Die Welt des späten
Mittelalters (1250 - 1400)
Das Ende der Luxemburger
und der Aufstieg der Habsburger Kaiserdynastie (1400 - 1517)
Die Reformation von
Luthers Anschlag der 95 Thesen bis zum Wormser Reichstag (1517 - 1521)
Der Dreißigjährige Krieg
(1618 - 1648)
Vom Westfälischen Frieden
(1648) bis zum Regierungsantritt Friedrichs des Großen (1740)
Der Aufstieg Preußens zur
europäischen Großmacht (1740 - 1763)
Die Französische
Revolution bis zum Ende der Diktatur Robespierres (1789 - 1794)
Deutschland in der Zeit der
Französischen Revolution und der Herrschaft Napoleons (1789 - 1815)
Restauration und
Revolution (1815 - 1830)
Monarchie und Bürgertum (1830
- 1847)
Die Revolution von
1848/49
Von der gescheiterten
Revolution 1848 bis zur Gründung des Deutschen Reiches 1871
Die Innen- und Außenpolitik
Bismarcks (1871 - 1890)
Das Deutsche Kaiserreich
von 1890 bis zum Ausbruch der Ersten Weltkriegs 1914
Die Industrielle
Revolution in England und Deutschland (1780 - 1914)
Europäischer
Kolonialismus und Imperialismus (1520 - 1914)
Der Erste Weltkrieg (1914 -
1918)
Der Weg zur Weimarer
Republik 1918 - 1919
Der Kampf um die Staatsgewalt
in der Weimarer Republik (1919 - 1933)
Die Machtübernahme der NSDAP
und die Errichtung der Diktatur Hitlers (1933 - 1939)
Der Zweite Weltkrieg (1939
- 1945)
Der Weg in die Teilung
Deutschlands (1945 - 1949)
Der Kalte Krieg: Vom
Kriegsende 1945 bis zum Bau der Berliner Mauer 1961
Die Ära Adenauer (1949 -
1963)
Die Kanzlerschaft Ludwig
Erhards 1963 - 1966
Kalter Krieg Teil 2: Von
der Kubakrise 1962 bis zur Auflösung der Sowjetunion 1991
Die Zeit der Großen
Koalition 1966 - 1969
Die Ära Brandt (1969 - 1974)
Die Kanzlerschaft Helmut
Schmidts (1974 - 1982)
Die Kanzlerschaft Helmut
Kohls von 1982 bis 1987
Die Kanzlerschaft Helmut
Kohls von 1987 - 1989
Der Weg zur
Wiedervereinigung Deutschlands (Teil I: Die DDR von den siebziger Jahren
bis zum Fall der Mauer im Jahr 1989)
Vom Fall der Berliner
Mauer bis zur deutschen Einheit (1989 - 1990)
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Machtkampf der Weltmächte
Europäische Krisen
Literaturhinweise
Württemberg 1871-1918
Köngen 1850-1900
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Deutschland unter Kaiser Wilhelm II.
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- Die Entlassung Bismarcks (1890)
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Kaiser Wilhelm I. starb am
9. März 1888. Sein Sohn Friedrich Wilhelm nahm als
Friedrich III. die Kaiserwürde an. Er und
seine Frau Victoria - eine Tochter der britischen
Königin Victoria - galten als Anhänger der
parlamentarischen Monarchie Großbritanniens. Die
Regentschaft des todkranken Kaisers dauerte nur
ganze 99 Tage. Als Friedrich III. am 15. Juni 1888
starb, übernahm sein Sohn, der 29-jährige Kronprinz
Wilhelm (von nun an
Wilhelm II.) die
kaiserliche Würde.
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Wilhelms
Kindheit und Jugend war extrem hart und
dürfte entscheidende Weichen für sein späteres
Verhalten gelegt haben. Bei seiner Geburt am 27.
Januar 1859 war sein linker Arm so schwer
verletzt worden, dass er für immer verkrüppelt blieb.
Da sich seine Eltern mit der Behinderung ihres
Sohnes nicht abfinden konnten, griffen sie zu
Mitteln, die dem Kind Qualen, aber keine Heilung
brachten. So wurde zum Beispiel versucht, mit
einer 'Streckmaschine' seinen verkürzten Arm zu
verlängern. Durch den Privatlehrer
Georg
Ernst Hinzpeter wurde er einer strengen
Erziehung unterworfen, die ihm kaum Luft zum
Atmen ließ. Die liberalen Ansichten seiner
Eltern übernahm er jedoch nicht.
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Wilhelm II. (1859 - 1941),
Deutscher Kaiser und König von Preußen von 1888
bis 1918
*27.1.1859 Potsdam,
† 4.6.1941
Haus Doorn, Provinz Utrecht (Niederlande)
Bild:
Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt.
Hauptstaatsarchiv
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Bismarck war dem jungen Kaiser
zunächst zugetan, schon deshalb, weil dieser seine
eigenen antiliberalen Ansichten teilte. Die
ersten Konflikte waren persönlicher Art und wohl auf
den Generationenunterschied zurückzuführen.
Bismarck bezeichnete den Regenten als "Brausekopf",
der nicht schweigen könne, Schmeichlern zugänglich
sei und Deutschland in einen Krieg führen könne,
"ohne es zu ahnen und zu wollen". Bald ging es auch
um die Stellung des Kaisers: Wilhelm II.
wollte die Führungsposition im Reich, Bismarck sah
seine Machtposition in Gefahr.
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Anders als
sein Großvater, der letztlich den Ratschlägen des
Reichskanzlers immer gefolgt war, wollte Wilhelm
II. selbst regieren.
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Um einer späteren Mythenbildung
vorzubeugen, plant Wilhelm II. eine
allmähliche
Entmachtung Bismarcks. Er reserviert sich
zunächst - an Bismarck vorbei - ein eigenes
politisches Thema, das Arbeiterschutzprogramm.
Weitere Provokationen des Kaisers
folgen:
Preußische Minister werden - unter Umgehung
Bismarcks - einzeln zur Berichterstattung gebeten,
Einberufung eines neuen Handelsministers in Preußen
(Bismarck hatte diese Funktion provisorisch
übernommen).
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Bismarck entscheidet sich zum
offenen Kampf. Er entschließt sich, einen
innenpolitischen Konflikt zu schüren um sich
dann als Retter zu präsentieren: Nach den Gewinnen
der Sozialdemokraten bei den Reichstagswahlen im
Februar 1890 strebt er eine
Verschärfung des
Sozialistengesetzes an. Damit gerät er in
Gegensatz zum Kaiser, der mit seinem
Arbeiterschutzprogramm die Arbeiter für sich
gewinnen will.
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Auch der
Reichstag
war mit einer Neuauflage des
Sozialistengesetzes
nicht einverstanden.
Am 25. Januar 1890 fiel der Entwurf zu
diesem Gesetz im Parlament durch. Bei der
Reichstagswahl 1890 verloren die den Kanzler
stützenden Nationalliberalen und
Konservativen (Kartellparteien) die
Mehrheit. Mit 19,7 Prozent der Stimmen
wurden die Sozialdemokraten
stärkste
Partei. Das Mehrheitswahlrecht
verhinderte, dass sich der Stimmenanteil in
Mandate umsetzen ließ. Die SPD erhielt
lediglich 35 Sitze. Das Zentrum erhielt mit
nur 18,6 Prozent Stimmenanteil 106 Mandate.
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Auszüge aus dem
Entlassungsgesuch Bismarcks vom 18.3.1890:
"Eure Majestät
geruhten ... mir bezüglich meiner
dienstlichen Berechtigungen Grenzen zu
ziehen, welche mir nicht das Maß der
Beteiligung an den Staatsgeschäften, der
Übersicht über letztere und der freien
Bewegung in meinen ministeriellen
Entschließungen und in meinem Verkehr mit
dem Reichstag und seinen Mitgliedern lassen,
deren ich zur Übernahme der
verfassungsmäßigen Verantwortlichkeit für
meine amtliche Tätigkeit bedarf. ....
Nach gewissenhafter Erwägung der
Allerhöchsten Intentionen, zu deren
Ausführung ich bereit sein müsste, wenn ich
im Dienst bliebe, kann ich nicht anders als
Euere Majestät zu bitten, mich aus dem Amte
des Reichskanzlers und des Preußischen
Ministers der Auswärtigen Angelegenheiten in
Gnaden und mit der gesetzlichen Pension
entlassen zu wollen."
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Am 20. März erhält
Bismarck ein
Antwortschreiben Kaiser Wilhelms II..
Auszüge: "Mit tiefer Bewegung habe ich ...
ersehen, dass Sie entschlossen sind, von den
Ämtern zurückzutreten, welche Sie seit
langen Jahren mit unvergleichlichem Erfolge
geführt haben. ... Wenn Ich ... in vollem
Bewusstsein der folgenschweren Tragweite
Ihres Rücktritts jetzt genötigt bin, Mich
mit diesem Gedanken vertraut zu machen, so
tue Ich dies zwar betrübten Herzens, aber in
der festen Zuversicht, dass die Gewährung
Ihres Gesuches dazu beitragen werde, Ihr für
das Vaterland unersetzliches Leben und Ihre
Kräfte so lange wie möglich zu schonen und
zu erhalten."
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"Der Lotse
verlässt das Schiff"
"Dropping the Pilot",
Karikatur von Sir John Tenniel
(1820-1914) aus dem englischen Magazin
'Punch' vom 20. März 1890. |
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Nebenbei
bemerkt:
Otto Lilienthal
(* 1848, † 1896) aus der Stadt Anklam in
Mecklenburg-Vorpommern führte von 1891 bis 1896
erfolgreich und wiederholbar Gleitflüge mit einem
vogelähnlichen
Fluggerät (Hängegleiter) durch. Zuvor hatte es
immer wieder Versuche des Menschen gegeben, die
ausgebreiteten Arme zu Flügeln werden zu lassen. Viele
Legenden und Sagen berichten davon. Otto Lilienthal ist
der erste Mensch, der, durch zahlreiche
Fotos belegbar,
mit
einem Gerät von der Erde abhob und bis zu 250 m durch
die Lüfte schwebte. Über 20 Jahre hatte Lilienthal ohne
jeden praktischen Flugversuch die
physikalischen Grundlagen eines
Menschenflugs untersucht. So ermittelte er im
Laborversuch die verborgenen, aber entscheidenden
Eigenschaften des Flügels. Seine Erkenntnisse fasste er
1889 in dem Buch „Der Vogelflug als Grundlage
der Fliegekunst“ zusammen. Am 9. August 1896
stürzte Lilienthal mit dem Fluggerät ab, seine dadurch
erlittenen Verletzungen führten zum Tod. Aufbauend auf
den Forschungsergebnissen Lilienthals entwickelten die
Gebrüder Wright 1903 das Konzept des
eigenstartfähigen Motorflugzeugs.
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- Das "persönliche Regiment" Kaiser Wilhelms II.
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-
Persönlichkeit Wilhelms II.:
Reiner Egozentriker, keine politische Grundidee,
sprunghafte Persönlichkeit ("Wilhelm der
Plötzliche"), Sucht nach öffentlicher Anerkennung,
keine Weltanschauung, braucht Beifall der
Öffentlichkeit, keine einheitliche und folgerichtige
Politik, eigenmächtige und impulsive Handlungen und
Reden. Der junge Monarch verkörperte allerdings auch
den Glauben seiner Zeit an Fortschritt, Wissenschaft
und Technik. Der Historiker Golo Mann sagte
Treffendes über Wilhelm II.: "Er war kein böser
Mensch, er wollte geliebt werden, nicht Leid
verursachen. Zu blutrünstigen Reden konnte er sich
verirren; blutiges Handeln lag ihm gar nicht".
Allerdings zeigt die Geschichte, dass ein
Überforderter, der wenig Böses im Sinn hat,
Schreckliches hervorbringen kann. Vorausgesetzt, er
findet ein Volk, das ihn bewundert.
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Viele Deutsche sahen Kaiser
Wilhelm II. und seine Aktivitäten sehr kritisch.
So teilte man nicht die Auffassung, die der
Kaiser von sich selbst hatte: dass es Gott
gefallen habe, dem Hause Hohenzollern
die
Herrschaft über ganz Deutschland zu verleihen,
und dass deshalb er, "von Gottes Gnaden" König
von Preußen, mit ganz besonderen, die aller
anderen Sterblichen übertreffenden Gaben
ausgestattet worden sei.
-
Kaiser Wilhelm II. blieb
bei seinen Maßnahmen im Rahmen der
Verfassung und entsprach fast immer
den Hoffnungen und Erwartungen einer
Mehrheit der beiden Berliner Parlamente, des
preußischen und des deutschen, wie auch der
Nation. Das gilt selbst für die Entlassung
von Bismarck und auch für den Übergang zu
einer deutschen "Weltpolitik" und die dafür
nötige Flottenrüstung. Der Kaiser war
populär, und er unternahm manches, es zu
bleiben und immer mehr zu werden. Auch war
Wilhelm II. intelligent. Sein
Selbstbewusstsein konnte sich zu
einer krankhaften Ichbezogenheit steigern.
Man kann vermuten, dass ihm gerade sein
übergroßes Selbstbewusstsein sehr
erschwerte, zentrale Probleme auch nur zu
sehen oder richtig zu sehen.
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Wilhelm II. möchte sein
"eigener Kanzler" sein.
Das wirtschaftlich erfolgreiche Deutsche Reich soll
durch sein "persönliches Regiment" auch
machtpolitisch zur Weltgeltung gebracht werden. Er aktiviert
Kompetenzen, die ihm nach der Verfassung zustehen,
jedoch unter Wilhelm I. nicht in Anspruch genommen
wurden. Die beiden ersten Nachfolger Bismarcks fügen
sich weithin dem kaiserlichen Willen.
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Kaiser Wilhelm I.
hatte sein Kaisertum sozusagen als Anhängsel zu
seinem preußischen Königtum betrachtet; sein
Enkel sah das von vornherein anders und spielte
vor allem die Rolle des Deutschen
Kaisers, der vom alten
konstitutionellen Königtum auch das Recht
übernahm, das die anderen Könige nicht mehr
beanspruchten, selbst die - modern ausgedrückt -
"Richtlinien der Politik" zu bestimmen. Seine
königlichen Standesgenossen betrachtete
Kaiser Wilhelm II. als seine
Untergebene, als "Vasallen"; von ihren
Fähigkeiten hielt er wenig oder nichts.
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Für den Kaiser ist das
Heer
die Grundlage seiner Herrschaft. Die Stellung
des Militärs ist in der Verfassung nicht geregelt.
Eine Kontrolle durch den Reichstag erfolgt nicht.
Das Militär ist nur über die Person des Kaisers in
das Gesamtsystem des Staates integriert. Nur der
Kaiser war es möglich, militärische und politische
Interessen aufeinander abzustimmen.
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Der Kaiser hat den Oberbefehl
über das Militär.
Auf der Ebene der
Generalität nimmt er selbst die Stellenbesetzung
vor. Für Militär und Marine hat der Kaiser eigene
'Büros' (Militärkabinett, Marinekabinett), mit denen
er seine Macht ausüben kann. Die
Personalpolitik
des Kaisers ist auch für den zivilen Bereich von
zentraler Bedeutung. Wilhelm II. erhebt den
Anspruch, Personen seines Vertrauens ernennen zu
können.
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Anstatt sich mit seinen
Kanzlern und Minister abzustimmen, umgab
sich Wilhelm II. lieber mit hohen Offizieren
und suchte die Nähe fragwürdiger Freunde,
die sich als Ratgeber aufspielten,
tatsächlich ihm nur nach dem Munde redeten.
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Mit Bismarck hatte das Reich
seinen Koordinator verloren.
Die nachfolgenden Reichskanzler waren nicht in der
Lage, einen ständigen Interessenausgleich
zwischen Kaiser, Reichstag und Einzelstaaten
herbeizuführen. Nicht zuletzt durch die
Einflussnahme des Kaisers wurde die
deutsche
Außenpolitik unberechenbar.
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- Die Politik des "Neuen Kurses"
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Die Reichskanzler nach der
Entlassung Bismarcks: von
Caprivi
(1890 -1894), von
Hohenlohe-Schillingsfürst (1894 - 1900),
von
Bülow (1900 - 1909),
von Bethmann-Hollweg
(1909 - 1917). Die beiden ersten Nachfolger
Bismarcks fügen sich weitgehend dem Willen des
Kaisers. Reichskanzler von Bülow versucht den Kaiser
durch höfische Geschmeidigkeit zu lenken, kann aber
auf die Dauer "Zwischenfälle" nicht vermeiden.
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Genereller Wandel der
außenpolitischen Rahmenbedingungen:
Der Spielraum der Diplomaten wird in allen
europäischen Staaten dadurch eingeschränkt, dass sie
zunehmend auf nationalistische
"pressure groups"
(Interessenverbände) Rücksicht nehmen müssen.
Darunter leidet die Kompromissbereitschaft
der Staaten. Dies führt u. a. zu starren
Frontbildungen der unter den Staaten geschlossenen
Bündnisse.
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Schon in den letzten
Kriegsjahren Bismarcks hatten
Handelsstreitigkeiten die Beziehungen des
Deutschen Reichs zu Russland getrübt. Statt
sich um einen Ausgleich zu bemühen, zeigte
Bismarcks Nachfolger,
Leo von Caprivi,
Russland die kalte Schulter. Das Angebot
Russlands auf Verlängerung des geheimen
Rückversicherungsvertrags wurde abgewiesen.
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Das
Auswärtige
Amt hatte den schwankenden
Kaiser für die Kündigung des
Vertrages gewonnen. Sein
Repräsentant,
Geheimrat Friedrich
von Holstein, strebte
stattdessen eine Annäherung an
Großbritannien an. Ein solches
Bündnis wurde von Großbritannien
abgelehnt.
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Bei der Kündigung des
Rückversicherungsvertrags war die Auswirkung
auf die Beziehung zwischen Russland und
Frankreich nicht bedacht worden. Das
Zarenreich wurde endgültig an die Seite
Frankreichs getrieben. Dort hatte man lange
auf eine Annäherung mit Russland
hingearbeitet. Der
französisch-russische
Zweibund wird mit dem Besuch der
französischen Flotte in Kronstadt (1891)
eingeleitet, 1892 durch eine
Militärkonvention fortgeführt und 1894 durch
einen förmlichen Vertrag vollendet. Für
Deutschland bestand nun die
Gefahr eines
Zweifrontenkriegs. Bismarcks
Alptraum, dass Deutschland von anderen
Staaten "in die Zange" genommen werden
könnte, wurde also bald nach seinem Sturz
Realität
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Am 9.
November 1892 wurde in Berlin
die 'Deutsche
Friedensgesellgesellschaft' (DFG)
gegründet. Wichtige Initiatoren dieser
Gründung waren die Schriftstellerin
Bertha von Suttner und
der Verleger Alfred Hermann
Fried. In Schriften und
Vorträgen vertraten beide die Ansicht,
dass der Krieg kein notwendiges Übel
sei. Ihre Idee war es, das Völkerrecht
zu stärken und Streitigkeiten durch ein
internationales Schiedsgericht zu lösen.
Beide wurden für ihre Verdienste mit dem
Friedensnobelpreis ausgezeichnet (Bertha von Suttner im Jahr
1905, Alfred Hermann Fried im Jahr 1911).
Mir ihrem im Jahr 1889 veröffentlichten
Roman "Die Waffen nieder" hat
Bertha von Suttner viele
Menschen bewegt. Der Schriftsteller
Stefan Zweig hat sie
nach dem Ersten Weltkrieg als eine Art
Don Quichotte gewürdigt, als eine Frau,
die gegen Windmühlen gekämpft hatte,
obwohl sie wusste, dass die Macht der
Gewalt und der Waffenlobby stärker war.
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Leo von Caprivi,
deutscher Staatsmann, *1831
†
1899, 1890-94 Reichskanzler
DHM Berlin, F67/2033
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- Aus Protest gegen Caprivi
gründen die Agrarier den
"Bund der
Landwirte", der in der Hauptsache den
Getreide anbauenden Großgrundbesitz
vertritt.
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Unter der Herrschaft
Kaiser Wilhelms II. trat das Deutsche Reich
seit etwa 1900 entschieden in die
"Weltpolitik" ein. Der Herrscher versprach
den Deutsche, er würde sie "herrlichen
Zeiten" entgegenführen.
-
Deutschland nimmt bewusst
am Imperialismus teil.
Bernhard
von Bülow, damals noch Staatssekretär im
Auswärtigen Amt, fordert für das Deutsche
Reich einen "Platz an der Sonne".
Damit drückte er den sehnlichsten Wunsch
Seiner Majestät aus. Die "Weltpolitik" tritt
an die Stelle der begrenzten Kolonialpolitik
Bismarcks. Der Nationalismus gewinnt
an Bedeutung.
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Das Feld, auf dem
Kaiser Wilhelm II. Profil und
Prestige erlangen wollte, war die
Außenpolitik; er wollte
Kolonien
- um nahezu jeden Preis. Im November
1897 besetzten deutsche
Marinetruppen das
Fort Tsingtau
in der chinesischen Bucht von
Kiautschou, wo auch Russland Rechte
beanspruchte. Nach drei Wochen
diplomatischer Aktion von
Bernhard von Bülow, des
Staatssekretärs im Auswärtigen Amt,
gab die russische Regierung nach,
und Deutschland hatte seinen
chinesischen Stützpunkt. Der
spektakuläre Erfolg weckte neue
Ambitionen.
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Durch die
Fortschritte in der
Medizintechnik und der Ernährung
seit den 1890er Jahren war
besonders die Bevölkerung des
Deutschen Reiches stark
angewachsen. Die Ausdehnung des
Territoriums der Nation schien
auch für viele Ökonomen und
Politiker notwendig zu sein. Die
Ausdehnung des Staates und der
Nation auf andere Kontinente
wurde von den Großmächten
Europas als "Kampf um
Dasein" verstanden.
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Der riskante Kurs
der deutschen "Weltpolitik" trug
viel zu der
fatalen Isolierung
bei, in die das Deutsche Reich
mehr und mehr geriet. Im Sommer 1914
war für die maßgeblichen deutschen
Politiker der Krieg der einzige
Ausweg, aus dieser "Umklammerung"
herauszukommen.
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Zu den folgenreichen Fehlern von
Kaiser Wilhelm II.
gehört, dass er das Deutsche
Reich mit unbedachten Auftritten
und Verbalangriffen
außenpolitisch isoliert. In der
so genannten
'Hunnenrede'
im Jahr 1900 heißt es: "Führt
eure Waffen so, dass auf tausend
Jahre hinaus kein Chinese es
mehr wagt, einen Deutschen
scheel anzusehen."
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Der
Bau der
Kriegsflotte ist das persönliche Werk
Wilhelms II. und des Konteradmirals
Alfred von Tirpitz,
dem Leiter des
Reichsmarineamtes. Das Flottenprogramm ist
ein Programm der imperialistischen
Weltpolitik. Mit der zweitstärksten Flotte
(nach der englischen) sollte Deutschland in
der Lage sein, auf der Nordsee der
englischen Flotte entgegenzutreten. Bei
einem Kampf sollen der englischen Flotte
solche Verluste beigebracht werden, dass
seine Machtstellung gefährdet wird. Dieses
Risiko soll Großbritannien von einem
Seekrieg mit Deutschland abschrecken.
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Die
Flottenfrage belastete das
deutsch-englische Verhältnis
schwer. Auf
längere Sicht bedrohte das deutsche
Flottenprogramm das Gleichgewicht der
Großmächte auf dem Kontinent, an dem sich
die englische Politik immer orientiert
hatte.
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Solange
das Gleichgewicht zwischen Deutschland,
Österreich-Ungarn, Frankreich und
Russland vorhanden war, vermied es
Großbritannien, sich auf Bündnisse mit
einer dieser Mächte festzulegen, um
nicht in kontinentale Streitigkeiten
hineingezogen zu werden.
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Admiral von Tirpitz (er
wurde vom Kaiser geadelt!) gelang es, im
Reichstag immer wieder Mehrheiten für die
Finanzierung des Flottenbaus zu
erhalten. Mit seinem "Nachrichtenbuereau"
mobilisierte er wirksam die öffentliche
Meinung. 1899 wurde ein
Flottenverein
gegründet, der die Forderungen von Tirpitz
zunächst weitgehend unterstützte, sich
jedoch nach und nach verselbständigte und
stark nationalistisches Gedankengut aufnahm
(Populistischer Nationalismus).
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Am 21. November 1910
übergab Kaiser Wilhelm II.,
begleitet von Admiral Tirpitz, die
Marineschule Mürwik ihrer
Bestimmung. Wilhelm II. ließ die 190
Offiziersanwärter mit dem für ihn
typischen Pathos nicht im Unklaren
darüber, was er von ihnen erwartete. Er
wünsche sich Seeoffiziere, "wie das
Vaterland sie braucht, stolze und
wetterfeste Männer im Sturme des Lebens"
Nach dem vorbereiteten Text fügte der
Monarch ein paar improvisierte
Bemerkungen hinzu. So warnte er seine
Zuhörer launig vor einer großen Gefahr -
dem Alkohol: "Ich weiß sehr wohl, dass
die Lust am Trinken ein altes Erbstück
der Germanen ist". Jedoch untergrabe der
Alkohol die gesunden Nerven, die "der
nächste Krieg und die nächste
Seeschlacht" erfordern würden.
Da werde es entscheidend darauf
ankommen, "klare Nerven und kühlen Kopf"
zu bewahren, denn "diejenige Nation, die
das geringste Quantum Alkohol zu sich
nimmt, die gewinnt."
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Alfred von Tirpitz,
deutscher Großadmiral, * 1849,
†
1930
Gutenberg |
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Das
Bautempo für
die Schiffe war mit drei Schiffen pro Jahr
relativ langsam; bei diesem Tempo wäre das
Ziel erst nach 25 Jahren zu erreichen
gewesen. Die Engländer begannen
ihrerseits, ihre Schlachtschiffe zu
modernisieren und eine Serie von
"Dreadnoughts", einen neuen Typ von
Kriegsschiffen, zu bauen, die an
Schnelligkeit und Feuerkraft den deutschen
Schiffen überlegen waren.
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Alles hing davon ab, ob
Deutschland oder Großbritannien
finanziell die meiste Luft haben
würde, denn die Flottenrüstungsprogramme
verschlangen einen erheblichen Teil des
Staatsbudgets. Auf Dauer hatten die
Engländer eine stärkere Finanzkraft als die
Deutschen und konnten auf zwei deutsche
Großkampfschiffe mit drei neuen
Schiffsbauten antworten.
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Um
1911 war klar, dass Deutschland den
Seerüstungswettstreit nicht mehr
gewinnen konnte. Dies war der Grund, weshalb
das Deutsche Reich auf einen Kurs
der Verständigung mit Großbritannien
umschwenkte und zu einer verstärkten
Landrüstung gegen Russland und Frankreich
überging.
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Die
Wahlkreiseinteilung benachteiligt die
Großstädte obwohl diese aufgrund der
zunehmenden Industrialisierung das
Übergewicht über das Land bekommen haben (um
1880 lebt über die Hälfte der Bevölkerung
von der Landwirtschaft; 1910 sind es nicht
mehr ganz drei Zehntel). Eine Änderung wird
nicht vorgesehen - auch eine Art von
Politik.
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Dreiklassenwahlrecht
in Preußen (eine
Stimme der dritten Klasse (3,2 Millionen
Wähler) hat kaum ein Zehntel des Gewichts
einer Stimme der ersten Klasse (293.000
Wähler). Auch hier wurde keine Änderung
durchgeführt.
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Der Kaiser erweckt am
Anfang seiner Regierungszeit Hoffnungen auf
den Ausbau des Arbeitsschutzes, die Regelung
der Arbeitszeit, die Einrichtung von
Schiedsgerichten zwischen Arbeitern und
Unternehmern, die Einschränkung von Frauen-
und Kinderarbeit.
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Grundsätzlich war Wilhelm II. bereit,
der Arbeiterschaft einige
soziale
Verbesserungen zuzugestehen, ihre
politische Emanzipation duldete er
nicht. Als seine vielen Versprechungen
nicht zum erhofften Niedergang der
Sozialdemokratie führten, verlor der
Kaiser das Interesse an der "sozialen
Frage". Die Initiativen zu
sozialpolitischen Reformen kamen in der
Folge nicht vom Kaiser selbst, sondern
aus dem Beamtenapparat.
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Zu den
sozialpolitischen Maßnahmen während der
Regierungszeit Wilhelms II. gehören die
Novellen zur Gewerbeordnung (1891 und 1908),
die Einführung der obligatorischen
Gewerbegerichte (1901), ein erweitertes
Kinderschutzgesetz (1903), ein weiteres
Unfallversicherungsgesetz (1900) und
Krankenversicherungsgesetz (1903), die
Reichsversicherungsordnung und die
Angestelltenversicherung (1911). In der
sozialen Versicherungsgesetzgebung bleibt
Deutschland führend.
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Neben den
sozialpolitischen Maßnahmen stehen etliche
Versuche, die Arbeiterbewegung zu
unterdrücken. Ein Beispiel dafür ist die so
genannte "Zuchthausvorlage":
Terroristische Anschläge auf den
italienischen Ministerpräsidenten Crispi und
den französischen Staatspräsidenten Carnot
veranlassten Wilhelm II. im Jahr 1898 eine
Verschärfung des Vereins- und
Versammlungsrechts sowie des Presserechts zu
fordern, um auf diese Weise die politische
und gewerkschaftlichen Tätigkeit der
Arbeitervereine zu beschränken. Der Kampf
der Arbeiter um die Anerkennung des
Streikrechts, um die Rechtsfähigkeit ihrer
Organisationen und um die Reform des
Arbeitsrechts setzte sich dennoch fort.
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Ihren
Namen verdankte die Zuchthausvorlage,
der Ankündigung eines Gesetzes, wonach
"jeder - er möge sein, wer er will, und
heißen, wie er will -, der einen
deutschen Arbeiter, der willig ist,
seine Arbeit zu vollführen, daran zu
hindern sucht, oder gar zu einem Streik
anreizt, mit Zuchthaus bestraft werden
soll."
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Die
christlichen
Kirchen wenden sich zunehmend der
sozialen Frage zu. 1891 fordert Papst Leo
XIII. in der Enzyklika
'Rerum novarum'
eine Wiederherstellung der durch
Kapitalismus und Individualismus gestörten
Harmonie des gesellschaftlichen Lebens. Der
"Volksverein für das katholische
Deutschland" wird zum Träger sozialer
Arbeit. Auf evangelischer Seite fordert
Friedrich Naumann
eine soziale und
demokratische Gesinnung, welche die
geistigen Werte der Vergangenheit in die
Welt des Kapitalismus hinüberretten soll.
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Kaiser Wilhelm II.
Europäische Krisen
Literaturhinweise
zurück zum Seitenanfang
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Machtkampf der Weltmächte 1898 - 1905
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Mit den
Vereinigten Staaten und
Japan
entstehen zwei neue Großmächte. Der Vorrang Europas wird
fragwürdig.
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Seit Mitte der 1980er
Jahre wurden die europäischen Nationen mit
zunehmender Geschwindigkeit zu imperialistischen Staaten.
Überall war man überzeugt, dass die europäischen Großmächte
Kolonien auf anderen Kontinenten, vor allem
in Afrika, zur Erhaltung ihrer Lebensfähigkeit
benötigten. "Weltmacht oder Niedergang" wurde zu einer
Losung des Nationalismus. Der imperialistische Drang der
Großmächte nach Machterweiterung führt zu neuen
weltpolitischen Spannungen und zur Verschärfung der in
Europa vorhandenen Gegensätze.
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1898
Der Krieg mit Spanien endet mit dem Erwerb Kubas und
der Philippinen; im gleichen Jahr Annexion von
Hawaii. Die Philippen werden zur US-Kolonie.
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1901
Präsident Roosevelt strebt eine Vormachtstellung auf
dem amerikanischen Kontinent an, vor allem in
Mittelamerika (u.a. durch den Bau des Panamakanals)
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Im Fernen Osten geraten die
Vereinigten Staaten in Gegensatz zu Japan.
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Nebenbei
bemerkt: Am 18. April
1906 erschütterte ein Erdbeben
der Stärke 7,8 die kalifornische Stadt
San Francisco. Die
nachfolgenden Brände machten die Stadt dem
Erdboden gleich. Es war eine der größten
Naturkatastrophen in der Geschichte der
Vereinigten Staaten von Amerika.
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Bis 1867 ein
Feudalstaat. Unter amerikanischem Zwang öffnet der
Kaiser sein Land dem Handel und verwandelt es zu
einer modernen Großmacht
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Gefahr der Überbevölkerung.
Kampf Japans mit Russland um die Vormachtstellung in
Ostasien. Hauptdruck des Expansionsstrebens
richtet sich gegen das nahe liegende Festland
Asiens: Korea, Mandschurei, Nordchina.
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1894/95 Erster
Japanisch-Chinesischer Krieg: Im Frieden von
Shimonoseki (1895) musste China Taiwan an
Japan abgeben, wodurch die Insel zur ersten Kolonie
Japans wurde. China gestand Japan auch die Kontrolle
über die Halbinsel Liaodung in der südlichen
Mandschurei als Pachtgebiet zu.
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1895: Aus Furcht vor einer
Destabilisierung der Region protestierten Russland,
Frankreich und das Deutsche Reich gegen die
Territorialgewinne Japans (Intervention von
Shimonoseki).
Japan wird gezwungen, auf den Erwerb von Korea und
Port Arthur zu verzichten.
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1898: Nachdem Japan auf Druck der
Kolonialmächte auf Liaodung verzichtet, schließt
Russland einen Pachtvertrag für die Halbinsel mit China.
Die Philippinen werden zur US-Kolonie.
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1904/05: Nach dem
Boxer-Krieg in
China (1899 - 1901) ignoriert Russland japanische
Ultimaten, Truppen aus China wieder abzuziehen.
Japan löst mit einem Überraschungsangriff auf
den russischen Marinstützpunkt Port
Arthur den Russisch-Japanischen Krieg
aus und
entscheidet diesen trotz zahlenmäßiger Überlegenheit
für sich.
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1905: Frieden von
Portsmouth: In dem Friedensvertrag,
vermittelt von US-Präsident Theodore Roosevelt
erhält Japan von Russland die südliche Hälfte der
Insel Sachalin und Liaodung zurück. Mit den
militärischen Siegen über China und Russland hatte
Japan sich als Führungsmacht in Ostasien etabliert.
Da es aber prinzipiell auf Expansionskurs blieb,
begann nach 1905 schrittweise eine Entfremdung von
den USA. Deren Einfluss in der Region wuchs, seit
sie sich 1898 die Philippinen angeeignet hatten.
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Die so genannten
"Mittelmächte",
das Deutsche Kaiserreich und Österreich-Ungarn,
bilden den defensiv gegen Russland gerichteten
"Zweibund". Der "Dreibund" (mit
Einschluss Italiens) richtet sich gegen einen
Angriff Frankreichs.
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Schwächung
Österreich-Ungarns
wegen interner
Nationalitätenkonflikte. Wert als
Bundesgenosse für Deutschland sinkt.
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Die
Politik Italiens
ist von Großbritannien, der stärksten
Seemacht im Mittelmeer, abhängig. Italien
verspricht Frankreich 1897 im Kriegsfall
neutral zu bleiben (Frankreich begünstigt
dafür die Besetzung von Tripolis durch
Italien). Der Dreibund wird dadurch
entwertet.
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Die
Versöhnung
Deutschlands mit Frankreich scheitert an
der elsass-lothringischen Frage.
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Gegensatz zwischen
Russland
und
Österreich-Ungarn. Russischer Wunsch
nach Hegemonie unter den slawischen Völkern,
nach Vormacht auf dem Balkan und der
Verfügung über die Meerengen.
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Scheitern der
Bündnisverhandlungen zwischen
Deutschland
und
Großbritannien (1898 - 1901).
Dieses Scheitern ist der Auftakt für die
Ententepolitik Großbritanniens geworden.
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Die
Gegensätze Großbritanniens zu
Deutschland verschärften sich
ständig. Dies lag am kräftigen Wachstum
der wirtschaftlichen Macht des
Kaiserreichs und seinen zunehmenden
imperialistischen Interessen, welche die
britische Vormachtstellung ernsthaft
bedrohten. Der Aufbau einer kampfstarken
Flotte musste von Großbritannien als
Gefährdung seiner Überlegenheit zur See
aufgefasst werden.
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1902
schließt Großbritannien ein Bündnis
mit Japan
ab, das gegenseitige
Neutralität beim Angriff von mehr als
einer Macht auf den Partner verspricht.
Beide Staaten wollen eine russische
Hegemonie in Ostasien verhindern. (Russland
hatte bereits die
Mandschurei besetzt
und trat Japan auch in
Korea als
Rivale entgegen.)
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Gedeckt
durch das Bündnis mit Großbritannien
beginnt Japan 1904 den
Krieg
mit Russland.
Am 8. Februar 1904
wird das in russischem Besitz
befindliche Port Arthur okkupiert. 1905
siegt Japan über die europäische
Großmacht. Im
Frieden von Portsmouth
gewinnt Japan die Oberhoheit über
Korea.
Die
Mandschurei
muss an China zurückgegeben werden. Nach
seiner Niederlage in Ostasien
konzentriert sich die russische Politik
wieder auf Europa (Balkan!).
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Nebenbei
bemerkt: Am 20. April
1902 gelingt es den französischen
Wissenschaftlern Marie und Pierre Curie
das chemische Element Radium in reiner
Form zu isolieren.
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Mit der
englisch-französischen Entente von 1904
beginnt Großbritannien auch in Europa aus
seiner Isolierung herauszutreten.
Die "Entente cordiale" war kein Bündnis im
völkerrechtlichen Sinn, sondern, wie der Name sagt,
nur ein "herzliches Einvernehmen" über die
Abgrenzung der beiderseitigen Interessen in Ägypten
und Marokko. Großbritannien gesteht Frankreich
besondere Interessen an Marokko zu, Frankreich
anerkennt die englische Machtstellung in Ägypten.
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Die
Regierenden in Deutschland hatten es
nicht für möglich gehalten, dass sich
Großbritannien und Frankreich, in der
Vergangenheit oft in koloniale Händel
verstrickt waren, zu einer Verständigung
gelangen. Im Grunde richtete sich die
"Entente cordiale" gegen das Deutsche
Reich.
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Die
englisch-russische
Entente von 1907 sollte dem Ausgleich
der Gegensätze in Asien dienen.
Großbritannien verzichtet auf direkte
Einflussnahme in Tibet. Afghanistan bleibt
neutraler Pufferstaat. Der Norden Persiens
wird russisches, der Süden englisches
Einflussgebiet. Aus der "Entente
cordiale" wurde die "Triple Entente".
Deutschland war nun auf Gedeih und Verderb
an seinen einzigen zählenden Verbündeten
Österreich-Ungarn geschmiedet. Die weit
gehende Isolation Deutschlands war selbst
herbeigeführt worden.
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Der Vertrag zwischen
Großbritannien und Russland war nicht direkt
gegen Deutschland gerichtet, berührte jedoch
deutsche Interessen bzw. Projekte, insbesondere
den Plan eines von deutschen Firmen geführten 'Bagdadbahn-Konsortiums
für eine Eisenbahnverbindung von Berlin nach
Bagdad. Das Gefühl der Deutschen, Opfer
zielgerichteter "Einkreisung" zu sein,
verstärkte sich. Dieses Gefühl war auch das
Hauptmotiv für das "Losschlagen" von 1914.
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Kaiser Wilhelm II.
Machtkampf der Weltmächte
Literaturangaben
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Europäische Krisen 1904 - 1914
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Mit der
'Entente cordiale'
von 1904 hatten Großbritannien und Frankreich ihre
kolonialen Auseinandersetzungen um Marokko
entschärft: Frankreich hielt sich aus Ägypten
heraus, Großbritannien ließ den Franzosen freie Hand
in Marokko. 1905 leitet Frankreich die
"friedliche Durchdringung" Marokkos ein.
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Im März 1905 landete
Kaiser
Wilhelm II. mit großem Gefolge in der
marokkanischen Hafenstadt Tanger. Seine Absicht war
es, Frankreich und Großbritannien über die
Marokkofrage auseinander zu bringen. Er fordert eine
internationale Konferenz zur Regelung der
"Souveränität Marokkos".
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Das Eingreifen Deutschlands
in den gewohnten Prozess der informellen
imperialistischen "Inbesitznahme" ferner Länder
löste eine massive internationale Krise aus.
Wenn Deutschland sich wirklich der Ausdehnung
französischer Interessen in Marokko widersetzen
würde, konnte dies sofort zu einem Krieg
führen. Es war offensichtlich, dass die
deutschen Militärs nichts lieber getan hätten,
als mit einem gezielten Schlag die französische
Republik aus dem Kreis der Großmächte zu
entfernen. Angesichts dieser drohenden Gefahr
gingen die Großmächte auf die Forderung
Deutschlands ein, eine internationale
Konferenz über die weitere Zukunft
Marokkos zusammenzurufen.
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Die internationale Konferenz von
Algeciras in Spanien (1906) schrieb die
Vorherrschaft Frankreichs über Marokko fest.
Verwaltung, Polizei und Banken des völkerrechtlich
unabhängigen Sultanats - wie in der Präambel zum
abschließenden Vertrag scheinheilig betont - wurde
der Kontrolle französischer und spanischer Beamten
unterstellt. In Wirklichkeit ging es darum, den
beiden an Marokko hauptsächlich interessierten
Mächten, nämlich Frankreich und Spanien, dort
weitestgehend freie Hand zu lassen. Deutschland
erhielt keinen Zugriff auf diese Kontrollen
Marokkos.
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Anstatt, wie beabsichtigt,
einen Keil
zwischen Frankreich und
Großbritannien zu treiben, fand sich das
Deutsche Reich
nun selbst in der Isolation.
Die empfindliche diplomatische Niederlage
verstärkte das subjektive Gefühl einer
zunehmenden Einkreisung Deutschlands.
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Als Frankreich im Jahr 1911 wegen
innerer Unruhen in Marokko ein Expeditionskorps in
die Stadt Fez entsendet, macht das deutsche
Kanonenboot "Panther" vor Agadir fest ("Panthersprung
nach Agadir"). Mit dieser Aktion wollte die
Reichsregierung die "Entente cordiale" erneut
unter Druck setzen. Der seit Juni 1910 amtierende
"Außenminister" des Deutschen Reiches,
Staatssekretär Alfred von Kiderlen-Waechter,
versuchte die Marokko-Frage als Hebel einer
deutschen Afrika-Politik einzusetzen. Von Frankreich
wollte er größere Konzessionen in den französischen
Besitzungen in Afrika erhalten. Im Gegenzug wollte Kiderlen-Waechter Frankreich in der
Marokko-Angelegenheit freie Hand geben.
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Großbritannien
reagierte anders, als es die deutsche
Reichsregierung erwartet hatte. Die
britische Regierung machte
unmissverständlich klar, dass es im
Konfliktfall an der Seite Frankreichs stehen
würde. Deutschland wurde gezwungen,
zugunsten Frankreichs auf die politische
Einflussnahme in Marokko zu verzichten.
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Frankreich
lehnt den Anspruch Deutschlands auf
Abtretung von ganz Französisch-Kongo ab. Das
deutsche Reich erhielt nur unbedeutende
Teile des französischen Kongogebiets und
musste im Gegenzug einen Landstreifen in
Togo an Frankreich abgeben.
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Die
Reaktionen in
Deutschland auf die diplomatische
Niederlage fielen verheerend aus.
Nationalistische Organisationen hatten
aggressive Propaganda für Deutschlands
Aufstieg zur Weltmacht getrieben. In einem
Buch des ehemalige Generals
Friedrich von
Bernhardi, das im Jahr 1912 erschien,
wird die Ansicht verbreitet, "dass wir den
Krieg um unsere Weltmachtstellung unter
keinen Umständen vermeiden können". Diese
Ansicht wurde von vielen Politikern und
Offizieren geteilt. Reichskanzler
Theobald von Bethmann Hollweg, seit 1909
im Amt, wirkte mäßigend. Bei einer
Reichstagsdebatte sagte er: "Für mich ...
ist es Pflicht, die Geschäfte so zu führen,
dass ein Krieg, der vermieden werden kann,
der nicht von der Ehre Deutschlands
gefordert wird, auch vermieden wird."
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Bosnien und die Herzegowina
waren zwei Länder, die von Serbien beansprucht
wurde. Die damit ausgelöste "bosnische
Annexionskrise" brachte Europa an den
Rand eines Krieges. Frankreich weigerte sich, in
"Balkanfragen" das Bündnis mit Russland zu
befolgen. Russland hatte sich nach seiner
Niederlage gegen Japan im Krieg von 1905 noch
nicht erholt, um zugunsten der bosnischen Serben
und Serbien Krieg gegen Österreich-Ungarn - und
damit auch gegen dessen Verbündeten Deutschland
- zu führen.
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Nachdem sich Italien mit Libyen
einen Teil des Osmanischen Reiches einverleibt hatte
und die Türkei aus militärischer Schwäche nicht
reagieren konnte, erwachten in den Balkanstaaten die
Wünsche nach nach nationaler Selbständigkeit.
Russland unterstützte
die Bildung eines Bundes der Balkanstaaten
(Serbien, Bulgarien, Griechenland und
Montenegro) mit dem Ziel, die
Osmanen
aus Europa zu verdrängen.
Im ersten Balkankrieg
(1912/13) erleidet das Osmanische Reich eine schwere
Niederlage gegen diesen
"Balkanbund". Im
zweiten Balkankrieg
wird Bulgarien durch
Serbien, Griechenland und Rumänien vernichtend
geschlagen.
Österreich-Ungarn
empfindet die Vergrößerung Serbiens als eine
Bedrohung.
Der Ausbruch eines Krieges zwischen Russland und
Österreich-Ungarn wird durch englische und deutsche
Vermittlung "in letzter Sekunde" verhindert
(Botschafterkonferenz in London)
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Bei einem Krieg zwischen
Österreich-Ungarn, dem einzigen wichtigen
Bündnispartner Deutschlands, und Russland wäre
ein Eingreifen Frankreichs und Großbritanniens
an der Seite ihres Partners Russland so gut wie
gewiss gewesen.
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Seit dem Jahr 1912 begannen die
europäischen Nationen einen möglichen Krieg
in ihren politischen und militärischen
Planungen stark zu berücksichtigen. Deutschland
begann mit kleineren Verstärkungen seines Heeres.
Frankreich, überzeugt vom baldigen Krieg mit
Deutschland, versuchte alles, um die Allianz mit
Russland so zu gestalten, dass Deutschland auf jeden
Fall einen Zwei-Fronten-Krieg würde führen müssen.
Mit dem Ausbruch der Balkankriege erhielt das
allgemeine Wettrüsten einen erheblichen Auftrieb.
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Allen
Schülern und Studenten, die gerade eine Prüfung zu bestehen
haben, wünschen wir viel Erfolg. Wir drücken auch die
Daumen für diejenigen, die eine Klausur schreiben müssen oder
eine Hausarbeit bzw. Referat anzufertigen haben. Hat Euch unsere
Seite bei der Vorbereitung oder bei der Informationssammlung
geholfen?
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Literaturhinweise
|
Canis, Konrad
|
Von Bismarck zur
Weltpolitik. Deutsche Außenpolitik 1890 bis 1902, Berlin
1997.
|
Clark, Christopher
|
Kaiser Wilhelm II.,
Harlow 2000.
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Deist, Wilhelm
|
Flottenpolitik und
Flottenpropaganda. Das Nachrichtenbureau des
Reichsmarineamtes 1897 - 1914, Stuttgart 1976.
|
Epkenhans, Michael
|
Die wilhelminische
Flottenrüstung 1908 - 1914. Weltmachtstreben,
industrieller Fortschritt, soziale Integration. München
1991.
|
Eschenburg, Theodor
|
Das Kaiserreich am
Scheideweg. Bassermann, Bülow und der Block, Berlin
1929.
|
Gall, Lothar (Hrsg.)
|
Otto von Bismarck und
Wilhelm II. Repräsentanten eines Epochenwechsels?
Paderborn/München/Wien/Zürich 2000.
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Halder, Winfrid
|
Innenpolitik im
Kaiserreich 1871 - 1914, Darmstadt 2003.
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Hertz-Eichenrode,
Dieter
|
Deutsche Geschichte 1890
- 1918, Stuttgart 1996.
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Lahne, Rainer
|
Deutsche Außenpolitik
1890 - 1894, Göttingen 1990.
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Mann, Bernhard
|
Kaiser Wilhelm II.,
König Wilhelm II. von Württemberg und die Zukunft der
Monarchie um 1900. In: Zeitschrift für Württembergische
Landesgeschichte. 68. Jahrgang, Seite 377 - 390.
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Mommsen, Wolfgang J.
|
Bürgerstolz und
Weltmachtstreben. Deutschland unter Wilhelm II. 1890 -
1918. Berlin 1995
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Nipperdey, Thomas
|
Deutsche Geschichte 1866
- 1918. 2 Bände. München 1998.
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Ritter, Gerhard A.
|
Arbeiter,
Arbeiterbewegung und soziale Ideen in Deutschland,
München 1996.
|
Röhl, John
|
Wilhelm II. Die Jugend
des Kaisers 1859 - 1888, München 1993.
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Röhl, John
|
Wilhelm II. Der Aufbau
der Persönlichen Monarchie 1888 - 1900, München 2001.
|
Röhl, John
|
Deutschland ohne
Bismarck? Die Regierungskrise im Zweiten Kaiserreich
1890 - 1900, Tübingen 1969
|
Ullmann, Hans-Peter
|
Das Deutsche Kaiserreich
1871 - 1918. Frankfurt/Main 1995.
|
Ullrich, Volker
|
Die nervöse
Großmacht.1871-1918. Aufstieg und Untergang des
deutschen Kaiserreichs, Frankfurt/Main 1999
|
Schildt, Axel
|
Konservatismus in
Deutschland. Von den Anfängen im 18. Jahrhundert bis zur
Gegenwart, München 1998.
|
|
|
Kaiser Wilhelm II.
Machtkampf der Weltmächte
Europäische Krisen
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Württemberg 1871-1918
Köngen 1850-1900
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Stand: 21.04.2020
Copyright © 2020 Geschichts- und Kulturverein Köngen e.V.
Autor: Dieter Griesshaber |
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