Deutschland 1850 - 1871

 

 

 

 

 

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Die Welt des späten Mittelalters (1250 - 1400)

Das Ende der Luxemburger und der Aufstieg der Habsburger Kaiserdynastie (1400 - 1517)

Die Reformation von Luthers Anschlag der 95 Thesen bis zum Wormser Reichstag (1517 - 1521)

Der Dreißigjährige Krieg (1618 - 1648)

Vom Westfälischen Frieden (1648) bis zum Regierungsantritt Friedrichs des Großen (1740)

Der Aufstieg Preußens zur europäischen Großmacht (1740 - 1763)

Die Französische Revolution bis zum Ende der Diktatur Robespierres (1789 - 1794)

Deutschland in der Zeit der Französischen Revolution und der Herrschaft Napoleons (1789 - 1815)

 Restauration und Revolution (1815 - 1830)

Monarchie und Bürgertum (1830 - 1847)

Die Revolution von 1848/49

Von der gescheiterten Revolution 1848 bis zur Gründung des Deutschen Reiches 1871

Die Innen- und Außenpolitik Bismarcks (1871 - 1890)

Das Deutsche Kaiserreich von 1890 bis zum Ausbruch der Ersten Weltkriegs 1914

Die Industrielle Revolution in England und Deutschland (1780 - 1914)

Europäischer Kolonialismus und Imperialismus (1520 - 1914)

Der Erste Weltkrieg (1914 - 1918)

Der Weg zur Weimarer Republik 1918 - 1919

Der Kampf um die Staatsgewalt in der Weimarer Republik (1919 - 1933)

Die Machtübernahme der NSDAP und die Errichtung der Diktatur Hitlers (1933 - 1939)

Der Zweite Weltkrieg (1939 - 1945)

Der Weg in die Teilung Deutschlands (1945 - 1949)

Der Kalte Krieg: Vom Kriegsende 1945  bis zum Bau der Berliner Mauer 1961

Die Ära Adenauer (1949 - 1963)

Die Kanzlerschaft Ludwig Erhards 1963 - 1966

Kalter Krieg Teil 2: Von der Kubakrise 1962 bis zur Auflösung der Sowjetunion 1991

Die Zeit der Großen Koalition 1966 - 1969

Die Ära Brandt (1969 - 1974)

Die Kanzlerschaft Helmut Schmidts (1974 - 1982)

Die Kanzlerschaft Helmut Kohls von 1982 bis 1987

Die Kanzlerschaft Helmut Kohls von 1987 - 1989

Der Weg zur Wiedervereinigung Deutschlands (Teil I: Die DDR von den siebziger Jahren bis zum Fall der Mauer im Jahr 1989)

Vom Fall der Berliner Mauer bis zur deutschen Einheit (1989 - 1990)

 

 

 

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 Liberalismus und nationaler Staat     Außenpolitik Preußens      Reichsgründung      Württemberg 1850-1871      Literaturhinweise


Die monarchische Restauration in Europa (1850 - 1860)


  • Deutschland  
 
  • Deutschland war kein Staat, sondern ein aus 36 souveränen Einzelstaaten bestehender Staatenbund. Die Ziele der Revolution von 1848/49, einen Bundesstaat nach amerikanischem Vorbild zu schaffen und gleichzeitig mehr Mitbestimmungsrechte für die Bürger zu erreichen, waren mit der gewaltsamen Vertreibung des Rumpfparlaments in Stuttgart am 18. Juni 1849 gescheitert.

  • In dem am 27. März 1849 fertig gestellten Verfassungsentwurf der Frankfurter Nationalversammlung war für das Reich die Außenpolitik sowie die Aufsicht über die Wirtschafts- und Verkehrspolitik vorgesehen. Alle nicht ausdrücklich der Reichsgewalt zugeschriebenen Rechte sollten bei den Einzelstaaten verbleiben. Einen Machtverlust befürchtend, stellten sich die souveränen Fürsten der Einzelstaaten gegen einen solchen Bundesstaat. 

  • Die monarchische Restauration erfolgte sowohl in den Einzelstaaten als auch Reichsebene.

 
  • Im Innern fühlten sich die Souveräne der Länder von einer Mitbestimmung der Bürger bedroht. In vielen deutschen Staaten machte die Reaktion einen Teil der Errungenschaften der Märzrevolution (Grundrechte, Wahlrecht) rückgängig. In manchen Staaten kehrte der Feudalismus zurück.

  • In Preußen löste König Friedrich Wilhelm IV., der wieder die Oberhand gewonnen hatte, am 5. Dezember 1848 das Parlament auf und oktroyierte eine Verfassung, die nicht von der Volkssouveränität, sondern vom monarchischen Prinzip ausging. Der königliche Oberbefehl wurde der parlamentarischen Kontrolle entzogen. Jede freie politische Regung wurde unterdrückt. Zur Abwehr demokratischer Bestrebungen wurde das gleiche Wahlrecht durch das Dreiklassenwahlrecht ersetzt.

 

Beim Dreiklassenwahlrecht wurden die Wähler je nach der Höhe der Steuern in drei Klassen eingeteilt, die jeweils ein Drittel der Abgeordneten bestimmten. Schon bei der Wahl im Juli 1848 bestimmten so 17,3 Prozent der Wahlberechtigten als Angehörige der ersten beiden Klassen zwei Drittel des preußischen Landtags - die begüterte Minderheit hatte das Parlament fest im Griff.

 
 

Nebenbei bemerkt: Friedrich Wilhelm IV., der erstgeborene Sohn Friedrich Wilhelms III., war ein hochbegabter Zeichner. Tausende Blätter, in preußischer Sparsamkeit meist beidseitig genutzt, hat der König hinterlassen. Nach seiner Thronbesteigung 1840 hat er "Entwürfe für Kirchen, Palais, Kulturbauten, Schlösser oder Villen" gezeichnet. Zusammen mit den Architekten Karl Friedrich Schinkel, Ludwig Persius und Friedrich August Stühler "war der König einer der wichtigsten Ideengeber der Baukunst zwischen 1820 und 1860" (Märkische Allgemeine Zeitung, Potsdam vom 24.1.2013).

 
  • Friedrich Wilhelm IV. von Preußen hatte 1849 die Kaiserkrone nicht zuletzt deshalb abgelehnt, weil Österreich nicht Teil eines Nationalstaates sein wollte. Preußen begann bald nach der Ablehnung einen kleinen deutschen Staat unter seiner Führung anzustreben. Diese 'kleindeutsche Lösung' sollte durch Verhandlungen mit den Fürsten erreicht werden.  Nur acht Einzelstaaten, darunter die Königreiche, traten der von Preußen initiierten 'Preußischen Union' nicht bei. Wegen innerer Unruhen war Österreich 1849 nicht in der Lage, der Union großen Widerstand entgegenzusetzen. Es kommt daher zu zwei Bundesregierungen, die eine unter preußischer, die andere unter österreichischer Führung.

  Friedrich Wilhelm IV.,  (1795 -1861), König von Preußen 1840 bis 1861
 

Ein Krieg scheint unvermeidlich, als Österreich eine Intervention des Deutschen Bundes gegen die mit ihrem Landesherrn im Kampf um die Verfassung stehenden Kurhessen durchführen will. Preußen, das den Deutschen Bund nicht anerkennt, bestreitet Österreich das Recht dazu. 1850 marschieren österreichische und bayerische Truppen in Kassel ein. Preußen weicht der militärischen Auseinandersetzung aus, da sich Russland auf die Seite Österreichs stellt.

  • Im November 1850 kommt es in Olmütz zu diplomatischen Verhandlungen zwischen Preußen und Österreich. Verhandlungsführer sind Manteuffel (Preußen) und Schwarzenberg (Österreich). In der so genannten 'Olmützer Punktation' vom 28. November 1850 gibt Preußen auf der ganzen Linie nach: Es gibt die Union auf und willigt in die Wiederherstellung des alten, unter österreichischem Vorsitz stehenden, Deutschen Bundes ein. Preußen verpflichtet sich in einem Vertrag mit Österreich, den Plan einer kleindeutschen Fürstenunion nicht weiter zu verfolgen. 1851 tritt der Bund wieder zusammen. Preußens Gesandter beim beim Bundestag in Frankfurt Bund wird Otto von Bismarck.

Otto von Bismarck war ein preußischer Adliger, dessen aus der Stadt Stendal stammende Vorfahren seit 1562 als Gutsherren im altmärkischen Schönhausen lebten.1846 übernahm er dort als Deichhauptmann ein für den Landadel gängiges erstes öffentliches Amt und trat 1847 im preußischen Vereinigten Landtag als hoch-konservativer Politiker in Erscheinung. Vier Jahre später wurde Bismarck preußischer Diplomat beim Deutschen Bund.

  • Im Vergleich zu Österreich war Preußen wirtschaftlich stärker. Schon 1834 hatte es einen Zollverein im Norden Deutschlands gegründet. Rasch vermehrt sich seit 1850  in Preußen die Zahl der Eisenbahnen und Dampfschiffe, der Berg- und Hüttenwerke, der Maschinenfabriken und Spinnereinen, der Zuckerraffinerien und chemischen Werke. Von 1850 bis 1860 herrscht Hochkonjunktur. Die kleinen Länder, die von Preußen wirtschaftlich abhängig waren, treten der Zollunion bei. Einen großen Zollverbund, wie ihn Österreich schon 1849 vorschlug, lehnt Preußen ab. So wird auf wirtschaftlichem Gebiet durch den Zollverein eine 'kleindeutsche Lösung' verwirklicht. Diese Tatsache bekommt auch politische Bedeutung.

  • Österreich
 
  • Felix Fürst zu Schwarzenberg (1800 - 1852), der österreichische Ministerpräsident von 1848, verfolgt das Ziel, ein zentralistisch regiertes Großösterreich mit dem Deutschen Bund zu verschmelzen. Dieses Ziel verficht er gegen den preußischen Unionsplan, der unter Ausschluss Österreichs ein Bündnis der deutschen Fürsten durchsetzen will.

 
  • Schwarzenberg ist der Ansicht, die österreichische Monarchie auf Armee und Bürokratie stützen zu können. Dem aristokratischen Feudalismus begegnet er mit Misstrauen.

  Felix Fürst zu Schwarzenberg (1800 - 1852), österreichischer Ministerpräsident von 1848 bis 1852
 
  • 1850 vereitelt Schwarzenberg den preußischen Unionsplan in der 'Olmützer Punktation' (siehe oben). Die Aufnahme des gesamten österreichischen Staatsgebiets in den Deutschen Bund und den Deutschen Zollverein erreicht er jedoch nicht.

 
  • Während Preußen weiterhin ein Verfassungsstaat bleibt, wird in Österreich am 31. Dezember 1851 die Verfassung von 1849 wieder aufgehoben. Mit absolutistischer und zentralistischer Regierungsweise hofft man die Geschlossenheit der Monarchie am besten wahren zu können.

 
  • Schwarzenberg erhält nach seinem Tod am 5. April 1852 keinen Nachfolger. Kaiser Franz Joseph (reg. 1848 - 1916) übernimmt die Aufgabe des Ministerpräsidenten. In den Gemeinden wird die Selbstverwaltung wieder beseitigt. Die Pressefreiheit wird aufgehoben. Der Staat stützt sich immer mehr auf die katholische Kirche. Sie soll die Einheit des Vielvölkerstaats fördern ('Gehorsam der Herzen'). Die Kirche bekommt wichtige Rechte zugesichert. So war zum Beispiel die Grundschulausbildung das Privileg der Kirche.

 
  • Die 1848 erfolgte Bauernbefreiung wird nicht rückgängig gemacht. Die Möglichkeit der Bauern, Land zu erwerben, führt zur Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion und zur Verbesserung der Kaufkraft. Dadurch wird ein wirtschaftlicher Aufschwung eingeleitet.

 
  • Karl Ludwig Freiherr von Bruck, geboren 1798 in der deutschen Stadt Elberfeld, von 1848 bis 1851 Handelsminister und von 1855 bis 1860 Finanzminister, beseitigt die Binnenzollgrenzen im Vielvölkerstaat und schafft so einen gemeinsamen Markt. Auf Grund seiner Initiative wird auch das Verkehrswesen ausgebaut. Trotz der daraus folgenden wirtschaftlichen Prosperität ist der Staat wegen der hohen Kosten für Bürokratie und Armee hoch verschuldet.

Trotz großer Anstrengungen gelingt es der österreichischen Regierung nicht, der Bevölkerung den neuen Absolutismus nahe zu bringen. In Österreich steht nicht nur Liberalismus gegen Absolutismus. Ein zweiter, noch größerer Gegensatz zwischen Nationalitäten- und Einheitsstaat kam hinzu. Die Lösung dieser Probleme gelingt nicht. Die Niederlage gegen Frankreich und Sardinien im italienischen Befreiungskrieg (1859) macht einen Systemwechsel notwendig.

  • Frankreich

  • 2. Dezember 1851:  Charles Louis Napoleon Bonaparte, ein Neffe Napoleons I., gewählter Präsident der Republik, löst durch einen Staatsstreich die Nationalversammlung auf und sichert sich damit dieses Amt noch vor dem Auslaufen seiner ersten Präsidentschaft (1852) für zehn Jahre. Unterstützt wird er von Kirche und Heer. Durch die Volksabstimmung  vom 14. Dezember 1851 wird Napoleon in seinem  Amt bestätigt. Der Präsident hat diktatorische Vollmachten, die Gewaltenteilung wird beseitigt. Das Plebiszit vom 21. November 1852 macht Napoleon III. zum Kaiser der Franzosen.

  • Seine Wahl zum ersten Präsidenten der französischen Republik (10. Dezember 1848) verdankt Napoleon III. (Charles Louis Napoleon Bonaparte) den konservativ eingestellten und mit den sozialen Verhältnissen unzufriedenen Bauern sowie dem allgemeinen und gleichen Wahlrecht. Auch der Name 'Napoleon' spielt eine Rolle.

  • Vor der Februarrevolution 1848 hatten die französischen Demokraten ein allgemeines und gleiches Wahlrecht, ein Einkammersystem sowie den Vorrang der Volksvertretung vor der Regierung gefordert. In den Verfassungsberatungen von 1848 konnten sie zwar das Einkammersystem durchsetzen, aber es gelang ihnen nicht, die Vorrangigkeit des Parlaments festzulegen.  Der Einfluss der Liberalen und Konservativen war so stark, dass das amerikanische Modell eines vom Volk gewählten Präsidenten übernommen wurde, der dem Parlament gleichrangig gegenüberstand. Für die Regelung von Konflikten zwischen diesen beiden obersten Staatsorganen wurde keine Vorsorge getroffen. Dieser Mangel ermöglichte es Napoleon III. , dem ersten Präsidenten der Republik, das Kaisertum wieder einzuführen. Durch die Volksabstimmungen machte er die Beschlüsse der Nationalversammlung wirkungslos.

  Napoleon III.  (Charles Louis Napoleon Bonaparte), 1808 - 1873, Sohn des Königs Louis (Bonaparte) von Holland, Präsident der Zweiten Republik in Frankreich 1848 -1852, Kaiser der Franzosen 1852 - 1870

  • Die Regierungsform Napoleons III. ist durch eine Mischung von autoritären Formen mit demokratischen und sozialen Errungenschaften gekennzeichnet. Die Berufung auf den Volkswillen (der 'volonté générale'), begleitet von einer Staatsform, in der die gesamte Staatsmacht in der Hand eines Mannes liegt, wird noch heute als 'Bonapartismus' oder als 'demokratischer Cäsarismus' bezeichnet. In der Außenpolitik verbindet Napoleon III. Machtpolitik und Nationalismus. Je nach Bedarf beruft er sich auf das nationale Selbstbestimmungsrecht. In seinen Aussagen war Napoleon häufig sehr widersprüchlich. Dies galt insbesondere in außenpolitischen Fragen. Mit der Unterstützung nationaler Bewegungen (so der italienischen, deutschen oder polnischen) strebte Napoleon III. eine Revision der 1815 auf dem Wiener Kongress getroffenen territorialen Regelung an. Allerdings schreckte er vor Veränderungen auch zurück. Zeitlebens verfolgte er ein Bündnis mit Großbritannien und die Zerstörung der Heiligen Allianz aus Österreich, Russland und Preußen.

Auf die Armee, den Klerus und die Bürokratie gestützt, verschafft Napoleon III. durch seine großzügige und erfolgreiche Industrialisierungspolitik und  populäre außenpolitische Maßnahmen seinem Regime immer wieder die demokratische Sanktion, wobei jedoch die Wahlen nicht unerheblich durch staatlichen Druck beeinflusst werden. Die Entfremdung der katholischen Wähler während der Einigungsbestrebungen Italiens und die Abkehr von Teilen des Bürgertums wegen der Freihandelspolitik zwingt Napoleon III. in den sechziger Jahren zu liberalen Reformen im Innern und zu einer verstärkten Prestigepolitik nach außen.

  • Russland
 
  • Innenpolitischer Despotismus. Zar Nikolaus I. lebt in ständiger Angst vor einer Revolution und baut ein Polizeiregime auf. Erst die Krise des Krimkrieges (siehe unten) bringt zugleich mit dem Tod des Zaren Nikolaus I. die große Wendung.

  • Äußere Machtpolitik. Der Zugriff nach den Meerengen am Ausgang des Schwarzen Meeres soll Russland vom Mittelmeer her unangreifbar machen.

  • England
 
  • Mit dem Ende des Krimkrieges beginnt die Blütezeit der Viktorianischen Ära. England entwickelt sich zur ersten Handels- und Industriemacht der Welt. 

  • Die Aufhebung der Kornzölle leitet die Ära des radikalen Freihandels ein; 1860 fallen die letzten Schutzzölle.

  • Die Parlamentsreform von 1867 bindet das Wahlrecht an die Führung eines Haushalts im eigenen Hause oder einer Wohnung mit 10 Pfund Miete (Erweiterung der Wahlberechtigten). 

  • Weitere liberale Reformen: mehr Gleichheit der Konfessionen (Universitäten werden für alle Glaubensrichtungen geöffnet), Verbesserung der Volksschulbildung, Heeresreform u. a.

  • Der Krimkrieg (1854-56)
 
  • Russland unter Zar Nikolaus I. möchte das schwache Osmanische Reich, den "kranken Mann am Bosporus", beerben.

In einem Ultimatum fordert Zar Nikolaus I. für alle unter türkischer Herrschaft lebenden orthodoxen Christen den Schutz durch Russland. Als diese Forderung zurückgewiesen wird, besetzen russische Truppen die unter türkischer Herrschaft stehenden Fürstentümer Moldau und Walachei. Dem folgt von türkischer Seite die Kriegserklärung.

 
  • England will das Osmanische Reich zur Sicherung seines Seewegs nach Indien erhalten. Das weitere Vordringen des russischen Reiches soll verhindert werden. Gemeinsam mit Frankreich stellt sich England auf die Seite der Türken. Ein Expeditionscorps wird auf die Krim entsandt. 

Durch das gemeinsame Vorgehen mit England und die Trennung Österreichs von Russland war es Napoleon III. gelungen, die Allianz zu spalten, die sich zur Zeit seines Onkels (Napoleon I.) gegen Frankreich gerichtet hatte. In einem Krieg sah er die Gelegenheit, sich als Befreier Europas vom russischen Despotismus zu präsentieren.

 
  • Der Krieg wird auf der Krim ausgefochten. Durch Truppenkonzentrationen an der russischen Grenze bindet Österreich starke russische Truppen, ohne in den Kampf einzugreifen. Friedrich Wilhelm IV. von Preußen hält sein Land aus dem Konflikt heraus. Er glaubt, Russland gegenüber noch eine Dankesschuld aus den Tagen der Befreiungskriege gegen Napoleon zu haben. Unter großen Verlusten der Allianz  wird die russische Festung Sewastopol nach elfmonatiger Belagerung eingenommen. Damit war die Entscheidung im Krimkrieg gefallen.

 
 

Die Hafenstadt Sewastopol auf der Krim war strategisch von großer Bedeutung. Wer diese Stadt kontrollierte, der kontrollierte das Schwarze Meer. Mehrere Angriffe durch französische und englische Soldaten auf die zentrale Festung, das Fort Malakow, waren äußerst blutig von den russischen Verteidigern abgewehrt worden. Am 8. September 1855 gelang schließlich die Erstürmung des Forts durch die alliierten Truppen. Russland, nach dem Rückzug aus der Stadt am Rand des Scheiterns, willigte in Friedensverhandlungen ein.

 
  • Im Frieden von Paris (1856) sieht sich Russland aus Finanznot dazu gezwungen, das Protektorat über die Donaufürstentümer aufzugeben und auf eine eigene Flotte im Schwarzen Meer zu verzichten. Das Schwarze Meer wird für neutral erklärt. Die Lage der Christen im Osmanischen Reich wird internationalisiert.

  • Der Krimkrieg verschiebt die Machtverhältnisse zugunsten Englands und Frankreichs. Russland ist nicht entscheidend besiegt. Die Türkei muss Einbußen in seiner Souveränität hinnehmen, bleibt aber bestehen. Frankreich war wieder zur Großmacht geworden. Sardinien-Piemont, das der Allianz gegen Russland beigetreten war, gewann eine günstige Ausgangsposition für die Einigung Italiens. Infolge der unverhohlenen Parteinahme Preußens für Russland wächst in England die anti-preußische Stimmung. Die den Westmächten zuneigende Neutralität im Krimkrieg kostete dem österreichischen Kaiser Franz Joseph die Freundschaft Russlands. 

  • In Russland verschärft sich nach der Niederlage im Krimkrieg und nach dem Tod des Zaren Nikolaus I. am 2. März 1855 die bis dahin verdeckte Auseinandersetzung mit dem absolutistischen System und führt zu wachsenden inneren Spannungen. Zar Alexander II., der Sohn von Nikolaus I., führt, um einer Revolution zuvorzukommen, umfassende Maßnahmen zu Liberalisierung durch. So wird der Reiseverkehr liberalisiert und der Handel durch Zollsenkungen gefördert. Die Leibeigenschaft wird aufgehoben, die Hälfte der russischen Bevölkerung wird nun Pächter. Die Polizeihoheit geht von den Großgrundbesitzern auf die Gemeinde über.


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Liberalismus und nationaler Staat (1859 - 1871)


  • Die Einigung Italiens (1859 - 1861)
 
  • Um das Jahr 1850 herrschen in den italienischen Partikularstaaten landesfremde Dynastien. Der einzige Staat mit einer italienischen Dynastie war das kleine Königreich Piemont-Sardinien. Die Lombardei und Venetien gehörten zu Österreich. Daneben gab es auf italienischem Boden den Kirchenstaat und das Königreich Sizilien. Staatliche Zusammenhänge gab es nicht.

 
  • Die Nationalstaatsbewegung orientiert sich an der Rückbesinnung auf die Antike, also auf eine Zeit, in der Italien noch ein mächtiges Reich war. Der italienische Nationalismus wird vor allem durch Giuseppe Mazzini (1805 - 1872) beflügelt. Die nationale Idee wurde vom reichen Bürgertum sowie von Teilen des Adels und der Armee getragen.

In seinen Schriften trägt Mazzini den Gedanken vor, dass Italien eine weltgeschichtliche Rolle habe. Wie sein Heimatland  schon in der Antike und wieder in Renaissance die Entwicklung Europas gelenkt habe, so sollte es auch jetzt die geistige Führung übernehmen. Die Voraussetzung dafür sieht Mazzini in der Einigung Italiens in der Staatsform einer Republik.

 
  • Begründer der italienischen Einheit wird Graf Camillo Cavour (1810 - 1861). Trotz der Niederlage im Revolutionsjahr 1849 bleibt das Königreich Sardinien-Piemont bestehen. Mit Cavour, der seit 1852 Ministerpräsident ist, verwandelt sich das Königreich in einen liberalen Musterstaat.

  Camillo Benso, Conte di Cavour (1810 - 1861)
 
  • Cavour erkennt, dass die Vertreibung der österreichischen Besetzer aus Italien nur mit Hilfe einer auswärtigen Macht zu erreichen ist. Napoleon III. bietet sich die Gelegenheit, Österreich zu besiegen und für das volkstümliche Nationalitätenprinzip zu kämpfen. Im Grunde will er Prestige durch Waffenruhm und Zuwachs an Land. Im Sommer 1858 sichert der französische Kaiser zu, "Italien frei bis zur Adria" werden zu lassen.

 
  • Der Krieg bricht im Frühjahr 1859 aus. Er bringt den sardinisch-französischen Truppen nach schweren siegreichen Schlachten bei Magenta (4.6.) und Solferino (24.6.) die Besetzung der Lombardei. Venetien ist noch nicht erobert, als Napoleon III. am 11. Juli 1859 mit dem österreichischen Kaiser den vorläufigen Frieden von Villafranca schließt. Österreich, dessen zerrüttete Staatsfinanzen eine Fortführung des Krieges unmöglich erschienen ließen, tritt die Lombardei ab, Napoleon III. begnügt sich damit und gibt sie an Piemont-Sardinien weiter. Das eigentliche Ziel Cavours, die Befreiung und die Einigung Italiens war noch nicht erfolgt.

 
 

Das Motiv Napoleons III., einen Frieden zu schließen, war wohl  die Furcht vor einem Eingreifen Preußens am Rhein.

 
 

Nebenbei bemerkt: Der Schweizer Henry Dunant (*1828, † 1910) wurde im Jahr 1859 in der Nähe der italienischen Stadt Solferino Zeuge der erschreckenden Zustände unter den Verwundeten nach der Schlacht zwischen der österreichischen Armee und den sardinisch-französischen Truppen. Über seine Erlebnisse schrieb er das Buch 'Eine Erinnerung an Solferino'. In der Folge kam es 1863 in Genf zur Gründung des 'Internationalen Komitees für Verwundetenpflege', das dann 1876 den Namen 'Internationales Komitee vom Roten Kreuz' erhielt. Die 1864 beschlossene Genfer Konvention geht zum großen Teil auf die Vorschläge Henry Dunants zurück. Im Jahr 1901 erhielt Dunant den Friedensnobelpreis.

 
  • Cavour verfolgt nun sein Ziel selbständig. Er wiegelt die Bevölkerung Mittelitaliens auf und verhindert dadurch die Rückkehr der kleinen Fürsten. In den Herzogtümern Parma und Modena sowie in den nördlichen Gebieten des Kirchenstaates brechen Aufstände aus. Die Aufständischen verlangen den Anschluss an Piemont-Sardinien. Napoleon III. verlangt und erhält für sein Stillhalten Nizza und Savoyen. Cavour unterstützt den gefeierten Nationalhelden Garibaldi, als dieser mit seinen Freischaren Sizilien besetzt und die in Neapel herrschende Dynastie vertreibt. Als Garibaldi die italienische Einheitsrepublik errichten will, tritt ihm Cavour entschieden entgegen. 1861 wird das Königreich Italien ausgerufen - ohne Venetien und ohne Rom. Auf den Beschluss des erstmals gewählten gesamtitalienischen Parlaments nimmt der piemontesische König Vittorio Emanuele II. am 17.3.1861 den Titel "König von Italien" an.

Der italienische Einheitsstaat entsteht aus dem Anschluss der Teilstaaten an Piemont-Sardinien. Aus den im 1848 festgelegten 'Statuten' dieses kleinen Königreichs entsteht die Verfassung der neuen konstitutionell-parlamentarischen Monarchie Italiens.

  • Heeresreform und Verfassungskonflikt in Preußen
 
  • 1858 erkrankte der preußische König Friedrich Wilhelm IV. schwer. Sein jüngerer Bruder Wilhelm übernimmt unter dem Titel Prinzregent die volle Regierungsgewalt. Im Januar 1861 wird er König von Preußen (Wilhelm I.). Sein Regierungsantritt wird als Beginn einer "Neuen Ära" begrüßt. Zum ersten Mal finden völlig freie Wahlen statt. Die Liberalen erhalten eine große Mehrheit.

 
  • Der Streit um die Heeresreform führt zum Konflikt zwischen dem König und der liberalen Mehrheit im Parlament. Im Grunde geht es um die Erhöhung der Truppenstärke von 40.000 auf 63.000 Mann. Die Dienstzeit der Rekruten soll von zwei auf drei Jahre erhöht werden. Die 'Landwehr', also das bei einer Mobilmachung  einberufene Bürgerheer, soll zugunsten des 'Königsheeres' (des stehenden Heeres) abgebaut werden.

  • Die liberalen Abgeordneten des preußischen Landtages sträubten sich gegen den personellen Abbau des Bürgerheers, da sie auf das stehende Heer keinen Einfluss hatten. Außerdem lehnten sie die dreijährige Dienstzeit ab, da sie Steuererhöhungen befürchteten.

  • Da der Widerstand des Landtags nicht zu brechen war, beschloss der König,  in seiner Funktion als 'Oberster Befehlshaber' des Heeres die Reform anzuordnen. Seine militärische Kommandogewalt war durch die Verfassung nicht eingeschränkt. Das Parlament bewilligte die Finanzmittel, erteilte seine Zustimmung jedoch nur vorläufig.

  • Die Wahlen vom 6. Dezember 1861, die nach dem Dreiklassenwahlrecht durchgeführt werden, bringen dem radikalen Flügel der Liberalen, der sich von den Altliberalen abgespalten und am 6. Juni 1861 zur 'Deutschen Fortschrittspartei' zusammengeschlossen hatte, einen großen Erfolg. Ihr Ziel ist es, mit der Ministerverantwortlichkeit das parlamentarische System einzuführen und die Verfassung im Sinne der Demokratie auszugestalten. Sie verweigern nun die beantragten Geldmittel. Auch nachdem der Landtag aufgelöst und Neuwahlen stattgefunden hatten, behielten die Liberalen ihre Mehrheit (80% der Mandate). Die Heeresreform wurde nun über einen außerordentlichen Etat finanziert. Aus dem Streit um die Heeresreform war nun ein Verfassungskonflikt geworden. Auf Empfehlung des konservativen Kriegsministers Roon wurde am 16. September 1862 der preußische Botschafter in Paris, Otto von Bismarck, nach Berlin befohlen. In einem Gespräch von historischer Tragweite erklärte er dem König seine Bereitschaft, die Heeresreform auch gegen den Widerstand des Abgeordnetenhauses durchzusetzen. Daraufhin ernannte ihn König Wilhelm I. am 27.September 1862 zum Ministerpräsidenten und Außenminister.  

Seit seinen ersten Auftritten im Vereinigten Landtag und noch mehr seit seinen gegenrevolutionären Aktivitäten 1848/49 haftete Otto von Bismarck der Ruf eines reaktionären Scharfmachers an. Als ihn König Wilhelm I. zum preußischen Ministerpräsidenten ernannte, interpretierte die liberale Mehrheit im Abgeordnetenhaus dies als offene Kampfansage.

 

Nebenbei bemerkt: Am 26. Oktober 1861 führte Lehrer Philipp Reis (* 1831, † 1874) in Frankfurt das erste funktionsfähige Gerät zur Tonübertragung auf elektrischem Weg vor. Das war die Geburtsstunde des Telefons in Deutschland und der Welt. In wissenschaftlichen Kreisen seiner Zeit wurden die neuartigen Gedanken von Reis als "Spielerei" abgelehnt. Am 14. Februar 1875 reichte der Amerikaner Graham Bell ein Patent auf das von ihm entwickelte Telefon ein. Nach seinem eigenen Eingeständnis hat er die Geräte von Philipp Reis zumindest teilweise gekannt und sie verbessert.

 
  • Bismarck regierte verfassungswidrig ohne einen ordentlich genehmigten Haushalt. Dies war deshalb möglich, weil aus Domänen und Staatsforsten sowie aus der wachsenden Industrie steigende Einkünfte erzielt wurden. Auf die Dauer war dieser Zustand im Parlament nicht erträglich. Verschlechtert wurde er noch, als der Landtag im Mai 1863 vertagt und im Juni 1863 die Pressefreiheit aufgehoben wurde. Ungeachtet des parlamentarischen Widerspruchs wurde die Heeresreform durchgeführt.

  Otto Fürst von Bismarck (*1815, † 1898),  1871 bis 1890 deutscher Reichskanzler.

Bismarck im Alter von 40 Jahren

Bismarck hat immer wieder versucht, die Liberalen auf seine Seite zu ziehen. Er bot ihnen die Einheit Deutschlands an, um sie von anderen Forderungen abzubringen. Es gelang ihm dadurch, sie in verschiedene Gruppen zu spalten. Auf der anderen Seite dachte Bismarck damals schon an die Einführung eines allgemeinen Wahlrechts, das ihm - so vermutete er - die Stimmen der konservativen Bauern gebracht hätte. Die Vorherrschaft der bürgerlichen Liberalen hätte er dadurch gebrochen. In der Frage des Wahlrechts hat Bismarck mit Ferdinand Lassalle, dem damaligen Führer der Arbeiterbewegung, Geheimgespräche geführt.


Monarchische Restauration in Europa       Liberalismus und nationaler Staat       Reichsgründung    Literaturhinweise    


Die Außenpolitik Preußens


  • Ausgangslage

  • Bis 1862 hatte Preußen auf dem Gebiet der Außenpolitik die bestehende Ordnung verteidigt. Es war insbesondere als Verbündeter Österreichs und Russlands und als Gegner Frankreichs aufgetreten. Im Kreis der europäischen Großmächte hatte Preußen in den fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts keine große Rolle gespielt: Am Krimkrieg und der darauf folgenden Friedenskonferenz war Preußen nicht beteiligt. Auch beim Krieg Österreichs gegen Frankreich um die Einigung Italiens stand es abseits.

  • Unter dem Druck der liberalen Mehrheit im preußischen Parlament war es Bismarck 1862 nicht möglich, über eine militärische Machtpolitik zu einer Lösung der deutschen Frage zu kommen. Sein Aufruf zu einem innenpolitischen Burgfrieden im Interesse einer gemeinsamen Außenpolitik wurde von den Liberalen zurückgewiesen. Bismarck ging nun einen anderen Weg: er präsentierte sich als Verfechter des Status quo und des Bewahrers konservativer Prinzipien in Europa.

  • Die Ziele Bismarcks

  • Oberstes Ziel Bismarcks war es, Preußens Macht im Verhältnis zu Österreich zu stärken. Die preußische Außenpolitik sollte von Österreich unabhängig sein.

Die Stärkung Preußens wurde auf verschiedenen Wegen angestrebt. So war auch die Einheit Deutschlands ein Weg, das oberste Ziel zu erreichen. Bismarck nimmt auch die Einigung in Kauf.

  • Hegemonie Preußens in Norddeutschland.

  • Der Deutsche Bund

  • Im November 1850 hatte Preußen in die Wiederherstellung des Deutschen Bundes eingewilligt. Den Vorsitz im Bund führte Österreich. Preußens Gesandter zu dieser Zeit war Bismarck.

  • Frankfurter Fürstentag 1863: Einberufung der deutschen Fürsten durch Österreich zur Beratung einer Bundesreform. Der Großteil der deutschen Fürsten ist großdeutsch und föderalistisch gesinnt. Die Versammlung verläuft, da der preußische König  auf Anraten Bismarcks fernbleibt, ergebnislos.

  • Die Annäherung Preußens an Russland

  • Im Januar 1863 erheben sich die Polen gegen die russische Herrschaft. Ziel des Aufstands war Liberalisierung Polens.

  • Bismarck erkennt die Chance für eine Annäherung an Russland. Er nimmt für Russland Stellung und gewinnt dadurch das Vertrauen des Zaren. Am 6. Februar 1863 wird in Petersburg die Konvention von Alvensleben geschlossen. Die Konvention sah die Zusammenarbeit Preußens und Russlands gegen den Aufstand vor. Die Phase einer engen deutsch-russischen Freundschaft beginnt. Gesichtspunkte Bismarcks waren die russische Neutralität bei einem eventuellen Krieg gegen Österreich und die Vermeidung eines französisch-russischen Bündnisses gegen Preußen.

Die Konvention von Alvensleben stieß bei den polenfreundlichen Liberalen im preußischen Abgeordnetenhaus auf heftige Kritik.

  • Die schleswig-holsteinische Frage

 
  • Der Wiener Kongress von 1815 hatte das Herzogtum Holstein, das auch schon Teil des 1806 aufgelösten Heiligen Römischen Reiches gewesen war, zum Glied des des neu gegründeten Deutschen Bundes gemacht, nicht aber das Herzogtum Schleswig. Beide Herzogtümer wurden allerdings vom dänischen König in Personalunion regiert, gehörten zum dänischen Gesamtstaat. Nach 1815 versuchte Dänemark, Schleswig wieder enger an sich zu ziehen. Dies bedeutete eine strengere Trennung von Holstein. Die Gegenseite forderte jedoch die Aufnahme eines vereinten Schleswig-Holsteins in den Deutschen Bund. Im Jahr 1848 brach der "Schleswig-Holsteinische Krieg" aus. Zahlreiche Staaten des Deutschen Bundes kämpften an der Seite der Schleswig-Holsteiner gegen die Dänen. Als die Truppen des Deutschen Bundes zurückziehen, gewann Dänemark den Krieg und behielt die Hoheit über Schleswig, Holstein und Lauenburg. Allerdings wird Dänemark nach dem Londoner Protokoll von 1852 dazu verpflichtet, die Herzogtümer als selbstständige Staaten innerhalb des Gesamtstaates anzuerkennen. Ausdrücklich wurde dort verboten, Schleswig dem Königreich einzuverleiben. Doch die Spannungen hielten an. Die dänischen "Nationalliberalen" wollten das Herzogtum in den dänischen Nationalstaat integrieren, die Deutschen forderten eine freie Verfassung sowie die Einbindung in ein künftiges Deutsches Reich an der Seite von Holstein.

  • Nach dem Tod Friedrichs VII. von Dänemark 1863 kam es zum Streit darüber, wer berechtigte Erbansprüche über die Herzogtümer Schleswig und Holstein anmelden konnte.

  • Im zweiten 'Londoner Protokoll' von 1852 war vereinbart worden, dass nach dem Tod des kinderlosen Friedrichs VII. Christian von Glücksburg die dänische Krone erhalten sollte. Nach den Bestimmungen des Protokolls sollten sowohl Schleswig als auch Holstein nicht zu Dänemark gehören, sondern jeweils eine eigene Verfassung und Verwaltung erhalten. Darüber hinaus blieb Holstein ein Staat des Deutschen Bundes.

  • Im März 1863 beschloss die dänische Regierung eine gesamtdänische Verfassung, welche die Eingliederung Schleswigs vorsah. Durch die am 13. November in Kraft gesetzte Verfassung wurde das Londoner Protokoll gebrochen.

  • 1863 meldete der deutsche Prinz Friedrich von Augustenburg seinerseits Ansprüche auf die Herzogtümer Schleswig und Holstein an. An die Verzichtserklärung, die sein Vater im Londoner Protokoll unterzeichnet hatte, hielt er sich nicht gebunden.

  • Die deutschen Nationalisten und die Mehrheit der deutschen Bundesstaaten stellten sich hinter den Anspruch des Prinzen Friedrich von Augustenburg und waren bereit, eine bewaffnete Intervention zu unterstützen. Die Preußen und die Österreicher lehnten sowohl die Ansprüche Dänemarks als auch des Augustenburgers ab und forderten die Einhaltung des Londoner Protokolls.

  • Im Dezember 1863 beschloss der Bundestag mit einer Stimme Mehrheit, eine Bundesintervention durchzuführen. Hannoversche und sächsische Truppen (12.000 Mann) besetzten ein Großteil Holsteins. Preußen und Österreich erklärten ihre Bereitschaft, in Schleswig einzumarschieren, allerdings nicht als Vertreter des Deutschen Bundes oder zur Unterstützung des Anspruchs der Augustenburger. Ihr gemeinsames Ultimatum an Dänemark, die gesamtdänische Verfassung zurückzunehmen, wies die dänische Regierung im Januar 1864 zurück.

  • Bismarcks eigentliches Ziel war die Annektierung der beiden Herzogtümer. Eine alleinige Militäraktion hätte Preußen der Gefahr einer gemeinsamen Vergeltungsaktion Österreichs, der restlichen Bundesstaaten und möglicherweise anderer europäischen Mächte ausgesetzt. Die Kooperation mit Österreich war für Bismarck von vornherein zeitlich befristet und diente nur dem Ziel, die eigenen Risiken zu minimieren.

  • Österreich sah in dem gemeinsamen Feldzug die Chance, die Institutionen des Deutschen Bundes zu stärken, in denen es weiterhin die maßgebende Rolle spielen wollte.

  • Der Krieg begann, obwohl der Bundestag die Besetzung Schleswigs durch österreichisch-preußische Heere abgelehnt hatte. Am 18. April 1864 erstürmten preußische Truppen die dänischen Befestigungen beim schleswigschen Düppel (Düppeler Schanzen). Bereits am 20. Juli kam es zum Waffenstillstand.

 

Preußische Truppen beim Sturm auf die Düppeler Schanzen am 18. April 1864

Zeitgenössischer Stich (Anonym)

  • Am 1. August 1864 musste Dänemark auf die Bedingungen Preußens und Österreichs eingehen und Schleswig-Holstein sowie Lauenburg den beiden Siegermächten überlassen. Die beiden Herzogtümer wurden unter die gemeinsame österreichisch-preußischen Militärverwaltung gestellt.

Bei den Friedensverhandlungen in London und Wien hatte sich Bismarck zum ersten Mal als Meister im europäischen Mächtespiel erwiesen. Er brachte sowohl Frankreich als auch Russland auf seine Seite. Auch nach dem Friedensschluss gab er seine Ziele nicht auf, Schleswig und Holstein zu annektieren und den politischen Einfluss Österreichs in Deutschland zu neutralisieren. Der Deutsche Bund - unter der Führung Österreichs - wollte einen unabhängigen Staat Schleswig-Holstein errichten.

  • Für Österreich war der Anteil an der Herrschaft über die weit von Wien entfernten Herzogtümer wertlos. Im Herbst 1864 bot die österreichische Regierung Preußen die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten an: Anerkennung der Herzogtümer als einen separaten Staat unter Herrschaft der Augustenburger oder Austausch des österreichischen Anteils gegen schlesische Gebiete. Bismarck lehnte beide Optionen ab.

Die Preußen betrieben in Schleswig und Holstein den weiteren Ausbau ihrer Herrschaft. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit brach Bismarck bewusst Streit mit den Österreichern vom Zaun. Immer deutlicher zeichnete sich ab, dass der preußische Ministerpräsident es darauf anlegte, den Konflikt mit Österreich um die Vorherrschaft in Deutschland mit Gewalt zu lösen.

  • Die gespannte Lage zwischen Preußen und Österreich scheint zum Krieg zu drängen. Im Sommer beginnen neue Verhandlungen, die mit der am 14. August unterzeichneten Konvention von Gastein abgeschlossen werden. Statt der bisher gemeinschaftlichen Regierung der Herzogtümer erhält Preußen die Verwaltung Schleswigs, Österreich die Verwaltung Holsteins. Außerdem verkauft Österreich sein Miteigentumsrecht am Herzogtum Lauenburg an Preußen.

Bismarck verfolgte auch nach der Konvention von Gastein sein Ziel, für Preußen die Vorherrschaft in Deutschland zu gewinnen. Als er erkannte, dass dies auf friedlichem Wege nicht zu erreichen war, entschloss er sich zum Krieg gegen Österreich. Am 28. Februar 1866 gelangte ein Kronrat in Berlin zu dem Ergebnis, dass ein Krieg zwischen den beiden Großmächten unvermeidlich war.

  • Der Krieg von 1866 (Preußisch-Österreichischer Krieg)
 
  • Die Kriegsvorbereitung durch Bismarck

  • Bismarck sucht sich außenpolitisch die Rückenfreiheit für den kommenden Krieg zu sichern. Die traditionelle Freundschaft zwischen Russland und Preußen war 1863 durch die Konvention von Alvensleben (siehe oben) gestärkt worden. Weitere Voraussetzungen für den Krieg gegen Österreich sind eine neutrale Haltung Frankreichs und ein Bündnis mit Italien.

  • Da ein geschlossener deutscher Nationalstaat nicht ohne Gefahr für Frankreich und die Stellung des Kaisers ist, begünstigt Napoleon III. die Ausdehnung Preußens in Norddeutschland, um ein Gegengewicht gegen Österreich zu schaffen. Der französische Kaiser erhofft sich, bei einem Krieg die Schiedsrichterrolle spielen zu können, die sein Prestige erhöhen würde. Außerdem erwartete er für Frankreich Landgewinn (Luxemburg). Bismarck bestärkte ihn in dieser Hoffnung, gab jedoch keinerlei Zusagen.

Es bedurfte der ganzen diplomatischen Kunst Bismarcks, um alle Klippen geschickt zu umfahren. Gewann Napoleon III. den Eindruck, dass er sich seinen Wünschen grundsätzlich widersetzte, so bestand die Gefahr, dass der Kaiser seine Gunst Österreich zuwandte in der Hoffnung, hier bessere Gewinne zu machen. Bindende Zusagen über die Abtretung deutschen Gebiets konnte und wollte Bismarck nicht geben.

  • Am 8. April 1866 schließt Preußen einen Geheimvertrag mit Italien ab. Italien sollte im Falle eines Krieges zwischen Österreich und Preußen auf preußischer Seite kämpfen. Die italienische Regierung erwartete durch die Unterstützung Preußens eine Wiedereroberung Venetiens.

  • Auch in Deutschland wirbt Bismarck um Bundesgenossen. Am 9. April 1866 ließ er im Bundestag den Antrag zur allgemeinen und gleichen Wahl eines deutschen Parlaments stellen.

Schon seit langem hatte Bismarck geplant, mit Hilfe einer Bundesreform, die ein aus allgemeinen Wahlen hervorgegangenes Parlament neben die Bundeszentralbehörde setzen sollte, Österreich aus Deutschland hinauszudrängen und den Einfluss der Mittel- und Kleinstaaten zu verringern. Bismarck hatte vergeblich versucht, durch das Angebot einer nationalen Lösung die Liberalen für seine Politik zu gewinnen. Mit dem allgemeinen und gleichen Wahlrecht hofft er, die Unterstützung der zum großen Teil konservativen Landbevölkerung zu erhalten. 

  • Österreich ergreift jetzt die diplomatische Offensive. Am 1. Juni 1866 ruft es die Entscheidung des Bundestags in der schleswig-holsteinischen Frage an. Preußen erklärt daraufhin den Gasteiner Vertrag für gebrochen, lässt seine Truppen in Holstein einrücken und tritt, als der Bundestag die Mobilisierung beschließt, aus dem Deutschen Bund aus. Damit beginnt der Krieg. Auf der Seite Österreichs kämpfen zwölf weitere Bundesstaaten. Preußen wurde von 17 Kleinstaaten und Italien unterstützt. Die öffentliche Meinung in Deutschland richtete sich gegen Preußen, Bismarck war zu dieser Zeit unpopulär.

 
  • Der Kriegsverlauf

  • Die norddeutschen Gegner Preußens werden rasch besiegt (Hannover, Kurhessen und Frankfurt). Die hannoverische Armee kapituliert am 29. Juni bei Langensalza.

  • Die süddeutschen Staaten, die auf der Seite Österreichs kämpften, erwarten tatenlos den preußischen Anmarsch. Ein gemeinsames Vorgehen gab es nicht.

  • Der Sieg der österreichischen Truppen über die Italiener bei Kustoza bleibt für den Ausgang des Krieges ohne Bedeutung. Österreich tritt Venetien an Frankreich ab, um die Intervention Napoleons III. zu erwirken.

  • Der preußische Sieg bei Königgrätz am 3. Juli 1866 entscheidet den Krieg. Die geschlagene österreichische Armee kann sich noch mit der aus Italien herbeigeführten Südarmee vereinigen und die Donaulinie besetzen. Ehe es zur Schlacht bei Wien kommt, greift Frankreich vermittelnd ein. Den Drang König Wilhelms und seiner Generäle, bis Wien zu reiten, kommentierte Bismarck mit der Mahnung "dass wir nicht allein in Europa leben, sondern mit noch drei Mächten, die uns hassen und neiden". Bismarck wollte so schnell wie möglich Frieden mit Österreich - auch um Russland auf Distanz zu halten und künftige Bündniskonstellationen nicht auszuschließen. Vor allem ging es ihm darum, Napoleon III., dem es hauptsächlich um lukrative Entschädigungen ging, als eigensüchtigen Schiedsrichter auszuschalten.

  • In der größten Einzelschlacht vor dem Ersten Weltkrieg waren fast eine halbe Million Soldaten beteiligt. 44.000 Männer fielen auf österreichischer, 9.200 auf preußischer Seite.

  • Der Sieg Preußens ist vor allem der Feldherrnkunst Helmuth von Moltkes (1800 - 1891) zu verdanken. Sein Motto war "Getrennt marschieren, vereint schlagen". Unter seiner Heerführung wurden die technischen Möglichkeiten des 19. Jahrhunderts, insbesondere der Eisenbahn und des Telegrafen, voll ausgenutzt. Auch die Militärtechnik spielte eine Rolle: Die preußischen Zündnadelgewehre waren den österreichischen Vorderladern an Feuerkraft deutlich überlegen.

  Graf Helmuth von Moltke (*1800, †1891), Chef des preußischen Generalstabs 1858 - 1888
 
  • Der österreichische Kaiser Franz Joseph kapituliert am 22. Juli 1866. Im Vorfrieden von Nikolsburg am 26. Juli 1866 verzichtet Bismarck auf österreichisches Gebiet,  hält jedoch an seinem ursprünglichen Kriegsziel, dem Ausschluss Österreichs aus Deutschland, fest.

Österreich verzichtet zugunsten Preußens auf seine Ansprüche in Schleswig-Holstein, zahlt eine Kriegsentschädigung und anerkennt die Auflösung des Deutschen Bundes. Bismarck  begnügt sich mit der Führung Preußens  in einem Norddeutschen Bund.  Hannover, Kurhessen, Nassau und Frankfurt sollen von Preußen annektiert werden. Österreich soll Venetien an Italien abgeben. Die geplanten Regelungen  des Vorfriedens gehen unverändert in den endgültigen Friedensvertrag ('Prager Frieden' vom 23. August 1866) ein.

 
  • Der süddeutsche Krieg wird fortgesetzt. Dann folgen auch die Friedensschlüsse mit Baden, Bayern und Württemberg. Auch hier verzichtet Bismarck auf Landabtretungen. Er erreicht den Abschluss eines geheimen Schutz- und Trutzbündnisses zu gemeinsamem Handeln im Falle eines auswärtigen Krieges.


Monarchische Restauration in Europa       Liberalismus und nationaler Staat     Außenpolitik Preußens     Literaturhinweise  


Der Weg zur Reichsgründung 1866 - 1871


  • Indemnitätsvorlage
 
  • Sofort nach dem Krieg von 1866 veranlasst Bismarck das Parlament, den ohne Budget geleisteten Staatsausgaben nachträglich zuzustimmen. Ziel Bismarcks war die Beilegung des inneren Konflikts angesichts der künftigen Aufgabe: der Lösung der nationalen Frage.

  • Bismarck bot der liberalen Mehrheit des preußischen Abgeordnetenhauses, also seinem bisherigen innenpolitischen Gegner, ein Bündnis und künftige Zusammenarbeit an. Dieser innenpolitische Kurswechsel Bismarcks wirkte in Deutschland als Sensation.

Bismarcks Zusage, eine engere nationale Union auf konstitutioneller Grundlage anzustreben, entsprach den lang gehegten Forderungen vieler Liberaler.

  • Es war Bismarck klar, dass nur ein Teil der Liberalen seinem Vorschlag folgen würde. Man kann ihm deshalb unterstellen, dass er die Liberalen spalten und dadurch schwächen wollte. Andererseits konnte Bismarck nur durch ein Bündnis mit den Liberalen hoffen, den Süden Deutschlands als Bundesgenossen Preußens zu gewinnen. Schon vor der Ernennung zum Ministerpräsidenten hatte er in einem Gespräch geäußert, es gebe in Mitteleuropa nur einen Alliierten für Preußen, "wenn es denselben zu erwerben und behandeln verstände": "das deutsche Volk".

 
  • Die Indemnitätsvorlage spaltet die 1861 gegründete liberale ' Deutsche Fortschrittspartei': Ein Teil, der sich 1867 in der 'Nationalliberalen Partei' formiert, unterstützt Bismarck. Der andere Teil, die Linksliberalen (weiterhin 'Deutsche Fortschrittspartei') tritt für ein völlig liberalen Nationalstaat ein. Die 'Nationalliberale Partei' vertritt die Interessen des national eingestellten protestantischen Besitz- und Bildungsbürgertums.

Der Verfassungskonflikt hatte die Liberalen zu einem Einheitsblock zusammengeschmiedet; als nun der Druck nachließ, zerfiel die Bewegung in einen realpolitischen und in einen fundamentalistischen Flügel.

 
  • Auch die Konservativen spalten sich: Die Altkonservativen haben zwei Einwände gegen Bismarck: 1) Verletzung der Legitimität der Fürsten, 2) Indemnitätsvorlage ist Zugeständnis an Liberalismus, ebenso das demokratische Wahlrecht. Der andere Teil der Konservativen formierte sich in der 'Freikonservativen Partei'; sie schwenkte auf Bismarcks Politik ein.

  Nebenbei bemerkt: Am 19. September 1867 erhielt der schwedische Chemiker Alfred Nobel das Patent auf Dynamit. Mit Dynamit hatte Nobel einen Sprengstoff erfunden, der im Umgang weitaus weniger riskant war als die bis dahin bekannten Sprengstoffe.
 
  • Der Norddeutsche Bund
 
  • Annexionen: Hannover, Kurhessen, Nassau und die Reichsstadt Frankfurt werden in die preußische Monarchie einverleibt. Die übrigen Staaten nördlich des Mains treten mit Preußen in den Norddeutschen Bund. Insgesamt hatte der Norddeutsche Bund 23 Mitgliedstaaten.

 
  • Verfassung: Organe des Bundes sind: 1. der erbliche Bundespräsident 2. der Bundesrat und 3. der Reichstag. Erblicher Bundespräsident ist der König von Preußen. Der Bundesrat setzt sich aus Vertretern der Regierungen der Bundesstaaten zusammen; er besitzt die eigentliche Regierungsgewalt des Bundes. Im Bundesrat hatte Preußen 17 von insgesamt 43 Stimmen. Das Volk war nicht der Souverän! Der Reichstag ist ein nach allgemeinem, direktem, gleichem und geheimem Wahlrecht (nur für Männer!) gewähltes Parlament (nicht Dreiklassenwahlrecht wie in Preußen!). Er ist an der Gesetzgebung beteiligt. Reichstag und Bundesrat müssen bei einem Teil der Gesetze zustimmen, z.B. bei der Budgetbewilligung. Keinen Einfluss hatte das Parlament auf außen- und militärpolitische Fragen.

 
  • Den Norddeutschen Bund sieht Bismarck als eine Übergangslösung an. Als Bundeskanzler des Norddeutschen Bundes ging er davon aus, dass die Verwirklichung der deutschen Einheit unter Einschluss der süddeutschen Staaten nur eine Frage der Zeit war. Ein erster Schritt: Ab 1867 sind auch süddeutsche Staaten im Zollparlament vertreten (Weg zur wirtschaftlichen Einheit!). Innerhalb des Norddeutschen Bundes wurden die öffentlichen Verwaltungen, Recht und Justiz, das Schul- und Bildungswesen dem preußischen Vorbild angepasst.

  • Das Verhältnis zwischen Preußen und Frankreich 1866 - 1870
 
  • Die Errichtung des Norddeutschen Bundes war eine Herausforderung für das europäische Gleichgewicht. Doch nur Frankreich unter Napoleon III. fühlte sich wirklich bedroht. In Bismarcks Vorstellung spielte der Gedanke eine Rolle, dass sich die Einigung Deutschlands durch eine Bedrohung seitens Frankreichs möglicherweise beschleunigen ließe.

  • Das Ausmaß des preußischen Siegs gegen Österreich hatte Napoleon III. aufgeschreckt und ihn überzeugt, dass Preußen eine Gefahr für die französischen Interessen darstellte. Außerdem war er verstimmt, weil Frankreich ungeachtet der großzügigen, wenn auch vagen Versprechungen, die Bismarck vor dem Krieg gemacht hatte, keine 'Kompensation" erhalten hatte.

  • England, das bisher den Gleichgewichtsgedanken immer verfochten hatte, war mit inneren Problemen beschäftigt. Außerdem sah es die größere Gefahr in Frankreich, das ein Auge auf Belgien geworfen hatte. Russland fühlte sich von Österreich, nicht von Preußen bedroht und war außerdem durch die Konvention von Alvensleben an Preußen gebunden.

 
  • Napoleon III. hatte bis 1866 eine eher pro-preußische Politik betrieben, da er eine Schwächung Österreichs beabsichtigte. Seine Stellung gegenüber der heimischen Opposition wird wegen seiner außenpolitischen Misserfolge immer schwieriger. Um seinen Thron zu halten, darf er einen Anschluss der süddeutschen Staaten an den Norddeutschen Bund keinesfalls zulassen.

  1870 war das 18 Jahre zuvor ausgerufene 'Zweite Kaiserreich' im Niedergang begriffen. Bei jeder Wahl erhielten die Republikaner mehr Stimmen. Im Januar 1870 sah sich Napoleon III. gezwungen, eine neue Verfassung für ein "liberales Kaiserreich" zu entwerfen. Der Oppositionsführer Èmile Ollivier wurde zum Premierminister ernannt.
 
  • Das Verhältnis zwischen Norddeutschem Bund und Frankreich war von gegenseitigem Misstrauen begleitet. Napoleon III. versuchte, sich Österreich und Italien anzunähern, doch Frankreich blieb isoliert.

 
  • Eine Gelegenheit, Kapital aus den Spannungen mit Frankreich zu schlagen, eröffnet die Kandidatur des Erbprinzen Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen  für den spanischen Thron. Bismarck unterstützt diese Thronkandidatur. Nach der Kriegsdrohung Frankreichs zieht der Erbprinz seine Kandidatur zurück.

  Erbprinz Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen (* 1835, † 1905)

Preußenchronik

  • Die Hohenzollern-Kandidatur für den spanischen Thron war die Idee Bismarcks, doch sollte sie Frankreich eindämmen, nicht zum Krieg reizen. Zwischen 1868 und 1870 hat Bismarck immer wieder erklärt, dass er mit dem Fortschritt des deutschen Vereinigungsprozesses zufrieden ist.

  • Frankreich fordert den preußischen König auf, sich zu verpflichten, dass auch in Zukunft kein Hohenzoller die spanische Krone annimmt. König Wilhelm I., der in Ems zur Kur weilt, lehnt ab. Er lässt den Vorgang an Bismarck telegraphieren. Dieser zieht die "Emser Depesche" in kürzere, schärfer wirkende Sätze zusammen und veröffentlicht sie. Darauf erfolgt am 19. Juli 1870 die französische Kriegserklärung an Preußen.

  • Der französische Botschafter, Vincent Benedetti, sprach am 13. Juli 1870 auf der Brunnenpromenade in Bad Ems den preußischen König an. In diesem Gespräch weigerte sich Wilhelm I. zwar, die geforderte Garantie für die Zukunft zu geben, war aber, wie Benedetti umgehend nach Paris telegraphierte, bereit, den Verzicht auf die Kandidatur ohne Einschränkungen zu billigen. Ebendies hatte die französische Regierung verlangt, und hätte sie tatsächlich ein Ende der Krise gewollt, hätte der Verzicht sie zufriedenstellen müssen.

  • König Wilhelm I. erlaubte Bismarck telegraphisch, die Presse und die preußischen Gesandten im Ausland über sein Gespräch mit Benedetti zu unterrichten. Bismarck ließ die verbindlichen Passagen des Telegramms einfach weg. Jedes Wort, das er veröffentlichte, war korrekt, aber das Ganze war so arrangiert, dass der König mit den Worten endete: "Ich habe Ihnen nichts mehr zu sagen". Dies konnte man so interpretieren, dass Preußen die Beziehungen zu Frankreich abgebrochen hat.

  • Das französische Militär fürchtete einen baldigen preußischen Angriff und die Unterstützung Preußens durch die süddeutschen Staaten. Frankreich glaubte einen entscheidenden Vorteil einzubüßen, wenn Preußen ihm bei der Mobilmachung zuvorkäme.

 
  • Die süddeutschen Staaten treten an die Seite des Norddeutschen Bundes. Für sie ging es um einen "Krieg der Völker" (Nationalkrieg).
  • Deutsch-französischer Krieg 1870/71
 
  • 2. September 1870: Ein Teil des französischen Heeres wird zu Kapitulation bei Sedan gezwungen. Die Gefangennahme des Kaisers führt zum Sturz des Kaisertums und zur Einsetzung einer "republikanischen Regierung der nationalen Verteidigung". Der Kabinettskrieg war zu Ende. Der Volkskrieg ('Krieg der Nationen') beginnt.

In der Schlacht bei Sedan, gerade sechs Wochen nach Kriegsausbruch, war die Niederlage des französischen Kaiserreichs besiegelt. Napoleon III. ging in Gefangenschaft. 189.000 Franzosen und Deutsche hatten auf den Schlachtfeldern ihr Leben gelassen.

 
  • Gambetta organisiert Massenerhebung in Frankreich.

 
  • Die Anstrengungen, die Frankreich im Volkskrieg macht, bleiben vergeblich. Im eingeschlossenen Paris herrscht Hungersnot. Die Kapitulation Frankreichs führt zum Waffenstillstand.

 
  • Vorfriede von Versailles: Bismarck besteht auf Abtretung von Elsaß-Lothringen. Die Kriegsentschädigung, die Frankreich zu zahlen hat, beträgt 5 Milliarden Franken.

 
  • Friede von Frankfurt a. M. am 10. Mai 1871 bestätigt die Abmachungen des Vorfrieden von Versailles.

 
  • Rückwirkungen des verlorenen Krieges führen zum Aufstand der "Kommune" in Paris.

  • Die Gründung des Deutschen Reiches 1871
 
  • Ruf nach nationaler Einheit. Die Auffassungen über die Form des künftigen Reiches sind verschieden.

  • Die Liberalen, mit ihnen der Kronprinz und der Großherzog von Baden, denken an einen Einheitsstaat mit verantwortlicher Regierung und einem Oberhaus.

  • Die Konservativen wollen die Reichskompetenzen beschränkt sehen - im Interesse der Erhaltung Preußens.

  • Bismarck will - um die Stabilität des künftigen Reiches zu sichern - keinen direkten Zwang auf die Einzelstaaten ausüben. Einzelstaatliche Rechte sollten gewährt werden, sofern die Lebensinteressen der Nation nicht geschädigt werden.

 
  • Verständigung Bismarcks mit den süddeutschen Staaten. Bayern und Württemberg erhalten "Reservatsrechte" im Militär-, Steuer- und Postwesen.
 
  • Präsidialrechte des Königs von Preußen, wie er sie im Norddeutschen Bund besitzt, werden auf alle deutschen Staaten ausgedehnt.
 
  • 18. Januar 1871: Kaiserproklamation  von Versailles durch die deutschen Fürsten (25 Einzelstaaten); Gründung eines Bundes, also durchaus Reichseinigung von unten.
 
  • Wilhelm I., der König von Preußen, erklärt sich im Spiegelsaal von Versailles bereit, "die deutsche Kaiserwürde" anzunehmen. Anschließend verlas Bismarck die Proklamation "An das deutsche Volk". In ihr heißt es: "Wir übernehmen die kaiserliche Würde in dem Bewusstsein der Pflicht, in deutscher Treue die Rechte des Reiches und seiner Glieder zu schützen, den Frieden zu wahren, die Unabhängigkeit Deutschlands, gestützt auf die geeinte Kraft seines Volkes, zu verteidigen."  Das Volk, an das die Proklamation gerichtet war, trat jedoch in Versailles nicht in Erscheinung. Die Herrschenden blieben lieber unter sich.

 
  • Die Geburtsstunde des Deutschen Reiches stand ganz im Zeichen des militärischen Sieges über Frankreich. Die Kaiserproklamation auf französischem Boden war eine Demütigung für die große Nachbarnation. An dieser Erblast sollte das neue Reich noch lange zu tragen haben.

 
  • 'Deutschland' hatte es zuvor nicht gegeben. Jedenfalls nicht als eine Nation mit einem Staat und einem Volk, das in einheitlichen Grenzen und einer gemeinsamen politischen Ordnung lebte, wie etwa England und Frankreich. Nun waren die Deutschen unter einem Dach geeint. 41,6 Millionen Menschen lebten Anfang der siebziger Jahre in den Grenzen des neuen Reiches, das nach dem Krieg gegen Frankreich auch die süddeutschen Staaten einschloss. Zwei Drittel des gesamten Staatsgebiets und der Bevölkerung gehörte zu Preußen.

Seit dem Mittelalter war vom "Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation" die Rede, wenn Deutschland gemeint war. Hinter dieser Bezeichnung verbarg sich ein Flickenteppich von mehr als 300 über ganz Mitteleuropa verstreuten Staaten. In ihnen herrschten Könige und Fürsten nach Landesrecht und Gutdünken. Der Kaiser, an sich die oberste Autorität dieses Gebildes, hatte wenig Einfluss.

 
  • Bismarck erfüllte mit dem Nationalstaat nur eine Forderung der Bourgeoisie; die andere Forderung, das Mitspracherecht, wurde nicht erfüllt.

Literaturhinweise


Clark, Christopher

Preußen. Aufstieg und Niedergang 1600 - 1947, Bonn 2007

Craig, Gordon A.

Geschichte Europas 1815 -1980. Vom Wiener Kongress bis zur Gegenwart. 3. Auflage München 1989

Gall, Lothar

Europa auf dem Weg in die Moderne 1850-1890 (=Oldenbourg Grundriss der Geschichte 14). München 1997

Görtemaker, Manfred

Geschichte Europas 1850-1918, Stuttgart 2002

Schieder, Theodor

Staatensystem als Vormacht der Welt 1848-1918. Frankfurt a.M. 1977

Schöllgen, Gregor

 Das Zeitalter des Imperialismus (Oldenbourg Grundriss der Geschichte 15). München 1994


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