BRD 1966 - 1969

 

 

 

 

 

Home
Warum Geschichte?
Kontakte
Inhalt

 

Die Welt des späten Mittelalters (1250 - 1400)

Das Ende der Luxemburger und der Aufstieg der Habsburger Kaiserdynastie (1400 - 1517)

Die Reformation von Luthers Anschlag der 95 Thesen bis zum Wormser Reichstag (1517 - 1521)

Der Dreißigjährige Krieg (1618 - 1648)

Vom Westfälischen Frieden (1648) bis zum Regierungsantritt Friedrichs des Großen (1740)

Der Aufstieg Preußens zur europäischen Großmacht (1740 - 1763)

Die Französische Revolution bis zum Ende der Diktatur Robespierres (1789 - 1794)

Deutschland in der Zeit der Französischen Revolution und der Herrschaft Napoleons (1789 - 1815)

 Restauration und Revolution (1815 - 1830)

Monarchie und Bürgertum (1830 - 1847)

Die Revolution von 1848/49

Von der gescheiterten Revolution 1848 bis zur Gründung des Deutschen Reiches 1871

Die Innen- und Außenpolitik Bismarcks (1871 - 1890)

Das Deutsche Kaiserreich von 1890 bis zum Ausbruch der Ersten Weltkriegs 1914

Die Industrielle Revolution in England und Deutschland (1780 - 1914)

Europäischer Kolonialismus und Imperialismus (1520 - 1914)

Der Erste Weltkrieg (1914 - 1918)

Der Weg zur Weimarer Republik 1918 - 1919

Der Kampf um die Staatsgewalt in der Weimarer Republik (1919 - 1933)

Die Machtübernahme der NSDAP und die Errichtung der Diktatur Hitlers (1933 - 1939)

Der Zweite Weltkrieg (1939 - 1945)

Der Weg in die Teilung Deutschlands (1945 - 1949)

Der Kalte Krieg: Vom Kriegsende 1945  bis zum Bau der Berliner Mauer 1961

Die Ära Adenauer (1949 - 1963)

Die Kanzlerschaft Ludwig Erhards 1963 - 1966

Kalter Krieg Teil 2: Von der Kubakrise 1962 bis zur Auflösung der Sowjetunion 1991

Die Zeit der Großen Koalition 1966 - 1969

Die Ära Brandt (1969 - 1974)

Die Kanzlerschaft Helmut Schmidts (1974 - 1982)

Die Kanzlerschaft Helmut Kohls von 1982 bis 1987

Die Kanzlerschaft Helmut Kohls von 1987 - 1989

Der Weg zur Wiedervereinigung Deutschlands (Teil I: Die DDR von den siebziger Jahren bis zum Fall der Mauer im Jahr 1989)

Vom Fall der Berliner Mauer bis zur deutschen Einheit (1989 - 1990)

 

 

 
Unser VereinVeranstaltungenDeutsche GeschichteGeschichte WürttembergsOrtsgeschichte KöngenDie RömerPublikationenKöngener Geschichten

Zurück zum Inhaltsverzeichnis Deutsche Geschichte      weiter zur nächsten Seite      zurück zur vorangehenden Seite


Die Zeit der Großen Koalition 1966 - 1969


 Wirtschafts- und Finanzpolitik     Notstandsgesetzgebung     Außerparlamentarische Opposition     Bildungspolitik     Deutsch-deutsche Beziehungen     Ost- und Deutschlandpolitik     Außen- und Sicherheitspolitik     Europapolitik     Ende der Großen Koalition     Literaturhinweise


Die Übernahme der Kanzlerschaft durch Kurt Georg Kiesinger 1966


  • 10. November 1966: Der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Kurt Georg Kiesinger, wird vom CDU-Bundesvorstand zum Kanzlerkandidaten nominiert. Beide Unionsparteien beschlossen, mit den Sozialdemokraten eine neue Regierung zu bilden.

Die Entscheidung für Kiesinger, der NSDAP-Mitglied und von 1940 - 1945 stellvertretender Leiter der Rundfunkabteilung im Auswärtigen Amt gewesen war, wurde besonders im Ausland heftig kritisiert.

 

Kurt Georg Kiesinger (*1904, †1988).  Aufnahme im Jahr 1968.

1958 - 1966 Ministerpräsident von Baden-Württemberg, 1966 - 1969 Bundeskanzler

Mit besonderer Genehmigung des Bildautors Josef Albert Slominski (slomifoto). Link: www.slomifoto.de

  • Am 24. November scheitern Gespräche zwischen Kiesinger und dem Parteivorsitzenden der FDP, Erich Mende, über eine Neuauflage der Koalition. Die FDP erklärte sich danach zu einer Koalition mit der SPD bereit.

In der SPD überwogen die Stimmen, die für eine Koalition mit den Unionsparteien eintraten. Eine Verbindung mit der FDP hätte nur eine hauchdünne Mehrheit im Bundestag bedeutet. Zudem war es nicht sicher, ob alle Flügel der FDP die SPD unterstützen würden.

  • 30. November: Ludwig Erhard tritt von seinem Amt als Bundeskanzler zurück.

  • 1. Dezember: Der Deutsche Bundestag wählt mit 340 von 460 Stimmen Kiesinger zum Kanzler (CDU/CSU und SPD haben zusammen 447 Sitze).

Das Bündnis zwischen den Unionsparteien und der SPD veränderte die parlamentarisch-politische Konstellation grundlegend. Anstelle einer zahlenmäßig starken Opposition standen nun  47 Abgeordnete der FDP 447 Mandatsträgern der Regierungsparteien gegenüber.

  • 12. Dezember 1966: In seiner Regierungserklärung bezeichnet Kurt Georg Kiesinger die Notstandsverfassung, die Beziehungen zu den Staaten des Warschauer Pakts und die Konsolidierung der Staatsfinanzen sowie der Wirtschaft als wichtigste Aufgaben der Großen Koalition. In der Gestaltung des Verhältnisses zur DDR kündigt er einen Kurswechsel an: "Wir wollen entkrampfen und nicht verhärten, Gräben verhindern und nicht vertiefen".

Nebenbei bemerkt: Im Jahr 1966 entstand mit dem Zyklus ‚Totentanz von Basel’ eines der berühmtesten Werke des Malers und Holzschneiders HAP Grieshaber (* 1909, † 1981). In der Form von Farbholzschnitten zeigt er 40 eindringliche Begegnungen von Menschen verschiedenen Alters und Berufs mit dem Tod. Angeregt wurde Grieshaber durch mittelalterliche Fresken an Friedhofsmauern, die unter dem Eindruck großer Pestkatastrophen entstanden sind. Die bunten Bilder regen den Betrachter an, über sein durch den Tod begrenztes Leben nachzudenken. HAP Grieshaber schuf über dieses Werk hinaus zahlreiche Holzreliefs, Mosaiken und Glasfenster. Thomas Mann hat ihn als den größten Holzschneider seit Albrecht Dürer bezeichnet.  


Bildung der Großen Koalition     Notstandsgesetzgebung     Außerparlamentarische Opposition     Bildungspolitik     Deutsch-deutsche Beziehungen     Ost- und Deutschlandpolitik     Außen- und Sicherheitspolitik     Europapolitik     Ende der Großen Koalition   Literaturhinweise       Zurück zum Seitenanfang


Wirtschafts- und Finanzpolitik


  • Die wirtschaftliche Lage im Jahr 1966/67

  • 1966 befand sich die BRD auf dem Weg in ihre erste Rezession. Das Wachstum des Bruttoinlandprodukts betrug nur 2,8%. Die Arbeitslosenquote lag bei 0,7%. Im Dezember waren 300.000 Menschen ohne Arbeit. Alles deutete darauf hin, dass das Wirtschaftswunder unaufhaltsam seinem Ende entgegen ging. Die fast unlösbare Aufgabe der Großen Koalition von Union und SPD bestand darin, einen möglichst hohen Beschäftigungsstand und gleichzeitig Preisstabilität sowie Wirtschaftswachstum zu sichern.

  • 1967 war das Wirtschaftswachstum rückläufig (-0,2%). Im Jahresdurchschnitt waren 459.000 Menschen arbeitslos.

  • Die Lenkung der Wirtschaft durch den Staat

  • Am 14. Februar 1967 findet die erste Gesprächsrunde der von Wirtschaftsminister Karl Schiller ins Leben gerufenen "Konzertierten Aktion" statt. Auf der Basis von "gesamtwirtschaftlichen Orientierungsdaten" erarbeitet ein Gremium aus Vertretern der Gewerkschaften und Unternehmerverbänden, der Deutschen Bundesbank und des Wirtschaftsministeriums sowie Sachverständige gemeinsame Vorschläge zur Belebung der Konjunktur. Schon früh zeichneten sich in den Gesprächsrunden die ersten Bruchlinien ab: Die Gewerkschaften wehrten sich gegen Eingriffe in die Tarifautonomie. Dennoch kam es zu Absprachen, die zunächst nur moderate Lohnerhöhungen zur Folge hatten

  • Am 23. Februar verabschiedet der Bundestag das erste Investitionsprogramm der Bundesregierung, das zusätzliche Investitionen bei Bahn und Post sowie im Straßen- und Wohnungsbau vorsieht.

  • Am 10. Mai billigt der Bundestag das Gesetz zur Förderung der Stabilität des Wachstums in der Wirtschaft ("Stabilitätsgesetz").

Das "Stabilitätsgesetz" verpflichtet die Bundesregierung, Vollbeschäftigung, außenwirtschaftliches Gleichgewicht, Wirtschaftswachstum und Preisstabilität ("magisches Viereck") anzustreben. Die im Gesetz genannten Instrumente zur Steuerung der Wirtschaft ermöglichen es der Bundesregierung und der Bundesbank, durch antizyklische Haushalts- und Finanzpolitik die Nachfrage zu steuern (entsprechend der Theorie von John Maynard Keynes). Durch die Planung von öffentlichen Investitionen soll die allgemeine Wirtschaftstätigkeit beeinflusst werden.

  • Zur Überwachung und Beratung der Wirtschaftspolitik wird ein "Konjunkturrat" der öffentlichen Hand gebildet. Ein Jahreswirtschaftsbericht soll die gesamtwirtschaftliche Lage darstellen.

  • Schon im Mai 1968 ist auf dem Arbeitsmarkt der Höhepunkt der Krise überschritten. Die Arbeitslosenquote liegt nur noch bei 1,6% (gegenüber 3,2% im Januar). Im September 1968 herrscht praktisch Vollbeschäftigung, die erste Rezession der BRD ist überwunden. Mit dem unerwarteten Aufschwung der Wirtschaft von 1968 drängte die Arbeiterschaft wieder auf Lohnerhöhungen.

Durch die Erfolge der "Konzertierten Aktion" entstand ein Glaube an die Machbarkeit der wirtschaftlichen Entwicklung. Planungseuphorie und ungebremster Fortschrittsoptimismus schlossen sich an.

  • Die Diskussion um die Aufwertung der Deutschen Mark

  • Der Verfall des französischen Francs als Folge der Kapitalflucht nach der Mairevolte 1968 in Paris führt zu einer internationalen Währungskrise. Über die Aufwertung der DM wird spekuliert. Die Fachminister aus 10 Industrieländern verpflichten sich im November 1968 zu Maßnahmen, den Franc zu stützen und die Währungsspekulation zu beenden.

  • Wegen der Hochkonjunktur mit einem Wirtschaftswachstum von nahezu 12% beschließt die Bundesregierung im März 1969 eine Reihe von Maßnahmen, um die Inflationsgefahr abzuschwächen.

Öffentliche Investitionen werden zurückgestellt. Über die Frage einer Aufwertung der DM, die der Förderung des Imports und einer Reduzierung des Exports dienen soll, kommt es zu einem Streit innerhalb der Großen Koalition. Die Aufwertungsgegner um Finanzminister Franz Josef Strauß setzten sich gegen Wirtschaftsminister Karl Schiller und die Bundesbank durch. Der Beschluss, nicht aufzuwerten, führte in der Folgezeit zu einer Belastung der Großen Koalition.

 
 

Karl Schiller (1911 - 1994)

1966 - 1971 Bundeswirtschaftsminister, 1971 -1972 Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen

Photographie, Deutsches Historisches Museum, Inv-Nr. D2941486

  • Am 14. Mai 1969 tritt nach einer Reihe von Grundgesetzänderungen die neue Finanzverfassung in Kraft: Die finanzpolitischen Kompetenzen der Gebietskörperschaften werden neu geordnet. Außerdem werden neue Finanzverteilungsschlüssel und Verfahren bei Entscheidungen über Finanzierungsfragen in Bund, Ländern und Gemeinden festgelegt. Die neue Finanzverfassung soll die wirtschafts- und konjunkturpolitischen Reformgesetze von 1967 ergänzen.

  • Die wichtigsten Änderungen betrafen die neu eingeführten "Gemeinschaftsaufgaben" von Bund und Ländern. Bund und Länder waren über den Steuerverbund und den Finanzausgleich mit den neu eingeführten Ergänzungszuweisungen des Bundes an die Länder und der Länder untereinander fast undurchschaubar verquickt.

  • Als Folge der Finanzreform stieg die Anzahl der Gesetze, denen der Bundesrat zustimmen musste, deutlich an. In der Zeit der Großen Koalition drohten vom Bundesrat her keine Konflikte. Dies sollte sich nach dem Ende des großen Bündnisses ändern: Bundestag und Bundesrat waren nun vor allem in Finanzfragen zum Dauerkompromiss verurteilt. Der Bundesrat wurde zum Ort parteipolitischer Taktik, er entwickelte sich zum Blockadeinstrument.

  • Kohlekrise

  • Die allgemeine Rezession von 1967 verbindet sich im Ruhrgebiet mit der spezifischen Strukturkrise im Montanbereich.

  • Schon im März 1966 hatten der Bund und das Land Nordrhein-Westfalen vereinbart, den Ruhrbergbau mit rund 1 Mrd. DM zu subventionieren.

  • Am 7. November 1967 verabschiedet der Bundestag das Kohleanpassungsgesetz, das Bergleuten durch Abfindungen den Berufswechsel zu erleichtern. Daneben wird die Umstrukturierung der besonders stark von Zechen abhängigen Wirtschaftsregionen durch staatliche Investitionsprogramme gefördert.


Bildung der Großen Koalition     Wirtschafts- und Finanzpolitik     Außerparlamentarische Opposition     Bildungspolitik     Deutsch-deutsche Beziehungen     Ost- und Deutschlandpolitik     Außen- und Sicherheitspolitik     Europapolitik     Ende der Großen Koalition      Literaturhinweise    Zurück zum Seitenanfang   


Die Notstandsgesetzgebung


  • Die früheren Westalliierten hatten immer noch das Recht, bei einem Ausnahmezustand (Angriff von außen, innere Unruhen, Naturkatastrophen) einzugreifen. Um die Jahreswende 1967/68 stellen sie die Ablösung der verbliebenen Vorbehaltsrechte für den Fall in Aussicht, dass entsprechende deutsche Gesetze ("Notstandsgesetze") die Sicherheit ihrer in der BRD stationierten Truppen gewährleisten.

  • Am 14. Mai 1965 war die zweite Vorlage einer neuen Notstandsverfassung am Widerstand der SPD gescheitert. Im Frühjahr 1966 signalisierten alle Parteien grundsätzliche Zustimmung zur Notwendigkeit einer Notstandsverfassung.

  • Die Bewegung gegen die Notstandsgesetze umfasst zahlreiche Gruppen aus den Bereichen der Universitäten, Kirchen, Medien und Kultur. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) kündigte in einer Resolution vom 13. Mai 1966 an, jede Notstandsgesetzgebung bekämpfen zu wollen, "welche die demokratischen Grundrechte einschränkt und besonders das Versammlungs-, Koalitions- und Streikrecht der Arbeitnehmer und ihrer Organisationen bedroht".

  • Im akademischen Milieu sieht man in der Notstandsgesetzgebung eine akute Gefährdung der Demokratie. Im Mai 1968 veröffentlichen 200 Professoren ein Manifest, in dem sie gegen eine Regierung protestieren, "die bereit ist, die Bundeswehr gegen das eigene Volk einzusetzen". Der DGB bekräftigt im gleichen Monat seine Ablehnung der Notstandsgesetze, betont aber gleichzeitig, eine verfassungsmäßig zustande gekommene Gesetzgebung respektieren zu wollen.

  • Trotz der Proteste beschließt der Bundestag am 30. Mai 1968 mit 384 Ja-Stimmen, 100 Nein-Stimmen und einer Enthaltung die Annahme des 17. Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes ("Notstandsverfassung"), des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses und der sog. Vorsorge- und Sicherstellungsgesetze. - Mit Inkrafttreten des Gesetzes am 28. Juni 1968 erlöschen die alliierten Sicherheitsvorbehalte aus dem Deutschlandvertrag von 1952.

Der volle Wortlaut des Gesetzes wird erst nach der Verabschiedung veröffentlicht. Der Exekutive werden bei einem Notstand mehr Rechte eingeräumt. Ein äußerer Notstand, Spannungsfall oder Verteidigungsfall wird vom Bundestag oder von einem 'Gemeinsamen Ausschuss" festgestellt, der sich zu zwei Dritteln aus Vertretern des Bundestags, zu einem Drittel aus Vertretern der Bundesländer zusammensetzt. Im Fall einer "drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder des Landes" können mehrere Grundrechte eingeschränkt werden, so das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis, die Unverletzlichkeit der Wohnung, das Recht der Freizügigkeit und die freie Berufswahl (Arbeitssicherstellungsgesetz, Katastrophenschutzgesetz, Sicherstellungsgesetz für Ernährung, Wirtschaft und Verkehr, Abhörgesetz).

  • Die Proteste gegen die Notstandsgesetzgebung hielt auch nach der Verabschiedung durch den Bundestag an. Die Kritik bezog sich vor allem auf die mögliche Einschränkung von Grundrechten, die Aufhebung der Gewaltenteilung im Verteidigungsfall durch die Institution des 'Gemeinsamen Ausschusses' und die Missbrauchgefahr durch den nicht näher definierten "Spannungsfall".


Bildung der Großen Koalition     Wirtschafts- und Finanzpolitik     Notstandsgesetzgebung          Bildungspolitik     Deutsch-deutsche Beziehungen     Ost- und Deutschlandpolitik     Außen- und Sicherheitspolitik     Europapolitik     Ende der Großen Koalition      Literaturhinweise     Zurück zum Seitenanfang   


Die 'Außerparlamentarische Opposition' (APO)


  • Nach der Bildung der Großen Koalition im Dezember 1966 verliert der Bundestag mangels einer starken, handlungsfähigen Opposition in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung an Gewicht. Eine 'Außerparlamentarische Opposition' (APO) entsteht.

Die APO rekrutierte ihre Anhänger aus drei verschiedenen Strömungen in der Gesellschaft: 1. der sog. Ostermarsch- oder Friedensbewegung, die schon in den fünfziger Jahren und Anfang der sechziger Jahre gegen die Gründung der Bundeswehr und die Ausrüstung mit Atomwaffen protestiert hatte. 2. den Gegnern der Notstandsgesetzgebung und 3. der Studentenbewegung

  • Am 5. Februar 1966 kommt es bei einer Demonstration von etwa 2.500 Studenten gegen den Vietnamkrieg der USA in Westberlin zu schweren Auseinandersetzung mit der Polizei. In der Folgezeit wird Westberlin in der Bundesrepublik zum Zentrum einer sich formierenden Protestbewegung gegen den Vietnamkrieg.

Die Westmächte befürchteten - entsprechend der so genannten Domino-Theorie - ein Übergreifen der kommunistischen Bewegung in Nordvietnam auf die benachbarten Länder. Im Februar 1965 begannen die USA mit systematischen Bombenangriffen auf militärische und wirtschaftliche Ziele in Nordvietnam.  Bis Ende 1965 verstärkten die USA ihre Truppen auf 185.000 Mann (Ende 1968 543.000 Mann).

  • Am 22. Juni 1966 protestieren 3000 Studenten der Freien Universität Berlin (FU) gegen ein Versammlungsverbot und fordern eine Ausweitung der studentischen Mitbestimmung.

  • Aus Protesten an den Hochschulen gegen unzureichende Studienbedingungen und erstarrte hierarchische Strukturen der Universitäten erwächst nach Bildung der Großen Koalition im Dezember 1966 eine politische Bewegung der Studenten.

  • Als Teil der 'Außerparlamentarischen Opposition' greift die Studentenbewegung bald über die Hochschulen hinaus und bestimmt zwischen 1967 und den frühen siebziger Jahren das politische Klima in der BRD wesentlich mit. Kristallisationspunkte des Protests sind vor allem der Krieg der USA in Vietnam und die restaurativen Tendenzen in der BRD, die insbesondere an der ausgebliebenen gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus, dem Wiederaufleben des deutschen Militarismus und der geplanten Notstandsgesetzgebung festgemacht werden.

Proteste gegen die bestehenden Formen der Gesellschaft und die vorherrschende Politik sind nicht auf die Bundesrepublik beschränkt, sondern ein Phänomen internationalen Ausmaßes. In den USA, wo insbesondere gegen den Krieg in Vietnam protestiert wird, werden die Standards für die zunächst gewaltfreien Protestformen gesetzt (Sit-ins, Teach-ins, Besetzung von Universitätsinstituten, Blockierung von Verkehrszentren etc.).

  • Aktivste Gruppe ist der 'Sozialistische Studentenbund' (SDS), geführt von Rudi Dutschke.

  • Konzeptionell beeinflusst von der kritischen Theorie der 'Frankfurter Schule' (Adorno, Habermas), dem Denken von Herbert Marcuse und Ernst Bloch bildet der SDS die Avantgarde unter zahlreichen studentischen Organisationen. Diese Organisationen verfolgen unterschiedliche politische Ansätze, sind sich jedoch einig in der Kritik der gesellschaftlichen Verhältnisse und im Ziel einer antiautoritären und radikaldemokratischen Gesellschaft.

  Rudi Dutschke (* 1940, † 1979)

Aufnahme im Jahr 1967

Photographie, Deutsches Historisches Museum, Berlin. Inv.-Nr. BA 12247

  • Der SDS wendet sich gegen das Godesberger Programm der SPD. Er orientiert sich an einer marxistischen Gesellschaftsanalyse.

  • Die zunehmende Diskreditierung der außerparlamentarischen Opposition durch die etablierten politischen Parteien und große Teile der Medien (Springer-Presse) trägt zur Radikalisierung der Bewegung bei.

  • Der Tod des Studenten Benno Ohnesorg durch Polizeischüsse am 2. Juni 1967 während der gewaltsamen Auflösung einer Demonstration gegen den Besuch des iranischen Monarchen Schah Resa Pahlewi in Berlin bestärkt einen Teil der Studentenbewegung in ihrem Kampf gegen Staat und Gesellschaft.

  • Einer der wenigen Politiker, die das Gespräch mit den Studenten suchten, war der Soziologe und liberale Intellektuelle Ralf Dahrendorf (*1929, † 2009). In seinen gesellschaftstheoretischen Schriften hatte er zuvor die „Konfliktdemokratie“ dargestellt, welche eine gewaltfreie und mit Gesprächen ausgetragene soziale Auseinandersetzung nicht als zu überwindendes, gemeinschaftsschädigendes Übel betrachtet, sondern als Normalfall ansieht, der eine Gesellschaft produktiv und lernfähig macht. Auf dem Freiburger Bundesparteitag der FDP im Januar 1968 kritisierte er die „Verwechslung von Sicherheit mit Unbeweglichkeit, von Stabilität mit Stagnation“. Die Ursachen der Studentenunruhen lägen in der „Erstarrung der Verhältnisse im Lande und in vielen seiner Institutionen“.

 

Legendär geworden ist folgende Situation während des FDP-Parteitags in der Freiburger Stadthalle: Drinnen saß das politische Establishment, draußen demonstrierten linke Studenten. Ralf Dahrendorf ging hinaus und stellte sich Rudi Dutschke zur öffentlichen Diskussion. Während Dutschke seine wenig verständlichen Thesen über die Herrschaft der „Bewusstseinsindustrie“ vorbrachte, sprach sich Dahrendorf kühl und prägnant für den institutionellen Weg der allmählichen Veränderung aus.

  • Im Februar und März 1968 nehmen die Demonstrationen von Studenten und auch Schülern gegen die Bildungspolitik, den Vietnamkrieg und die geplanten Notstandsgesetze an Umfang und Intensität zu. Immer wieder kommt es zu Zusammenstößen mit der Polizei. Auf einer 'Internationalen Vietnamkonferenz', die am 17. Februar 1968 vom SDS in Berlin veranstaltet wird, kündigen die Teilnehmer an, "vom Protest zum Widerstand" übergehen zu wollen.

  • Am 11. April 1968 wird in Berlin durch einen Rechtsradikalen ein Mordanschlag auf Rudi Dutschke verübt; er wird lebensgefährlich verletzt. Nach dieser Tat kommt es an den Ostertagen in 27 Großstädten zu Demonstrationen, an denen sich mehrere hunderttausend Menschen beteiligen.

  • Bundeskanzler Kiesinger verurteilte in einer Rundfunk- und Fernsehansprache am 13. April 1968 die Proteste als Aktionen einer kleinen militanten Minderheit der Studenten, die, von 'radikalen Rädelsführern' gesteuert, angetreten seien, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu zerstören. Einen Tag später zeigt sich Justizminister Heinemann selbstkritischer, indem er auf die Defizite der westdeutschen Demokratie verweist.

 
 

Gustav Heinemann (*1899, †1976), 1949 - 1950 Innenminister der ersten Bundesregierung unter Konrad Adenauer, 1966 - 1969 Bundesjustizminister, 1969 - 1974 Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland

Foto: bpa

  • Ende November 1968 stuft Innenminister Ernst Benda den SDS als verfassungsfeindliche Organisation ein. Den Studenten wird zugestanden, dass ihre Forderungen nach Reformen teilweise - z.B. auf dem Bildungssektor - berechtigt sind.

 
  • Am 7. November 1968 verpasste die deutsch-französische Aktivistin Beate Klarsfeld Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger (CDU) in Berlin eine Ohrfeige. Der Schlag machte Klarsfeld berühmt: Er stand für den Versuch der Generation von 1968, mit den bundesdeutschen Eliten abzurechnen - viele der Verantwortlichen hatten wie Kiesinger eine NS-Vergangenheit. Nachdem Kiesinger auf Drängen seiner Parteifreunde Strafantrag gestellt hatte, wurde Beate Klarsfeld in einem Schnellverfahren noch am selben Tag zu einem Jahr ohne Bewährung verurteilt. Da ihr Anwalt Horst Mahler sofort Berufung einlegte, wurde das Urteil nicht vollstreckt. Von der "Bild" bis zur kleinsten Lokalzeitung fand die "Ohrfeigenaffäre" breiteste Publizität.

  • Auch 1969 kommt es in fast allen Universitätsstädten zu gewaltsamen Konfrontation zwischen Ordnungskräften und Demonstranten der Studentenbewegung. Besonders heftig sind die Auseinandersetzung in Göttingen und Westberlin.


 Bildung der Großen Koalition     Wirtschafts- und Finanzpolitik     Notstandsgesetzgebung     Außerparlamentarische Opposition     Deutsch-deutsche Beziehungen     Ost- und Deutschlandpolitik     Außen- und Sicherheitspolitik     Europapolitik     Ende der Großen Koalition     Literaturhinweise    Zurück zum Seitenanfang


Bildungspolitik


  • Im Februar 1966 wird offensichtlich, dass die von der öffentlichen Hand bereitgestellten Finanzmittel nicht ausreichen, alle Lehrstühle an den deutschen Hochschulen zu besetzen. Jeder siebte Lehrstuhl ist unbesetzt. Die Zahl der Studenten hatte sich von 1955 bis 1966 verdoppelt. Wissenschaftsminister Stoltenberg (CDU) diagnostiziert im November 1966 einen beginnenden Forschungsnotstand und fordert höhere Ausgaben im Bildungs- und Forschungsbereich sowie den Abbau aller Zugangsbeschränkungen an den Hochschulen.

  • Die 'Westdeutsche Rektorenkonferenz' verabschiedet am 9. Januar 1968 ein Reformprogramm für die Universitäten, das den Forderungen der Studentenschaft nach Demokratisierung und Modernisierung des Hochschulbetriebs entgegenkommt und erweiterte Informations- und Beratungsrechte empfiehlt. Auf dieser Grundlage beschließt die 'Ständige Konferenz der Kultusminister' am 10. April 1968 Leitsätze zur Neuordnung des Hochschulwesens. Alle Gruppen der Universität sollen Mitspracherechte erhalten. Die Privilegien der Hochschullehrer werden eingeschränkt.

Diese Beschlüsse blieben bei den Professoren nicht ohne Widerspruch. Im Marburger Manifest vom 18. Juni 1968 protestierten 1500 Hochschullehrer gegen die Einräumung der von der Studentenschaft geforderten Mitbestimmung.

  • Mitte April 1968 beziffert der 'Deutsche Bildungsrat' das Defizit im Bildungssektor für die nächsten fünf Jahre auf 22 Mrd. DM. Er schlägt vor, die Aufwendungen für den Schulsektor bis 1973 zu verdoppeln und etwa 40 Gesamtschulen zu bauen.

  • Am 27. März 1969 schließen die Bundesländer einen Staatsvertrag über Grundsätze zur Reform der wissenschaftlichen Hochschulen. Die Kultusminister der Länder vereinbaren die gegenseitige Anerkennung der Reifezeugnisse.

  • Ende Juni 1969 verabschiedet der Bundestag das Ausbildungsförderungsgesetz für Schüler. Mit diesem Gesetz wird der Schulbesuch von Kindern aus einkommensschwachen Familien finanziell gefördert.

  • Das Berufsbildungsgesetz vom August 1969 vereinheitlicht die Regelungen zur Berufsausbildung sowie zur beruflichen Fortbildung und Umschulung.


Bildung der Großen Koalition     Wirtschafts- und Finanzpolitik     Notstandsgesetzgebung     Außerparlamentarische Opposition     Bildungspolitik     Ost- und Deutschlandpolitik     Außen- und Sicherheitspolitik     Europapolitik     Ende der Großen Koalition      Literaturhinweise     Zurück zum Seitenanfang


Deutsch-deutsche Beziehungen


  • Am 13. Dezember 1966 scheitern die Verhandlungen über eine weitere Passierscheinregelung.

Die Bundesregierung bestand auf der Wiederaufnahme der in den vorhergehenden Abkommen enthaltenen 'Salvatorischen Klausel', die klarstellt, dass es sich bei der Vereinbarung nicht um einen Vertrag zwischen zwei Staaten handelt. Bis zum März 1973 bestanden - außer in Härtefällen - keine Besuchsmöglichkeiten für Westberliner in Ostberlin.

  • Am 12. April 1967 gibt Bundeskanzler Kiesinger eine Regierungserklärung zur Deutschlandfrage ab, in der er eine Verbesserung der Beziehungen zur DDR - unterhalb der Ebene staatlicher Anerkennung - als Teil der angestrebten Entspannung in Europa eine hohe politische Priorität einräumt. Er schlägt Maßnahmen zur "Erleichterung des täglichen Lebens", zur verstärkten wirtschaftlichen und verkehrspolitischen Zusammenarbeit sowie "Rahmenvereinbarungen für den wissenschaftlichen, technischen und kulturellen Austausch" vor.

  • Der Ministerratsvorsitzende der DDR, Willi Stoph, bietet einen Monat später in einem Brief an Kiesinger direkte Gespräche an, fordert jedoch zugleich eine völkerrechtliche Anerkennung der DDR durch die BRD.

  Willi Stoph (*1914, †1999), 1952 - 1955 Minister des Innern in der DDR, 1953 - 1989 Mitglied der Politbüros der SED, 1954 - 1962 Stellvertretender Vorsitzender des Ministerrats.

Photographie, Deutsches Historisches Museum, Berlin. Inv.-Nr. BA R 0430/305 N (ADN Zentralbild).
  • In seinem Antwortschreiben geht Kiesinger nicht auf die Forderung von Willi Stoph ein. Stattdessen schlägt er direkte Gespräche über einzelne konkrete Sachfragen vor, die das innerdeutsche Verhältnis betreffen.

  • Am 18. September 1967 sendet Willi Stoph einen Vertragsentwurf über normale völkerrechtliche Beziehungen. Kiesinger lehnt die Zustimmung zu einem solchen Vertrag ab und beendet den Notenwechsel.

  • Am 11. März 1968 schlägt Bundeskanzler Kiesinger in seinem "Bericht zur Lage der Nation" Verhandlungen über eine Gewaltverzichtserklärung vor und bietet erneut Gespräche über Sachfragen an. Auf diese Initiative reagiert die DDR mit Behinderungen im Berlinverkehr.

  • Am 6. Dezember 1968 erneuern die BRD und die DDR die Vereinbarungen zum Interzonenhandel bis 1975. Die langfristig festgelegten Lieferkontingente für Investitionsgüter steigen erheblich; der zinslose Überziehungskredit (Swing) wird ebenfalls erhöht.

  • Am 27. Februar 1969 erfüllt die BRD eine alte Forderung der DDR und überweist 5,1 Mio. DM an die Ostberliner Postverwaltung als Ausgleich für die der DDR entstandenen Kosten durch den Fernmelde- und Postverkehr nach Westberlin.


 Bildung der Großen Koalition     Wirtschafts- und Finanzpolitik     Notstandsgesetzgebung     Außerparlamentarische Opposition     Bildungspolitik     Deutsch-deutsche Beziehungen     Außen- und Sicherheitspolitik     Europapolitik     Ende der Großen Koalition     Literaturhinweise     Zurück zum Seitenanfang 


Ost- und Deutschlandpolitik


  • Anfang 1967 unterzeichnen die BRD und Rumänien einen Vertrag über die Aufnahme diplomatischer Beziehungen.

Da Rumänien auch diplomatische Beziehungen zur DDR unterhält, ist die Hallstein-Doktrin praktisch außer Kraft gesetzt.

  • Die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Ungarn und Bulgarien scheitern am Widerstand der Sowjetunion, die eine Isolierung der DDR befürchtet.

  • Trotz sowjetischer Widerstände, gelingt es der BRD, mit der Tschechoslowakei ein Handelsabkommen abzuschließen (3. August1967) und mit Jugoslawien wieder diplomatische Beziehungen aufzunehmen (31. Januar 1968)

  • Außenminister Brandt fordert auf dem Bundesparteitag der SPD am 21. März 1968 die "Anerkennung bzw. Respektierung der Oder-Neiße-Linie bis zur friedensvertraglichen Lösung".

  • Am 9. April 1968 erklärt sich die BRD gegenüber der Sowjetunion zu einem Gewaltverzicht als einem ersten Schritt zur Entspannung und Sicherheit in Europa bereit.

In dem Gegenmemorandum wiederholt die Sowjetunion ihre Forderungen: Anerkennung der DDR und der Oder-Neiße-Linie, Verzicht der BRD auf Kernwaffen. Die BRD wird als Hort des Revanchismus und des Militarismus bezeichnet.

  • Nach der Anerkennung der DDR durch das neutrale Kambodscha im Mai 1969, kommt es zwischen CDU/CSU und SPD zu einer heftigen Kontroverse um die Weiterführung der Hallstein-Doktrin.

Kiesinger befürchtete, die Hinnahme der Anerkennung der DDR durch Kambodscha könne Länder der Dritten Welt und des Westens veranlassen, diesem Schritt zu folgen. Außenminister Brandt setzt eine "modifizierte Hallstein-Doktrin" durch: Die Anerkennung der DDR durch dritte Staaten wird als 'unfreundlicher Akt' aufgefasst, führt jedoch nicht mehr automatisch zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen.


Bildung der Großen Koalition     Wirtschafts- und Finanzpolitik     Notstandsgesetzgebung     Außerparlamentarische Opposition     Bildungspolitik     Deutsch-deutsche Beziehungen     Ost- und Deutschlandpolitik     Europapolitik     Ende der Großen Koalition     Literaturhinweise     Zurück zum Seitenanfang


Außen- und Sicherheitspolitik


  • Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger bewilligt Ende Dezember 1966 Zahlungen an die USA in Höhe von 1,8 Mrd. DM.

Ludwig Erhard hatte sich 1964  verpflichtet, diejenigen Devisenverluste auszugleichen, die Amerika durch Ausgaben ihrer in der BRD stationierten Soldaten erleidet. Wegen drohender Defizite im Bundeshaushalt versucht die BRD im Mai und September 1966 vergeblich einen Zahlungsaufschub für den noch ausstehenden Betrag in Höhe von 2,7 Mrd. DM zu erreichen. Die USA drohten an, ihre Truppen in der BRD zu reduzieren.

  • Ende Januar 1967 unterzeichnet die BRD den zwischen den USA, Großbritannien und der Sowjetunion ausgehandelten 'Vertrag über die Grundsätze zur Regelung der Tätigkeiten von Staaten bei der Erforschung und Nutzung des Weltraums einschließlich des Mondes und anderer Himmelskörper'. Die 63 Unterzeichnerstaaten verpflichten sich auf eine friedliche Erforschung und Nutzung des Weltraums. 

  • Atomwaffensperrvertrag

  • Im Februar 1966 signalisierte die Sowjetunion ihr Einverständnis, einen Vertrag über die Nichtverbreitung von Atomwaffen abzuschließen. Der NATO-Ministerrat beschließt im Dezember, eine nukleare Planungsgruppe einzurichten, in der auch die BRD ein Mitspracherecht hat.

  • Im März 1969 spricht sich Außenminister Brandt für eine Unterzeichnung des von den Großmächten ausgehandelten Atomwaffensperrvertrags aus. Bundeskanzler Kiesinger und die Unionsparteien hatten  wegen des Beitritts der DDR zu diesem Abkommen Bedenken gegen eine Unterzeichnung. - Der Beitritt zu diesem Abkommen erfolgte auf Beschluss der sozial-liberalen Koalition am 28.November 1969.

  •  NATO

  • Am 21. Februar 1966 gibt der französische Staatspräsident Charles des Gaulle Frankreichs Rückzug aus der integrierten militärischen Struktur der NATO zum 1. Juli bekannt. Im Dezember 1966 verpflichtet sich Frankreich gegenüber der BRD weiterhin alle Rechte und Pflichten eines Vollmitglieds der NATO wahrzunehmen.

  • Im Mai 1967 ersetzen die Verteidigungsminister der Mitgliedstaaten die Doktrin der "massiven Vergeltung" im Falle eines Angriffs durch die Doktrin der "Flexible Response", die von einer stufenweise Eskalation ausgeht. Für die BRD bedeutet dies, dass sie im Ernstfall nicht automatisch nukleares Schlachtfeld wird.

  • Auf der NATO-Tagung in Reykjavik (Island) am 24./25. Mai 1968 bekunden die Außenminister der NATO-Mitgliedstaaten ihre Bereitschaft, gemeinsam mit anderen Staaten (gemeint sind die Staates des Warschauer Paktes) "konkrete und praktische Schritte im Bereich der Rüstungskontrolle zu erkunden" und über beiderseitig Truppenverminderungen zu verhandeln.


Bildung der Großen Koalition     Wirtschafts- und Finanzpolitik     Notstandsgesetzgebung     Außerparlamentarische Opposition     Bildungspolitik     Deutsch-deutsche Beziehungen     Ost- und Deutschlandpolitik     Außen- und Sicherheitspolitik     Ende der Großen Koalition     Literaturhinweise    Zurück zum Seitenanfang


Europäische Integrationspolitik


  • Im Januar 1966 gibt Frankreich seine "Politik des leeren Stuhls" auf und beteiligt sich wieder an den Ratssitzungen. Kernpunkt des Kompromisses ist, dass bei wichtigen Fragen das Vetorecht und nicht das Mehrheitsprinzip gilt. Frankreich sieht seine Souveränität damit ausreichend gesichert.

  • Am 24. Juli 1966 beschließen die Landwirtschaftsminister der Mitgliedstaaten in Brüssel die Errichtung eines gemeinsamen Agrarmarktes ab 1. Juli 1967.

  • Am 1. Juli 1967 werden die EWG, EURATOM und EGKS zur Europäischen Gemeinschaft (EG) fusioniert.

Die EG verfügt über vier zentrale Organe: Kommission (Brüssel), Ministerrat (Brüssel), Parlament (Straßburg) und Gerichtshof (Luxemburg).

  • Auf der Tagung des Ministerrats in Brüssel am 11.12.1967 legt Frankreich zum zweiten Mal sein Veto gegen den Beitritt Großbritanniens ein und verhindert die von der BRD befürwortete Ausweitung der Gemeinschaft.

  • Am 14. Februar 1969 kommt es zu einer Krise der europäischen Integrationspolitik. Frankreich ist nicht bereit, den Beschluss des Rats der Europäischen Union (WEU) vom 6./7. Februar 1969 zu akzeptieren, vor wichtigen außenpolitischen Beschlüssen  Konsultationen untereinander abzuhalten. Frankreich verkündet – entsprechend dem Konflikt in der EWG von 1965 – eine „Politik des leeren Stuhls“ gegenüber den Organen der WEU.


Bildung der Großen Koalition     Wirtschafts- und Finanzpolitik     Notstandsgesetzgebung     Außerparlamentarische Opposition     Bildungspolitik     Deutsch-deutsche Beziehungen     Ost- und Deutschlandpolitik     Außen- und Sicherheitspolitik     Europapolitik      Zurück zum Seitenanfang


Das Ende der Großen Koalition


  • Veränderungen im Parteiensystem

  • Mit der Verabschiedung des Godesberger Programms 1959 hatte die SPD den ersten Schritt zur Öffnung für neue Mitglieder- und Wählerschichten getan. Der eigentliche Wandel von einer Arbeiter- zu einer Volkspartei hatte sich erst in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre und in den siebziger Jahren vollzogen. Entscheidend war das Profil der neuen Mitglieder und Wähler: Beamte und Angestellte, Frauen, junge Menschen, Angehörige der Dienstleistungsberufe, Personen mit höheren Bildungsabschlüssen veränderten das Bild der Sozialdemokratischen Partei von Grund auf. - Vor diesem Hintergrund war die SPD in der Lage, politisch mehrheitsfähig zu werden und eine Koalition mit der FDP einzugehen.

 

Die SPD war vor dem Godesberger Programm im Jahr 1959 auf Bundesebene eine reine Oppositionspartei mit einem Grundsatzprogramm, das noch aus dem Jahr 1925 datierte (Heidelberger Programm). Bis 1959 hatte sich die SPD als Arbeiterpartei mit deutlich marxistischem Akzent definiert. Grund und Boden, Bodenschätze und natürliche Kraftquellen, die der Energieerzeugung dienen, sollten der "kapitalistischen Ausbeutung" entzogen und in den "Dienst der Gemeinschaft" überführt werden. In der Praxis hatte sich die SPD nach 1945 von der marxistischen Wirtschaftslehre verabschiedet. Am 15. November 1959 zog die SPD die Konsequenzen aus den Veränderungen der Nachkriegszeit. Auf ihrem historischen Parteitag in Bad Godesberg beschloss sie den Wandel von der Arbeiter- zur Volkspartei. Im Godesberger Programm hieß es nun: "Freie Konsumwahl und freie Arbeitsplätze sind entscheidende Grundlagen, freier Wettbewerb und freie Unternehmerinitiative sind wichtige Elemente sozialdemokratischer Wirtschaftspolitik."

  • In der Zeit der Großen Koalition wandte sich die FDP von ihrem bürgerlich-mittelständischen Erscheinungsbild ab und bewegte sich auf ein linksliberal-reformerisches Ziel zu. Die FDP verordnete sich eine personelle und programmatische Erneuerung, die ihren Standort im politischen Spektrum der BRD neu bestimmte und den Weg zur SPD bahnte.

  • Auch die CDU/CSU sah ab Mitte der sechziger Jahre die Notwendigkeit, aus dem Schatten des Regierungschefs (aus einer Kanzlerdemokratie) herauszutreten und zu einer politisch schlagkräftigen Mitgliederpartei zu werden. - Ihre Anpassung an die sich wandelnde Erwerbsstruktur sollte es ihr ermöglichen, nach dem Ende der sozial-liberalen Koalition wieder die politische Führungsrolle im Bund zu übernehmen.

  • In außenpolitischen Fragen gab es wenig Harmonie zwischen den Partnern der Großen Koalition. Dem Drängen der SPD, die Beziehungen zu den Staaten des Ostblocks zu verbessern und das Verhältnis zur DDR zu normalisieren, vermochten sich die Unionsparteien nicht voll anzuschließen. Eine Übereinstimmung zwischen SPD und FDP trat immer deutliche zu Tage.

  • Die Bundesversammlung wählt am 5. März 1969 Gustav Heinemann (SPD) zum Bundespräsidenten. Erst im dritten Wahlgang setzt sich der bisherige Bundesjustizminister mit 512 Stimmen gegen den CDU/CSU-Kandidaten Gerhard Schröder durch. Die Große Koalition hatte sich nicht auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen können. Entscheidend ist das Stimmverhalten der FDP; mit ihrem Votum für Heinemann setzt sie im Hinblick auf die bevorstehende Bundestagswahl ein deutliches Zeichen in Richtung sozial-liberaler Koalition.

  • Der Sieg der Sozialdemokraten bei der Bundestagswahl am 28. September 1969, die als einzige im Bundestag vertretene Partei Stimmen gewinnt, wird als Bestätigung des mit dem Godesberger Programm von 1959 eingeleiteten Wandels der SPD von einer ideologisch bestimmten Klassenpartei zu einer auf die linke Mitte hin orientierten Volkspartei gewertet.

Bei einer Wahlbeteiligung von 86,7% entfallen auf CDU/CSU 46,1% (1965:47,6%); die SPD kommt auf 42,7% (+3,4%); die FDP verbucht 5,8% (-3,7%). Nachdem die Partei- und Fraktionsvorstände der SPD und der FDP der Bildung einer sozial-liberalen Koalition zugestimmt haben, wählt der Bundestag am 21.10. mit 251 Stimmen (zwei mehr als nötig) Willy Brandt zum Bundeskanzler.


Allen Schülern und Studenten, die gerade eine Prüfung zu bestehen haben, wünschen wir viel Erfolg.  Wir drücken auch die Daumen für diejenigen, die eine Klausur schreiben müssen oder eine Hausarbeit bzw. Referat anzufertigen haben.


Literaturhinweise


Bracher, Karl Dietrich/ Theodor Eschenburg/Joachim Fest/Eberhard Jäckel (Hrsg.)

Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart und Wiesbaden 1983, Band 4: Klaus Hildebrand: Von Erhard zur Großen Koalition 1963 - 1969.

Dülfer, Jost

Europa im Ost-West-Konflikt. 1945-1990 (=Oldenbourg Grundriss der Geschichte 18). München 2004

Görtemaker, Manfred

Kleine Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. München 2002

Kaelble, Hartmut (Hrsg.)

Der Boom 1948 - 1973. Gesellschaftliche und wirtschaftliche Folgen in der Bundesrepublik Deutschland und in Europa. Opladen 1992.

Mählert, Ulrich

Kleine Geschichte der DDR. München 1999

Steininger, Rolf

Deutsche Geschichte, Darstellung und Dokumente in vier Bänden, Frankfurt am Main 2002. Band 3: 1955 - 1974 (454 Seiten, Fischer Taschenbuch 15582).

Stöver, Bernd

Die Bundesrepublik Deutschland. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2002, 147 Seiten


Bildung der Großen Koalition     Wirtschafts- und Finanzpolitik     Notstandsgesetzgebung     Außerparlamentarische Opposition     Bildungspolitik     Deutsch-deutsche Beziehungen     Ost- und Deutschlandpolitik     Außen- und Sicherheitspolitik     Europapolitik     Ende der Großen Koalition     Zurück zum Seitenanfang


Zurück zum Inhaltsverzeichnis Deutsche Geschichte      weiter zur nächsten Seite      zurück zur vorangehenden Seite


Unser VereinVeranstaltungenDeutsche GeschichteGeschichte WürttembergsOrtsgeschichte KöngenDie RömerPublikationenKöngener Geschichten

Stand: 19.01.2022                                                  Copyright © 2022 Geschichts- und Kulturverein Köngen e.V.                                                  Autor: Dieter Griesshaber

Datenschutzhinweis