und seine
Schwächen kompensierte. Brandt scharte im
Kanzleramt einen kleinen Kreis von Vertrauten
(Egon Bahr, Klaus Harpprecht, Günter Gaus) um
sich, der allerdings wie ein "Hofstaat" agierte.
Das Arbeitsklima in der Führungsspitze der
sozial-liberalen Koalition verschlechterte sich
deshalb zusehends.
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Helmut
Schmidt (1918 - ),
Bundesverteidigungsminister 1969 - 1972,
Bundeswirtschafts- und Finanzminister
1972, Bundesfinanzminister 1972 - 1974,
Bundeskanzler 1974 - 1982
Aufnahme im Jahre
1974
Mit besonderer Genehmigung des
Bildautors Josef Albert
Slominski (slomifoto).
Link:
www.slomifoto.de
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Ende September 1973 kritisierte
Herbert Wehner
die Führungsschwäche Willy
Brandts. Ausgerechnet in Moskau hielt er vor
deutschen Journalisten der "Nummer eins" vor, sie
sei "entrückt" und "abgeschlafft", der Kanzler bade
"gern lau - so in einem Schaumbad". Brandt vermochte
es nicht, im Präsidium und in der
Bundestagsfraktion der SPD die Ablösung Wehners als
Fraktionsvorsitzender durchzusetzen.
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Wie sehr der Kanzler die Zügel
aus der Hand gegeben hatte, zeigte sich im Februar
1974 als die Gewerkschaft Öffentliche Dienste,
Transport und Verkehr unter ihrem Vorsitzenden
Heinz Kluncker Bund, Länder und Gemeinden eine
Lohnsteigerung von 11% abrang. Im Vorfeld hatte sich
Willy Brandt gegen einen zweistelligen Abschluss
ausgesprochen.
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Die
Lohnsteigerung wurde in der Öffentlichkeit als
Kapitulation des Staates vor seinen Bediensteten
empfunden. Die Quittung für die offensichtliche
Führungsschwäche der Regierung erhielt die SPD
wenige Wochen später bei der
Hamburger
Bürgerschaftswahl vom 3. März 1974. Die SPD
verlor 10,4%, während die CDU 7,8% hinzugewann.
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Am 24. April wurde Brandts
persönlicher Referent im Kanzleramt,
Günter
Guillaume, als Agent der Staatssicherheit der
DDR verhaftet. Brandt dachte deswegen nicht an
Rücktritt. Erst als Dinge aus Brandts Privatleben
bekannt wurden, die als Erpressungspotential gegen
den Kanzler angesehen werden konnten, gewann die
Krise eine eigene Dynamik. Resigniert erklärte Willy
Brandt am 6. Mai 1974 seinen Rücktritt.
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Nebenbei bemerkt: An 26.
April 1974 billigt der Deutsche Bundestag
die „Fristenregelung“ für den
Schwangerschaftsabbruch. Danach ist eine
Abtreibung innerhalb der ersten zwölf Wochen
straffrei.
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Allen
Schülern und Studenten, die gerade eine Prüfung zu bestehen
haben, wünschen wir viel Erfolg. Wir drücken auch die
Daumen für diejenigen, die eine Klausur schreiben müssen oder
eine Hausarbeit bzw. Referat anzufertigen haben.
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Literaturhinweise
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Baring,
Arnulf
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Machtwechsel.
Die Ära Brandt-Scheel, Stuttgart 1993
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Bracher,
Karl Dietrich/ Theodor Eschenburg/Joachim Fest/Eberhard
Jäckel (Hrsg.)
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Geschichte
der Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart und Wiesbaden
1983, Band 4/I: K.D. Bracher / W.Jäger / W. Link:
Republik im Wandel 1969 - 1974. Die Ära Brandt.
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Dülfer,
Jost
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Europa im
Ost-West-Konflikt. 1945-1990 (=Oldenbourg Grundriss der
Geschichte 18). München 2004
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Ellwein,
Th. / Holtmann, E. (Hrsg.)
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50 Jahre
Bundesrepublik Deutschland. Rahmenbedingungen,
Entwicklungen, Perspektive. Opladen 1999
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Görtemaker,
M.
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Geschichte
der Bundesrepublik Deutschland. Von der Gründung bis zur
Gegenwart. München 1999
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Hobsbawn,
E.
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Das Zeitalter
der Extreme. Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts.
München 1995
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Recker,
M.-L.
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Geschichte
der Bundesrepublik Deutschland. München 2002
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Rödder, A.
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Die
Bundesrepublik Deutschland 1969 - 1990, Oldenbourg
Grundriss der Geschichte. München 2004
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Steininger, Rolf
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Deutsche
Geschichte, Darstellung und Dokumente in vier Bänden,
Frankfurt am Main 2002. Band 3: 1955 - 1974 (454
Seiten, Fischer Taschenbuch 15582).
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Wirsching,
A.
|
Deutsche
Geschichte im 20. Jahrhundert. München 2001
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Übernahme Kanzlerschaft Ostpolitik
Berlin-Abkommen
Ratifizierung Ostverträge
Deutschlandpolitik
Innere Reformen
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