Frankreich 1789 - 1794

 

 

 

 

 

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Die Welt des späten Mittelalters (1250 - 1400)

Das Ende der Luxemburger und der Aufstieg der Habsburger Kaiserdynastie (1400 - 1517)

Die Reformation von Luthers Anschlag der 95 Thesen bis zum Wormser Reichstag (1517 - 1521)

Der Dreißigjährige Krieg (1618 - 1648)

Vom Westfälischen Frieden (1648) bis zum Regierungsantritt Friedrichs des Großen (1740)

Der Aufstieg Preußens zur europäischen Großmacht (1740 - 1763)

Die Französische Revolution bis zum Ende der Diktatur Robespierres (1789 - 1794)

Deutschland in der Zeit der Französischen Revolution und der Herrschaft Napoleons (1789 - 1815)

 Restauration und Revolution (1815 - 1830)

Monarchie und Bürgertum (1830 - 1847)

Die Revolution von 1848/49

Von der gescheiterten Revolution 1848 bis zur Gründung des Deutschen Reiches 1871

Die Innen- und Außenpolitik Bismarcks (1871 - 1890)

Das Deutsche Kaiserreich von 1890 bis zum Ausbruch der Ersten Weltkriegs 1914

Die Industrielle Revolution in England und Deutschland (1780 - 1914)

Europäischer Kolonialismus und Imperialismus (1520 - 1914)

Der Erste Weltkrieg (1914 - 1918)

Der Weg zur Weimarer Republik 1918 - 1919

Der Kampf um die Staatsgewalt in der Weimarer Republik (1919 - 1933)

Die Machtübernahme der NSDAP und die Errichtung der Diktatur Hitlers (1933 - 1939)

Der Zweite Weltkrieg (1939 - 1945)

Der Weg in die Teilung Deutschlands (1945 - 1949)

Der Kalte Krieg: Vom Kriegsende 1945  bis zum Bau der Berliner Mauer 1961

Die Ära Adenauer (1949 - 1963)

Die Kanzlerschaft Ludwig Erhards 1963 - 1966

Kalter Krieg Teil 2: Von der Kubakrise 1962 bis zur Auflösung der Sowjetunion 1991

Die Zeit der Großen Koalition 1966 - 1969

Die Ära Brandt (1969 - 1974)

Die Kanzlerschaft Helmut Schmidts (1974 - 1982)

Die Kanzlerschaft Helmut Kohls von 1982 bis 1987

Die Kanzlerschaft Helmut Kohls von 1987 - 1989

Der Weg zur Wiedervereinigung Deutschlands (Teil I: Die DDR von den siebziger Jahren bis zum Fall der Mauer im Jahr 1989)

Vom Fall der Berliner Mauer bis zur deutschen Einheit (1989 - 1990)

 

 

 
 
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Die Französische Revolution bis zum Ende der Diktatur Robespierres


  • Staat und Gesellschaft vor Beginn der Revolution
 
  • Im 17. Jahrhundert hatte sich in Frankreich der Absolutismus (d.h. eine Königsherrschaft, die nicht durch Gesetze und Institutionen begrenzt ist), weitgehend durchgesetzt.  Die Ausweitung der königlichen Macht ging zu Lasten der Stände (Adel, Klerus, Dritter Stand). Die Versammlung der Generalstände, die ursprünglich berechtigt war, Steuern und die Höhe der Staatsausgaben festzulegen, war seit 1614 nicht mehr einberufen worden.

In der Praxis hatte die absolute Herrschaft des französischen Königs Ludwigs XVI. (1774-1792) noch einige Lücken. In 7 der 31 Provinzen Frankreichs gab es am Vorabend der Revolution noch Ständevertretungen. Ferner mussten die Gesetze von den obersten Gerichtshöfen des Landes, den Parlamenten, die von Juristen aus dem Amtsadel (Noblesse de robe) besetzt waren, genehmigt werden. Die Parlamente waren eine Plattform des Adels  für die Opposition gegen den König.

 

Ludwig XVI. ( * 1754, † 1792), König von Frankreich 1774-1792

 

  • Mit 25 Millionen Einwohnern war Frankreich das volkreichste Land Europas. Trotz wirtschaftlicher Blüte nahm die Verschuldung des französischen Staates ständig zu. Der Österreichische Erbfolgekrieg, der Siebenjährige Krieg und das Engagement im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg hatten die Schuldenlast enorm gesteigert. Die Zinsen für die Schuldentilgung betrugen im Jahr 1788 ca. 52% der gesamten Staatsausgaben. Der Anteil für die Ausgaben des Militärs betrug 26%. Sechs weitere Prozent verbrauchte der königliche Hof.

Der Staat konnte seine Aufgaben nicht mehr erfüllen und war auch nicht mehr kreditfähig. Eine Erhöhung der Staatseinnahmen war nur möglich, wenn man die bisherige Steuerbefreiung für die privilegierten Stände (Adel, Klerus) aufhob und nach der Höhe ihres Einkommens besteuerte. Der 'Dritte Stand' finanzierte durch seine Abgaben fast ausschließlich den Staat. Jeder Finanzminister, der sich an die notwendige Finanzreform heranwagte, wurde durch den Druck, den der Hofadel und die Parlamente auf den schwachen König Ludwig XVI. ausübte, gestürzt.

Werfen wir zunächst einen Blick auf die Besitz- und Machtstrukturen der rechtlich in Stände eingeteilten französischen Gesellschaft.

 
  • Der erste Stand, der Klerus, umfasste 120.000 Personen = 0,5% der Bevölkerung. Er besaß 10% des Bodens. Von der Steuerpflicht war er befreit. Der Klerus gab dem Staat nur freiwillige Zuwendungen und erhielt dafür 1/10 des Ernteertrags. Die Inhaber der höchsten Kirchenämter - etwa 10.000 Kleriker - waren durchweg adelig. Die etwa  50.000  Pfarrer auf der untersten Hierarchiestufe, die für die Ausübung des Kirchendienstes zuständig waren, hatten nur geringe Einkommen. Sie teilten die Nöte und Meinungen des Volkes.
  • In den Adel, den zweiten Stand,  wurde man hineingeboren. Er umfasste 350.000 Personen = 1,3% der Bevölkerung und besaß 30% des Bodens. Der Adel hatte zwar seit dem Mittelalter einige Rechte verloren, war jedoch immer noch ein privilegierter Stand. Er brauchte keine Steuern zu zahlen und hatte einen Anspruch auf die wichtigsten Ämter in Staat, Kirche und Armee. Die Adligen auf dem Lande lebten von den Feudalabgaben ihrer Bauern. Der Hofadel erhielt  Renten des Königs.

  Innerhalb des Adels gab es große Unterschiede: Der einfache Landadel litt gegen Ende des 'Ancien Régime' ebenso wie die kleineren Bauern unter dem Steigen der Preise, da sie Getreide kaum über den Eigenbedarf hinaus produzieren konnten.
  • Zum Dritten Stand gehörten 98% der Bevölkerung.  An der politischen Willensbildung war er nicht beteiligt.
 
  • Innerhalb des Dritten Standes bildete sich im Zuge der zunehmenden Arbeitsteilung in der Wirtschaft eine neue Klasse, die Bourgeoisie. Ihr Anteil innerhalb des Dritten Standes betrug zwischen zwei und drei Prozent.
 
  • Die Bedeutung der Manufakturen (Fertigungsbetriebe) und des Handels nahm mit zunehmender Spezialisierung der Produktion von Waren kontinuierlich zu. Die Investitionen in neue Produktionsmittel steigerte den wirtschaftlichen Ertrag der Bourgeoisie. Weitere Erträge bezog die Bourgeoisie aus ihrem Besitz an Boden, von dem sie einen Anteil von 30% erworben hatte.
  • Die Bourgeoisie trug über die von ihr zu zahlenden Steuern wesentlich zur Finanzierung des Staates bei. Ein Mitentscheidungsrecht in politischen Dingen hatten sie jedoch nicht. - Die rechtliche Gliederung der Gesellschaft entsprach also nicht mehr der wirtschaftlichen Gliederung.

  • Das Interesse des Adels, seine Privilegien zu wahren bzw.  vom König zurück zu gewinnen und das gleichzeitige Interesse der Bourgeoisie an politischer Beteiligung boten Raum für Konflikte.

 
  • Eine andere Gruppe des Dritten Standes bestand aus freiberuflich arbeitenden Anwälten, Notaren und Ärzten. Auch Journalisten und Schriftsteller gehörten dazu. Aus dieser Gruppe gingen viele Wortführer der Revolution hervor.
 

Das Gedankengut der Aufklärung hatte insbesondere bei den gebildeten Schichten eine Veränderung des Bewusstseins herbeigeführt. Vieles von dem, was man bisher hingenommen hatte, wurde nun in Frage gestellt. Der argumentierende und seine Persönlichkeit verteidigende Mensch beherrscht das Jahrhundert. Die Ideen Montesquieus, Rousseaus, Voltaires, Diderots und anderer Aufklärer wurden in einer ständig wachsenden Flut von Zeitschriften, Büchern und Flugschriften in immer weitere Bevölkerungskreise hineingetragen.

   
 

Nebenbei bemerkt: Der Franzose Denis Diderot (*1713, † 1784) war Schriftsteller der europäischen Aufklärung. Er gilt als einer der brillantesten Köpfe der abendländischen Geistesgeschichte. Diderot kann unter anderem als ein Wegbereiter der Evolutionstheorie, der Tiefenpsychologie sowie der modernen Kunstkritik gelten. Als Gegner von Absolutismus, Kolonialismus und Sklavenhandel war er ein Vorkämpfer für Demokratie und Menschenrechte. Im Jahr 1751 beginnt Diderot zusammen mit dem Mathematiker und Physiker D’Alembert mit der Herausgabe eines monumentalen Nachschlagewerks, der Enzyklopädie. Dieses Werk, an dem viele bedeutende Köpfe mitarbeiteten, hat wesentlich zur Verbreitung des Wissens beigetragen. Die Herausgabe des insgesamt 28-bändigen Werks in den Jahren von 1751 bis 1772 geriet immer wieder ins Visier der Zensoren, die den Druck zeitweilig verboten. So setzte der Papst im Jahr 1759 das Nachschlagewerk auf den Index der verbotenen Schriften. Diderot fertigte selbst etwa 6000 von insgesamt 72.000 Artikeln und die meisten Bildtafeln für die Enzyklopädie an.

  • Zum Dritten Stand gehörten auch das Kleinbürgertum (kleine Einzelhändler, Handwerker) und die Lohnempfänger (Arbeiter, Dienstboten, Laufburschen). In den großen Städten kam eine große Zahl von Tagelöhnern hinzu. Diese Bevölkerungsschicht hatte unter der enormen Steigerung der Lebenshaltungskosten besonders stark zu leiden. Der durch die wirtschaftliche Rezession verursachte Preisanstieg wurde durch die Folge der Missernte von 1788 noch verstärkt. Die Ausgaben für Getreide und Brot, die schon in 'normalen' Zeiten 50% des Budgets einer durchschnittlichen Familie ausmachten, stiegen um ca. 65%.  Ein erheblicher Teil dieser Gruppe litt in den Jahren von 1787 bis 1790 Hunger.

  • Die große Masse der französischen Bevölkerung, etwa 85%, lebte auf dem Lande. Die meisten Bauern konnten die Erträge ihres gepachteten Bodens selbst nutzen, mussten jedoch dafür Abgaben an ihre adeligen oder bürgerlichen Grundherren zahlen. Daneben hatten die Grundherren eine Reihe feudaler Rechte (z.B. Jagdrecht auf den Feldern der Bauern, Brückengeld, Wegegeld). Zu den Abgaben an den Grundherrn kamen noch die vom König erhobenen Steuern. - Die Bauern gehörten nicht zu den Schichten, die eine grundlegende Umgestaltung der Gesellschaft anstrebten.

  Nebenbei bemerkt: Am 29. August 1787 wird  Friedrich Schillers Drama „Don Carlos“ in Hamburg uraufgeführt.
  • Die Revolte der Aristokraten
 
  • Zur Behebung der Finanzkrise des Staates verfolgte Calonne, der Generalkontrolleur der Finanzen, den Plan, die Ausgaben für die adeligen Pensionen zu kürzen und den Adel an den Steuern zu beteiligen. Die vom König zum 22. Februar 1787 einberufene Notabelnversammlung verweigerte jede Hilfe für die Finanzpläne des Ministers. Ein Verzicht auf die Steuerfreiheit wurde entschieden zurückgewiesen. Als die Notablenversammlung durch Brienne, den Nachfolger Calonnes, am 25. Mai 1787 wieder aufgelöst wurde, brach die Revolte der Aristokraten gegen den König offen aus.

Die Notabelnversammlung bestand aus 144 vom König ausgewählten Personen aus dem Adel, denen zugemutet wurde, ihren Verzicht auf einen Teil ihrer Privilegien auszusprechen. Dass dies scheitern musste, war eigentlich vorauszusehen.

  • Der Widerstand des Adels gegen die Einführung einer Bodensteuer fand Unterstützung beim Dritten Stand. Als am 8. Mai 1788 ein Gesetz die Kompetenzen der Parlamente vermindern sollte, brachen in Dijon und Toulouse Aufstände aus. Auch das Parlament von Paris lehnte die neue Steuer ab und forderte die Einberufung der Generalstände.

Auch die große Masse des Volkes (Kleinbürgertum, Lohnempfänger, Bauern) war über die geplante Einführung der Bodensteuer erregt - obwohl es sie gar nicht betraf. Das Fass, das mit Unzufriedenheit über die Preissteigerungen der Lebensmittel, der Undurchsichtigkeit des Steuersystems sowie dem mangelhaften Rechtssystem schon randvoll gefüllt war, war jetzt einfach übergelaufen. - Die unzufriedenen Massen, die ökonomisch erstarkte Bourgeoisie mit ihrer Forderung nach politischer Mitbestimmung und die Zwangslage eines bankrotten Staates führten schließlich zu einer revolutionären Situation.

  • Zu diesem Zeitpunkt war die Hauptforderung aller drei Stände, die Königsgewalt wieder der alten Kontrolle durch ständische Einrichtungen zu unterwerfen. Die Generalstände sollten wie zuletzt 1614 als drei Vertretungskörperschaften gegenüber dem König zusammen kommen, um über eine Reform des Staates zu beschließen.

Zwischen Entschlossenheit und Nachgeben gegenüber den Privilegierten schwankend, gab der König schließlich am 8. August 1788 die Einberufung der Generalstände zum 1. Mai 1789 bekannt. Seine  Absicht war es, die neue Bodensteuer mit Hilfe des Dritten Standes gegen die Privilegierten durchzusetzen. Im Anschluss daran sollte die Ständevertretung wieder aufgelöst werden. - Die Zustimmung des Königs zur Einberufung der Generalstände bedeutete praktisch das Ende der absolutistischen Regierungsform.

  • Die Einberufung der Generalstände
 
  • Von besonderer Bedeutung ist die Schrift 'Was ist der Dritte Stand', die der Abbé Emmanuel Joseph Sieyès, eine der großen Gestalten des frühen Liberalismus, im Januar 1789 vorlegte und die innerhalb weniger Tage in rund 30.000 Exemplaren verkauft wurde. Die ersten Sätze dieser Schrift lauten: "1. Was ist der Dritte Stand? - Alles! 2. Was ist er bis jetzt in der politischen Ordnung gewesen? - Nichts! 3. Was verlangt er? - Etwas zu sein!" Sieyès legte in seiner Schrift dar, dass der Dritte Stand mit seinen 25 Millionen Menschen gegenüber den 200.000 Angehörigen von Adel und Geistlichkeit die vollständige Nation umfasse, alle Arbeit leiste, den größten Teil der öffentlichen Funktionen übernehme, aber nicht das Recht der politischen Mitwirkung habe. Ohne ihn wären die Privilegierten nichts, während ohne sie alles besser getan würde.  Daraus folgerte Sieyès, dass alles, was nicht der Dritte Stand ist, nicht der aus der Nation zugerechnet werden kann. Der Dritte Stand solle durch aus seiner Mitte hervorgegangene Vertreter repräsentiert werden, deren Zahl solle in den Generalständen so groß sein wie die von Adel und Geistlichkeit zusammen. Außer soll "nach Köpfen" und nicht nach Ständen abgestimmt werden.

      Emmanuel Joseph Sieyès (* 1748, † 1836)

    französischer Priester und Staatsmann,
    Theoretiker der Französischen Revolution

 
  • Am 24. Januar 1789 erließ der König ein Wahlgesetz. Die Wahl der Abgeordneten sollte getrennt nach Ständen erfolgen. Der Adel wählte seine Vertreter in den Bezirken (direkte Wahl). Beim Klerus und beim Dritten Stand wurde indirekt gewählt: zunächst Delegierte, dann von diesen Wahlmännern, zuletzt von diesen der Abgeordnete. Bei den Wahlen konnte von jeder Wählerversammlung eine Liste von Beschwerden (cahier de doléances) aufgesetzt werden, die von den Abgeordneten in die Versammlung der Generalstände mitgenommen wurde. Die monarchische Staatsform wurde nirgends in Frage gestellt.

  • Dem Dritten Stand war schon am 27. Dezember 1788 eine Verdopplung seiner Abgeordneten zugestanden worden. 600 Abgeordnete des Dritten Standes standen nun je 300 Abgeordneten der ersten beiden Stände gegenüber.

Uneinigkeit herrschte über den Abstimmungsmodus in der Versammlung der Generalstände. Adel und Klerus forderten eine Abstimmung getrennt nach Ständen (jeder Stand sollte eine Stimme haben). Die größere Anzahl der Abgeordneten aus dem Dritten Stand wäre in diesem Fall bedeutungslos gewesen. Der Dritte Stand trat daher für eine Abstimmung "nach Köpfen" (nach der Anzahl der Abgeordneten) ein, die ihm die Mehrheit gebracht hätte.

 
  • Am 1. Mai 1789 traten die Generalstände in Versailles zusammen. Der König und die privilegierten Stände lehnten die Abstimmung "nach Köpfen" ab. Die Abgeordneten des Dritten Standes entschlossen sich am 17. Juni 1789 zum ersten revolutionären Akt: Mit 490 gegen 90 Stimmen erklärten sie sich zur Nationalversammlung. Ihre Begründung war, dass sie mindestens 96% der Bevölkerung repräsentierten. Den Abgeordneten der anderen Stände wurde freigestellt, in die Nationalversammlung einzutreten. Der Klerus stimmte am 19.Juni 1789 mit knapper Mehrheit für eine Vereinigung mit der Nationalversammlung.

  • Als die Abgeordneten des Dritten Standes und des Klerus am Morgen des 20. Juni ihren Versammlungssaal verschlossen fanden, zogen sie zum Ballhaus um. Dort leisteten sie den Schwur, sich nicht mehr zu trennen, bis das Königreich eine Verfassung habe (Ballhaus-Schwur). Damit hatte man über den Kopf des Königs hinweg gehandelt und das Recht an sich gezogen, die Monarchie auf eine konstitutionelle Grundlage zu stellen. Die Nationalversammlung übernahm die volle legislative Gewalt. Die Revolution der Abgeordneten hatte ihr vorläufiges Ende gefunden.

  • Die Revolution der städtischen Massen

  • König Ludwig XVI. versuchte am 23. Juni 1789 die Versammlung wieder nach Ständen getrennt beraten zu lassen und damit das Rad zurückzudrehen. Er schloss die gemeinsamen Beratungen, aber die Abgeordneten des Dritten Standes machten keine Miene, den Versammlungssaal zu räumen. Unter der Führung des Grafen Mirabeau, der "wegen seiner Laster" aus dem Adelsstand ausgeschlossen worden war,  weigerten sie sich, dem Befehl des Königs zu folgen. - Obwohl liberal durch und durch, war Mirabeau bestrebt, die Monarchie zu retten und sie mit den Notwendigkeiten der Zeit zu versöhnen. Dem König sendet er Berichte, die diesem die Möglichkeiten aufzeigen, wie die Revolution kanalisiert und eine konstitutionelle Monarchie errichtet werden kann. Der König lehnt seine Vorschläge ab!

Honoré Gabriel Riqueti, Graf von Mirabeau (1749-1791)

Statue von Houdon (Ausschnitt).

Photograpies d'Oeuvres d'Art, Ets.J.E. Bulloz, Paris

  • Der König begann um seine Sicherheit zu bangen und ließ schweizerische und deutsche Truppen, die sich in französischen Diensten befanden, vor Paris zusammenziehen. Auf rein französische Truppen konnte er sich nicht mehr verlassen. Camille Desmoulins, ein junger Journalist, rief am 13. Juli im Garten des Palais die Menge zu den Waffen auf.  Man glaubte ihm: die königliche Rüstkammer wurde vom Volk geplündert. Da die königliche Verwaltung zusammengebrochen war, konstituierte sich aus den Wahlmännern der Pariser Distrikte ein ständiger Ausschuss. Dieser beschloss die Aufstellung einer Bürgermiliz von 800 Personen pro Distrikt. Mit dieser Miliz wollte die Bourgeoisie der Stadt Unruhen der Massen verhindern. Aus der Bürgermiliz ging wenig später die Nationalgarde hervor.

  • Am Morgen des 14. Juli 1789 drang eine Gruppe von Aufständischen in das 'Hotel des Invalides' ein und raubte über 20.000 Gewehre und eine Anzahl Kanonen. Danach strömte sie zur Bastille, weil sie dort weitere Waffen zu finden hoffte.

Die Erstürmung der Bastille wurde zum großen Symbol des Volksaufstandes. Die Macht des Königtums war gebrochen. Noch trug der Herrscher die Krone; man brauchte ihn nicht mehr zu fürchten, man konnte nicht mehr auf ihn bauen. Die magische Wirkung der Majestät war dahin. Das Eingreifen des Volkes hat die Errungenschaften der 'Revolution der Abgeordneten' gesichert.  Nicht zu bestreiten ist, dass das Eingreifen der Massen die Existenz der Nationalversammlung gerettet hat. .

  • Am 15. Juli zog der König seine Truppen aus Paris zurück. Der von der Bourgeoisie gebildete 'Ständige Ausschuss' hatte die Macht in Paris jedoch noch nicht fest in der Hand.  Am 16. Juli wurde der beim Volk beliebte Finanzminister Necker wieder zurückgerufen. Am 17. Juli kam der König nach Paris. Er rückte nun von seinem Plan ab, die Nationalversammlung aufzulösen. Der Hofadel begann ins Ausland zu emigrieren.

  • Die Nachricht von den Pariser Vorgängen rief in allen größeren Städten Frankreichs Unruhen und politische Umwälzungen hervor. Fast überall bestimmte die Bourgeoisie die Stadtregierungen.  

  • Ende Juli 1789 zog der König die Konsequenzen aus der Entwicklung und befahl der Adelsversammlung die Vereinigung mit der Nationalversammlung. Von dieser Maßnahme versprach er sich eine größere Einflussmöglichkeit.

  • Die 'Revolution' auf dem Lande

  • Die Versorgungskrise (Missernte von 1788) und die Diskussionen bei der Abfassung der 'cahiers de doléances' hatte große Teile der Landbevölkerung aktiviert. Von der Hungersnot besonders stark betroffen war das agrarische Proletariat (Tagelöhner). Das Bettelwesen nahm gewalttätige Formen an. Die Bauern hatten vergeblich auf die Abschaffung der Privilegien der Grundherren (z.B. Jagdrecht) durch die Nationalversammlung gewartet. Dazu kam die große Furcht (La grande peur) vor einer gewaltsamen Adelsreaktion. So kam es in einigen Gegenden nach dem 14. Juli zu Bauernunruhen. Bewaffnete Bauern stürmten Schlösser und Klöster. Urkunden, in denen die Rechte der Grundbesitzer verbrieft waren, wurden verbrannt. Die Hungerrevolten richteten sich auch gegen reichere Bauern.

  • Die Aktionen der Bauern wirkten auf die Nationalversammlung zurück. In der Nacht vom 4./5. August 1789 beschloss die Nationalversammlung (einschließlich der Mehrheit der privilegierten Stände) die Ablösung der Feudalrechte der Grundherren. Allerdings wurden die Abgaben an den Grundherren nicht ersatzlos gestrichen, sondern mussten durch eine Geldzahlung abgelöst werden.

Der Kampf der Massen auf dem Lande hatte sich auch gegen großbürgerliche Grundbesitzer, also gegen Teile der Bourgeoisie, gerichtet. Diese sahen ihr Eigentum bedroht. In der Nationalversammlung lag bereits ein Entwurf vor, in dem das Vorgehen der Bauern missbilligt werden sollte. Der Vorschlag, nicht gegen die Bauern vorzugehen, sondern ihre Interessen zu vertreten, kam vom 'Bretonischen Klub', der Wurzel der späteren Jakobiner.  Die Nationalversammlung hatte ursprünglich nicht beabsichtigt, das Feudalsystem zu beseitigen.

  • Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte

  • Die Nationalversammlung, die sich jetzt 'Verfassungsgebende Versammlung' (Constituante) nannte, verabschiedete am 26. August 1789 die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte.

  • Nach dem Vorbild der Verfassungen der einzelnen amerikanischen Bundesstaaten (z.B. der Virginia Bill of Rights) wurden sowohl die demokratischen Rechte des Bürgers im Staat als auch die liberalen Rechte des Menschen gegenüber dem Staat in 17 Artikeln zusammengestellt. Über das amerikanische Vorbild hinaus bezieht sich die französische Erklärung auf sämtliche Menschen in allen Ländern und in jeder Staatsform. Die Souveränität des Volkes ist unteilbar: für Stände ist nun kein Platz mehr!

  • Der 1789 formulierte Text fasste die Überzeugungen und Ziele der Liberalen als unbestreitbare Prinzipien zusammen. Die Menschen werden frei und gleich an Rechten geboren und blieben es auch, verkündete Artikel. Diese Rechte, so erläuterte Artikel 2, sind natürlich und unwandelbar, sie heißen Freiheit, Eigentum, Sicherheit und Widerstand gegen Unterdrückung; ihre Wahrung ist das Ziel des Gemeinwesens. Zur Gewährleistung dieser Rechte und damit zum Wohle aller wurde in den Artikeln 12 und 13 eine öffentliche Gewalt gefordert, für deren Unterhalt eine die Staatsbürger nach ihrer Leistungsfähigkeit heranzuziehende Steuer erhoben werden sollte. Quelle der staatlichen Willensbildung war nach den Artikeln 3 und 6 die Gesamtheit der Staatsbürger, die Nation.

  • Im einzelnen werden folgende Rechte hervorgehoben: Rechtssicherheit, Meinungsfreiheit, Pressefreiheit und Unverletzlichkeit des Eigentums. Das Recht auf Versammlungsfreiheit fehlt in dieser Revolutionsphase, wahrscheinlich deshalb, weil die Bourgeoisie unkontrollierte Massenbewegungen befürchtete. Auch an die Sklaven in den Kolonien hat man zu diesem Zeitpunkt nicht gedacht. Die Frauen blieben von den Bürgerrechten (Teilnahme an der Gesetzgebung, gleicher Zugang zu den Ämtern u. a.) ausgeschlossen. Der Grundsatz der Gewaltenteilung gilt als Schutz vor einer Rückkehr zum Absolutismus.

  • Die Enteignung der Kirche

  • Am 2. November 1789 wurde das gesamte Kirchengut zum Nationalbesitz erklärt. Durch den Verkauf dieser Güter wollte man sowohl eine Umschichtung des Landbesitzes als auch mit dem Erlös die Staatsschuld abtragen. - Nutznießer der Umverteilung waren fast nirgends Arbeiter und kleine Bauern, sondern die Bourgeoisie und reiche Bauern, die allein das Kapital für den Kauf aufbrachten. Auch die Abtragung der Staatsschuld gelang hierdurch nicht.

  • Am 13. Februar 1790 wurden die Klöster aufgehoben. Mit der 'Zivilverfassung des Klerus' vom 12. Juli 1790 wurde die politische Macht der Kirche beendet und die Rolle der Geistlichen auf die Seelsorge beschränkt. Die kirchlichen Amtsträger wurden jetzt wie Staatsbeamte behandelt und erhielten ein festes Gehalt. Ab dem 27. November 1790 mussten alle Geistlichen, die ein öffentliches Amt bekleideten, einen Treueid auf die revolutionäre Ordnung ablegen. Etwa die Hälfte des Pfarrklerus leistete diesen Eid, auch einige Bischöfe (z.B. Talleyrand). Die Anhänger der Zivilverfassung sahen in den Priestern, die den Eid verweigerten, Feinde der Revolution und Anhänger der Konterrevolution.

  • Der Weg zur Errichtung einer konstitutionellen Monarchie

  • In der Nationalversammlung war der Dritte Stand weitgehend durch die Bourgeoisie sowie durch 'Intellektuelle' (Notare, Rechtsanwälte, Journalisten, Ärzte) vertreten. Schon um die Wende 1789/90 zeichneten sich innerhalb dieser Gruppierung unterschiedliche Ansichten über eine künftige Verfassung ab. Die 'Monarchisten' sahen ein uneingeschränktes Veto des Königs und eine Erste Kammer nach englischem Vorbild vor. Der linke Flügel, der sich um den 'Bretonischen Klub' gruppierte, wollte dem König kein oder nur ein aufschiebbares Vetorecht zugestehen. Jean Paul Marat, ein Vertreter der radikalen Gruppe, stellte in seiner Zeitschrift die liberalen Politiker als Komplizen des Adels dar. Der linke Flügel sammelte sich in Klubs, von denen derjenige der Jakobiner bald eine beherrschende Rolle einnehmen sollte.

Als Ludwig XVI. sich weigerte, den Beschluss vom 5. August 1789 über die Aufhebung des Feudalwesens anzunehmen, planten die Führer der radikaleren Gruppen eine neue Mobilisierung der Volksmasse. Einen Ansatzpunkt dazu bot im Herbst 1789 die bedrohlich gewordene Wirtschaftslage. Der Brotpreis stieg so stark an, dass ein Pariser Tagelöhner mit seinem Lohn den täglichen Bedarf nicht mehr decken konnte. Auf vielen Versammlungen forderten Arbeitslose, Tagelöhner und Handwerksgesellen Arbeit und die Erhöhung der Löhne.

  • Am 5. Oktober 1789 brachen 6000 bis 7000 Frauen aus dem Pariser Markthallenviertel zu einem 'Hungermarsch' nach Versailles auf.  Ihnen schlossen sich Arbeitslose und Neugierige an. Dem Zug (er ist als 'Fischweiberzug' in die Geschichte eingegangen!) folgte ein großer Teil der Nationalgarde. Die Frauen waren entschlossen, vom königlichen Hof Getreide und Mehl zu verlangen. Sie hatten Erfolg und stellten damit die Brotversorgung von Paris sicher. Die Nationalgarde unter Lafayette vermochte es nicht, sich der drohenden Forderung der Masse, dass der König unverzüglich nach Paris übersiedeln solle, zu widersetzen. So wurde der König und seine Familie nach Paris zurückgebracht. Die Nationalversammlung folgte wenig später dem König. Die Abgeordneten tagten fortan in der Manège, dem Reitsaal des königlichen Stadtschlosses.

Mit dem Einzug in das  Tuilerienschloss fing für den König eine endlose Kette der Demütigungen an. Er war jetzt in den Händen der Masse. Die Bourgeoisie konnte ihn nur noch eingeschränkt beschützen. Auch die Nationalversammlung war von diesem Zeitpunkt an dem Einfluss der städtischen Massen ausgesetzt. Der Zug nach Versailles sicherte die seit dem 14. Juli erreichten Revolutionsergebnisse und gebot der Gegenrevolution vorerst Halt.

  •  Das Ergebnis der ersten Revolutionsphase war die Verfassung vom 3. September 1791. Sie beruhte auf den Prinzipien der Gewaltenteilung und Volkssouveränität. Die bisherige absolute Macht des Königs wurde durch eine Verfassung begrenzt (konstitutionelle Monarchie). Der radikale Flügel verhinderte zwar die Einführung eines Oberhauses (Vertretung des Adels), setzte jedoch durch, dass dem König ein aufschiebbares Veto gegen die von der Nationalversammlung erlassenen Gesetze zugebilligt wurde.

Die Verfassung bildete die Grundlage für die nun ein Jahr lang amtierende 'Assemblée legislative'. Sie trug deutlich die Handschrift der gemäßigten Bourgeoisie. Um ihren politischen Einfluss zu sichern, übernahm sie nicht das allgemeine Männerwahlrecht von 1789, sondern führte ein Zensuswahlrecht ein. Gewählt wurde nach einem indirekten Verfahren durch Wahlmänner. Als Abgeordneter wählbar wurde jeder Bürger, unabhängig vom Vermögen. Der Verfassung wurde die schon am 26. August 1789 verabschiedete Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte vorangestellt.

Die Gesetze, die vor dem September 1791 erlassen wurden, verraten die Machtstellung der Handel treibenden Bourgeoisie. Am 31.Oktober 1790 waren die Binnenzölle, am 2. März 1791 die Zünfte abgeschafft worden. Am 14.6.1791 verboten die Abgeordneten im Namen der Freiheit von Handel und Industrie das Streikrecht und die Koalitionsfreiheit.

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  • Auf dem Weg zur Republik
 
  • In der am 17. Juni 1789 zusammengetretenen Nationalversammlung  gab es keine Stände mehr. Neue Gruppierungen der insgesamt 1196 Abgeordneten bildeten sich heraus: 1. Die Republikaner (18% der Abgeordneten) waren für die Abschaffung der Monarchie und für die Einführung eines allgemeinen Wahlrechts. 2. Die 'Konstitutionellen' (Anteil 41%) standen hinter der konstitutionellen Monarchie, allerdings mit einer verfassungsmäßig stark begrenzten Macht des Königs 3. Die Monarchisten (Anteil 24%) traten für eine starke Stellung des Königs in einer konstitutionellen Monarchie ein. 4. Die Aristokraten (Anteil 17%) waren Gegner der Revolution.

  • In der ersten Revolutionsphase hatten die Konstitutionellen (die gemäßigte Bourgeoisie)  die Absicht, mit dem König zusammenzuarbeiten. Ludwig XVI. ließ sich jedoch nicht ernsthaft auf diese Zusammenarbeit ein. Er akzeptierte die revolutionären Errungenschaften nur zum Schein. In Wirklichkeit wollte er mit Hilfe des emigrierten Adels und des Auslands die vorrevolutionären Zustände wiederherstellen. Seine geheimen Machenschaften wurden aufgedeckt.

  • Im Frühjahr 1791 zeichneten sich starke Gegensätze zwischen den Konstitutionellen und den Republikanern ab. Aber auch innerhalb der Republikaner gab es große Meinungsunterschiede. Ihr linker Flügel, die späteren Jakobiner, setzten auf eine Fortsetzung der Revolution mit Hilfe des Volkes ein. Der rechte Flügel neigte dazu, das Erreichte zu zementieren, die Exekutive zu stärken und weiteren Unruhen in Paris vorzubeugen.

  • Durch den gescheiterten Fluchtversuch Ludwigs XVI. im Juni 1791 geriet das Gebäude der konstitutionellen Monarchie ins Wanken. Die fehlgeschlagene Flucht des Königs hatte die Monarchie diskreditiert. Die Fortführung der konstitutionellen Monarchie war fast unmöglich geworden.

  • Als Kammerdiener und Gouvernante verkleidet stahlen sich König Ludwig XVI. und seine Gemahlin Marie Antoinette aus dem Palast in den Tuilerien, wo sie Gefangene der Nationalversammlung waren. In der Nacht vom 20. auf den 21. Juni 1791 passierten sie unbehelligt die Stadttore von Paris. Durch einen notwendigen Kutschenwechsel kam es zu Verzögerungen. Immer mehr Bauern und Postmeister erkannten, wer da an ihnen vorbeifuhr oder die Pferde wechseln ließ. In dem kleinen Städtchen Varennes flog die Maskerade schließlich auf, Ludwig XVI. musste sich zu erkennen geben. Am Morgen des 22. Juni trat er mit seiner Familie die Rückreise an.

  • Der linke Flügel der Republikaner, unter ihnen Danton und Desmoulins, verlangte die Absetzung und Bestrafung des Königs. Die Mehrheit der Nationalversammlung fürchtete eine erneute Mobilisierung der Großstadtmassen. Die gemäßigte Bourgeoisie versuchte sich schützend vor den König zu stellen.

  • Am 17. Juli 1791 kam es auf dem Marsfeld zu einer blutigen Auseinandersetzung zwischen der von Lafayette geführten Nationalgarde und vier- bis fünftausend Handwerkern, Gesellen und Arbeitern, die eine Eingabe für die Einführung der Republik unterzeichnen wollten. Es war das erste Mal, dass eine revolutionäre Truppe auf Anhänger der Revolution schoss. Dies sollte nicht ohne Folgen bleiben!

Marie Joseph Motier, Marquis de Lafayette (1757-1834)

Zeichnung von Benjamin Duvivier (Ausschnitt) 1790. Paris, Musée du Louvre.

Photographie Giraudon, Paris.

  • Zwischen Juni und Anfang September 1791 wurden die Abgeordneten für die 'Gesetzgebende Versammlung' (Législative) gewählt. Am 1. Oktober 1791 trat die aus 745 Abgeordneten gebildete Versammlung zusammen. Aristokraten und Monarchisten waren nicht mehr gewählt worden, so dass jetzt die 'Konstitutionellen', also die Vertreter der gemäßigten Bourgeoisie, auf die äußerste Rechte rückten. Ihre 264 Abgeordneten, die man nach ihrem Versammlungsort auch die 'Feuillants' nannte, traten weiterhin für die konstitutionelle Monarchie ein. Die 136 Abgeordneten der Linken wurden nach ihrem Wortführer Brissot die  'Brissotins' genannt. Sie stammten aus dem besitzenden Bürgertum und waren zumeist Anhänger der republikanischen Staatsform. Zwischen den beiden Flügeln gab es 345 Abgeordnete, die sich auf keine Position festlegen wollten.

  • In den politischen Klubs und in den Pariser Sektionen konnten auch diejenigen Stellung beziehen, die keine Abgeordneten waren. Klubs und Sektionsversammlungen versuchten mit Petitionen Druck auf die Gesetzgebende Versammlung auszuüben. Der von Radikalen besuchte Jakobinerklub strebte konsequent die Abschaffung der Monarchie und die Einführung eines allgemeinen Wahlrechts an. Dabei planten ihre Führer (Danton, Marat, Robespierre) die Unterstützung durch die Massen ein.

  • In den Bestimmungen der Verfassung von 1791 kam klar zum Ausdruck, dass dem Monarchen nur die Rolle eines Staatsorgans blieb. Der König hatte die ausführende Gewalt durch Minister in von der Verfassung festgelegten Formen auszuüben; er regierte nur durch das Gesetz. Jeder hatte das Recht, entweder persönlich oder durch seine Vertreter an der Gesetzgebung teilzunehmen. Die durch die Mitwirkung aller zustande gekommenen Gesetze mussten für alle gleichermaßen gelten. Jeder hatte Zugang zu allen öffentlichen Würden, Stellen und Ämtern. Allein die Befähigung war ausschlaggebend.

  • Der Beginn der Revolutionskriege
 
  • Aus Furcht vor einer Ausstrahlung der Revolution in Frankreich rückten die ehemals rivalisierenden Großmächte Europas zusammen. In der Erklärung von Pillnitz am 27. August 1791 wurde das gemeinsame Interesse an einer Wiederherstellung 'der legitimen königlichen Regierung'  formuliert und eine militärische Niederwerfung des revolutionären Frankreichs angedroht. Französische Emigranten schürten einen kriegerischen Konflikt mit den Revolutionären. Auch König Ludwig XVI. hoffte, durch eine militärische Niederwerfung des revolutionären Frankreichs seine Macht wieder festigen zu können.

Mit der wachsenden Kriegsgefahr wird der Fortgang der Revolution im Innern eng mit den Maßnahmen zum Schutze Frankreichs verflochten. Den bisher gemäßigten, konstitutionellen Parteigängern, den Feuillants, entglitt im Winter 1791/92 immer mehr die Macht. Die mittlere und die linke Gruppe der Législative, die man als Jakobiner zusammenfassen kann, spaltete sich ihrerseits in zwei Lager: in die Girondisten und die weiter links stehende Bergpartei, die Montagne.  Dazwischen stand eine große Mittelgruppe: die Ebene (la plaine), die sich indifferent verhielt. Alle diese Gruppen, auch die in sich gespaltene Linke, setzte sich aus Vertretern des Bürgertums zusammen. Die Girondisten traten für einen Krieg ein.  Für sie war der Krieg das sicherste Mittel, die Revolution zu verewigen und die Republik herbeizuführen.

 
  • Die Girondisten setzten sich durch. Am 20. April 1792 erklärte Frankreich Österreich den Krieg. Preußen trat auf die Seite Österreichs. Im Mai scheiterte der erste französische Vorstoß gegen die Österreichischen Niederlande.

 
  • Der Aufstand vom 10. August 1792
 
  • Nach dem preußischen Einmarsch in Frankreich erließ die 'Gesetzgebende Versammlung' am 11. Juli 1792 die Proklamation "Das Vaterland ist in Gefahr". Man suchte nach dem Schuldigen! Die Volksbewegung fand ihn in der Person des Königs, der immer noch geheime Verbindungen zum Ausland hatte.  Am 10. August 1792 stürmte das Pariser Volk, unterstützt von den Föderierten aus den Departements, die Tuilerien, das Stadtschloss des Königs. - Die politische Erregung der nun in den Vordergrund tretenden kleinbürgerliche Bewegung der Sansculotten wurde auch dadurch verstärkt, dass zu dieser Zeit die Versorgung der Städte mit Getreide stockte.

 

Ludwig XVI. konnte von den 'Konstitutionellen' aus dem gemäßigten Bürgertum nicht mehr vor der Masse des Volkes geschützt werden. Die 'Gesetzgebende Versammlung' musste ihn unter dem Druck der Sansculotten für abgesetzt erklären. Sie ließ ihn durch die Kommune, die neue Pariser Stadtregierung, im 'Temple' einkerkern.

  • Nach dem erfolgreichen Aufstand des Volkes wurde Frankreich von einem 'vorläufigen Vollzugsrat' regiert. Der starke Mann ist Danton; er war auch der eigentliche Organisator des Aufstandes vom 10. August gewesen.. Am 11. August1792 schaffte man das Zensuswahlrecht ab. Der zukünftige 'Nationalkonvent' sollte nach dem allgemeinen, gleichen Wahlrecht gewählt werden und eine neue Verfassung ausarbeiten.

  • Noch im August 1792 rückten die Preußen nach Frankreich vor und nahmen Verdun, die Festung, die Paris schützen sollte. Die Masse suchte wieder die "Schuldigen". Die Kommune verhaftete außerhalb des Gesetzes viele Personen, die suspekt erschienen: Priester, die den Treueid verweigert hatten, auch Journalisten und Politiker der Feuillants. In der Zeit vom 2.-6.September 1792 wurden in den Gefängnissen mehr als 1000 Inhaftierte niedergemetzelt (Septembermorde). Gegen diese Entwicklung war die 'Gesetzgebende Versammlung' machtlos.

  • Die Abschaffung der Monarchie
 
  • Am 21. September 1792 trat der Nationalkonvent erstmals zusammen. Er erklärte die Abschaffung der Monarchie in Frankreich und die "Errichtung einer unteilbaren Republik".

  • Am 11.Dezember 1792 begann der Prozess gegen den König. Man warf ihm vor, sich gegen die öffentliche Freiheit und die nationale Sicherheit verschworen zu haben. Am 14. Januar 1793 erfolgte der Schuldspruch, am 17. Januar wurde er mit knapper Mehrheit zum Tode verurteilt. Die Hinrichtung erfolgte 4 Tage später.

  • Der Nationalkonvent bis zur Ausschaltung der Girondisten (September 1792 - Juni 1793)
 
  • Bei den Wahlen zum Nationalkonvent - sie erfolgten zum ersten Mal ohne Zensus - hatten sich nur etwa 10% der Wahlberechtigten beteiligt. Die Wahlen brachten den gemäßigten Girondisten ca. 200, den Jakobinern ("Bergpartei", Montagne) ca. 120 der insgesamt 749 Sitze. Die große Mehrheit der Konventsmitglieder war allerdings noch nicht festgelegt. Von den Abgeordneten waren ein Drittel Juristen. Zwei Abgeordnete waren Arbeiter.

Zu den neu gewählten Konventsabgeordneten zählten Danton, Desmoulins, Marat und Saint-Just. Mit Ausnahme von Desmoulins waren sie bereits in politischen Klubs tätig gewesen.

 
  • Am 20. September 1792 hatte die französische Revolutionsarmee in der 'Kanonade von Valmy' einen überraschen Sieg über die Invasionstruppen erzielt. Die Franzosen begannen nun ihrerseits in linksrheinische deutsche Gebiete einzumarschieren.

Die Girondisten hatten den Krieg gewollt und bestimmten so lange die Politik, wie die französischen Truppen siegreich waren. Innenpolitische Entwicklung und Verlauf des Krieges waren eng miteinander verbunden. Eine Bedrohung oder eine verlorene Schlacht hatte stets eine Radikalisierung der innenpolitischen Verhältnisse zur Folge.

 
  • Zur politischen Krise kam eine wirtschaftliche Krise hinzu. Infolge der ungebremsten Ausgabe von Papiergeld, der so genannten  Assignaten, stiegen die Preise - insbesondere die Brotpreise auf dem Land - stark an. Die Girondisten setzten auf die Freiheit des Handels und lehnten dirigistische Maßnahmen, wie zum Beispiel die Festsetzung eines Höchstpreises für Brot, ab. Ihre Politik war fast einseitig auf die Interessen des besitzenden Bürgertums ausgerichtet. Dadurch verloren sie die Unterstützung der Volksmassen. Die militärischen Niederlagen trugen ebenfalls zu ihrem Prestigeverlust bei.

Alle Umstände - militärische Niederlagen, Gegenrevolution, der Aufstand in der Vendée, Preisanstieg und Hunger - führten zur steigenden Unruhe der Sansculotten. Ihre Hauptmasse bildeten Handwerker und Einzelhändler. Erst in zweiter Linie kamen feste Lohnempfänger (Arbeiter), Gelegenheitsarbeiter und Arbeitslose hinzu. Die Unruhe der Sansculotten wurde von der Bergpartei (Montagne) dazu genutzt, um ihre Gegner, die Girondisten, auszuschalten.

 
  • Die von den Sansculotten beherrschten Pariser Sektionen rüsteten zum Aufstand. Die Jakobinerklubs, aus denen die Sansculotten das gemäßigte Bürgertum weitgehend verdrängt hatten, griffen immer aktiver in das öffentliche Leben ein. So wurde unter der Federführung von Danton ein Revolutionstribunal zur Aburteilung von Verdächtigen eingesetzt. Der Verteidigungsausschuss wurde durch den Wohlfahrtsausschuss ersetzt. (Dieser sollte in den folgenden Monaten zum eigentlichen Exekutivorgan werden.)

 

Georges-Jacques Danton (1759-1794)

Gemälde von Constance Charpentier, um 1790 (Ausschnitt)

Archiv für Kunst und Geschichte, Berlin

  • Am 2. Juni 1793 brach der - wahrscheinlich durch die Bergpartei um Robespierre gelenkte - Aufstand aus. Ca. 80.000 Sansculotten belagerten den Nationalkonvent und zwang ihn, die 29 führenden Girondisten auszuliefern. Im Oktober begannen vor dem Revolutionstribunal die Prozesse gegen 21 Girondisten und gegen die Königin. Marie-Antoinette starb am 16. Oktober 1793 unter der Guillotine. Die Hinrichtung der Girondisten erfolgte am 31.Oktober. Auch sie waren glühende Anhänger der Revolution gewesen.

Am 16. Oktober 1793 hatte sich eine große Menschenmenge auf der 'Place de la Révolution' (heute: Place de la Concorde) versammelt. Alle wollten sehen, wie die Gemahlin des einstigen Königs von Frankreich, nun nur noch 'Witwe Capet' hingerichtet wurde. Die Anklagen gegen sie lauteten Hochverrat und Unzucht. In Berichten heißt es, die als "Österreicherin" Geschmähte habe "fast durchgängig ein ruhige und sichere Haltung bewahrt. "Verzeihen Sie Monsieur, das war keine Absicht" soll sich Marie Antoinette entschuldigend an den Henker gewandt haben, dem sie auf den Stufen zum Schafott versehentlich auf den Fuß getreten war.

  • Die Diktatur Robespierres (1793 - Juli 1794)
 
  • Die im Pariser Klub der Jakobiner vertretene politische Linie hatte nach dem Sturz der Girondisten im Nationalkonvent (der verfassungs- und gesetzgebenden Versammlung) die Mehrheit. Diese Mehrheit hatte sich zur 'Bergpartei' (Montagne) formiert.

  • Die Jakobiner wollten die gesellschaftliche Gleichheit: sie gingen von Rousseaus natürlicher Gleichheit aller Menschen aus. Die tatsächliche Ungleichheit war für sie das Ergebnis von Besitz, Erziehung und Milieu; Aufgabe der Gesellschaft sollte es sein, diese 'Unnatur' zu beseitigen. Zum Vergleich: Die Girondisten erfassten die Égalité als Rechtsgleichheit; die Menschen waren nach ihnen zwar von Natur ungleich, aber es musste jedem die Möglichkeit gegeben werden, seine Individualität aus eigener Kraft zu entfalten.

 

Im Juni 1778 besuchte der Jurastudent Maximilien de Robespierre (* 1758, † 1794) den Philosophen Jean-Jaques Rousseau (* 1712, † 1778) in dessen letzten Wohnort bei Paris. Wie viele junge Männer, die sich über die Ungerechtigkeiten des Ancien Regime empörten, begeisterte sich Robespierre für Rousseaus Ideen: für einen Gesellschafts- und Staatsvertrag auf der Grundlage der Gleichheit der Bürger und für die Herrschaft der 'vertu', der als Luxusfeindlichkeit, Affektkontrolle und Glaube an einen gütigen Schöpfergott verstandenen Tugend. Als Robespierre elf Jahre später als Abgeordneter von Arras in die Ständeversammlung gewählt wurde, widmete er seine politische Karriere seinem irdischen Abgott Rousseau. Mit der Revolution vom Spätsommer 1792 stieg Robespierre zum mächtigsten Mann Frankreichs auf. Das große Experiment der Umerziehung zur Tugend konnte beginnen: mit dem Kult des Höchsten Wesens, das den christlichen Gott verdrängt, mit progressiven Steuern für die Reichen, Höchstpreisen für Lebensmittel, dem Ideal des Kleinbesitzes und dem Terror gegen die Uneinsichtigen.

  • Bei der Ausschaltung der Girondisten hatte jener Teil der Bevölkerung den Ausschlag gegeben, den man nach seiner äußeren Tracht als die Sansculotten bezeichnete. Der Zorn der Sansculotten richtete sich gegen tatsächliche und vermeintliche Schuldige und Nutznießer ihrer Not sowie gegen mutmaßliche Gegner der Revolution. Ihr soziales Ziel war die Festsetzung von Höchstpreisen. Außerdem forderten sie eine drastische Besteuerung der Gewinne von Handel und Industrie. Ihr Endziel war Gleichheit des Besitzes und der Einkommen. Politisch strebten die Sansculotten die direkte Ausübung der Macht durch das Volk an. - Alle diese Ziele und Forderungen glaubten sie, mit Hilfe der Jakobiner - den Vertretern des besitzenden Bürgertums - durchsetzen zu können.

Mit 'Sansculotten' (von franz. ohne Kniebundhose) werden diejenigen Pariser Arbeiter und Kleinbürger bezeichnet, die im Gegensatz zu den von Adligen und dem Klerus getragenen Kniebundhosen (culottes) lange Hosen trugen.

  • Die Jakobiner konnten, zumindest solange die innere und äußere Gefahr für die Revolution bestand, an den Wünschen der in den Sektionen organisierten Sansculotten nicht vorbeigehen.

  • Eine am 24. Juni 1793 angenommene neue Verfassung wurde zwar am 4. August in einer Volksabstimmung bestätigt, dann jedoch vom Nationalkonvent bis zu einem Friedensschluss mit den ausländischen Mächten aufgehoben. Der Grund dafür lag darin, dass die Abgeordneten in einer Zeit der inneren und äußeren Gefahr für die Revolution die diktatorische Zusammenfassung der Staatsgewalt für sinnvoller hielten.

Die Verfassung war republikanisch und beruhte auf dem Grundsatz der Volkssouveränität. Eine Gewaltenteilung war nicht vorgesehen, alle Gewalt war im Konvent vereint. Es galt ein allgemeines direktes Wahlrecht.

  • Um die gewaltigen legislativen und administrativen Aufgaben besser koordinieren und bewältigen zu können, richtete der Nationalkonvent eigene Ausschüsse ein, die mit bestimmten Aufgaben und Vollmachten betraut wurden. Der "Ausschuss der öffentlichen Wohlfahrt und der allgemeinen Verteidigung" (der Wohlfahrtsausschuss) wurde am 20. April 1793 als Exekutivorgan des Nationalkonvents eingerichtet. Er hatte die Aufgabe, die Verwaltung des Staates zu überwachen sowie die Maßnahmen zur inneren und äußeren Verteidigung der bisherigen Revolutionsergebnisse zu koordinieren.  Die Beschlüsse des Wohlfahrtsausschusses wurden im Jakobinerklub vorbereitet und durch den von der Bergpartei beherrschten Konvent abgesichert.

  • Im Frühjahr 1793 bestand die akute innere und äußere Gefahr, dass die Ergebnisse der Revolution vernichtet und der Nationalstaat zerstört werden würde. Auch eine Verkleinerung des französischen Territoriums war möglich. Diesen Gefahren konnte praktisch nur durch eine Zusammenfassung der Staatsgewalt begegnet werden.

Frankreich befand sich in einer äußerst schwierigen Lage. Im Juni 1793 standen 60  französischen Départements im Aufstand gegen das revolutionäre Paris. Die Armeen der deutschen Fürsten drangen von Norden und Osten ein. Im Süden und Westen griffen die Briten an. Das Land war wirtschaftlich bankrott.

  • Erster Vorsitzender des Wohlfahrtsausschusses war Georges Danton, der ihn zusammen mit Antoine de Saint-Just und Maximilien de Robespierre ganz unter die Kontrolle der radikalen Jakobiner brachte. Nach der Abwahl Dantons am 10. Juli 1793 übernahm Robespierre den Vorsitz des Ausschusses (zunächst 25, später 12 Mitglieder).

Die junge französische Adlige Charlotte Corday (* 1768) wurde durch ihr Attentat auf den radikalen Journalisten und Politiker Jean Paul Marat berühmt. Als die Girondisten entmachtet wurden und die radikalen Jakobiner begannen, die Ideen der Revolution in einem Meer von Blut zu ertränken, fasste sie den Entschluss, den in ihren Augen Schuldigen der Schreckensherrschaft zu töten. Am Abend des 13. Juli 1793 verschaffte sich Charlotte Corday Zutritt zur Marats Wohnung, wo sie den Jakobinerführer in der Badewanne antraf. Nach einer kurzen Unterredung zog sie ein Küchenmesser und stach ihn in die Brust. Marat starb an seinen schweren Verwundungen. Vier Tage nach ihrem Attentat wurde Charlotte Corday durch die Guillotine hingerichtet.

  • Die Jakobiner machten den Sansculotten Zugeständnisse politischer und wirtschaftlicher Art, ohne allerdings die Führung aus der Hand zu geben.

  • Ein politisches Zugeständnis war die Verkündung der 'Levée en masse' Ende August 1793. Sämtliche unverheirateten Männer zwischen 18 und 25 wurde eingezogen, die übrige Nation musste sich an den Kriegsanstrengungen beteiligen. - Als Folge stellte sich im Frühjahr 1794 ein Umschwung der militärischen Lage Frankreichs ein.

  • Um sich der Unterstützung der Sansculotten zu sichern, wurden zum Teil Prinzipien der liberalen Wirtschaftspolitik aufgegeben. Das Bürgertum, zu dem auch die Jakobiner gehörten, schädigte auf diese Weise seinen eigenen Interessen.

Am 3. Juni 1793 wurde der Verkauf von Emigrantengütern so geregelt, dass auch die weniger Besitzenden zu neuem Land kommen konnten. Mitte Juli 1793 wurde die entschädigungslose Aufhebung aller feudalen Pflichten und Privilegien verkündet. Das 'Gesetz über das große Maximum' vom 29. September 1793 legte für die wichtigsten Lebensmittel Höchstpreise fest. Sie sollten um ein Drittel höher sein als der Durchschnittspreis von 1790. Gleichzeitig sollten die Löhne auf der Basis von 1790 um 50% angehoben werden. Bei Nichtbeachtung der Bestimmung drohte die Aufnahme in die 'Liste der Verdächtigen'.

  • Ebenfalls Zugeständnisse an die Sansculotten waren die Einsetzung der Revolutionstribunale und die Organisation des Terrors. Etwa 35 bis 40 Tausend Menschen wurden im Zuge dieser Maßnahmen getötet. Die Opfer waren keineswegs vorwiegend Aristokraten und Geistliche, sondern gehörten zum überwiegenden Teil (ca. 85%) dem ehemaligen 'Dritten Stand' an. Darunter waren viele Arbeiter und Bauern.

 
  • Zur Zufriedenstellung der Sansculotten griff der Nationalkonvent auch in den religiösen Bereich ein: Im Dezember 1793 wurde die früher erklärte Religionsfreiheit widerrufen und das Christentum verboten.

 
  • Im Dezember 1793 begegneten die Jakobiner einem Versuch der Sansculotten, die Regierung auf die Stadtverwaltung von Paris (Kommune) zu übertragen, durch die Bildung einer Revolutionsregierung. Der Nationalkonvent als das eigentliche Zentrum des Staates übertrug dem Sicherheitsausschuss die Leitung des Revolutionskomitees und der politischen Polizei, dem Wohlfahrtsausschuss die gesamte politische und militärische Führung.

  • Die Zeit der organisierten Schreckensherrschaft (terreur) begann am 17. September 1793. An diesem Tag beschlossen die Abgeordneten des Nationalkonvents unter dem Drängen der Sansculotten das 'Gesetz über die Verdächtigen'. Dieses Gesetz gab neu eingerichteten Überwachungsausschüssen die Vollmacht, Haftbefehle gegen verdächtige Personen auszustellen. Als Verdächtige galten alle, die sich durch ihre Ansichten oder ihre Haltung als "Feinde der Freiheit" erwiesen. Den Verhafteten wurden dann von Revolutionstribunalen der Prozess gemacht.

 

Maximilien de Robespierre (1758-1794)

Anonymes Gemälde (Ausschnitt)

Musée Carnavalet, Pa

  • Um die Wende 1793/94 machte sich eine Dreiteilung der herrschenden Bergpartei bemerkbar. Ganz links standen die Anhänger des Journalisten Hébert, die Hébertisten (auch die Enragés, die Aufgeregten genannt), die eine weitere Verschärfung der 'terreur' forderten und selbst Robespierre und Danton als 'Feinde der Gleichheit und des Volkes' angriffen. In der Mitte stand Robespierre, der starke Mann des Nationalkonvents und des Wohlfahrtsausschusses. Rechts befanden sich mit Danton und Desmoulins die so genannten 'Indulgents', die Nachsichtigen.

  • Danton sprach sich dafür aus, eine große Zahl von Verdächtigen freizulassen. Schon im Frühjahr 1793 war er gegen die Schreckensherrschaft aufgetreten, weil er der Meinung war, Frankreich könne sich nur dann stabilisieren, wenn es auf der Basis der Anerkennung der Revolution mit dem Ausland Frieden schloss.

  • Robespierre duldete keinen Widerspruch.  Im März und April 1794 wurden die Hébertisten und die 'Nachsichtigen' um Danton und Desmoulins hingerichtet. Danton selbst starb am 5. April unter der Guillotine. 

Danton hat mit großer Wahrscheinlichkeit die Ergebnisse der Revolution durch die Organisation des nationalen Widerstandes gerettet. Er suchte stets zwischen den politischen Meinungen zu vermitteln und alle verfügbaren Kräfte auf die innere und äußere Gefahr der Revolution zu konzentrieren.

  • Nach der Liquidierung seiner Feinde von links und rechts schien Robespierre allmächtig. Nach der Verbesserung der außenpolitischen Situation kehrte man zu den Prinzipien bürgerlicher Politik zurück. Die von Robespierre geführte Regierung ließ die revolutionären Organe, die Sprachrohre der Sansculotten, beseitigen und die Kommune von Paris von 'Linksabweichlern' säubern. Die revolutionären Gesellschaften der Sektionen wurden aufgelöst. Die Schreckensherrschaft war im Sommer 1794 schlimmer als je.

Mit dem "Gesetz vom 22. Prairial II" (10. Juni 1794) kam es noch einmal zu verschärften Bestimmungen. Nun konnte man gegen "Feinde des Volkes" die Todesstrafe aussprechen. Dieses Gesetz war zur Verteidigung der Revolution nicht mehr nötig. Nach dem Nachlassen der Kriegsgefahr ließ die Schreckensherrschaft unter Robespierre nicht nach, sondern weitete sich noch einmal aus. Jetzt diente sie offensichtlich dazu, die Diktatur der Jakobiner aufrechtzuerhalten.

  • Das Ende der Jakobinerherrschaft

  • Die Jakobinerherrschaft beruhte auf einem Bündnis des republikanischen Bürgertums mit den Sansculotten. Für die Jakobiner als Vertreter des republikanischen Bürgertums aber waren Konzessionen an die Volksbewegung - vor allem auf dem Gebiet der Eigentumsordnung - grundsätzlich nicht möglich. Konzessionen konnte es nur solange geben, wie die Eigentümer aufgrund der gefährdeten inneren und äußeren Verhältnisse Einschränkungen akzeptierten.

  • In Bezug auf die Kriegsereignisse bildete der Sieg der französischen Truppen gegen Österreich bei Fleurus die entscheidende Wende. Dieser Sieg bedeutete für Frankreich die endgültige Abwendung der militärischen Gefahr.

  • Da die Terreur nicht gelockert wurde, bildete sich im Konvent und in seinen Ausschüssen eine neue Opposition gegen die Robespierristen. Am 23. Juli 1794 wurden die Einzelheiten des Lohnmaximums veröffentlicht. Die 50%ige Lohnanhebung im Vergleich zu 1790 wirkte sich in verschiedenen Arbeitsbereichen als Lohnsenkung aus. Das verstimmte die Sansculotten, sie waren nicht mehr bereit, die Jakobiner zu unterstützen. Generell waren sie der Meinung, die Jakobiner würden zu wenig für sie tun. Auf der anderen Seite wollte das republikanische Bürgertum, vertreten durch die Jakobiner, keine weiteren Zwangsmaßnahmen durchführen.

  • Am 10. Thermidor II (28. Juli 1794) wurden Robespierre, Saint-Just und 20 ihrer Anhänger hingerichtet. Am folgenden Tag folgten ihnen 71 Männer auf die Guillotine. Damit endete die jakobinische Gewaltherrschaft. Der Ausschuss selbst wurde im Oktober 1795 aufgelöst

  • 14 Monate nach der Machtübernahme durch die Jakobiner im Juni 1793 befand sich ganz Frankreich wieder unter einer zentralen Regierung. Die Währung blieb stabil und die fremden Heere standen wieder jenseits der Grenzen.

Doch - war die 'terreur' mit ihren Gewaltmaßnahmen gerechtfertigt? Der große französisch-schweizerische Philosoph und Kulturkritiker Jean-Jacques Rousseau (1712-1778) schrieb 1760 in seinem Erziehungsroman 'Emile': "Was der Mensch kraft seiner Freiheit tut, gehört nicht in das von der Vorsehung angeordnete System und kann ihr also nicht angerechnet werden. Sie will das Böse nicht, das der Mensch tut, wenn er die ihm gegebene Freiheit missbraucht; allein sie hindert ihn auch nicht, es zu tun. Sie hat ihn frei gelassen, nicht damit er das Böse wähle, sondern das Gute."Wer im Licht der Freiheit lebt, der lebt auch in ihrem Schatten" (Friedrich Sieburg).


Literaturhinweise

Fay, Bernard

Die große Revolution in Frankreich 1715 - 1815. München 1960

Fehrenbach, Elisabeth

Vom Ancien Regime zum Wiener Kongress. 4. Aufl. München 2001

Furet, François / Richet, Denis

Die französische Revolution, Frankfurt am Main 1968.

Grab, Walter

Die Französische Revolution. Aufbruch in die moderne Demokratie. Stuttgart 1989

Griewank, Karl

Die Französische Revolution 1789 - 1799. 8. Aufl. Köln 1984

Kuhn, Axel

Die Französische Revolution. Reclam-Taschenbuch. Stuttgart 1999.

Schulin, Ernst

Die Französische Revolution. München 1988

Sieburg, Friedrich

Frankreich 1789 - 1848. Im Licht und Schatten der Freiheit. Stuttgart 1961.


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